Allgem April I bungtu blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Erſcheint jeben Dienstag und Freitag Abend- Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ Für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitar, Ladenburg. Anzeigen 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Raum Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Nr. 31. ce. ——— 1893 Mittwoch den 19. April 5 Politiſches. i Berlin, 17. April. Die erſten Sitzungen des Neichstages nach den Oſterferien haben die Hoffnungen derjenigen, welche eine große Ahlwardt⸗Debatte in Sachen der famoſen Akt'nſtücke gerechnet hatten, arg enttäuſcht. In der Eröff ungsſitzung nach der Ferier pauſe, am Donnerſtag wurde die Ahlwardt'ſche Aktengeſchichte überhaupt nicht weiter berührt, der Reichstag beſchäftigte fich am genannten Tage viel ⸗ 8 mehr ausſchließlich mit der Interpellation Menzer en dee betr. den Rückgang des deutſchen Tabakbaues. Die Herttl Freitagsfizung ließ ſich allerdings verheißungsvoller an, denn der Abgeordnete Ahlwardt erſchien mit einem gewichtigen Packet von Druckſachen im Saale, wo er ſofort mit dem Präfidenten v. Levetzow eine Unterredung hatte. Dann aber erklärte der Präfident unter großer Heiterkeit des Hauſes: „Wir treten in die Tagesordnung ein.“ Infolge deſſen degann das Haus die zweite Lefung der Novelle zum Wuchergeſetz, doch mußte die Debatte hierüber nach unverändeter Annahme des erſten Abſchnittes des Artikels 1 abgebrochen werden, da ſich die Beſchlußunfühigkeit des Hauſes herausſtellte. Alsdann regte der antiſemitiſche Abgeordnete von Sonnenberg die Akkenoffaiere Ahlwardts an, worauf der Präftdent mitteilte, Ahlwardt habe ihm vor Beginn der Sitzung erklärt, er wolle das von ihm angekündigte Documentenmaterial nicht auf den Tiſch des Hauſes niederlegen, ſondern dieſelben nur einer zu dieſem Zwecke beſonders gewählten Com⸗ miſſion des Reichstages vorlegen. Er, der Präſident habe alsdann Ahlwardt zur weiteren Verfolgung ſeiner Angelegenheit auf den geſchäftsordnungsmäßigen Weg für die Einbringung förmlicher Anträge im Reichstage verwieſen. Schließlich wurde die Sache wählen, zugeſagt, unter dem Votſſtze von Dok cs darſtellen. nach einigen konfuſen Bemerkungen als vorläufig erledigt erklärt. Am Son abend pauſterte der Reichs⸗ tag. Wie verlautet, wollen die ſozialdemokratiſchen Abgeordneten Herrn Ahlwardt die erforderliche Un⸗ terſtützung für ſeinen Antrag, eine Commiſſ on zur Prüfung ſeines vorgeblichen Aktenmaterials zu doch ſoll Ahlwardt den Antrag etſt in brauchbarer Weiſe formuliren. — Im Vordergrunde des europäiſchen Tages⸗ intereſſes ſtehen die überraſchenden Ereigniſſe in Serbien, wie fie ſich durch die Verhaftung der Regenten und Miniſter, die eigenmächtige Groß⸗ jährigkeitserklärung des jugendlichen Königs Ale⸗ xander und die Einſetzung eines neuen Meniſteriums Es hat ſich demnach ein förmlicher Staatsſtreich in Serbien vollzogen, über deſſen eigentlichen Urheber indeſſen nach Ungewißheit hertſcht. Welche weiteren Folgen ſich an den Staatsſtreich vielleicht noch knüpfen werden, das läßt ſich allerdings noch nicht beurteilen wanovic verſammelte Off zierkorps begrüßte den König mit Beifallskundgebungen, Nunmehr gaben ſich die Regenten gefangen und wurden ſie nach dem neuen Palais abgeführt. Man erwartet einen umfaſſenden Gnadenakt des Königs. Die Skupſch⸗ tina iſt aufgelöſt worden; die Neuwahlen find zum 15. Mai a. Styls ausgeſchrieb'v, der Zuſammen⸗ tritt der neuen Skupichtina ſind⸗t am 1. Juni ſtatt Nach der Bildung des definitiven Miniſteriums und Erledigung der unaufſchiebbaren Staatsgeſchäfte will König Alexander eine Rundreiſe durch Serbien an⸗ treten. Die Eidesleiſtung der Beamten und Truppen vollzog ſich im ganzen Lande ohne Zwischenfall. Uebrigens wurden die g⸗fangenen Regenten und Miniſter bereits am Freitag Vormittags wieder freig⸗laſſen. Wie neue Gerüchte wiſſen wollen, wäre Milan der Ucheber des Staatsſtreich 's, der durch den neuen Cabinetschef Dokics, den früh ren Er⸗ Die eine gute Seite hat aber die geſamte Aktion wenigſtens, daß durch ſie die von der liberalen Re⸗ gentſchaft und dem liberalen Cabinet Avakumowitſch zi⸗her des Kön gs Al-⸗xander, dann durchg⸗führt worden ſei. In Petersburg ſoll man durch die Bel⸗ grader Ereigniſſe völlig überraſcht worden ſein. Berlin, 17. Apifl. Ahlwardt hat ſeinen An⸗ trag dahin geändert. daß er die Prüfung des bon beliebte Vorgewaltigkeit gegen die anderen Parteien trag wurde in dieſer Form von den Sozialiſten un⸗ ein jähes Ende genommen hat, worüber in Ser⸗ bien allgemeine Beftiedigung herrſcht. Die Ruhe iſt durch dieſe Vorgänge nirgends geſtört worden, in Belgrad treffen aus allen Landesteilen fortwährend Glückwunſchtelegramme bei der neuen Regierung ein. Dieſelbe iſt entſchloſſen, allen Ausſchreitungen gegen die Liberalen in Belgrad wie in der Provinz ent⸗ gegenzutreten. Nachträglich verlautet, die Regenten Riſtic und Belimarkovie erhoben, als der König am Donnerſtag nach dem Diner ſeine Großjährigkeit er⸗ klärte, Einſpruch. Darauf öffneten ſich die Thüren und das im angrenzenden Saale unter Koka Milo⸗ ihm vorgelegten Aktenmaterials verlangt. Der An⸗ terſtützt und iſt bei dem Reichstage, laut Frkft. Ztg., bereits eingereicht worden. Berlin, 17. April. Der von Ahlwa dt ein⸗ gebrachte Antrag lautet; „Der Reichstag wolle be⸗ ſchließen, eine 21gliederige Kommiſſton zu ernennen, um über die von Ahlwardt überreich en Akten dem Reichstag zu berichten“, Der Antrag iſt von den Antiſemiten Werner und Pickenbach und von 17 Sozialiſten unterzeichnet. Der Antrag liegt noch nicht gedruckt var Der Präſtdent erklärt den Antrag Ahl⸗ wardt als nicht zur Tagesordnung gehörig, weißt Die Tochter des Meeres. Roman von A. Nicola. Nachdruck verboten. „Der Dampfer nach London geht wohl erſt gegen Mitternacht ab?“ fragte in Bremen ein Eng⸗ länder von ungefähr vierzig Jahren. „Ja, mein Herr,“ entgegnete ein Kellner des Hotels, an den die Frage gerichtet war. ö „Gut! Ich werde bei Zeiten zurückkehren, um vor meiner Abreiſe noch etwas zu Abend eſſen zu können. Das G. päck iſt fertig und kann ſofort nach dem Schiff gebracht werden.“ Der Engländer war ein großer ſchlanker Mann, von feinen Manieren, mit edlen Geſichtszügen und dichtem, dnnkelbraunem Haar. ö Wie er ſo ſorglos aus dem Hotel das Ufer der Weſer entlang ging, lag in ſeinem feſten Schritt etwas Mlitäriſches. Er ſchien auf kein beſtiumtes Ziel loszugehen, ſondern fich nur ein wenig die Umgebung von Bremen anſeben zu wollen. Vielleicht wollte er ſich auch nur die Zeit vertreiben und die Gedanken verſcheuchen, die ſeine edlen Züge et⸗ was umdüſterten und ſeine Aufmerkfamkejt von den ihn umgebenden Gegenſtänden ablenkten, denn auf ſeinem ſcheinbar glücklichem Leben lag ein Schatten, und er war eine zu lebhafte, feurige Natur, um die ihm auferlegten Prüfungen in Ruhe und Geduld ertragen zu können, Benjamin Faro, wie der Engländer hieß, war ſchon über eine Stunde weit von der Stadt entfernt, als ſich einige dunkle Wolken mit erſchreckender Schnelligkeit zuſammenzogen und nach wenigen Minuten ſchwere Regentropfen ein beftiges Gewitter ankündigten, dem der Fremde ſchutzlos ausgeſetzt war. Er ſchaute raſch nach einem Zufluchtsort um Die einzige menſchlich' Wohnung in Sicht war ein kleines, armſeliges Häuschen, ungefähr hundert Schritte vom Hauptwege entfernt. Auf dieſes ging Faro zu. Auf ſein Klopfen öffnete ihm ein Mädchen von ungefähr fünfzehn Jahren. „Darf ich näher treten, mein Fräulein? Finde ich hier Schutz vor dieſem Unwetter?“ fragte er das junge Mädchen, das einen Moment unſchlüßfig ſtehen blieb, bevor es zur Seſte trat und wegen des Fremden Begehr mit Jemand drinnen ſprach. „Ja, ja, mein Kind!“ erſcholl eine Stimme aus dem Hauſe. Dieſe Worte genügten, um dem Mädchen jenes Zögern zu nehmen, und im nächſten Augenblick ſtand Faro in dem ſaubern Wohnzimmer. Die darin Anweſenden beſtanden aus einer ältern Dame von ungefähr ſechzig und einer jüngern von ungefähr zwanzig Jahren. Faro erklärte der erſten ſehr hoͤflich, was ihn veranlaßt hatte, unter ihrem Dache Schutz zu ſuchen. „Sie find uns willkommen, mein Herr,“ ſagte ſie freundlich. „Cora, gieb dem Herrn einen Stuhl, fügte ſie zu dem Mädchen gewendet hinzu während die andere junge Dame an einer feinen Spiße weiter arbeitete, o gleich ſie dem Fremden einen forſchenden Blick zuwarf. „Und nimm ſeinen Hut und überzieher, und hünge ſie in der Küche an's Feuer,“ fuhr die ältere Dame fort, als ſie ſah, daß des Fremden Kleider ſehr durchnäßt waren. Cora gehorchte, und der Herr ließ es ſich ruhig gefallen, daß ſie ihm ſeinen ſchweren U berrock aus⸗ zog, und er beobachtete dabei ihre ſeltene und auf⸗ fallende Schönheit. Sie war für gewöhnliche Augen dielleicht weniger anziehend, als für den feinen Scharf⸗ blick eines erfahrenen Kenners weiblicher Reize. Ob⸗ wohl Cora noch zu jung und unentwickelt war, um die volle Schönheit zu entfalten, ſo hatte doch ihre ſchlanke, anmutige Geſtalt ſchon die mittlere Größe erreicht und verſprach, ſehr elegant und ſchön zu werden. Die feinen Geſichtszüge würden ſich mehr runden und die großen, braunen Augen alsdann weniger hervortreten, und das üppig dunkelbraune Haar wilde ſich zu jeder Frifur eignen, die Ge⸗ ſchmack und Geſchicklichteit erfinnen kann. uch, als hätte eine Fürſtin ihm geholfen, als Cora „Ich danke, mein Fräulein!“ ſagte er ſo höf⸗ 5