blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. 0 Allgemeiner Anzeig Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ ür die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Jadenbpur 0 Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder dere Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Neelamen 20 Pfg. 1894. Die hadiſchen landwirthſchafttichen Conſumvereine. Es iſt ein Jahr ſchwerer Arbeit, über das der Vorſtand des Verbandes der Badiſchen Landwirth⸗ ſchaftlichen Conſumpe reine an die vor wenigen Tagen faltgefundene elfte Abgeordnetenverſammlung zu be⸗ Achten hatte, aber es hat andererſeits durch den faſt allgemein herrſchenden Nothſtand der Landwirthſchaft zum Bewußtſein weiter Kreiſe gebracht, in wie hohem Maaße ein feſigefügter genoſſenſchaftlicher Verband der Landwirthe zur rechtzeitigen und mog⸗ lichſt verbilliaten Vermittlung guter Bedarfsartikel nothwendig iſt und ſegensreich wirken kann. Wenn 1898 neben einigen neu binzugetretenen einige Vereine aus dem Verbande austraten, um ſich als freie Ortsvereine den landwirthſchaftlichen Bezirks⸗ dereinen auszuſchließen, ſo iſt dies zur ächſt dem Umſtande zuzuschreiben, daß — eben aus Anlaß des Notbſtandes — den Bezirksvereinen und Gemeinden die Bezüge an Kraftfuttermitteln, Rauhfutter und Streumaterial zu den gleichen Preiſen und Be⸗ günſtigungen durch den Verband vermittelt wurden, wie den angeſchloſſenen Conſumb'ereinen, welche letztere aber, dadurch daß ſie die Waaren theuerer als erſtere an ihre Mitglieder abgeben mußten, zur Beſtreitung ihrer Verwaltungskoſten einen Preisaufſchlag vorzu⸗ nehmen gendthigt waren. Um gegen dieſen, zunächſt unvermeidlichen Miß⸗ ſtand Abhilfe zu ſchaffen, beſchloß der Verbandsvor⸗ ſtand in der Sitzung vom 27. September 1893, die Verhandsvereine nach Abſchluß der Jahres⸗ rechnung durch eine Rückvergütung nach Verhältniß ibrer Bezüge zu entſchädigen. Dadurch werden die Verbandsvereine künftig ganz oder theilweiſe der Nothwendigkeit enthoben, ihrerſeits vorgenannte Zu⸗ ſchläge auf ſolche Waaren zu machen, (welche ander⸗ wärts, z. B. pon den Bezirksvereinen und Gemeinden zu Verbande preiſen ohne Zuſchlag abgegeben werden); können ſie nun doch jeweils nach Ablauf des Ge⸗ ſchüftsjahres auf eine baare Summe als Rückver⸗ gütung rechnen. Auf die Errichtung eines Reſerve⸗ fonds bei Vereinen, denen er noch fehlt (nicht ein⸗ getragene Ortsvereine), legt die Verbandsleitung ein befonderes Gewicht. Ein weiterer Grund zum Aus⸗ tritt für einige kleine Vereine lag darin, daß ſte ihre nur geringen Bezüge als Stückgut vielfach billiger durch einen Händler erhalten können, der in ganzen Wagenladungen bezieht. Auch in di Umſtande, daß bei der ſonſtigen ſtarken Inanſpruchnabme der Verbandsleitung nicht der Fühlung mit den Vereinen durch Abhaltung von Verbandskränzchen hinreichend Rechnung getragen werden konnte, mag die Nicht⸗ vermehung der Vereine begründet ſein. Kränzchen fanden 1893 ſtatt: im September zu Radolfzell, im Oktober in Freiburg und Weinheim, im November zu Villingen, Oberlauchringen und Albbruck. Es beſteht bei der Vorſtandsſchaft die beſtimmte Abficht, in Zukunft einen immer regeren Verkehr mit den einzelnen Vereinen, insbeſondere durch dieſe Kränzchen, herbeizuführen. Wir wollen nicht ver⸗ fehlen, zu erwähnen, daß auch nicht eingetragenen Konſumvereinen der Eintritt in den Verband offen ſteht, inſoweit ſie diſſen Statuten anerkennen. Um den ſtets ſtreng nach Gebaltsgarantie erfolgenden Waarenankauf durch den Verband auch in dieſem Sinne zu unterſtützen, find die Vereine wiederholt dringend zu erſuchen, die bezogenen Waaren auch ihrerſeits einer Uyterſuchung durch die landw. chemiſche reſp. botaniſche Verſuchsanſtalt zu Karls⸗ ruhe möglichſt oft zu unterwerfen, welche koſtenlos erfolgt, ſobald der betr. Probe das zugehörige vom Verband ausgegebene Probenahmeatteſt beiliegt. Im Jahre 1893 konnten weſentliche Beanſtandungen bezüglich der gelieferten Waaren nicht verzeichnet werden. Ausg nommen hiervon iſt leider das Thomasmehl, bei dem ſehr viele Mindergehalte feſt⸗ zuſtellen waren. Die Mindergehalte wurden meiſt anſtandslos rückvergütet, ſofern die Kontrollprobe rechtzeitig der betr. Verſuchsanſtalt eingeſandt worden war. Das Nothſtandsjahr hat gezeigt, daß die Ver⸗ bands verwaltung ihrer nicht leichten Aufgabe, inner⸗ halb des gegebenen Rahmens, vollſtändig gerecht wurde, was auch von Seiten des Herrn Präfidenten des Miniſteriums des Innern bei den bezüglich en Rammerverhandlungen lobend anerkannt worden iſt. Politiſches. 3 Karlsruhe, 11. Maf. In der heutigen Sitzung der Kommiſſion für die kirch⸗npolitiſchen Anträge des Zentrums präziſterte Staatsminiſter Nokk den Standpunkt der Regierung zu den Anträ⸗ gen. Den Antrag auf Zulafſung der religiöſen Orden erklärt er für unannehmbar. Mit der Aufhebung des Miſſfionsverbots ſei die Regierung einverſtanden, dagegen ſei der Antrag auf Herabſetzung des Uni⸗ berfitätsſtudiums für katholiche Geiſtliche von drei Jahre auf drei Semeſter unannehmbar. Die Er⸗ klärungen des Miniſters laſſen keinen Zweifel dar⸗ über aufkommen, doß unſer Zentrum außer der Bewilligung von Miſſionen bei der Regierung kein weiteres Entgegenkommen zu erwarten hat; denn auf eine Anfrage des Abg. Wacker, unter welchen Vorausſetzungen die Regierung die Ordens⸗Nieder⸗ laſſungen genehmigen würde, bemerkte der Miniſter, die jetzigen Verhältniſſe, ſowie die Haltung der klerikalen Preſſe ſprächen nicht für derartige Schritte D Im Strome des Gebens. 6. Roman von Jenny Piorkowska. „Es ſollte wirklich keine Anſpielung ſein,“ hörte ich Joſephine ſagen, „als ich geſtern Abend davon ſprach, wie gern ich wieder einmal Schlitten führe. Aber es ſieht Ihnen ähnlich, in Ihrer liebenswürdigen Weiſe ſo meinem Wunſche nachzu⸗ kommen. Wie werden wir uns bei dem herrlichen Wetter omüſtren!“ Mit meiner Freude war es vorbei! Langſam kehrte ich um und ſagte Martha, ſie mochte Rodegg in meinem Namen danken, aber ich könnte heute nicht mitkommen. f „Ich habe Tante verſprochen, die Einladungen ſchnell fertig zu ſchreiben, domit fie heute noch abge⸗ ſchickt werden können,“ gab ich als Entſchuldigungs⸗ arund vor. Als aber der Wagen mit den frohen Geſichtern davonfuhr, mußte ich meinen ganzen Stolz zu Hilfe nehmen, um nicht in Trähnen auszubrechen, indeſſen blieb mir nicht lange Zeit, meinem Kummer nochzubängen. Ich hörte die kleine Elſe — die ebenfalls hatte zurückbleiben müſſ en, wel Joſephine erklärte, das Kind ſei nur eine unnütz Laſt — in dem Nebenzimmer ſo jämmerlich weinen, daß ich ging, ſie mir zu holen. Ich nahm ſie auf meinen Schooß und erzählte ihr vom Scheewittchen und vom kleinen D ng, aber gegen ſonſti 90 Elſe am Bett ſaß, ſie in Schlaf zu bringen. es mir nicht gelingen, ſie für die hübſchen Geſchichten zu interſſiren. Als ſte ſich endlich müde geweint hatte, ſank ihr Köpfchen an meine Bruſt, aber ſie ſchlief nicht ein, im Gegentheil: ihre Augen bekamen einen ſo ſeltſamen, ungewohnten Glanz, ihre Stirn und ihre kleinen, mageren Hände waren fieberheiß, daß ich angſtvoll Tantes Rückkehr erwartete, damit noch zu dem Arzt geſchickt werde. Der Arzt kam, verſchrieb etwas und gab Weiſ⸗ ung, das Kind ſofort zu Bett zu bringen. 6 Zwei Tage ſpäter fand ein kleiner Ball im Hauſe ſtatt; ich aber befand mich wenig in einer für derartige Festlichkeit paſſenden Stimmung. Schon fuhren die erſten Wagen vor, ſchon ſammelten ſich die erſten Gäſte, als ich noch immer bei der kleinen f Tante Aurel ie hatte ſchon wiederholt nach mir fragen la ſſen, und endlich blieb mir nichts übrig, als das Kind mit einem herzlichen Gute⸗Nachtkuß zu verlaſſen Nach Handſchuh und Fächer greifend, eilte ich die Treppe hinab; plotzlich horte ich meinen Namen rufen, und wie ich mich umwende, ſteht Elſe oben an der Trippe in ihrem weißen langen Nachtkleid und bittet mich in flehendem Tone, ich ſolle doch bei ihr bleiben. Raſch eilte ich die Treppe hinauf. „Aber, Elſe, Du weißt, daß ich geſcholten werde. Komm, ſei lieb ich ſchicke Dir Anna, daß ſie Dir recht ſchöne Geſchichten erzähle.“ Eine Minute lehnte ſie ihre fieberheiße Wange Mama wird boͤſe, gegen die meine dann ging ſie beruhigt wi⸗der in ihr Zimmer. Als ich mich von meiner gebückten Stellung erhob, fiel mein Blick auf das Zimmer, das für dieſen Abend zur Herren⸗Garderobe diente Zwei Herren ſtanden auf der Schwelle und waren offenbar Zeugen der kleinen Scene geweſen. des Einen Geficht war mir völlig fremd, der Andere aber kam mit ausgeſtreckter Hand lächelnd auf mich zu. Verlegen legte ich meine Hand in die ſeine mit der Erklärung, ich müſſe die Jungfer rufen lief ich davon, ohne ihm Zeit zu einem weiteren, Worte zu laſſen. Als ich die Geſellſchaftsräume betrat, wirkten die Mufik, der helle Lichterglanz, der Blumenduft, die eleganten Tofletten — dies alles zuſammen ſo berauſchend auf meine Sinne, daß ich mir vorkam, als wäre ich in dem Märchenwald, von dem ich in meiner Jugend geträumt hatte. Allmälig aber ſchwand der Zauber, und die Wirklichkeit machte ſich geltend, rings um mich ſah ich heitere, frohe Menſchen, aber ich ſelbſt hatte keinen Theil daran; alles lachte, plauderte und ſcherzte, um mich aber kümmerte ſich Niemand.