Erſcheint jeden Dienztag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ 5 blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Dar die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder deren Naum 0 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. 333 5 a Ernste Mahnung. 5 Am bevorſtehenden Donnerſtag werden die deutſchen Wähler an die Urne treten, um den neuen Reichstag zu wählen, welcher für die nächſten 5 Jahre über die Geſchicke des Reiches mitbeſtimmen ſoll. Menn ſchon immer ein derartiger allgemeiner Wahlakt ſelöftberſtänd⸗ lich von Wichtigkeit iſt, ſo ſchließt er doch diesmal eine ganz beſondere Bedeutung in fich, denn es handelt ſich bei dem Votum der deutschen Nation vom 15. Juni um eine überaus ſchwerwiegende Entſcheidung. Die aus den diesmaligen Reichstagswahlen hervorgebende Volksvertret⸗ ung wird vor Allem berufen ſein, fich über die ihr erneut auf Grundlage des Antrages Huene zu unterbreſtende Vorlage über die Stärkung und Reform des deutſchen Heeres ſchlüſſig zu machen und viel, ſehr viel hängt von der Stellungnahme des künftigen in dieſer Deutſchland nun ſchon ſeit Monaten aufwüblenden Frage ab. Wenn er dieſe ſeine nächſte Aufgabe in einer Weiſe löſt, welche die vorgeſchlagene Heeres⸗ verſtärkung fichert, ſo erſcheint hiermit zugleich die ruhige und gedeihliche Entwickelung unſerer geſamten inneren Verhältniſſe auch fernerhin als ſicher geſtellt, wenn aber auch die neue Volksvertretung zu keiner Verſtändigung mit den verbündeten Regierungen in der Militärfrage gelangen ſollte, dann ließen ſich die Folgen eines derartigen Confliktes gar nicht abſehen. Es würde den Ausgangspunkt ſchwerſter innerer Wirren und Criſen bilden. die in ihren letzten Wirkungen auch auf die Stellung und das Anſehen des deutſchen Reiches nach außen don nachteiligſtem Einfluſſe ſein müßten und welch darum nur zu geeignet wären, die auswärtigen Gegner des deutſchen Reiches zur Verwirklichung ihrer längſt gehegten kriegeriſchen Pläne gegen das verhaßte neue deutſche Reich anzuregen. Dieſe weitreichende Bedeutung iſt es, welche die bevorſtebende Reichstagswahl befitzt und jeder deutſche Wähler, der das Wabl⸗ geſchäft nicht als einen bloßen Sport, ſondern als einen ernſten und wichtigen Akt betrachtet, wird ſie hoffentlich zu würdigen wiſſen. Leider iſt die Militärfrage gleich von ihrem erſten Auftauchen an viel zu ſehr als Parteiſache und weit weniger als das aufgefaßt und be⸗ handelt worden, was ſie in Wahrheit darſtellt, als eine eminente nationale Angelegenheit. Auch find die mehrfachen Vorteile, welche die Heeresreform durch die Einführung der 2jährigen Dienſtzeit und durch die Entlaſtung der älteren Jührgänge der Landwehr bringen ſoll, vielfach nicht richtig gewürdigt worden. Dadurch iſt die einſeitige, nur finanzpolitiſche Auffaffung der Vorlage entſtanden, welches die Heeres⸗ reform mehr zu einer parteipolitiſchen Sache, denn zu einer nationalen Frage ſtempelte, und dieſe Auffaffung hat nachher auch in die Wabl⸗ bewegung hineingeſpielt und zweifellos mit veranlaßt, daß dieſelbe einen ſo verwirrten und zerfahrenen Charakter erhielt. Nunmehr iſt endlich der Tag der Klärung gekommen, die Entſcheidung in dem ſcharfen Wahlkampfe, von der ſo viel und ſo Ernſtes abhängt. Geweß wird jeder wahre Vaterlandsfreund, möge er auch ſonſt zu der brennenden Frage der Heeresverſtärkung ſtehen, wie er wolle, nur aufrichtig wünſchen, daß dieſe Wahlentſcheidung im Intereſſe unſeres Reiches und Volkes auffällt, daß fie Deutſchland weitere ſchwere innere Kämpfe und eine bedenkliche Erſchütterung ſeines geſamten Anſehens nach außen erſpart, möge darum jeder ſich patriotiſch nennende Wähler am 15. Juni durch ſein Votum das Seinige zu einem wünſchenswerten und erſprießlichen Wahlausfalle beitragen! Schließlich ſei auch noch erwähnt, daß ſchon j tzt die allgemeine Anſchauung obwaltet, daß, falls der neue gewählte Reichstag eine Mehrheit ergiebt, die ſich mit der Regierung über die Militärvorlage verſtändigen will, dieſe Verſtändigung an die Bedingung ſeitens des Reichstoges geknüpft werden wird, daß die 2jährige Dienſtzeit ſicher geſtellt und die Unkoſten der Heeresverſtärkung von den wohlhaben⸗ den Volksklaſſen getragen, bezw. auf die Börſenſteuer, Erbſchaftsſteuer und Luxusausgaben gelegt werden, denn den unteren und mittleren Volfsklaſſen, weſche heutzutage ſchwer unter dem darf die Mehrdelaſtung nicht zu es nur aus wenigen Worten weiß, die man hin und wieder fallen ließ. Ich hatte ihn trotz ſeines Unge⸗ ſtümms und ſeiner Leidenſchaftlichkeit lieber als alle kenne ... Der alte Lord Marſton, Ihres Vaters Vetter, hatte drei Söhne und keine Tochter. Sie „Nun, Mylady, von mir werden Sie die lau⸗ lere Wahrheit hören,“ ſagte die Haushälterin, „aber es hat ja Zeit mit dem Erzählen.“ „Nein, nein! Ich will es wiſſen, und zwar ſogleich!“ unterbrach ſie Lady Marian. „Aſton, wenn ſch auch nicht zur geraden Linie Ihrer geliebten Herrſchaft gehöre, ſo habe ich doch ihr reines Blut in den Adern, und als eine geborene Biddulphs,“ verlange ich, die wahre Geſchichte zu hören. „Ja, ja, Sie haben das blitzende Auge und die ſtolze Miene der Biddulph,“ erwiederte die Haushälterin nachgebend, „und da ich ein Mal von der geraden Linie abgehen mußte, hätte ich nichts beſſetes thun können als zu Ihnen kommen, Lady Marjan. Ja, Sie ſind anders als Ihr Vater,“ fuhr fie finnend fort. „Er beſitzt wenig von dem heißen Blut und der Goßmuth der Biddulphs.“ „Fahren Sie fort, Aſton. Erzählen Sie mir die ganze Geſchichte vom Anfang bis zum Ende, die mich zu einer zweifelhaften Erbin der Hauptlienie machte,“ vetſitzte Marian mit mattem Lächeln. „Nun fangen Sie raſch zu erzählen an, bevor ich aus Aerger noch einmal ohnmächtig werde.“ „Wenn Sie es durchaus verlangen, will ich 15. eeres Ihnen die Geschichte erzählen, ſoweit ich ſie ſelbſt waren ſehr eigenfinnig und ungeſtüm, und geriethen in Streit miteinander ... wenigſtens der Aelteſte und der Zweite, Sir Philipp. Der Jüngſte war in fernen Landen, wo er, wie es hieß, in Folgn ſeines wüſten Lebens an der Auszehrung ſtarb. Und je älter und ge brechlicher der alte Lord wurde, um ſo mehr wuchs die Zwietracht zwiſchen ſeinen beiden Söhnen, und eines Morgens wurde der junge Lord verwundet und blutent heingebracht, und es wurde geflüſtert, Sir Philipp, ſein Bruder. ſei dieſer That schuldig.“ „Aber er tödtete ihn nicht? Einen ſolchen Fluch lud er doch nicht auf ſein Haus ?“ rief Lady Marian zitternd aus. „Nein! Das gerade nicht. Lord Biddulph lebte darnach noch viele Monate, ja Jahre lang, aber meines Wiſſens iſt er nie wieder ganz geſund ge⸗ worden. Und Sir Philipp iſt nach der That van ſeiner Heimath g flohen und niemals wiever zurück⸗ gekehrt. ö „Mein Vater ſagt, er habe Beweiſe von ſeinem Tode, ja ſogar von ſeiner Beerdigung,“ ſagte das Mädchen zweifelnd. „Das mag wohl ſein. Ich weiß, daß man von Zeit zu Zeit von dem armen Philipp Nachricht hatte, obgleich man es ſo geheim zielt, daß auch ich die Anderen. Er war ſo hübſch, und ſo großmüthig, wenn er nicht ſeine Launen hatte, daß man ihm, meiner Anficht nach, nicht böſe ſein konnte.“ „Und was batte den unſeligen Streit herbeige⸗ führt?“ fragte Marian Angſtvoll. 1 Frau Aſton zögerte mit der Antwort. „Ich glau be, eine unglückliche Liebe trug die Schuld daran. Beide Brüder verliebten ſich in eine junge Dame, und wie es auch den äußern Anſchein haben mochte, ſo ſteht doch feſt daß fie Sir Philipp lieber hatte, doch ſprachen ſowohl ihr ſtolz und ihre Freude für den junge Lord, den Erſtgeborenen Er⸗ ben der Grafſchaft. Doch wenn dem ſo wahr ſo blieb auch die Strafe dafür nicht aus, denn bevor drei Jahre vergangen waren, hatte ſie alle Beide verloren.“ „Und was wurde aus ihr?“ fragte Marian leiſem, gedämpften Tone. „Das kann ich Ihnen nicht ſagen, Mylady. Ich hörte nichts weiter, als daß ſie ihren Vater verlor und die Wirthſchaft cufgelöſt wurde. Meines Wiſſens erfuhr auch Niemand, wohin ſie ging. Itzt, da der Tod ſie dahingerafft hat und ſie in ihren Gräbern ruhen, kommt mir alles wie ein Traum vor.“