Marl. erkauft weilet/ Id. 5 eker enz Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg Samstag den 3. März Der ruſſtſche Vertrag im Reichstage. Die ſeit Montag flattgefundeue erſtmalige Be⸗ ralung des deutſch⸗ruſſiſchen Handels vertrages im Reichstage hat vor Allem gezeigt, daß ſich dieſer hochwichtigen Frage durch deren parlamentariſche Behandlung ſchwerlich mehr eine weſentlich neue Seite abg⸗winnen loſſen wird. F eunde wie Gegner des Vertrages im Reichstage haben bei der mehr⸗ tägigen Generaldebatte über denſelben im Großen und Ganzen mit den nämlichen Gründen operit, die man bereits aus der lebhaften Erörterung des Vertragswerkes ſeitens der öffentlichen Meinuag Deutſchlands hinlänglich hat kennen lernen, ebenfo⸗ wenig iſt r gierungsſeſtia bei Verteidigung d'sſelben noch etwas beſonders Neu's vorgebracht worden. Schließlich handelte es ſich aber auch bei dieſen De⸗ batten zunächſt weniger darum, den Vertrag in eine möglichſt neue Beleuchtung zu rücken, ſondern es galt hierbei offenbar in erſter Linie, nunmehr vor dem geſamten Lande nochmals alle die Erwägungen für und gegen den Vertrag zu erörtern und gegen⸗ über der Wählerſchaft den Standpunkt teils der ein⸗ zelnen Abgeordneten, teils der Fraktionen und Par⸗ teien zu der ſchwebenden großen Tagesfrage darzu⸗ legen. 5 Dies iſt denn auch in mehr oder weniger aus ⸗ giebiger Weiſe geſchehen, und man muß geſtehen, daß Freunde wie Gegner des ruſſiſchen Vertrages unter den Reichsboten ihren Anſchauungen hierüber mit gleich großer Wärme, Geſchicklichkeit und Ueber⸗ zeugung verfochten haben. Anderſeits hat jedoch auch die Reichsregierung durch ihre Vertreter ſcharf und klar ihre Stellungnahme in der Frage bekunden und die Verteidigung des Vertrages mit Rußland dom Regierungsſtandpunkte aus ebenſo umfafſend Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Peivatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Neclamen 20 Pfg. 1894. wie nachdrücklich führen laſſen. In dieſer B⸗ziehung bildet wohl die in der Dienstagsfitzung gehaltene große Rede des Reichskanzlers eine oratoriſche und ſachliche Leiſtung erſten Ranges, die ſekbſt auf Seiten ſeiner polittſchen Gegner Würdigung findet. Graf Caprivi legte nochmals die allgemeinen Gründe dar, welche in polftucher wie wutſchaftlicher B- ziehung für den Abſchluß eines Handelsvertrages zwischen Deutſchland und Rußlond sprechen, und wies die verſchiedenen Einwendungen und Gegenargumente, welche bereits in der Tagesdiscuffion und nun auch im Parlamente ſelbſt wider die jüngſte we iaus⸗ ſchauende handelspolitiſche Action der deutſchen Re⸗ gierung erhoben worden find, klar und kräftig zurück. Hierbei flocht er verſchiedene immerhin b'merkens⸗ werthe Erklärungen mit ei, ſo diejenigen, doß ihm die leitenden Staatsmänner Oe ſt⸗rreich⸗Ungarns und Italiens ihre Freude über das Zuſtandekommen des Vertrages ausgedrückt hätten und weiter, daß das preußiſche Staatsmimſterſum und der Bundes rath demſelben einhellig zugeſtimmt hätten. Auch verfehlte Graf Caprivi nicht, darauf hinzuweiſen, wie ſehr der Kaiſer von der Nothwendigkeit der neuen Wirth⸗ ſchaftspolink und im Speziellen des deutſch⸗ruſſiſchen Handelsvertrages überzeugt ſei. Mit lebhaften Farben malte dann der Kanzler die bedenklichen Folgen aus, welche eine etwaige Nichtannahme des Vertrages durch den Reichstag zeitigen würde, während der Schlußtheil ſeiner Ausführungen eine energiſche und unverblümte Abſage an den Bund der Landwirthe enthielt. Qb die Darlegungen des leitenden Staatsmannes auf die in der Frage des ruſſiſchen Handelsvertrags noch ſchwankenden Elemente des Reichstages einen nachhaltigen Eindruck machen werden, muß vorläufig dahingeſtellt bleiben. Jedenfalls geht aus der Kund⸗ In den Jeſſeln der Schuld. Criminalnovelle von C. Sturm. 0 10. Rechnet man zu dieſen ſeinen Eigenſchaften hinzu, daß Hilliſſen Bankdirektor und College Pohl manns war und auch ein großes Privatvermögen beſaß, ſo wird man es wohl für ſehr erklärlich finden, daß er nicht im Geringſten geneigt war, dem Profeſſor Galen Carola Pohlmann ſo leicht als Braut heimfſühren zu laſſen. Ene fatale Ueberraschung oder gar ein Aerger⸗ niß wollte aber Herr Pohlmann in dieſer delikaten Angelegenheit unter allen Umfländen vermeiden, deshalb führte er, als die Tafel aufgehoben war, und die Herrſchaften ſich in den Salon zurückgezogen hatten, Hilleſſen in ein Nebenzimmmer und theilte di ſem mu, daß Carola mit dem Profteſſor Galen bereits ſo gut wie verlobt ſei, und daß nur mit Rüclſicht auf den pötzlichen To) des Direktors Ruſtan und die ſchuldige Theilnahme an dieſem Trauerfalle die Verzögerung der öſſiziellen Anzeige der bereſts vor fünf Wochen ſtattgefundenen Verlobung Carolas und des Prof ſſors Galen verurſacht habe. Dieſe Mittheilung regte das Gemüthsleben Hilleſſens auf das Schwerſte auf, und wie von einem Scheckſalsſchlage getroffen, ſtand er bleich und düͤſter vor Pohlmann. „Iſt diefe Verlobung wirklich ſchon eine un⸗ abänderliche Thatſache ?“ frug dann Hilleſſen, ſeine Aufregung kaum verbergend. „Ja,“ entgegnete Pohlmann feſt und ruhig und um Hilleſſen auf andere Gedanken zu bringen, ſetzte er hinzu, „meine Tochter iſt auch ſehr glücklich verlobt, denn ſie liebt ihren Bräutigam von Herzen und ebenſo gehört ibr die ganze Liebe des Profeſſors Galen. Noch nie ſah ich eine Verlobung, die aus ſo reiner, uneigennützige Liebe geſchloſſen wurde, wie dieſe, und an einem ſolchen Eheverbrechen ſoll man nichts zu ändern wagen. Das verhüte Gott!“ Mit einem tiefen, ſchmerzlichen Seufzer wandte ſich H lliſſen nach inem Fenſter des Zimmers und ſtarrte in tiefſter Enttäuſchung in den ſchönen Garten hinaus, deſſen Reize auf ihn nicht die geringſte be⸗ ruhigende Wirkung ausübten. Bedenklich den Kopf ſchüttelnd, blickte Pohl⸗ mann auf ihn. Hatte dieſer ehrgeizige Streber, dieſer küh berechnende Hilleſſen wirklich ein ſo tief empfin⸗ dendes Herz oder hat ſich ſeiner nur eine heiße Leidenſchaft für das ſchöne junge Mädchen be⸗ mächtigt? Pohlmann wußte gar nicht, was er in dieſem ſeltſamen Falle als richtig annehmen ſollte. „Lieber Hilleſſen, ſo bedauere unendlich, daß Ihr erſter gaſtlicher Beſuch in meinem Hauſe Ihnen eine bittere Enttäuschung gebracht hat, aber dieſelbe zu verhüten, ſtand wahrhaftig nicht in meiner Hand,“ gebung des Reichskanzlers hervor, daß die Reich ⸗ regierung unter allen Umſtänden entſchloſſen iſt, an dem Vertrage feſtzuhalten. Allerdings hat Graf f Coprivi in ſeiner Rede noch nicht mit der Auflöſung des Parlamentes im Falle einer Ablehnung des Vortrages gedroht, indeſſen bezweifelt Niemand mehr eine ſolche Abſicht der Regierung; welche eigenthümliche, verworrene Situation aber entſtehen würde, wenn etwaige Neuwahlen unter dem Zeichen des ruſſiſchen Handelsvertrages vollzogen werden müßten, das hat Abg. v. Bennigſen in ſeiner gleichfalls am Dienstag gehaltenen R de zu Gunſten des Vertrages draſtiſch genug dargelegt. Gerade hinfichtlich des endgiltigen parlamentariſchen Schicklales des Vertrages hat in⸗ dſſen die Generaldebatte über denſelben noch keinen hinlänglichen Aufſchluß gebracht, es heißt alſo bis auf Weiteres, noch immer mit der Möoͤglichkeit eines Scheiterns des ruſſiſchen Handelsvertrages und dem nach auch mit der ferneren Möglichkeit einer Aufloͤſung des jetzigen Reichstages rechnen. Politiſches. 5 4 Berlin, 28. Febr. Der dem Reichstag zuge- gangene Geſetz entwurf betreffend die Aufhebung des Identitätsnachweiſes beſagt: Bei Ausfuhr von Weizen, Roggen, Hafer und Hülſefrüchten aus dm freien Verkehr des Zollinlandes werden, wenn die mindeſtens 500 Kilogramm beträgt, auf Antrag des Wagenſührers Beſcheinig⸗ ungen erteilt. daß der Inhaber berechtigt iſt, inner: halb einer vom Bundesrat beſtimmten längſtens 8 Monate laufenden Friſt eine dem Zollwerte der Einfuhrſcheine entſprechende Menge der nämlichen Warengattung ohne Entrichtung eins Zolles emn⸗ ausgeführte Menge zuführen. Den Inhabern von Mühlen und Mälze⸗ reien wird für die Ausfuhr ihrer Fabrikate Erleich?! — — ſagte Pohlmann darauf tröſtend zu dem traurigen 1 Freier. —— „Bis zu einem gewiſſen Grade haben Sie durchaus recht, mein verehrter Herr College,“ er⸗ wiederte H lleſſen jetzt, ſeine Ruhe wieder gewinnend und neue Verſuche machen, ſich an eine letzte Hoff⸗ 1 nung zu klammern, „aber auch ich bin durchaus unſchuldig daran, daß ich mein Herz an Ihre Fräulem Tochter berloren habe und eige ſolche 4 müchtige Liebe in mein bisher ſo kühles Herz emn⸗ pfing, daß mich der Gedanke an einen unumftößlichen ewigen Verzicht raſend machen konnte. Lieber Herr Pohlmann, die Menſchenherzen find wunderbar und Niemand kann vorausſagen. Es iſt doch nicht ganz unmoglich, daß Fräulein Carola, die noch ſo jung, ſo wenig erfahren in Herzensangelegenheit iſt, nur unter einem ge⸗ wiſſen Zauber, den dieſer begabte Profeſſor auf ſeine Umgebung ſtets ausübt, ihr Herz verſchenkt hat, auch andere würdige Freier ſchätzen zu lernen, ihren Sinn noch ändert.“ 85 f Pohlmann ſchüttelte ungläubig den Kopf und agte: 1 „Ich kann Ihnen nicht die geringſte Hoffnung machen, lieber Hilliſſen, denn mie und mimmer glaube ich an eine Sinnesänderung meiner Tochter in Bezug auf ihre tiefe, reine Lube zu Profiſſor Galen, und meine Frau und auch mein Sohn find derſelben Anſicht. Profeſſor Galen iſt auch nicht nur ihre Wandlungen ergründen und