2 . 74 Allgemeiner Auzeiger für Jadendurg und Amgegend. Erſcheint jeden Dienztag und Freitag Abend, . Ii . Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungz 5 blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Für die Redaktion verantwortlich: Karl Moliter, Ladenburg. i Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Naum 10 Pfg., Lolale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg Corpuszeile. Neclamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Moliter, Ladenburg. N Nr. 52. 4 Mittwoch den 29. Juni r ——— 1892 Abonnementseinladung. Mit dem 1. Juli d. J. beginnt das 3. Quartal dss. Bl. und ladet zum Abonnement ergebenſt ein. 10 i Die Expedition. Die bürgerliche Eintracht. * Vor ihrem Abſchied aus der Reſidenz war den Mitgliedern beider Kammern Gelegenheit geboten worden, vor Ihren Königlichen Hoheiten dem Groß⸗ berzog und der Großherzogin zu erſcheinen. In der ihm eigenen tiefinnerlichen Weiſe, in Wort n, welche die warmen Empfindungen des Herzens auf die An⸗ geſprochenen übertrugen und der hervorhebende Ausdiuck ſeiner Land und Volk mit aufrichtiger Lebe umfaſſenden Zuneigung waren, dankte der Landesfürſt den Männern, die in angeſtrengter und verantwo tungsreicher Acbeit um die weitere ſegensreiche Entwickelung unſerer inneren Angelegenheiten ſich bemüht hatten. Seiner Anerkennung, die bereits in der von dem Herrn Staatsminiſter zum Schluß der Tagung der Stände verleſenen Rede Ausdruck ge⸗ funden hatte, fügte aber der Großherzog die Bitte hinzu, die Abgeordneten ſollten bei ihrer Rückkehr die Heimat, mi aller Kraft dahin wirken, daß der Friede wieder in unſer Land einziehen möchte. So oft Großherzog Friedrich zu ſeinem Volke und zu deſſen berufenen Vir retern ſpricht, erh bt er ſeine Stimme als Friedensfürſt, dem die landes väterliche Sorge um das Heil ſeiner Untertanen, die Erholt⸗ ung des bürgerlichen Friedens als vornehmſt: Regen⸗ tenpflicht erſcheint und mit den Feuer der Begeiſt⸗ ung verbindet ſich in ſeinem geſegneten Werken der hingebungsvollſte Eifer in der Bethätigung dieſes Die Walfahtt nach Czenſtochau. RNoman von Johanna Berger. cht ſo, nicht ſo, Stanieslaw!“ Sie beugte ſich zu ihm herab und reichte ihm die Hand. „Was ich thue, iſt meine Gattenpflicht. Und wenn es Dir recht iſt, ſo rei ſen wir noch heute nach Poſen ab, um Jadwiga aufzuſuchen und ſie in andere ihr würdigere Verhältnſſſe zu bringen. Es iſt ſelbſt⸗ verſtändlich, daß Du ſi? adoptirſt und ihr alle Rechte eimäumſt, ouf welche ſie als Deine Tochter An⸗ ſpruch machen darf!“ Et erhob ſich von ſeinen Knien und zog ſeine Gemahlin in die Arme, er pußte ſein bleiches, von Thränen Überſtrömtes Antlitz feſt an ihr Herz, an dies treue, edle Herz, das ſo ſeltſam mit der faſt männlichen Energie ihres Weſens contaſtirte. Der Graf hin mit ſchwärmeriſcher Verehrung an dieſer verſtändigen, geiſtvollen und hochherzigen Frau, die ihm, dem etwas charakterſchwachen und indolenten Manne, ſeit beinahe achtzehn Jahren eine treue und liebende Gefährtin geweſen war. Sie hatte ihm in den ſchwierigſten Verhältniſſen Proben ihrer Wllenskroft, Umficht und He zengüte gegeben, er vertraute ihr unbedingt und tiug ſie gleichſam auf Händen. Trotzdem hatte er niemals den Mut gehabt, über ſeine Jugendliebe ganz effen und ehr⸗ ſich mit ihr zu ſprechen, und die Gräfin war durch die Wahrheit erfahren? Aergern werden ſie wahrhaft ſtaatserhaltenden Grundſatz⸗3. Und weil das badiſche Volk dieſes von den edelſten Abſichten eingegebene und in den hehrſten Empfindungen wurzelnde Beſtreben ſelines Landesherrn in ſeiner ganzen Größe zu würdigen vermag, blickte es mit jner unbegrenzten Liebe und Verehrung, die vor⸗ bildlich genannt werden darf, zu ihm empor. Deß⸗ halb wird auch die Bitt⸗, die der Großherzog ſoeben an die Volksvertreter gerichtet hat, vom Volke als eine Mahnung bettacht⸗t werden, deren Erfüllung in tagsabſchiede mit den Worten bezeichnete: frieden und die gegenſeitige Achtung des Belennt⸗ niſſes ernſtlich zu wahren beſteebt iſt, als eine heilige dann, politiſchen jenen Volksſchicht en, wie Überall, wo man den Bürger⸗ Pflicht erkannt werden wird. Denn nur wenn der Wille zur Milderung der G genſätze nicht nur auf der einen Seite geh'gt, ſondern wenn dieſer redliche Welle auch bei dem Gegner anerkannt und durch Wort und Tat auch von ſeiner Seite ernſtlich bekundet wird, iſt es mog⸗ lich, die mit jedem neuen Tage in wachſendem Maße und mit ſchneidender Schärfe auftretenden politiſchen Meinungsverſchiedenheiten zu klären und die Be⸗ thätigung der Anſchauungen der Parteien in jene Wege zu leiten, auf denen ſie dem allg meinen Wohle förderlich ſein können. Nur dann, wenn die Parteien es vermögen, ihre — wenn man es ſo bezeichnen darf — Sonderintereſſen der Ueberzeugung zu opfern, daß über dem politisch n Kleinkampf, den die Flucht der wechſelnden Erſcheinungen des Tages und die wandelbaren Anſchauungen der Maſſe hervorrufen, als ruhender Pol das Wohl des Staates, der All · gemeinheit, ſteht, wird eine ehrliche Verſöhnung moͤgz⸗ lich ſein, und nur unter dieſer Vorausſetzung er⸗ ſcheint das Bü ſtehen politiſcher den Geſſetzen ſich unterordnender und die Grundlagen des Staates be⸗ feſtigender Parteien, gleichviel welchen Namen ſie die plötzlichen Enthüllungen ihrts G mahls ſchwer Aber ſtets gewohnt, ſich mit weiſer Klug · betroffen. heit in j der Lebenslage zurechtzufiaden, verbarg ſie auch jetzt ihr blutendes Herz unter Seelenſtärke und unveränderter Gattenliebe. „Deine Großmut beſchämt mich“, rief er end⸗ lich aus, „das hätte ich nicht von Die erwartet, Antonia. Wie ſoll ich Dir danken und wie ſoll ich Gott danken, daß er unſere Schritte nach Czen⸗ ſtochau lenkte?“ „Ja, unſere heilige Maria kann wahre Wunder verrichten,“ fiel ihm die Pani Caſimira in's Wort. „Denn das iſt klar, wären Sie nicht zur Wall ⸗ fahrt zu uns gekommen, ſo hätten Sie ihre Tochter nicht wiedergefunden. Ja, die Madona, die ſchwarze Madonna. Und was die Marienmädchen, die hoch⸗ naſigen Dinger nun wohl ſagen werden, ſobald ſie ſich, ärgern, bis ſie ſchwarz find, wenn erſt die Jadwiga als Grafentochter in der nobeln Equ page, ihres Vaters, mit den Dienern in Loree auf dem Kutſch⸗ erbock zur Kirche fährt, oder ihre Vifſten in den Daſchken der Edellcute macht. Aber Straf muß ſein! — Und nun vellends der Roman, ja der Roman — —“ ſie ſchwieg etſchrockn und warf emen ſcheuen, verlegenen Bick auf Gräfin Antonia hinüber. „Wir wirden ſofort mit Jadwiga nach Schloß Introſchin reiſen,“ ſagte ſie bedeutungsvoll; „unſere ſonſt führen mögen, gerechtfertigt. Die „Bad. Korr.“ iſt ſich wohl deſſen dewußt, daß man nicht wird verlangen können, der Wunſch, dem Beſten des Vaterlandes zu dienen, möchte oder könnte die Unter⸗ ſchiede aufheben und die Grenzen verwiſchen, welche die Parteien von einander trennen; iſt aber der Wille zur Milderung der Gegenſätze ernſtlich vor⸗ handen, dann muß ſich auch der Meg zur Erreich⸗ ung jener hohen Aufgabe finden, deren Weſen unſer erhabener Landesfürſt ſchon in einem früheren W „ koftbarſte Gut iſt die bürgerliche Eintracht!“ Poliiſches. — Ladenburg, 25. Juni. Der König und die Königin von Italien trafen nach Beendigung ihres mehrtägigen Aufenthaltes am kaiſerlichen Hofe in Potsdam Freitag Nachmittags 6 Uhr in der Villa Strehlen bei Dresden ein, wo ſie dem ſäch⸗ ſiſchen Königspꝛare einen Beſuch abſtatteten. Der ⸗ ſelbe erklärt ſich aus den nahen verwandtſchaftlichen Beziehungen, welche zwischen der italieniſchen Königs⸗ familie und dem ſächfiſchen Königshauſe ſchon ſeil geraumer Z it beſtehen. König Albert und Königin Carola, umg⸗ben von den Prinzen und Prinz'ſſinnen des ſüchfiſchen Königshauſcs empfingen ihre erlauchten Gäſte auf dem Bahnhof Strehlen und geleiteten fte nach herzlicher g⸗genſeitiger Begrüßung nach der königlichen Vella. Hier fand zu Ehren der italieni⸗ ſchen Majeſtäten Familientafel ſtatt, nach deren Be⸗ endigung König Humbert und Königin Margareta von Bahnhof Strehlen aus direkt nach Frankfurt a. M. weiterteiſten. Die Ankunft der hohen Reiſen⸗ 4 den in der altberühmten Manſtadt erfolgte am Sonnabend Vormittag gegen 9 Uhr; bei Bockenheim hielt alsdann König Humbert eine Parade über das Tochter muß ſich erſt in die neuen Lebensgewohn⸗ längere heiten binein finden, ſpäter gehen wir auf Zeit in's Ausland mit ihr, damit ſie auch die große Welt kennen lernt. — Und nun, lieber Stanislaw, gieb Deine Befehle zur Abreiſe, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.“ — — Eine Stunde darauf ſtand ein großer Schlitten vor dem Herrenhauſe von Ly gotta, in welchem die Kwilecks und Frau von Beelinska Platz nahmen, Die Damen waren in koſtbare, mit Hermelin ver⸗ brämte und gefütterte Sammetmantel gehüllt. Der Graf trug einen Aſtrachanpelz und eben ſolche Mütze. Alle Drei hielten Sträuße von roten Roſen in den Händen, welche der Gärtner noch in oller Eile dem Treibhauſe entnommen hatte. Frannſchek breitete große Bärenpelze über den Schlitten aus. Dann fleckte er noch ein paar geladene Piſtolen binter die Stzkſſen zur Abwehr gegen die Wölfe, die mit Ein⸗ tritt des Winters aus den dichten Wäldern kommen, um auf Beute zu lauern. Franuſchek ſah mit ſeiner kurzen breiten Figur, 1 dem dicken Schaſpelze und der Lam mfellcapuz⸗ wie ein Eskimo aus. Ehe er ſich auf den Bock ſchwang, nahm er noch verſtohlen einen tüchtigen Schluck aus ſeiner Branntweinfluſche, dann brachte er mit einem energiſchen Knutenhiebe die ſchnaubenden Pferde in Gang und der Schlitten ſauſte mit melodiſchem Schellengeläute über die weiße Fläche dahin, durch Nebel und wildwogenes Schneegeſtöber. 5