und neus ter cupfcht f federn 1 1 11 Aſtei 9 gen . 1 5850 60 Nr. 59. blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ Für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. 10 Pfg., 7 e Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder deren Naum Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. — Samstag den 23. Juli Der Koloß auf thönernen Füßen. Abgeſehen von den troſtloſen Zeiten des Krim⸗ krieges, welcher die traurige Ohnmacht des ruſſiſchen Weltreiches zeigte und den damaligen einſt ſo ſelbſt⸗ bewußten Selbſtherrſcher Rußlands, den Kaiſer Ni⸗ kolaus, eines ploͤtzlichen Todes, man ſagt an Herz ⸗ ſchlag, ſterben ließ, hat es in der neueren ruſſiſchen Geschichte wohl keine Periode gegeben, welche ſo ſehr wie die letzte 10 Jahre bewieſen, daß das ruſſiſche Rieſenreich thatſächlich einem Koloſſe auf tbönernen Füßen gleicht, der ſich nicht vorwärts be⸗ wegen kann. Die furchtbarſten Nothſtände, welche abgeſehen vom Kriege ein Land betreffen können, haben mehr als einmal Rußland in den letzten 10 Jahren heimgeſucht. Einmal iſt die Peſt in Süd⸗ rußland ausgebrochen und hat ungezählte Opfer gefordert, im vorigen Jahre tauchte dann der Peini⸗ ger Hungersnoth in mehreren ruſſiſchen Provinzen auf, und in dieſem Jahre hat ſich zu der vorhan⸗ denen Landplage auch noch der Würgengel Cholera geſellt. Wohl find andere Länder auch nicht unbe⸗ dingt gegen derartige Heimſuchungen gefeit, aber daß die in Rußland auftretenden Landplagen mit den geringen Fortſchritten der ruſſiſchen Kultur und der Beamtendeſpotie zuſammenhängen, unterliegt nicht dem geringſten Zweifel. Hat doch der Ausbruch der Cholera und die gegen dieſelbe zu treffenden Maß⸗ regeln bewieſen, daß ſich die ſanitären Verhältniſſe in Rußland in einem kläglichen Zuſtande befinden. Auf ungefähr hundert tauſend Menſchen kommt in Rußland ein einziger wiſſenſchaftlich gebildeter Arzt! 11 Das heißt doch ſoviel, als daß es in Rußland überhaupt an regelrechter ärztlicher Hülfe fehlt und daß das ungebildete und abergläubiſche tuſſiſche Volk in der unfinnigſten Kurpfuſcherei in * ſein Heil ſucht. 00 geht 1115 wicht und das ſtrenge Zarenregiment, den unteren ruſſiſchen Voltsklaſs n der Aberglaube, die Unwiſſenheit und der Fanatismus ſo weit, daß ſte, wie die ſchrecklichen Aufſtände in Aſtrachan und Saratow beweiſen, die Aerzten ſteinigen und die Krankenhäuſer und Apotheken demoliren. Solchen Zuſtünden gegenüber ſollten die ruſſiſchen Geiſtlichen doch Aufklärung unter das Volk bringen, aber leider find die meiſten Popen der in Rußland herrſchen⸗ den griechiſch⸗katholiſchen Kirche faſt ebenſo unwiſ⸗ ſend wie das Volk ſelbſt und beſitzen keine allge⸗ mein wiſſenſchaftliche Bildung wie die Geiſtlichkeit der reformirten und katholiſchen Kirchen in Deutſch⸗ land, Osſterreich und anderen europäiſchen Ländern. Die Unwiſſenheit und Mi verwaltung iſt aber in Rußland des Ferneren auch die Urſache für die ſchlechten finanziellen und wirtſchaftlichen Verhält⸗ niſſe dieſes Landes, denn wie ſoll unter ſolchen Um⸗ ſtänden der ruſſiſche Bauer, Handwerker und Klein ⸗ kaufmann zu einem wirtſchaftlichen Fortſchritte kom⸗ men können, es fehlt ja ihm jede Vorbedingung da⸗ zu. Ange ficht dieſer Zuſtände, welche ſich auch noch in einem jährlich wachſenden Geldmangel Rußlands dokumentiren, muß es auch als wahrhaft verhäng⸗ nisvboll erſcheinen, daß Rußland das größte ſtehende Heer von allen Großmächten unterhält und ſeine Kultur im Orient ausbreiten will, während doch die ruſſiſchen Regierung die größten Eroberungen im Innern des ruſſiſchen Reiches auf dem Gebiete der gerechten, ſelbſtloſen Verwaltung, der Volksbildung und der wirtſchaftlichen Fortſchritte machen konnte! Rußland hält ſich allerdings durch ſein Schwerge⸗ die Calami⸗ täten, welche man fortwährend im ruſſiſchen Reiche auftauchen ſieht, zeigen aber, daß der ruſſiſche Staat krank iſt. 1892 Politisches — (Bad iſche Anſie lungen in Poſen) Der von der Badiſchen Kommiſſion über die neuen Anſiedel⸗ ungen in Poſen und über die Rentengüter in Schle⸗ ſten erſtattete eingehende Bericht wird in der nächſten Nummer des „Land wirtſchaftlichen Wochenblattes“ veröffentlicht werden. Die „Bad Korr.“ iſt in der Lage, ihre früh'ren Mitteilungen aus dem Berichte nach manchen Richtungen zu ergänzen. Bekanntlich hat die Kommiſſton in Lowenc ce 3 Anſiedelungen im Befitze von badiſchen Pfälzern angetroffen, von denen zwei Rentengutsbeſitzer find; der dritte iſt Pächter und zugleich Hufſchmied. Der erſte der beiden Rentengutsbefitzer iſt der ſeit Jahresfriſt an⸗ geſtedelte, verheiratete S. H. aus Ilvesheim und bebaut ein Gut von 50 Morgen, wofür er eine Rente von 313 Mark bezahlt. Haus und Stallung Die Wallfahrt nach Cenſtochau. Dir recht iſt, ſo begleiteſt Du mich nach Introſchin. Du wirſt in Lygotta ganz verlaſſen ſein, denn Deine Mutter gedenkt noch einige Zeit in Rom zu bleiben. Es iſt das Beſte, 37. Roman von Johanna Berger. Und überall ſah er die Geliebte, ihr ſchönes Geſicht mit den blauen Märchenaugen: es winkte aus nebliger Ferne, es ſchwebte aus wallend n Wolken zu ihm, es grüßte aus grünen Gefilden, es tief ihn, es zog ihn, es lachelte ihn an. „Ich werde ſie endlich erringen, ſie wird die Meine ſein!“ ſo ſetzte er laut ſeinen Gedankengang fort. Das laut gesprochene Wort weckte ihn aus dem Traum, er blickte verwirrt um ſich her. War es denn moglich, daß er am Grabe ſeiner Frau ſolche Gedanken hegen konnte? Wie kam das nur? Die Scham öthe trat ihm auf die Stirn und ein tiefer Seufzer hob ſeine Bruſt. Dann ſagte er lang⸗ ſam: „Spfridia, verzeihe mir, ich wußte nicht, was ich that!“ Und niedergeſchlagen und gebeugt machte er fich f auf den Heimweg. Er traf Gräfin Antonia im Salon. Sie er⸗ hob ſich von ihrem Sitz und kam ihm ein paar Schritte entgegen. Sie ſah bloß und verweint aus, ihre langen, ſchwarzen Trauergewänder ſchleppten ihr her. „Roman,“ ſagte ſie, „mir wäre es lieb, wenn wir noch heute abreiſten, ich kann es hier nicht Aushalten und ſehne mich nac Hauſe. Wenn 15 pießte er hervor. Du verbringſt die erſte Trauer⸗ zeit bei uns!“ Roman ſtand unbeweglich vor ihr, Röthe und Bläſſe wechſelten auf ſeinem Geſicht. Er antwortete nicht. Sie blickte ihn verwundert an. 8 00 ir mein Vorſchlag nicht?“ fragte ſie. 5 i Er ſchüttelte den Kopf. „Nein!“ „Aber warum nicht, es iſt doch ſof nattrlich, das wir jetzt eine Zeitlang zuſammen bleiben — ein paar Wochen, ein paar Tage, wenn Du willſt.“ „Ich danke, ich gehe nach Lygotta zurück.“ In der Gräfin Geſicht machte ſich eine leichte Spannung kemerkbar. „Roman, willſt Du mir eine Frage aufrichtig beantworien?“ ſagte ſie leiſe. Er ſah ſie erſtaunt an, was meinte ſie nur? „Haſt Du in den vier Jahren niemals bereut, Spiridia zu Deiner Gattin gemacht zu haben?“ Er ſtand wie ein ertappter Schulbube da, mit geſenktem Blick, die heißen, trockenen Augen wurden ihm feucht, er bedeckte ſie mit der Hand. Sie trat dicht zu ihm heran und legte die Hand auf die Schulter. „Biſt Du glücklich geweſen, lieber Sohn?“ Er wandte ſein Geſicht ab. „Was iſt Glück?“ „Alles, was die Welt 0 nennt, befinden ſich unter einem Dach; davon getrennt wird die Scheune aufgebaut. Bei dem Gute das leichten Boden hat, fehlen die Wieſen; neben dem Hauſe iſt ein Gemüſegarten, auch ein Obſipflanzung an⸗ gelegt. H. hat im vorigen Sommer auch eine kleine Parzelle mit Tabak bepflanzt. Das Haus weſen zeich⸗ net ſich durch eine beſondere Sauberkeit und Ordnung aus; die Kinder waren gut und ſauber gekleidet. Der zweite badiſche Anſtedler A. iſt ebenfalls aus Ilvesheim. Derſelbe war einige Jahre als Ta⸗ baksplantagiſt im ſüdlichen Kamerum beſchäftigt. Er iſt wahrſcheinlich mit den erforderlichen Baarmitteln für die Anftedelung nicht ausgeſtattet geweſen und hat wegen der Größe ſeiner Familie und der Krank⸗ heit mehrerer Kinder offenbar mit mancherlei Schwier⸗ igkeiten zu kämpfen. Er bebaut ein ebenſo großes Gut als ſein Nachbar H. und bezahlt hierfür die gleiche Rente. f Der auf der Kolonie im . 5 bobe ic beſeſſen und befitze es noch.“ Gräfin Antonia bemeiſterte mühſam eine ſchmerz⸗ liche Bewegung. Mit ſcharfen Augen muſterte ſie Roman, ſein ernſtes ſchwermütiges Geſicht, deſſen jugendliche Friſche vollſtändig verſchwunden war, und das faſt düſter aus der Umrahmung der dunkeln, lockigen Haare hervorſah. Dieſe bleichen, gram⸗ durchwühlten Züge, dieſe traurigen braunumrändeten 8 ſprachen von Schmerzen und reichlichem Herz'⸗ leid. „Ich verſtehe Dich, mein Sohn.“ ſagte ſie weich. „Ich will nichts weiter fragen. — Nur Eines noch. War Dein Herz vollkommen frei, als Du Dich mit Spiridia vermählteſt?“ „Nein!“ erwiderte er raſch und entſchieden. „Aber das Schekſal trennte mich von dem Mädchen meiner Wahl, ich mußte, ich wollte heilige Pflichten erfüllen. Ich hatte den beſten Willen, Gutes zu ſtiften, doch mein Herz ſagte nicht Amen dazu. Mir fehlte jene willenloſe, geduldige Ergebung, welche auch 5 Schwerſte erträglich macht.“ „Ja, Roman, es gehört ein feſter, ſtarker Geiſt dazu, das Unvermeidliche mit Reſignaktion zu tagen. Deine Natur freilich iſt nicht danach ge⸗ artet, — Aber noch eine Frage: Wird Dir auch 1 198 begehrenswert ſein, was Du einſtmals ge⸗ lebt?“ Seine Wangen färbten ſich mit flammender Gluth, er ſchlug voll und freudig die dunkeln Augen