jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. lär die Redaktion derantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg Nr. 12. 222. ˙ꝛ—ͤ—ꝛ 5 —ʃ—:1 j2 Druck und Verlag von Rarl Molitor, Ladenburg. —— Samskag den 10. Februar Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Recelamen 20 Pfg. 1894. Der deut ſch-ruſſiſche Handels vertrag. Nach monatelangen, überaus mühevollen und verwickelten Unterhandlungen iſt der neu deutſch⸗ ruſſiſche Handelsvertrag jetzt endlich zu Stande ge⸗ kommen, abgeſehen von einigen Formalftäten, di: indeſſen in den nächſten Tagen ebenfalls zur Erledig⸗ ung gelangen werden. Die Veröffentlichung des Geſammtinhalts des abgeſchloſſenen Vertrages ſteht zwar noch aus, aber immerhin iſt mit dem künftigen Tarif für die deutſche Waareneinfuhr nach Rußland bereits der weſentlichſte und wichtigſte Theil des neuen Vertragswerkes veröffentlicht worden, und gerade aus den eiaſchlägigen Ziffern erhellt die Be⸗ deutung desſelben für Deutſchland. Rußland hat in dieſen Zollpofitionen hauptlächlich der Induſtrie und dem Handel Deutſchlands Erleichterungen und Zugeſtändniſſe gewährt, wie ſie in ſolchem Maße dei der Zähigkeit, mit der Rußland ſeinen einſeitigen Standpunkt in den zollpolitiſchen Unterhandlungen mit Deutſchland lange Zeit feſthielt, kaum noch er⸗ wartet werden durften. Allerdings find bezüglich einiger der wichtigeren deutſchen Induſtriezweige be⸗ dauerlicher Weiſe gar keine, oder doch nicht weiter belangreiche Herabſetzungen des bisherigen hohen ruſſiſchen Zolltarifs zu erlangen geweſen, was z. B. von der Galanterie⸗ und Waarenbranche, von der Gardinen ⸗Sp tzen⸗ und Stick“ rei⸗Induſtrie und der Porzellan⸗Induſttie gilt. Dafür haben aber die meiſten anderen Zweige der deutſchen Induſtrie und unter ihnen die hervorragendſten, theilweiſe ganz er⸗ hebliche Zollermäßigungen von ruſſiſcher Seite er⸗ fahren. Hierher gehören namentlich die Eiſen⸗ und Maſchinen⸗, ſowie die Kohlen⸗Induſtrie, ferner die Leder⸗, Flachs⸗, Hanf⸗ und Jute⸗Induſtrie, die Fabrikation von Kleineſſen⸗ und Blechwaaren, die Uhren⸗ und die Mufikwaaren⸗IJiduſtrie, die Woll⸗ Induſtrie, die Sammet⸗ und Pläſch⸗Induſtrie, die Strumpfwaaren⸗ und die Poſamenke waaren⸗Branche und noch viele andere Induſtriezweige. Durchſchnitt⸗ lich beträgt die von Rußland dem deutſchen Partner auf den meiſten induſtriellen Gebieten durch den neuen Vertrag gewährte Herabſetzung des Eingangs⸗ zolles zwanzig Prozent, doch treten für verſchledene deutſche Waarengattungen auch Zollermäßigungen von dreißig Prozent und darüber in Kraft. Zu dieſen Vortheilen für die deutſche Induſtcie kommt noch das ruſſiſche Zageſtändniß, wonach olle Tarifkonz⸗ſſionen, welche Frankreich in dem ruſſiſch⸗ franzöſiſchen Handelsabkommen dom Jahre 1899 bewilligt worden find, auch den deutſchen Induſtrie⸗ producten ohne Weiteres zug'ſtanden werde ſollen. auf zehn Jahre abgeſchloſſen, er läuft alſo bis zum Jahre 1904 und dies iſt eine verhältnißmäßig lange Zeit. Sie gewährt dem Handel und der Induſtrie Deutſchlands vor Allem die Möglichkeit, ſich irn Verkehr mit dem Czarenreiche auf weiterausſchauende eröffnet ſich der Gewerbthätigkeit und dem Export⸗ handel Deutſchlands nunmehr die begründete Ausſicht, wenigſtens einen Theil ihres früheren ausgedehnten ruſſiſchen Abſatzgebietes wieder erobern zu können. ö Wenngleich nun nicht abzuläugnen iſt, daß die Vortheile des neuen Handelsvertrages mit Rußland in etſter Linie unſerem Handel und der Induſtrie nützen, ſo hat doch auch ſchließlich die deutſche Land⸗ wirthſchaft bis zu einem gew ſſen Grade hieran An⸗ theil. Von landwirthſchaftlichen Producten, oder von Erzeugniſſen, die aus ſolchen hergeſtellt werden, haben In den Jeſſeln der Schuld. Criminalnovelle von C. Sturm. 4. Auch dem Contordiener Berner ſchenkte heute der Direktor großmüthig ein Glas Wein und be⸗ merkte dabei: „Stärken Sie fich, Berner, denn es kann ſein, daß wir eine traurige Arbeit bekommen, einen Ver a wundeten oder gar Todten nach Haufe zu geleiten.“ Dann nahm Pohlmann Hut und Stock, verließ die Bank und ſtieg in ſeine Cquſpage. Berner mußte auf dem Bocke neben dem Kut⸗ ſcher Platz nehmen und fort ging es im ſcharfen Trabe. Pohlmann kannte wie ſchon erwähnt wurde, den Weg, den Ruſtan gewöhnlich auf ſeinem Spaziettitte einzuſchlagen pflegte, und als der Wagen die Stadt paſfiit hatte, fuhr man lang⸗ ſamer der Chauſſee dem Waldbache entlang. Die Landſchaft beſtand hier meiſtens aus Wieſen nebſt einigem Laubholz, durch welches einige Promenaden⸗ wege führten. Da und dort ſah man auch vereinzelt⸗ ſtehendes Gebüſch und einige auf den Wieſen an⸗ gelegte Gräben. Pohlmann ließ den Wagen mehrmals halten und blickte, ſcharf ausſpürend, nebſt Berner in der Umgebung umher, um vielleicht eine Spur von dem verunglückten Ruſtan oder deſſen herrenloſem Pferde Ferner iſt der neue deutſch⸗ruſſiſche Handelsvertrag „Dis pofitionen einzulaffen, ein Moment, das bisher bei der abſoluten Unberechenbarkeit und Willkür der ruſſſſchen Zollpolitik vollſtändig gefehlt hat; jedenfalls eine ganz bedeutende Zollermäßigung ruſſ ſcherſeits erfahren Kartoffelmehl, Stärke, friſche Früchte, Gemüſe und ganz beſonders Hopien, welches wichtige land⸗ wirthſchaftliche Produet bei der Einfuhr nach Rußland künftig nur noch 70 Pfg. Zoll per Kilogramm, an⸗ ſtatt 2 Mk, zahlen wird. Anderſeits muß die deutſche Landwirthſchaft freilich die Herabſetzung der deutſchen Getreidezölle gegenüber Rußland auf 3 50 Mk. ber 100 Kilogramm mit in Kauf nehmen, und in dieſem Punkte wird die zu erwartende Bekämpfung des ruſſſſchen Vertrages ſeitens der parlamentarſſchen Vertreter unſerer Landwirthſchaft ficherlich am ſchärfſten einſetzen. Indeſſen muß da zunächſt an der An⸗ nehme feſtgehalten werden, daß künftig einfach die ruſſiſche Coneurrenz bei der Brotverſorgung Deutſch⸗ lands theilweiſe wenigſtens wieder an die Stelle der öſterre chiſch⸗ungariſchen, rumäniſchen, amerikaniſchen u, ſ. w. Getreideeinfuhr kreten und daß demnach die Auslandsconeurrenz für die deutſche Landwirthſchaft hiermit nicht weiter verſtärkt werden wird. Im Uebrigen kommt neben der wirthſchaftlichen Bedeutung auch die politiſche Bedeutung des deutſch⸗ ruff ſchen Vertrages in Betracht und auch die Gegner des Vertrages werden die politiſche Seite desſelben nicht unterſchätzen wollen. Hier ergiebt ſich auch ein bedeutſames patriotiſches Moment, welches für das deutſche Parlament mit zu Gunſten des ruſſiſchen Handelsvertrages in Gewicht fallen muß, und vie⸗ leicht wird fich der Reichstag in ſeiner Mehrheit bei Berathung des Vertrages um ſo eher für ihn ent⸗ ſcheiden, als fich ja Kaiſer Wilbelm auf der jüngſten patlamentariſchen Sons beim Reichskanzler in jedem Sinne ſo entſchieden für den ruſſiſchen Vertrag unter beſonderer Betonung ſeiner politiſchen Be⸗ deutung ausgeſprochen hat. Vielleicht dürfte gerade dieſe klare und überzeugte Stellungnahme des erlauchten — zu entdecken. Aber man beobacht⸗te nichts Verdäch⸗ entlang. Derſelbe war wie gewöhnlich im Frühjahre und weil auch in der letzten Woche viel Rigen gefallen war, ziemlich ſtark angeſchwollen und reißend floſſen an vielen Stellen ſeine Wellen. Das Ufer zeugte fich an dieſer Seſte auch ſteil und hoch, und Pohl⸗ mann, ſchaudernt hinab in das brauſende Waſſer blickend, dachte bei ſich, daß Ruftan bei einem jähen Sturze in den Bach auch ohne Gift den Tod ge⸗ funden haben würde. Faſt alle dreißig oder vierzig Schritte ließ er den Wagen jizt halten und ſpähte mit Berner und dem Kutſcher in den Bach und auf die ſteilen Ufer deſſelben, aber immer war es ver⸗ geblich und keine Spur von dem unglückſeeligen Bankdirektor Ruſtan konnte wahrgenommen werden. Da, als der Wagen wieder bielt, und Berner fich beobachtend auf dem Kutſcherfſtze nach lings ge⸗ beugt batte, rief ec plötzlich: „Dort ſchwimmt ein feiner Cilinderhut, der könnte von Ruſtan verloren worden ſein.“ „Sie können Recht haben, Berner,“ bemerkte Pohlmann, mit ſtarren Blicken den in den Wellen tanzenden Hut beobachtend, „aber wenn dieſer Hut von Direktor Ruſtan herrührt, dann iſt das Unglück viel weiter oben Pafſirt, denn der Hut ſchwimmt doch längere Zeit im Waſſer herum. Friedrich, fahren tiges und weiter ging es nun dem Waldbache Sie im Schritt weiter und halten Sie nun nicht eher, als bis wir etwas verdächtiges wahrnehmen.“ Nach einer Weile kam dem Wagen ein Feld⸗ arbeiter entgegen, welcher ein über und über mit Schaum, Schweiß und Staub bedecktes Reitpferd am Zügel führte. „Großer Gott, das iſt ja Herrn Ruſtan braunes Pferd,“ rief Berner erregt, „ganz ficher iſt ihm ein Unglück zugeſtoßen!“ „Halt, Mann!“ erklang es auch ſchon laut aus Pohlmanns Munde, wo haben Sie das Pferd gefunden?“ „Es lief drüden im Walde herum und ſcheint ſeinen Reiter in den Bach g⸗worfen zu haben,“ ant⸗ wortete der Feldarbeiter, „denn es war ganz naß an den Beinen. Ich habe es eingefangen und will es in die Stadt zur Polizei führen, die wird den Ei⸗ genthümer ſchon ausfindig machen.“ „Das iſt recht von Ibnen und Sie ſollen dafür belohnt werden,“ bemerkte Pohlmann. „Wir kennen aber das Pferd, es gehört dem Bankdirektor Ruſtan, führen Sie es alſo in deſſen Haus, Prinzenſtraße 11. Hier haben Sie einen Thaler, ich bin ein Freund des verunglückten Reiters.“ Dankend nahm der Feldarbeiter das Geldge⸗ ſchenk in Empfang und versprach, das Pferd ge⸗ wiſſenhaft in dem Hauſe des Direktors Raſtan ab⸗ zuliefern. 0 8 Wieder fuhr der Wagen eine Strecke weiter