l. et W latt Mk. 1.40 frei ins Haus. i die Redaktion derantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg d —— — — — Samstag den 24. Juni Allgemeiner Anzeiger für Ladenburg und Amgegend. den Dienstag und Freitag Abend. 1 5 9 8 5 Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Naum Peeis viecteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ ö * 5 . Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. ——— 1893 Nr. 50. Die Reichstagswahlen. Die jüngſten Reichstagswahlen in Deutſchland oben politiſche Mißftände klar gelegt, mit denen Igeſeben von den ſchadenfrohen Socialdemokraten Lein Patriot und kein Parteimann zufrieden ſein kann. Die deutſchen Parteiverhältniſſe zeigten bei de! Mohlen eine Zerklüftung, wie eine ſolche in einem modernen conftitionellen Sigate wohl noch nicht Forgekommen iſt, dieſe Zerſplitterung trat baupt⸗ Ichlich dadurch hervor, daß in faſt jedem Wahlkreiſe e a vier und fünf Kandidaten einander gegen⸗ Aber ftanden, daß ferner ſehr oft ganz nahe ver⸗ wandte Parteien fich in einem und demſelben Wahl⸗ eiſe bekämpften, und daß auch — es iſt traurig genug, es ausſprechen zu müſſen, — ſehr viele Pohlderechtigte deutſche Bürger fich der Wahl ent⸗ holten und zum Nachteile der ſtaatlichen Intereſſen r Wahlrecht nicht ausgeübt haben. Was bedeutet iber nun dieſes Mißverbältniß für die politiſche Propis e offenbar bedeutet es eine Zersplitterung bder doch Lahmlegung vieler geſunden politiſchen Nräfte und eine indirekte Förderung der radikalen Unfurzbewegung der Sozialdemokratie, welche in Folge unseres allgemeinen, gleichen Wablrechts, wel⸗ ies den geringsten Arbeiter mit den Vertretern der Mpung, der Intelligenz, der Erfahrung und der nalürlichen Autorität gleichſtellt, einen numeriſchen Vorſprung vor allen anderen Parteien voraus hat, a es in dieſer Welt nun einmal mehr niedrig Geſtelte als höher Geſlellte giebt, die Sozialdemo⸗ Falle aber in echt demagogiſcher Weiſe alle Minder⸗ Aosterten gegen die beſitzenden Klaſſen aufhetzt, Wobei gleichzeitig bei den leicht zu bethörenden Ae⸗ beltermoſſen ſogar dit Rechtsbegriffe, welche den Staat jetzt in zwei Gruppen fechtenden Parkei gleichkommt. Zahl der bei den Kravallen verwundeten Perſonen zuſammenhalten, erſchüttert und eine gefährliche Neigung zur Empörung gegen Recht und Ordnung groß gezogen wird. Solcher Sachlage gegenüber ſollten die bürger⸗ lichen Parteien in den Stichwahlen doch unbedingt gegen die Sozialdemokratie zuſammenhalten, denn Alles, was ſonſt auch die übrigen Parteien tren gen mag, iſt doch nur ein häußlicher Streit und keine gähnende Kluft wie es gegenüber der Sozialdemo⸗ krotie der Fall iſt. Aber auch bei den Stichwahlen ſehen wir in vielen Fällen, den widerwärtigen Zu⸗ ſtand, daß die auf dem Boden der fetzigen Geſell⸗ ſchafts⸗ und Staatsordnung ſtehenden Parteien nicht zufammenhalten und daß dieſerhalb die Sozialdemo⸗ kratie in den noch ausstehenden 180 Stichwahlen ſchließlich das veſte Geſchüft von allen mit in Stichwahl kommenden Parteien machen muß. Die gtößte und widerwärtigſte Parteizerſplitterung tritt alſo ſomit in den Stichwahlen zu Tage, wo in den meiſten Wablkreiſen ein großer Teil der Wähler gegen ihre Ueberzeugung nach größerem und kleinerem Haſſe ſtimmen wird, alſo einen Gegner wählen wird. Nur einen Troſt glauben wir aus den litzten Wahlen ſchöpfen zu können und zwar den, daß jede radikale Oppofitionspartei in Deutſchland, ſobald fie in der parlamentariſchen Praxis die Oppofition zu weit treibt, von dem beſonneren Teile ihrer bishert⸗ gen Anhänger im Stiche gelaſſen wird. Dieſe Wahr⸗ heit beweiſt das klägliche Wahlreſultat der Freiſin⸗ Volitiſches. — Berlin, 21. Juni. Die Bekanntgabe des Zeitpunktes für die Einberufung des neuen Reichs⸗ tages ſoll unmittelbar nach Beendigung der Stich⸗ wahlen erfolgen. Es heißt, die Tagung des neuge⸗ wühlten Parlaments werde nut eine ganz kurze ſein, da auf keiner Seite mehr eine kommiſſariſche Vor⸗ beratung der Milftärvorlage gewünſcht wird, welche parlamentariſche Arbeit in Hinblick auf die monate⸗ langen eingehenden Verhandlungen der Militärkom⸗ miſſ ion des aufgelöſten Reichstages alletdings auch überflüſſig wäre. Berlin, 22. Juni. Der Reichsanzeiger ver⸗ öffentlicht eine kaiſerliche Verordnung, wonach der Reichstag auf den 4. Juni einberufen wird. — In der ſonſt ſo gemütlichen ſchweizeriſchen Bundeshauptſtadt Bern iſt es zu höchſt bedenklichen Arbeiterkravallen gekommen. Den Ausgangspunkt der⸗ ſelben bildete der Verſuch ſtreikender ſchweizeriſcher Bauarbeiter, ihre ruhig weiter arbeitenden italteniſchen Genoſſen an der Arbeit gewaltſam verhindern, wo⸗ raus ſich ein mit Gewaltthätigkeiten aller Art ver⸗ bundener ungeheurer Tumult entwickelte. Die ſchwer bedrängte Polizei verhaftete eine Anzahl der Auf⸗ rührer; tobende Volkshaufen wollten die Gefangenen wieder befreien, wobei es zu förmlichen Straßen⸗ kämpfen zwiſchen der Polizei und den nach Taufen⸗ den zählenden Tumultuanten kam. Eirſt das Einrücken der von auswärts telegraphiſch herberufenen Trup⸗ nigen Partei, welches einer Zertrümmerung dieſer Und dieſes Schickſal wird auch dexreinſt der ſocial⸗ demokratiſchen Partei zu Teil werden, wenn ein guter Teil ihrer gedankenloſen Nachdeter die Oede türdepartements iſt Oberſt Schwarz in Bern zum und den Abgtund erkennen wird, wohn die Sozial⸗ demokratie den Staat ſteuern will? pen — Bern beſitzt keine Garniſon — vermochte die Ruhe wieder vorläufig wiederherzuſtellen. Die dettägt weit über 100, Verhaftungen wurden an 50 vorgenommen. Seitens des eidgenöſſiſchen Mili⸗ Platzkommandanten des Ortes mit beſonderen Voll⸗ Die Tochter des Meeres. Romon von A. Nicola. alten Dame für dieſe kleine Unart empfangen hatte. Sie war sofort aus dem Zimmer gewieſen worden, ber ſie hatte das Geſicht viele Tage lang nicht hergeſſen können, und daſſelbe trat ihr jetzt wieder lebhaft in die Erinnerung. dllig zu bewahren; kein minder treuer Behtter ſollte dleſes Juwel erhalten, das dem ſo theuer war, der ein Leden für ſie gewagt hatte. Und mit einem letzten raſchen Blick auf das in ihrem Vorhaben durch eine Stimme geſtört wurde, 9 75 ſcharfer, unerwarteter Ton ſie aber erzittern ließ. „El, junge Miß! Was iſt das?“ rief die Stimme. i Es war der alte Diener Mitchell, der von Kindheit an auf Schloß Faro lebte. Mit ernſtem doch väterlichem Ausdruck auf ſeinem ehrwürdigen Geficht trat er näher; als er Ihr erſter Gedanke war, dieſe Reliquie ſorg⸗ den Schrecken der jungen Dame vernahm, wurden die Züge weicher. „Verzeihen Sie, Miß!“ ſagte er, als Cora die Hand, die das Kleinod hielt, an die Bruſt drückte. ——— Ich habe ſelbſt Kinder, und will am meiner jungen Dieſer Vorfall batte ſich ihrem Gedächtniß feſt eingeprägt, des ſcharfen Tadels halber, den ſie von der Herrin willen nicht hart gegen Sie ſein. Das muß ich ſagen .. . ich habe nichts Uarechtes von Ihnen geſehen, ſeit Sie im Hauſe ſind. Doch wiſſen Sie, daß Sie ſich in einen ſchlechten Ruf bringen, wenn die hier in dieſem Zimmer noch länger weilen ? Und wäre es nur um des willen, was ich ſoeben von Ihnen geſehen habg.“ „Uad was wäre das Mitchell?“ fragte bemüht, ihte Ruhe zu behalten. „Was das wäre? .. Nun, Sie durchſuchten ſoeben die Papiere meines armen lieben Herrn, und ich ſah etwas in ihren Händen glitzern, daß, wenn Cora ne Geſicht war ſte eben im Begriff, das Bild in es bemerkt würde, din Verdacht des Diebſtahls er⸗ die Taſche ihres Kleides zu verſenken, als ſie plötzlich 1 regen könnte „Mein Gott, ſo iſt es ja nicht!“ rief ſie er⸗ regt. „O Mitchell, was kann ich thun? Ihr Herr war mein einziger Freund.. er liegt im Sterben, und ich bin unglücklich. Ach, wean ich doch ſterben könnte!“ flöhnte ſie, und ihren Augen enkquoll ein Strom heißer Thränen. Mitchell war faſt erschreckt über die Leiden⸗ ſchaftlichlzit, mit der ſie ſproch. „Kind, ich will Ihnen ja nicht wehe thun was auch meine Herrin dazu ſagen mag,“ erwiderte er freundlich. „Nur thäten Sie beſſer, aus dem Wege zu gehen und nicht neue Streiche zu ſpielen, denn mit meiner jungen Herrin iſt nicht zu ſpaßen .. Das weiß ich von früher.“ f „Aber ich kann, ich will ihn nicht laſſen, mei⸗ nen einzigen Freund!“ ſagte das Mädchen aufgeregt. „Wenn er ſtirbt, Mitſchell, fällt die Schuld auf mich, und wenn er am Leben bleibt, würde er mich treulos, für ſchlecht halten, wenn ich während ſeines Leidens das Haus vetrließe, in das er mich gebtacht hat. Nein, nein! Ich wage es nicht! Ich dar weder ihn noch das Haus verlaſſen!“ Der gute alte diener machle ein ſehr verlegenes Geſicht, als er dieſer Wegklage zuhörte. „Sehen Sie mein lieber Kind,“ ſagte er in väterlichem Ton. „Das klingt Alles ſo recht hübſch, aber Sie werden doch jedenfalls gehen müſſen. Wenn Lord Faro wieder geſund wird — was der Himmel gebe! — wird er in ſeinem Hauſe thun, was ihm beliebt, und kann Sie ſofort wieder zurückrufen. Und wenn er Sterben ſollte, der arme gute Herr, wäre es viel ſchlimmer für Sie, aus dem Hauſe gewießen zu werden, als wenn Sie jetzt aus freien Stücken gehen, wo, wenn ich die Wahrheit ſagen ſoll, der Leute Mund voll von Ihnen it. Wollen Sie mir denn nicht vertrauen, Fräulein?“ ſprach er weiter. „Sie lönnen ſich darauf verlaſſen, ich würde über Das, was ich ſorben geſehen habe, nicht reinen Mund halten, wenn ich nicht wüßte, wie die Ding.