Verſchiedenes. — Ladenburg, 4. Juli. Geſtern fand in Neckarau das Rhein⸗Neckargauturnfeſt ſtatt, an welchem ſich 43 Vereine beteiligten, darunter auch der hiefige Turnverein. An dem Vereinswettturnen, an dem 38 Vereine teilnabmen, erhielt der biefige Verein einen II. Preis in der 2. Stufe. Bel dem Einzel⸗ wettturnen wurden 46 Preiſe verteilt und er⸗ bielt Otto Reinmuth den 14. und Karl Schmitthelm den 19. Preis. — Karlsruhe, den 3. Juli. Bei der Ver⸗ ficherungsanſtalt Baden find im Laufe des Monats Mai 1892 74 Anſprüche auf Alters renten erhoben worden. Hievon wurden 92 anerkannt und 10 zu⸗ rückgewieſen. Am 1. Mai betrug der Stand der erhobenen Anſprüche 3692, der zuerkan uten Alters⸗ renten 2908 und zurückgewieſenen Anſprüche 699. Von den Anträgen waren am 1. Mai in höherer Inſtanz entgiltig anerkannt 70, hiezu kam im Laufe des Mai 1 Fall, ſo daß bis zum 1. Juni 71 An⸗ ſprüche in höberer Inſtanz anerkannt worden find. Zu den am 1. Mai unerledigten 54 Fällen traten im Berichtsmonat 2 weitere, auf andere Art wurde im Ma kein Anſpruch erledigt, ſo daß es bei dem Stande vom 1. Mai mit 32 auf andere Art er⸗ ledigten Fällen verblieb. Der Stand der Invalidenrenten war am 1. Mai folgender: Es waren 366 Ansprüche erhoben worden, wovon 140 anerkannt, 158 zurückgewieſen, 7 in höherer Inſtanz entgiltig anerkannt, 75 un⸗ erledigt und 9 auf andere Art erledigt wurden. Hiezu kamen im Laufe des Mai 100 neuerbobene An⸗ ſprüche, von denen 52 bewilligt und 32 zurückge⸗ wieſen wurden. Die Zabl der unerledigten Anſprüche wurde auf 52 vermindert. Am 1. Juni 1892 wa⸗ ten ſomit der „Bad. Korr.“ zufolge von 3767 er⸗ bobenen Anſprüchen auf Altersrente 29 70 anerkannt, 709 zurückgewieſen, 61 in höherer Inſtanz aner⸗ kannt, 32 auf andere Art erledigt, 56 nicht erledigt und don 466 Anſprüchen auf Invalidenrente 192 anerkannt, 190 zurückgewieſen, 7 in höherer Inſtanz anerkannt, 65 nicht erledigt und 9 auf andere Art erledigt worden. — Karlsruhe, 2. Juti. Der kleine Land⸗ wirt iſt im Viebhandel häufig Uebervorteilungen und Betrügereien ſeitens unehrlicher Händler ausgeſetzt, weil er gewöhnlich der erforderlichen Sachkenntnis für die Beurteilung eines Tiers noch mehr aber der Kenntnis der geſetzlichen Beſtmmungen über den Handel mit Vieh entbehrt und auch mit den ver⸗ werflichen Mitteln, welche zum Zwecke der Täuſch⸗ ung angewendet werden, nicht vertraut iſt. Einen ſolchen Mann ſucht ſich der gewiſſenloſe Händler zum Abſchluß ſeiner Geſchäfte mit Vorliebe aus, um ihm unter Anpreſſung aller moglichen Eigenſchaften und der Zuficherung „für alle Fehler zu haften“, ein geringwertiges oder wertloſes Tier aufzudrängen. Hinterher ergibt ſich dann, daß der Verkäufer ent⸗ weder gar nicht haftpflichtig oder es doch nur für ſolche Febler iſt, welche das Tier nicht befitzt. Der Käufer ſſt geprellt. Nun beginnt der Tauſch. Der Händler nimmt „aus Rückſicht“ für ſeinen neuen Bekannten das Tier zurück und giebt gegen ent⸗ fprechendes Aufgeld und noch dazu auf Borg ein anderes, welches vielleicht einen Fehler weniger hat als das erſte und ſo geht es fort, bis der bedauerns⸗ werte Kleinwirt in immer ſtärkere Schuldverbindlich⸗ keiten gerät, die oft den gänzlichen wirtſchaftlichen Zuſammenbruch im Gefolge haben. Nicht ſelten werden auch größere Landwirte, insbeſondere durch den Pferdhandel, das Opfer ähnlicher Ausbeutung. Dem Vernehmen der „Bad. Korr.“ zufolge hat nun auf Anſuchen des Vereins zur Verhütung des Wuchers, der es als wünſchenswert bezeichnet hatte, wenn die Landwirte mit Muſtervertragsformularen für den Fall des An⸗ und Verkaufs von Pferden und Rindpieh verſehen werden könnten, das Miniſte⸗ rium des Innern eine Belehrung ausarbeiten laſſen, 1 5 welche den im Tlerhandel vorkommenden teilungen zu ſteuern beſtimmt iſt. Diese Belehrung welche die Vorſfichtsmaßregeln beim An⸗ und Ver, 5 kauf von Tieren, die Kaufbedingungen und dle Muſterverträge enthält, wird in der nächſten Auz. gabe des „Landwirtſchaftlichen Wochenblattes⸗ ge öffentlicht, und es werden den Direktionen der land⸗ wirtſchaftlichen Bezirksvereine Sonderabdrüche zur Verfügung geſtellt werden. Den im Tierhandel por, kommenden Uebervortellungen werden die Landwirte ſomit am wirkſamſten entgegentreten und ſich vor Schaden bewahren können, wenn ſſe fortan diese Uabenoß lage ihrer Handelsabſchlüſſe machen. — Darmſtadt, I. Julf. In ſeinem Teſ⸗ ament bal der verſtorbene Rentner Wilhelm Schwab einen Teilbetrag ſeines Vermögens von etwa 270,000 Mar! den hiefigen ſtädtiſchen Volksſchulen zugewandt, in der beſonderen Abſicht den „hervorragenden Talenten und dem energiſchen Fleiße, welche er⸗ fahrungsgemäß unter den Kindern der Undemittellen mindeſtens ebenſo häufig vorkommen, als unter den Wohlhabenden, das Emporkommen zu erleichtern, damjt aus dieſer Klaſſe der Bebölkerun zum Nuß en der Gemeinde Darmſtadt beſonders befühſgſe Männer herangebildet werden.“ Die fühigſten und fleißigſten Knaben der ſtädtiſchen Volksſchulen, und zwar derer, die vorzugsweiſe von der ärmeren Be⸗ völkerung beſucht werden, ſollen danach in Sdand geſetzt werden, ſich eine vollkommene wiſſenſchaftliche oder techniſche Ausbildung zu erwerben. Das Teſſ⸗ ament enthält den Wunſch, „daß den Zwecken der Stiftung ſich noch andere Vermüchtniſſe und Schenl⸗ ungen anſchließen mochten, und daß die Siiſtung aus dieſem Grunde nicht den Namen des Slifterz, ſondern die Benennung führen ſoll: Stiftung für höher Ausbildung talentvoller armer Knabe aus Darmſtadl.“ — Ulm, 2. Juli. Gaſtwirt Rau zum Schweizerhof hier hat geſtern nacht ſeine Frau mt bläulichen Mund, er wußte plötzlich, was ihn hier⸗ ber geführt. Nun. ſenkte er die Lichter behutſam in den lockeren Schnee und zündete ſie an. Mit ſtarren Augen verfolgte er das Nieder ⸗ brennen derſelben. Der Wind ſpielte mit den Flom men, ſie flackerten hin und ber und tanzten glei⸗ irrenden Seelen über das weiße Grab. Oben im Turm wurde von Zeit zu Zeit der Klang des Glöckchens hörbar, gleich einer leiſen Todtenklage. Der Alte kauerte regungslos im Schnee mit brennendem Hirn. Die ſtrenge Kälte erſtarrte ihm das Blut und lähmte ibm den Athem. Ueber ihm am nächtlichen Himmel begann das graue Wolken⸗ beer mit dem ſtrahlenden Mondlicht zu kämpfen. Immer neue Ballen fegte der Wind heran und es dauerte nicht lange, ſo rieſelten die weißen Flocken wieder in dichten Maſſen auf die Erde herab. Aber er vermochte ſich nicht mehr zu erheben, um heim zu geben, er war ſo müde, ſo ſterbens⸗ müde — er wollte erſt ein paar Minuten ſchlafen, um Kräfte zu ſammeln. Und nun ſchloß er die Augen, er ſchlief ein — er träumte. Ein ſeliges Träumen, — denn die verhärmten Züge verklärten ſich und wurden mild und weich — er ſah feine Jadwiga im Traum. Es war ſein letzter Traum, ſein letztes Lächeln — aber er ſchlief ſo ſanft, ſo ſüß und ſo feſt— ber ſeine Seele war ewige Ruhe gekommen. Und der Nachtwind rüttelte und ſchüttelte den morſchen Cop⸗llenturm, das Glöckchen wimmerte, die feuchten Nebel huſchten über die Grüfte und der heilige Rochus nahm ſein jährliches Ohfer in Empfang. Seit dieſer Begebenheit waren vier Jahre ver⸗ gangen. Vier Jahre find eine lange Zeit, ſie hatten aus Jadwiga Wytek eine vornehme Dame gemacht. Dem einſt ſo ſchwer geprüften Mädchen erſchien die Vergangenheit nur noch wie ein entſchwundener ſchwerer und wüſter Traum. Sie war wie durch Zauber aus tiefem Elend in Glanz und Reichtum verſetzt worden, ſie brauchte ſich ihrer Herkunft nicht mehr zu ſchämen, ſie hatte Eltern, die ſte liebten und überreich mit tauſend Dingen Überſchütteten, die ihr vorber kaum dem Namen nach bekannt waren. Was batte fie wohl auch noch auf Erden zu wünſchen gewagt? Durfte ſie unbeſcheiden ſein und vollkom⸗ mene Seligkeit verlangen, wo ihr dos Schicksal ſchon ſo viel Gutes und Schönes bot? Der Gedanke an den Freund ihrer Jugend und an ein ewig entſchwundenes Paradies hatte in der erſten Zeit wohl noch ihre Tage getrübt, die Ge⸗ wißheit, das Verlorene niemals wieder gewinnen zu können, bereitete ihr oftmals Schmerz. Aber es lag nicht in ihrem Charakter, den Kummer zum alltäg⸗ lichen Gegenſtand ihres Lebens zu machen. Roman 3 Name kam nicht wieder über ihre Lippen, ſie ge⸗ wann es ſogar über ſich, nicht mehr an ihm zu denken, er war der Gatte einer Andern und ihr Herz war rein und ſtolz. Sie hatte mit der Vergangenheit abgebrochen, die Geſchichte ihrer Leiden ſchien vergeſſen, und nun kehrte auch die Elaſticität und der unvergleichliche Viebreiz ihres Weſens wieder zurück, welche Eigen⸗ ſchaften Kummer und Gram eine Zeitlang unter⸗ drückt hatten. Sie erwachte zu neuem Leben. Es war eine Luſt und Freude für ſie, in rührender Sorge für die Eltern die Hände zu rühren und ihnen Gutes und Liebes zu erweſſen. Auch den Armen und Kranken, deren es auf den Gütern des Grafen ſo viele gab, bezeigte ſie in verſtändiger Weiſe ihre Teilnahme und Herzensgüte. Gräfin Antonia war dem jungen Mädchen mit mütterlicher Liebe entgegengekommen, ſte hatte fich auch bemüht, den Geiſt deſſelben zu bilden und mit poſitiven Kenntniſſen zu bereichern. Sie wurde in dieſem Beſtreben durch Jadwiga's glühenden Wiſſens⸗ drang kräftig unterſtützt. Auch der äußeren harmoni⸗ ſchen Lebensformen hatte dieſelbe ſich bald bemeiſtert, wobei ihr die natürliche Anmut und Grazie ihres Weſens zur Hülke kam. Das ſchöne Adoptivkind des Grafen Kwileckt! war eine Zierde der hohen polniſchen Ariſtokratie geworden und galt als eine begehrenswerte, geſuchte Partie. Aber Jadwiga dachte gar nicht an eine Ver⸗ mählung; ſie wußte, daß fie auch in Zuknuft niemals daran denken würde. Sie hatte auf de elt nur Einen geliebt und bewahrte ihm im Herzen die Treue. Es war ein kurzes romantiſches, abenteuer⸗ Ja, Jadwiga war zufrieden, weit, weit über ihr Hoffen und! Wünſchen, hinaus, ſie nahm ihr Glück mit Demut und Danlbarkeit auf. wieder. Wenn ſie auch in Unruhe des alltäglichen Lebens verklungen waren, ſo konnte Jadwige doc niemals die ſtürmiſche Melodie vergeſſen, welche he gonzes Weſen durchbebte, als ihr Herz zur ebe erweckt wurde. i Der Gedanke an eine einſame Zukunft beun⸗ ruhigte ſie nicht, ſie konnte ihr keine neuen Stürme, neuen Schmerzen mehr bringen. Wenn ſie nut ihre Eltern und deren Liebe behielt, dann hahe iht Sehnen und MWünſchen ein Endziel erreicht. Noch mehr zu verlangen, ſchien ihr verm ſſen. Und ſo kam es, daß Jadwiga, das liebens⸗ würdige, reiche Mädchen mit vierundzwanzig Jahren noch unvermählt geblieben war. Die jungen Damen ihrer Bekanntſchaft wählten ſie zu ihrer Freundin und vertrauten ihr alle Herzengeheimniſſe an, — ſelhſt junge Herren, welche ſie eher zur Braut als zur Vertrauten wählen konnten, erzählten ihr von ihrem Liebesleid, und die ſelbftloſe beſcheidene Jadwiga empfand darüber keine Unzufriedenheit; es war ja in ihre Hand gelegt, ihr Leben zu ändern, und nut ihr eigener Wille verhinderte fie. Dem Grafen Stanislaw und ſeiner Gemahlin ſtel es auch gar nicht ein, ſie zu einer Heirat zu drängen. Im Gegenteil! Sie empfanden gewiſſer⸗ maßen eine egoiſtiſche Freude daran, ihren Viebling fortwährend bei ſich zu haben, welcher durch ſelne Dankbarkeit und herzgewinnende Sanftmuth hre unbegrenzte Zuneigung erworben hatte und an dem ſte täglich neue Vorzüge entdeckten. Beſonders der Graf wies jeden Gedanken elner Trennung hartnäckig von ſich ab. Jadwiga's Anblick tief ihm ja täglich die Zeit ſeiner Jugend, feiner erſten Liebe zurück, denn wie ſehr glich ſie doch der Mutter! — Und nun durfte ee wieder die Augen ſehen die er einſt ſo innig geliebt — Margarethe ns Augen — dieſe ſchöͤnen blauen Sterne voll füßer Traͤumerei. An Jadwiga's äußerer Erſcheinung bermochten die Jahre kaum eine Veränderung hervorzubringen. Nur war ihre Schönheit eine idealere geworden. Ihr feines, zartes Geſicht mit dem ernſt finnenden Aus⸗ druck erſchlen jetzt durchgeiſtigter. Ueber der ganzen bolden Mädchengeſtalt lag der Hauch jungftäulicher liches Liebesglück geweſen, es war gekommen und gegangen wie ein Traum, aber jene Stunde hallte noch immer mit klagender Stimme in ihrer Seel Reinheit und Würde. (Fortſetzung folgt.) vom Miniſterium ausgebende Belehrung zur Grund. 9e 14155 l 10