5 Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Far die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. Nr. 82 Volitiſches. Berlin, 10. Oct. Die glanzvollen Feſtlich⸗ leiten, deren Schauplotz die freundliche thüringiſche Reftdenz⸗ und Muſenſtadt Weimar anläßlich des goldenen Ehejubiläums des großherzoglichen Paares beben geweſen iſt, find anſcheinend ohne die ge⸗ kingſte Störung oder ſonſtigen Mißton verlaufen. Nicht nur aus allen Gegenden des Großherzogthums abt waren gewaltige Menſchenmaſſen nach „Ilm⸗ Athen“ geſtrömt, um Zeuge dieſes ſeltenen Jubel⸗ eſtes zu ſein, ſondern auch aus anderen Teilen Thlleingens wie aus den benachbarten Ländern hatten dich ungemein zahlreiche Feſtgäſte eingefunden. Die don auswärts zur Theilnahme an der Jubelfeier des groß herzoglichen Paares nach Weimar gekom⸗ menen Fürſtlichkeiten wurden von den freudig erregten Moffen ſtärm ſch begrüßt, namentlich aber jubelte die Bolksmenge dem Kaiſer, dem König von Sachſen und dem groß herzoglichen Paare von Baden zu. Den Höhepunkt der geſammten Feier bildete der prächtige Iftoriſche Feſtzug vom Sonntag, welcher völlig pro⸗ Rammgemäß vor ſich ging und den erhebendſten Ein⸗ druck machte. — Wiederum iſt Kaiſer Wilhelm zur Stunde der Gaſt ſeines hohen Freundes und Verbündeten des Kaiſers von Oeſterreich. Nur, daß der deutſche Monarch bei ſeinem diesjährigen Herbſibeſuch auf öſterreichiſchem Boden nicht wie ſonſt mit dem Kaiſer Franz Joſef in den Wäldern der grünen Steiermark, ſondern in deſſen Sommerſchloß Schönbrunn bei Wien weilt; die Reiſedispoſitionen Kalſer Wilhelms haben ſeine Theilnahme an den bereits ſtattgefundenen Hofjagden dieſes Jahres in der Steiermark nicht gestattet. Der Beſuch des deutſchen Kaiſers am Wiener Hofe trägt nur einen privaten Charakter und es find deßhalb von dem Ereigniſſe politiſche Herzenskämpfe. Roman von Theodor Schmidt. In ſtiller Zurückgezogenheit wuchs ſie auf dem Schloſſe von Bergsdorf gleich einer ſeltenen Mume in ſtillem Garten zu einer ſchönen, anmutigen jungen Dame heran. Sie liebte ihre Adoptivmutter und fühlte ſich inmitten ihrer Vögel und Blumen glücklich. Von der großen Welt außerhalb Bergsdorf wußte ſie nur wenig, denn nur ſelten kamen Gäſte in das Schloß. Dioch die Gräfin hegte ehrgeizige Pläne für ihre Adoptivtochter, und ſie beabſichtigte, ſobald Martha ihr ſiebenzehntes Jahr errticht haben würde, mit derſelden nach der Reſidenz zu gehen und ſie in der Geſellſchaft einzuführen. Bei ihrer Anmuth und Schönheit würden ſich Biele um ſie bewerben, und von dieſen wollte die Gräfin den Edelſten und Beſten für ihre Tochter wählen. Einmal, nur ein einziges Mal fragte nach ihren Eltern. „Mama,“ ſagte ſie eines Tages, „nicht wahr, ich bin nicht wirklich Deine Tochter?“ „Wer hat Dir ſolche Thorheiten geſagt?“ lautete die gereizte Antwort der Gräfin. „Die alte Regine,“ verſetzte Martha, „ſie meinte, el nur Deine Adoptivtochter, und meine wirk⸗ e Nutter lebe noch fern von hier.“ dieſe — ie Folgen ſchwerlich zu erwarten, aber auf alle Fälle bekundet dieſe jüngſte Zuſammenkunft der Herrſcher Deutſchlands und Oeſterreichs die unveränderte Fort⸗ dauer ihrer ſo innigen gegenſeitigen perſönlichen Be⸗ ziehungen, welche Beziehungen ja zugleich auch den Fortbeſtand des engen politiſchen Verhältniſſes zwi⸗ ſchen den Reichen der zwei Kaiſerlichen Freunde feſt verbürgen. — Seit vorigem Donnerſtag iſt der Bundes⸗ rat in Berlin verſammelt und hiermit hat der be⸗ vorſtehende parlamentariſche Winterfeldzug im Reiche ſeine Einleitung erfahren. Die Erbffnungsſitzung des Bundesrates wies eine reichhaltige Tagesordnung auf, deren „Nummern“ indeſſen ſämmtlich von keinem allgemeineren Intereſſe waren. Höchſtens verdient Erwähnung, daß u. A. bereits die Novellen zu den Militär⸗Penſionsgeſetzen vom 27. Juni 1871 und 4. April 1874 vorlagen. Dieſelben wurden neben einigen anderen Entwürfen den zuſtändigen Ausſchüſſen überwieſen. Für die nächſte Plenarſitzung des Bundesrates ſoll die Einbringung der neuen Militärvorlage zu erwarten ſein, womit dieſe ſo viel genannte Vorlage endlich in das Stadium parla⸗ mentariſcher Erörterungen eintreten würde. Im 5 Uebrigen find die Kriſengerichte, welche die Militär⸗ frage hervorgerufen hatte, zunächſt wieder verſtummt, es iſt aber nicht unwahrſcheinlich, daß ſie im Ver⸗ laufe der weiteren Entwicklung dieſer ganzen Ange⸗ legenheit von Neuem aufleben werden. — Der große Diſanzwettritt Berlin⸗Wien und Wien⸗Berlin iſt beendigt und es ergiebt ſich nun, daß die öſterreichiſchen und ungariſchen Theilnehmer an der Parthie gegenüber ihren deutſchen Kam raden die Mehezahl der ausgeſetzten Preiſe ertungen haben. Dieſer Ausgang des eigenartigen ſportlichen Unter⸗ „Die alte Regine wird meinen Dienſt verlaſſen, ſagte die Gräfin ſtolz. Kind. Du biſt mein Adoptivkind, aber kein Menſch auf der Welt hat irgendwelche Ankechte auf Dich. Ich hatte einſt ſelbſt ein Töchterchen, und als der herrſchte, wurde nur unterbrochen durch den froͤh⸗ unerbitterliche Tod mir dieſes raubte, würdeſt Du mir für ſie gegeben. Außer mir haſt Du keine Verwandte.“ „Wer war meine Mutter?“ ſagte das junge Mädchen ernſt, „bitte, erzähle mir etwas von ihr.“ „Es gibt nichts zu erzählen, mein Kind,“ er⸗ widerte die Gräfin, „ſie war meine Freundin, wir find zuſammen aufgewachſen und ich adoptirte Dich. Und nicht wahr, Martha, Du brauchſt außer mir doch gewiß Niemand?“ Als Martha ſah, daß dieſes Thema die Gräfin ſchmerzte und aufregte, berührte ſte es mit keinem Wort wieder. 5 * 1 * An einem ſchönen Maimorgen verließ Martha ihr Lager früher als gewöhnloch. Die alte Regine hatte ihr am vorhergehenden Abend geſagt, daß, wer neun Tage hintereinander ſein Geſicht im Maithau bade derſelbe fich ewige Schoͤnheit bewahre. Martha beſchloß, das zu versuchen, und ſie ſtand an dieſem Morgen faſt mit der Sonne auf, während der Tau noch auf Raſen und Blüten lag, ahnunglos, daß den 12. Oktober nehmens kann jedoch nicht überraſchen, da die deutſchen Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Reelamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. ä —— 1892 Officiere größere Schwierigkeiten beim Ritte zu über⸗ winden hatten, als die öſterreichiſchen und ungariſchen Reiter; jedenfalls haben beide Theile ehrenvoll be⸗ ſtanden. An die Beendigung des Wettrittes haben ſich für ſeine Theilnehmer fröhliche Erholungstage in Wien und in Berlin angeſchloſſen. Am Montag Nachmittag wurden die öſterreichſchen Officier⸗ vom Kaiſer Wilhelm im Mar morpalais empfangen. — Die Bewegung der ſtreikenden Bergarbeiter in Carmaux (Nordfrankreich) beginnt bedenkliche re volutionäre Züge aufzuweiſen. Dieſelben knüpfen charakteriſtiſcher Weiſe an das Auflreten des weibli⸗ chen Elements in der Bewegung an. Denn kürzlich hielten die Frauen der Grubenarbeiter von Carmaux eine Verſammlung ab, wobei jene unter dem G⸗ ſang der Carmagnole, des berüchtigten Rl volutions⸗ liedes von 1792, den Verſammlungsſaal betraten Später zogen die aufgeregten Weiber, abermals die Carmagnole ſingend und daneben Hochrufe auf den Streik und die ſoc ale Revolution ausbringend, durch die Straßen, wo die ſtreikenden Bergleute Spalier bildeten. Die letzteren werden aber mit ſolchen Scenen ihrer Sache gewiß nicht einen beſonderen Dienſt erweiſen. — Die franzöoͤſtſchen Expeditionstruppen in Dahomeh können einen neuen, nicht unbedeutenden Waffenerfolg verzeichen. Sie haben am 4. d. M. eine angeblich 10 000 Mann ſtarke Heerrsabtheilung der Dahomtyaner, die 10 Hinterladergeſchütz: mit ſich führte, geſchlagen; über die beiderſeitigen Verluſte liegen indiſſen noch keine genaueren Meldungen vor. Konig Behanzin ſelbſt wohnte dem Kampfe bei, er⸗ griff aber, als die Sache für ſein Heer ſchief ging, zuerſt die Flucht — recht löniglich! Die Daho⸗ mieyaner erwieſen ſich, wie der franzöſtſche Gefechts⸗ bericht ſelber hervorhebt, als ſehr tapfer und leiſteten zähen Widerſtand. g mit dieſem Tage die traurige Geſchichte ihres Lebens wenn ich noch einmal ähnliches Geſchwätz höre,“ N „Höre mich an, mein liebes herabgeſenkt zu haben, als Martha auf dem Hügel beginnen würde, Eine goldene Glut ſchien ſich auf die Erde Die die in der Natur rings um fie nahe der Bergsdorfer Straße angelangt war. friedliche Stille, lichen Geſang der Vögel. Im Thal waren hie und da Landleute emſig auf ihren Feldern beſchäftigt, blöckend zog eine Schafherde, zu ihrem Weidepiatz, ſorgfälltig bewacht vom treuen Schäferhund. Froh und heiter ſtimmte Martha ein Lied an. Sie wandte ihre Schritte dem nahen Walde zu, immer heller erklang der volle, glockenreine Ton ihrer Stimme in die Morgenluft, als ſie an der Strophe ihres Liedes angelangt war: „Weißt Du, was zu bed uten hat Der Glockenblume Bläur ? Zu ſagen werd' ich's nimmer ſatt: Es iſt das Bild der Treue!“ Man hätte meinen können, Bäume, und Blumen lauſchten in ſtiller Andacht. Martha wähnte ſich allein, als ſi⸗ ſo fingend die hü ſchen Glockenblumen pflückte; doch auf dem breiten Waldwege kam pibtzlich ein vornehmer junger Man daher. Er blieb ſtehen und beobachtet, ein paar Minuten lang in ſtummer Verwunderung das dchöne goldhaarige Mädchen, um ſich zu vergeweſſern