blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Jar die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg Nr. 10. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ 2. 88 B ——— r stag den 3. Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle . 0 10⁰ Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Neclamen 20 Pfg. 1894. Ligtbötiae. Es würde verfrüht ſein, jetzt mit einemmale die g drückte Stimmung, die uns oft in letzter Zeit beſchleichen wollte, abzuſchütteln und eitel Licht und Sonnenſchein zu erblicken, wo doch kaum der Morgen wieder tagt. Und dennoch mu man mit Genugthu⸗ ung und Freude darauf hinweiſen, daß die vorletzte Januarwoche uns einen Weg erblicken läßt, der hin⸗ aus aus all' den Wirrſalen führt, in denen wir uns ſeit dem vorigen Jahre befinden. Mag man immer die politiſchen Folgen der Verſöhnung zwiſchen dem Kaiſer und dem Fürſten Bismarck noch ſo gering anſchlagen, das leuchtet ſofort ein, daß der ſchwindende Groll eines Bismarcks denn doch derjenigen Oppofition gegen den neuen Kurs, die ſich hauptfächlich mit dem Namen des Altreichskanzlers deckte, den beſten Teil ihrer Kraft nimmt. Außerdem iſt der Umſtand, daß der Alte in Friedrichsruh jetzt wieder in den Reihen derer tritt die auch in der auswärtigen Politik das Ohr des Monarchen leicht erreichen können, wahrhaftig nichl gering anzuſchlagen. In der großen Verſöhnungswoche waren aber noch zwei Ereign ſſe im preußiſchen Abgeordneten⸗ hauſe zu verzeichnen, die nicht genügend gewürdigt worden find und dennoch geeignet erſcheinen, uns mit der Hoffnung zu erfüllen, daß wir ſowohl in der Reichs finanzreform wie in der Krönung der Handels⸗ vertragspolitik zu einem guten Ende kommen werden. Ausſchlaggebend für dieſe Betrachtung iſt die Gewiß⸗ heit, daß Reichskanzleramt und preußiſches Staats⸗ miniſterium ſich völlig einſt fühlen in der Durchführ⸗ ung der Handesvertragspolitik. Das iſt äußerſt wertvoll, denn der Wagen der Reichpsolitik, würde in Bälde gründlich verfahren worden ſein, wenn die fille Nebenbuhlerſchaft zwiſchen Caprio und Miquel, die hier und da als ſeſtſt⸗hende Thatſache angenom⸗ men wurde, der Wuklichkeit entſprach. Miquel iſt kein jugendlicher Schwärmer vielmehr der erfahrenſte Reolpolitiker, den das preußi ch Staats⸗ miniſterium Eulenbung in ſeinen Reihen zählt, Da iſt es denn doch mehr als bloße Hoffnungsfreudig⸗ keit, wenn ſich der Finanzminiſter am 24. Januar bei der erſten Beratung des Etats im Abgeordneten⸗ hauſe dahin ausſprach, daß im Reichstag wenigſtens ein weſendlic er Teil der Fmanzreform durchgeführt werden würde, da es ſich dabei nicht bloß um eine untergeordnete Finanzfrage handelte, ſondern weil darin die große nationale politiſche Frage ſtecke, wie auf die Dauer ein erträgliches Verhältnis zwiſchen dem Reiche und den Einzelſtaaten beſtehen könne. Die Finanzreform dürfe nicht aufgeſchoben werden, da die Situation immer ſchwieriger, die er forderlichen Mliteln immer gewaltiger und die Uebelſtände immer größer würden. Wenn der Reichstag die eigenen Einnahmen des Reichs fetzt nicht weſentlich vermehre, ſo ſtünden wir unausbleiblich vor einer andauernden Steigerung der Matrikularumlagen. Iſt die Durchführung des Miquelſchen Finanz ⸗ reformplanes eine Angelegenheit von ungeheurer Tragweite für die ganze weitere Entwickelung des Reiches ſo iſt für die Gegenwart nicht weniger wichtig, daß am 26. Januar bei der forgeſetzten Be⸗ ſprechung der Interpellation Kröcher und Genoſſen im Abgeordnetenhauſe der preuf iſche Handelsminiſter Freiherr v. Berlepſch Veranlaſſung nahm, auf das unzweideutigſte klipp und klarr zu erklären, daß die preußiſche Staatsregierung ſeit den Verhandlungen mit Oeſtereich⸗Ungarn ſich zu keiner Zeit in Bezug ouf die Handelspolikik im Gegenſate zur Reichs⸗ regierung befunden hat. Die Annahme des Herrn v. Hammerſtein, daß die preußiſche Regierung in der Frage der Handelsverträge vom Reiche vor eine vollendete Thatfache geſtellt worden ſel, iſt unrichtig, denn, ſo führte Frhr. v. Berlepſch aus, in keinem Stadium, ſeit der Zelt, wo die Verhandlungen mit O ſterreich⸗Ungarn begannen, bis zum heutigen Tage iſt das Verfahren, welches ſeitens der Reichsregier⸗ ung eingeſchlagen word 'n iſt, derartig geweſen, daß es dadurch der preußiſchen R⸗gierung unmöglich ge⸗ macht wäre, rechtzeitig ihre Bedenken gegen die Ver⸗ träge der Reichsregierung geltend zu machen. Seit Donnerstag voriger Woche haben in Berlin die Verhandlungen wegen Aufhebung der preußiſchen Staffeltarife begonnen. Kommt man hier zu einem guten Ende, ſo iſt anzunehmen, daß in Süddeutſch⸗ land auch die letzten Bedenken gegen den tuffiſchen Handelsvertrag ſchwinden werden. Die Verſöhnung des Kaiſers mit Bismarck, die. Einmütigkeit zwiſchen dem Reichskanzleramt in dem preußiſchen Miniſterium, die gebeſſerten Aus fichten für den deutſch⸗ruſſiſchen Handelsvertrag, die Zuver⸗ ficht Miquels, einen nicht unweſentlichen Teil der Reichs finanzreform doch noch zu retten, das find Lichtblicke, die uns eine Beſſerung unſerer innerpoll⸗ tiſchen Verhältneſſe erhoffen laſſen. Die trübe Düm⸗ merung, die uns um Weihnachten und Neujahr den polltiſchen Horizont umhüllte, ſie iſt der Morgenröte eines neuen Tages gewiſchen. 55 Politiſches. 8 Berlin, 31. Jan. Der „Reichsanzeige veröffentlicht einen Erlaß des Kaiſers an den Reichs⸗ kanzler. Der Kaiſer betont, daß er beim Eintritt in ein neues Lebensjahr und anläßlich ſeiner 25jäh⸗ rigen Zugehörigkeit zur Armee durch mannigfache Beweiſe treuer Liebe Seitens des deutſchen Volkes, In den FJeſſeln der Schuld. Criminalnovelle von C. Sturm. 2. Frellich regte ſich dann in manchen jungen Mädchenberzen auch der Neid, als Profeſſor Galen Carola Pohlmann zur Tafel führte und mit ihr ſo geiſtvoll und ſo herzlich plauderte, als wäre Fräu⸗ lein Pohlmann bereits ſeine beſte Freundin und er ihr nicht vor einer halben Stunde erſt vorgeſtellt worden. Aber es konnte ja auch nicht anders ſein als daß Profeſſor Galen, der Freund des Referendars Ernſt Pohlmann, bei ſeinem erſten eintreten in das Haus des Bankdirektors der Tochter deſſelben zunächſt ſeine Huld gungen und ſeine ganze bezaubernde Lie⸗ benswücdigkeit zuwandte. Nach der Beendigung der Tafel und während des dann folgenden Balles würde dieſer neue Stern in der Herrenwelt, als welchen man Prof ſſor Gallen bereits anſah, fich wohl auch dazu veranlaßt ſthen, ſeine Strahlen weiter zu verbreiten und noch andere Bekanntſchaften zu machen. Aber dieſe Berechnung dieſer Damen und Her⸗ ten trug faſt gänzlich, denn Profeſſor Galen wich auch nach der Aufhebung der Tafel lange Z'it uicht von der Seite Carolas, er tanzte nicht nur Polonaiſe, ſondern auch Walzer und Contre mit ihr, und war auch in den Pauſen bemüht, die junge Dame zu unterhalten. Natürlich ſahen dies auch die Eltern Carolas ſehr gern, denn ein ſo bedeutender und in ſo glän⸗ zenden Verhältniſſen lebender Mann wie Profeſſor Galen mußte auch in anſpruchvollen Familien ein beliebter Freier ſein. Des Bankdirektors Augen glänz⸗ ten vor heller Freude, wie er den Profeſſor ſo un⸗ zertrennlich an der Tochter Seite ſah, und Frau Direktor Pohlmann erkannte mit dem Scharfblick der erfahrenen Mutter, daß bereits bei dieſer erſten Be⸗ gegnung der Liebe in das Herz Carolas, wie auch in dasjenige Golens ihren fiegreichen Einzug gehal⸗ ten hatte, und ſie bet te ſtill zu Gott, daß er das hohe und unerwarlete Glück der geliebten Tochter vollenden möge. Am meiſten triumphirte, wenn auch im Stillen, Ernſt Pih em enn, denn er war es ja, der den Pro⸗ feſſor Galen ſeinen Freund nannte und der ihn in das Elternhaus eingeführ hatte. Ihm wurde deshalb auch von Vater und Mutter und ganz beſonders von Carola herzlicher Dank zu theil, daß er es ver⸗ ſtanden, den Profeſſor für das Feſt und vielleicht für eine Freundſchaft für das ganze Leben zu ge⸗ winnen. Und Ernſt war naturgemäß auch derjenige, dem fich der Profeſſor zuerſt off nbarte, als er mit dieſem ſpäter in einer ſtillen Niſche des Saales ſtand und dem Tanze zuſchaute. „Lieber Freund,“ flüſterte Galen dem Referendar leiſe in's Ohr, „ich muß Ihnen ein Geſtändniß machen. Ich bin heute Abend im Begriff, mein Herz an Ihre Schweſter zu verlieren, und ich ſehe keinen anderen Ausweg, als daß ich entweder muthig um Fräulein Carola freie, oder, falls dieſes Vorhaben nicht den Beifall Ihrer Eltern finden ſollte, daß ich reſignirt verzichte, und ſobald als möglich mich ent⸗ ferne.“ „O mein verehrter Freund denken Sie doch nicht an letztere Moglichkeit!“ antwortete Ernſt Pohlmann freudig bewegt und reichte dem Proftſſor die Hand. „Ihre Werbung iſt doch eine große Ehre für uns und zumal auch für meine Schweſter, und wenn dieſelbe Ihre Liebe erwiedert, was mir ſo gut als ficher erſcheint, ſo kann ihre Werbung uur von Erfolg begleitet ſein. Ich bitte Sie freudlich, morgen meinen Eltern einen Beſuch zu machen, ich werde dief ben wie auch meine Schweſter vorbereiten.“ „Meinen herzlichſten Dank!“ entgegnete der Profeſſor freudig, und mit Wärme fuhr er fort, „o, welche glückliche Fügung für mich, eines lieben Freundes Schweſter freien zu lönnen! Schon ſeit Jahren ſehne ich mich nach einem eigenen Heim und Haus, und nun ſoll der Wunſch mir ſo raſch und ſo ſchoͤn erfüllt werden. Mein Herz und mein Ver⸗ ſtand ſagen mir, daß ich die Richte gefunden und daß ich mich nicht täuſche, denn Carola und ich wir liebten uns ſchon bei dem erſten Anblick. Und dies