blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Nr. 36. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ ür die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg amstag den 5. Mai Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder dere Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 61 Pe Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Reelamen 20 Pfg. 1894. Zur Eröffnung der Weltausſtelſlung in Antwerpen. An dieſem Sonnabend findet in der belgiſchen Handelsmetropole Antwerpen die feierliche Eröffnung der jüngſten Weltausstellung in Gegenwart einer diſtinauirten Feſtverſammlung, an ihrer Spitze der König und die Königin der Belgier, ſtatt. Aller⸗ dings theilt auch die Antwerpener Meltausſtellung inſofern das Schickſal faſt aller ihr vorangegangenen gleichen Unternehmungen, als ſie ſich am Tage ihrer offiziellen Eröffnung noch keineswegs völlig fertig präſentirt, den Anſpruch auf Vollendung nach innen und außen wird das Werk vielmehr wobl erſt nach ein paar Wochen erheben können. Indeſſen, wenn die Antwerpener Ausſtellung am 5. Mai auch noch einige Lücken aufweiſen wird, ſo gewährt fie trotz wenn man in den Kreiſen der deutſchen Induſtriellen zur äßſt keine beſondere Luſt verſpürte, um nach dem ſchon jetzt nach allen Mittheilungen hierüber ein großartiges Bid, ſo daß ſie ſich jedenfalls allen bisherigen Weltausſtellungen würdig an die Seite ſtellen kann, ja, manche derſelben in der einen oder anderen Hinſicht villeicht noch übertrifft. Faſt alle hervorragenderen Kulturvolker des Erdballes haben ſich dei dem großen internationalen Wettſtreite auf belgiſchem Boden ein Stelldichein gegeben, während daneben auch minder entwickelte Staaten und Nationen mit den Erzeugniſſen ihrer Gewerbthätigkeit in Ant⸗ werpen vertreten find, wie z. B. die Negerrcpublik Liberia an der fernen Küſte Weſtafrikas. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß ein Staat von der hervorragenden culturellen und induſtriellen Be⸗ deutung Deutſchlands der Weltausſtellung in Ant⸗ werpen nicht fern bleiben durfte, und mit Genug⸗ thuung kann feſtgeſtellt werden, daß unſere vater⸗ ländiſche Induſtrie bei dem Unternehmen würdig und ihrer Weltſtellung ganz entſprechend vertreten iſt. ſchiedene Umftände trugen zu dieſer abgeneigten Wohl ſchien onfangs bei den deutſchen Industriellen im Allgemeinen wenig Neigung vorhanden zu ſein, die Antwerpener Ausſtellung zu beſchicken. Ver⸗ Stimmung bei, nicht zum wenigſten die in vie len Induſtriezweigen noch immer mehr oder weniger andauernde ungünſtige geſchäftliche Conjvetur, dann auch die Cattäuſchung, welche die Weltausſtellung zu Chicago vielen ihrer deutſchen Beſchicker in mancher Beziehung bereſtet hat. Denn wenngleich die deutſche Induſtrie in Chſcago unſtreitig einen glänzenden äußerlichen Erfolg verzeichnen konnte, ſo iſt der für ſie daraus erreichte materielle Erfolg um ſo beſcheidener ausgefallen, und diejenigen deutſchen Ausſteller in Ch cago, welchen es gelang, dort namhafte neue Geſchäftsverbindungen anzuknüpfen, find am Ende zu zählen. Es war daher begreiflich, Antwerpen zu gehen, um hüer vielleicht abermals theiligung an der Weltausſtellung in Antwerpen winken, haben neben der durchgedrungenen Ueber⸗ zeugung, daß fich die deutſche Induſtrie durch ein Fernbleiben von dem jüngſten internationalen Völk r⸗ wettkampfe eine entſchiedene Blöße geben würde, ſchließlich doch bewirkt, daß ſich die deutſchen Induſtriellen zu einer erfreulich zahlreichen Beſchickung der Antwerpener Ausſtellung entſchloſſen haben, ja zuletzt konnten ſogar eine ganze Reihe don An⸗ meldungen aus Deutſchland wegen Ver pätung der⸗ ſelben nicht mehr berückfichtigt werden. Die ganze Sachlage läßt aber auch die rege und ausgezeichnete Betheiligung der deuiſchen Induſttie an der Antwerpener Ausſtellung wohl begreiflich er⸗ ſcheinen. Sc on die geographiſche Lage Antwerpens iſt für die Beſchickung der Ausſtellung von Deutſch⸗ land aus ungemein günſtig, dann kommt hinzu, daß Antwerpen den Haupthafen Europas für die Ver⸗ ſchiffungen nach ganz Südamerika bildet. Die großen Importhäufer Südamerikas werden ihre Ripräfentanten und Einkäufer in dieſem Jahre ſicherlich in beſonders ſtattlicher Zahl nach Antwerpen ſchicken und iſt ſomit für die deutichen Export⸗ indufiriellen eine ausgezeichnete Gelegenheit gegeben, in Antwerpen neue geſchäftliche Verbindungen mit Südamerika anzuknüpfen, welches noch auf lange Zeit ein hochwichtiges Abſatzgebiet für die Induſtrie⸗ erzeugniſſe Europas bleiben wird. Ferner wird die Antwerpener Ausſtellung vor allem aus Belgien ſelbſt und denn aus dem benachbarten Holland ungemein zahlreich beſucht werden, und diefer Umſtand muß von der deutſchen Induſtrie nach Kräften benutzt werden, um ihrer franzöfiſchen Konkurrenz in beiden Ländern energiſches Parole zu biegen, wozu eine Enttäuschungen zu erleben. Indeſſen, die verſchiedenen Vortheile, welche Deutſchland gerade aus einer Be⸗ glänzende Vertretung Deutſchlands in Antwerpen den beſten Weg darbietet. Auf alle Fälle find in 1 . Antwerpen die Vorbedingungen gegeben, um der deutſchen Induſtrie daſelbſt einen durchſchlagenden Erfolg nach allen Richtungen hin zu ſichern und derselben zu einem neuen bedeutungsvollen Schritte behufs weiterer Eroberung des Weltmarktes zu ver: helfen. N 8 Berlin, 1. Mal. Aus militätiſchen Kreiſen verlautet, daß der Kaiſer den großen Uebungen deer beim 14. Armeekorps aufzuſtellenden Kavallerie⸗ Divifton beiwohnen werde. Dieſe Uebungen, die in 1 erſter Linie den Character ſtrategiſcher Kavallerie. Mandver tragen werden, finden gegen Ende Auguſt — — Im Strome des Lebens. Roman von Jenny Piorkowska. Es war ein Geschäftsbrief voll juriſtiſcher Aus⸗ drücke, aber ich nohm mich zuſammen und ſchrieb 8. mit ſo ſchneller, leichter Hand ols ich vermochte. „„Was nun?“ ftagte ich, als ich auch damit Atlig, war, mit vor Eifer hochrothen Backen „Sind See noch nicht abgeſpannt?“ „O, nein!“ Uad ohne ein weiteres Wort hub er an, mir franzöfiſch zu dictiren. Dank Mademoiſſelle Lebruns ſtrengem Unter⸗ richt war ich auf ein franzöſiſches Dectat gut ein⸗ geübt und wurde meiner Aufgabe nun auch gerecht, obwohl es kein Leichtes war, Rodeggs ſchnellen Worten zu folgen. Mein weiteres Anerbieten, ihm zu helfen, lehnte er dankend ab. „Ja ja,“ ſagte er lächelnd, „nicht waßr, das Eiſenbahnungluck war ein ſchlimmes Ding? Da hält es Sie nun hier in dem düſteren ſtillen Hauſe als Gefangene feſt, und nicht genug damit, müſſen Sie auch noch meinen S ccetär abgeben. Mein Arm, fürchte ich, hält mich noch eine Weile hier zurück; darunter ſollen Sie aber nicht zu leiden haben. Ich werde ſuchen, bald eine paſſende Reiſt⸗ geſellſchaft für Sie zu finden!“ „O, darum machen Si: ſich keine Sorge!“ entgegnete ich haſtig; „ich habe durchaus keine Eile, fortzukommen; es gefällt mir ſehr gut hier, und gerne bleibe ich bei Ihnen, bis Sie ſelbſt mich be⸗ gleiten können.“ Von dem Tage an ſtand ich mit meinem Wirthe auf beſtem Fuße. Er erzählte mir von ſeinen Abenteuern in fernen Landen; er v rſtand ſich mit mir zu unterhalten, daß ich ganz vergaß, daß ich am Leben, um den feingeformten Mund ſpielte ein frohes, glückliches Lächeln. Ich war ſo in den An⸗ blick des Bildes vertieft, daß ich Rodeggs Eintritt nicht eher bemerkte, als dis er dicht vor mir ſtand. „Ah, machen Sie Bekanntſchaft mit meinem mit ihm, vor dem ich anfangs ſolche Scheu gehabt, und nicht mit einem Altersgenoſſen von mir sprach. Er las mir vor und zeigte mir allerhand Rel quien und Curiofitäten, die er von ſeinen Reiſen mit heimgebracht hatte. 8 Eines Tages wanderte ich allein durch den alten Ritterſaal, voll Intereſſe die lange Reihe von Rodeggs Ahnen betrachtend. — Das war ſein Vater, den erkannte ſch auf den erſten Blick nach Liſeites Beſchreibung an dem lang herabwallenden Bart und den lebhaften dunklen Augen; das Bild zu ſeiner Rechten war ficher ſein älteſter Sohn Theobald, der ſo jung geſtorben war. Wie ſchade um ſein junges Leben und ſein ſchönes, edles Ge⸗ ſicht! — Wenn ſein Bruder Arthur nur halb ſo ſchön wäre, wie ſtolz wäre ich, in traulichem téte-G-téEte mit ihm bei Tiſche zu fitzen! Ich ging weiter. Da hing das Bild ſeiner Mutter, ein edles, ttwas melancholisches Geſicht; der nrüchſte Platz war 28S Bild mit kritiſchem Blicke leer, doch ſah man noch, daß da auch einſt ein Bild gehangen hatte — gewiß das Portrait der d ſchönen Marianne, das jetzt oben in dem verſchloſſenen Zimmer gegen die Mauer lehnt, dachte ich. Unter dieſem leeren Felde hing eine kleine Kreideſkizze, die ich mit beſonderem Intereſſe betrachtete. Sie ſtellte einen Knaben von ungefähr ſechzehn Jahren mit ſchönen edlen Zügen dar; aus den dunklen Augen mit dem offenen Blick ſprach die rechte, echte Freude Vorfahren?“ fragte er. Ich nickte. „Iſt das auch einer Ihrer Vorfahren?“ ſagte 1 ich, auf die Kreidezeſchnung weiſend. . „Nein,“ entgegnete er lächelnd, „gerade kein Vorfahre, mehr ein verwandter Zeitgenoſſ. „Das Bild iſt Ihnen ſehr ähnlich.“ N „Das wird mir öfter geſagt.“ e „Die G ſichtsſorm und auch ein gewiſſes Etwas in den Augen iſt ſehr ähnlich,“ meinte ich, das betrachtend, „nur der Geſichtsausdruck iſt ein ſo ganz aaderer.“ „Sie haben recht.“ verſetzte er ernſt, faſt trübe; ein unerſchütterliches Vertrauen auf ſeine Mitmenſchen „„aus dieſem Ge ſicht ſpricht Hoffnung und Muth und .