blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Für die Redaktion verantwortlich: Karl Maliter, Ladenburg. —— Nr. 53. . * Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ — — Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Na 10 Pfg., Lokale Geſchafts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Neelamen 20 Pfg. Samstag den 2. Juli ——— 1892 Die Sonn tagsfeier. *Mit dem 1. Juli werden bekanntermaßen die Beſtimmungen des Reichsgeſitzes vom 1. Juni 1891 über das Ruhen der Arbeiterbeſchäftigung an Sonn⸗ und Feſttagen für das Handelsgewerbe in Kraft treten. Die erforderlichen Vollzugsverfügungen der Bezirksräte und Bezirksämter find faſt überall ergangen. Dieſe reichsgeſetzlichen Vorſchriften regeln ober nur eine Seite der Sonn⸗ und Feſttagsruhe, ſie wollen im ſozialpolitiſchen Intereſſe den unſelb⸗ ftändig im Handelsgewerbe beſchäftigten Gehilfen und Arbeitern die erforderliche freie Zeit an Sonn⸗ und Feſtſtagen gewähren, damit ſie die Kirche be⸗ ſuchen und ſich leiblich und geiſtlich erholen können. Die Frage der Sonntagsruhe hat aber noch eine andere Seite. Es iſt von jeher als eine Aufgabe der Staatsgewalt angeſehen worden, die äußere Feier der Sonn⸗ und Feſttage gegen Störungen durch öffentliche Arbeiten und ſonſtige Handlungen zu ſchütz n, deren Vornahme an ſolchen Tagen öffent⸗ liches Aergernis erregen und die religidſen Geſühlen verletzen kann. Von dieſem Geſichtspunkte aus waren im Großherzogtum ſchon ſeit dem Jahre 1804 po⸗ lizeiliche Verordnungen in Geltung, welche Art und Umfang dieſes der Feier der Sonn⸗ und Feſttage gewährten äußeren Schutzes genauer regeln. Dieſe Polizeivorſchriften, welche zur Zeit in den Verord⸗ nungen vom 28. Januar 1869 und 20. November 1879 enthalten ſind, haben eine weitergreifende Be⸗ deutung, als die Verbotsbeſtimmungen der Gewerbe⸗ ordnung. Sie erſtrecken ſich auf alle Arten von Ar⸗ beiten und Handlungen, die in die O ffentlichkeit hinüberwitken, alſo auch auf die Thätigkeit der Un⸗ ternehmer und anderen nicht zur Klaſſe der Arbeiter und Gehilfen gehörigen Perſonen, ſie erſtrecken ſich 8055 nicht blos auf die Thätigkeit im Induſtrie⸗ gewerbe und Handel, ſondern auch auf die Hand⸗ lungen, die in der Land⸗ und Forſtwirtſchaft, bei der Jagd und Fiſcherei, im Transport⸗ und Ver⸗ kehrsgewerbe u. ſ. f. vorgenommen werden. Dieſe pollzeiliſchen Vorſchriften üben den äußeren Schutz der Sonn⸗ und Feſttagsfeier, werden, wie dies im Reichsgeſetz vom 1. Juni 1891 ausdrück⸗ lich hervorgehoben wurde, durch die vom ſozialpo⸗ litiſchen Geſichtspunkte aus erfolgte Regelung der Sonntagsbeſchäftigung der Gehilfen und Arbeiter im Ganzen nicht berührt. Immerhin aber iſt es durch die Natur der Sache geboten, daß in einzelnen Punkten eine Uebereinſtmmung zwiſchen der reichsgeſetzlichen Regelung der den Gehilfen und Arbeitern zu ge⸗ währenden Sonntagsruhe in der landesrechtlichen Regelung des Schutz s der Sonn⸗ und F ſttage gegen äußere Störungen beſtehe. Dies iſt insbeſon⸗ dere in 2 Punkten noͤtig. Vor Allem muß eine Gleichheit beſtehen in der Bezeichnung der Feſttage für welche die reichsgeſetzliche Ruhe der Arbeiterbe⸗ ſchäftigung und das landesrechtliche Verbot der öffent⸗ lichen Arbeit gilt. Sodann iſt es geboten, daß über⸗ all dort, wo nach den reichsgeſ etlichen Vorſchriften aus beſonderen Gründen, die täglichen Bedürfniſſe der Bewirtung, die beſon⸗ dere eine Unterbrechung nicht zulaſſende Ar der ge⸗ werblichen Verrichtungen, ausnahmsweiſe eine Be⸗ ſchäftigung der Arbeiter an Sonn⸗ und Feſttagen geſtattet iſt in Weſentlichen die gleichen Ausnahmen auch vom landesrechtlichen Verbot der öffentlichen Arbeit an Sonn⸗ und Feſttagen zurückgelaſſen werden. Um dieſe Hebereinſtimmung herbeizuführen, find die landesherrlichen Verordnungen von 1869 und 1879 über die weltliche Feier der Sonn⸗ und Feſt⸗ tage 5 einer 3 1 worden. Die Wallfahrt nach Czenflochau. Roman von Johanna Berger. Im Treppenhauſe war es dämmerig, geſpenſter⸗ haft leuchteten die weißen Geſichter der polniſchen Staroſten und Staroſtinnen aus den alten Bildern, die man hier aufgehängt h tte, in dem grauen Zwielicht hervor. In fiebernder Haſt ſtolperte der Alte über die 1 Matten hinweg, welche den Boden bedeckten, — ſchon wollte er die ſchwere Hausthür öffnen, da hoͤrke er die Küchenthür gehen und Micholina's in Holzpantoffeln ſteckende Füße elligſt herüberklapperv. „Wer iſt da?“ zeterte ſie, dann trat ſie näher. „Ach liebes Herrgottchen, Sie ſind noch immer hier?“ Sie ſchlug die Hände ineinander. „Na, was wollen Sie denn noch? Ich meine, Sie konnten längſt ge⸗ gangen ſein, — denn mit der Jadwiga und Ihnen iſt's doch nun vorbei. Oder denken Sie etwa, ſolch ein gnädiges Fräulein — na, das ſtellt ſie doch zt vor — wird einen alten Trunkenbold noch Väterch en nennen?“ „Nein, nein, das geſchieht nie mehr,“ wim⸗ 1 der Alte, „und ich blde es mir auch gar nicht ein. Aber wenn ich daran denke, dann ſchüttelt's mich, dann bricht mir das Herz mitten durch. Habe 5. 4 gedacht, daß ich ſo an dem Mädel hänge. le war auch lo gut und brav, ſe zufriede mit re Geiche 15 ln Arbelt bot ſte jemals verdroſſen. Und ich habe ihr nichts dafür geboten, als Scheltworte, Armuth und Not!“ Er verſtummte und fuhr ſich mit beiden Händen in ſein graues Haar. „Ja, das habt Ihr, Gott ſei's geklagt. Aber nun kommt die Strafe, denn wie man ſich bettet, ſo ſchläft man!“ Dem alten Wytek ſlieg eine dunkle Röte in das fahle Geſicht, einen Moment klammerte er ſich a das Treppengeländer an, dann taumelte er weiter. Als er vor das Haus trat, prallte ihm ein furchtbarer Windſtoß entgegen, der mit raſender Wut um die Mauern tobte. Sein Blick ſtreifte den Himmel, von dem das dichte Schneegeſtöber in großen breiten Fetzen herabflatterte. Eine Weile zoͤgerte er noch, dann ſchritt er in das wilde Wetter hinaus. Und während er langſam auf der Landſtraße weiter wanderte, fiel plötzlich ein Hoffnungsſtrahl in ſeinen troſtloſen Jammer hinein. Er wollte von jtzt on wiklich ein anderer beſſerer Menſch werd' n, immer hatte er es ſich blos vorgenommen, aber niemals hatte er Stand gehalten, ſtets war er wieder in ſeine Fehler verfallen. Aber jetzt wollte er wirklich und wahrhaftig. Sein Fuß ſollte die Schänke nicht wieder betreten und kein Branntwein ihm die Lippen mehr getzen, nein, niemg meh z. B. mit Rückſicht auf weine Die neue Verordnung hat im Weſentlichen die ſeit⸗ herigen Beſt mmungen, die ſich im Ganzen wohl bewährt und bei der Bevölkerung eingelebt haben, beibehalten. Nun find insbeſondere die Beſtimm⸗ ungen, welche im engen Anſchluſſe an die Vor⸗ ſchriften der Gewerbeordnung über die ausnahms⸗ weiſe Geſtattung der Arbeiterbeſchäftigung an Sonn⸗ und Feſttagen die Fälle regeln, in denen auch in Zukunft ausnahmsweiſe öffentliche und öffentlich be⸗ merkbare Arbeiten beim Betriebe der Induſtrie und des Handels an den Sonn⸗ und Feſttagen vorge⸗ nommen werden. Außer dieſen durch die Rückſicht auf die Gewerbeordnung gebotenen Aenderungen ent⸗ hält die neue landeshertliche Verordnung inbeſondere noch zwei, der ſeitherigen Verordnung über die welt⸗ liche Feier der Sonntage nicht bekannte Vorſchriften. Vor Allem iſt bei der Bezeichaung der Feſttage, an denen öffentliche Arbeiten unterſagt find, der dem Charfreitag und dem Fronleichnamstag gewährte Schutz erweitert worden. Dieſe Feſttage ſollen den umfaſſenden Schutz als gebotene Feſttage in Zu⸗ kunft nicht blos in den Gemeinden genießen, wo die ebangeliſche Konfeſſion (beim Charfreitag) und die katholiſche Konfeſſion (beim Fronleichnamstage) auschließlich Pfarrrechte hat; es wird vielmehr der Charfreitag in allen Gemeinden, wo die evangelische Konfeſfion Pfarrrechte hat und der Fronleichnam in allen Gemeinden, wo die katholiſche Konfeſfion Pfarrrechte hat, als gebotener Feiertag behandelt werden, auch wenn in dieſen Gemeinden die andere Konfeſſion ebenfalls Pfarrrechte befitzt. Die Erwei⸗ terung des weltlichen Schutzes für die beiden Feier⸗ tage entſpricht einem aus kirchlichen Kreiſen ſchon mehrfach geäußerten Wunſche, dem ſich auch die Zweite Kammer angeſchloſſen hat. Außerdem wurde den ſeitherigen . ent⸗ und 9 würde Gott ihm verzeihen und die Jad⸗ wiga ihn nicht mehr verachten oder ſich ſeiner ſchämen. Und als wenn dieſe Gedanken ibm Kraft ver⸗ liehen, ſo ſchritt er itzt rüſtiger vorwärts, trotzdem ihm das eifige Geſtöber das Geſicht peitſchte und die Glieder erſtarrte. Es war ſtill und einſam um ihn her, nur ein junger Burſche mit dem Schießprügel auf der Schulter ktrottete über das Feld, um Krähen zu ſchießen. Als der Alte die Stadt erreichte, kam ihm aus den Goſſen die Jugend Czenſtochaus entgegen, welche ſich trotz des Unwetters im Freien herum⸗ tummelte, johlte und lärmte. Die Buben warfen ſich mit Schneebällen und bauten an den Straßen⸗ ecken einen riefigen Schneemann auf, und es gab jedesmal in mächtiges Geſchrei, ein Jubeln und Jauchzen, wenn ſolch ein ungeſchlachter Geſell auf die Naſe ſiel und in alle Winde zerſtäubte. Der alte Wytek ſchlich trübſelig an den Kin⸗ dern vorüber, ſein Mantel flatterte und er hielt den Kopf geſenkt. Wie ſtimmte auch dieſer jugendliche Uebermut zu dem ſchweren Kummer, der wie Cent⸗ nerlaſt ſein Herz beörückte! Vor einem Kramladen, von diſſen Schilde ein grell gemates Mattergottes⸗ bild herniedergrüßte, blieb er ſt hen, zog ein ledernes, ſchmutziges Beutelchen hervor und zäblte den Indalt. „Drei Rubel und zwanzig Kop ken ! „fluſterte er. 0 1 3 von 8 Jadwiga, das 8 6 0 M