8 — blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. r die Redaktion verantwortlich: Karl Moliter, Ladenburg. Nr. 43. geint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Neelamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Samst Neue Gefahren vom franzöſtſchen Chauvinismus. 1 In ihrem blinden Deutſchenhaſſe finden die franzöfiſchen Hetzpatrioten immer wieder Gelegenheit die Beziehungen zwiſchen Deutſchland und Frankreich zu verſchärfen, und ſcheint leider das Jubelfeſt der Univerſität in Nancy, der Hauptſtadt des franzöfiſchen Teiles von Lothringen, dafür einen bedenklichen An⸗ laß zu geben. Die Studenten in Nanch haben zu ihrem im Juni ſtattfindenden Jubelfeſte die Studenten aller europäiſchen Univerſitäten mit Ausnahme der deutſchen Univerfitäten eingeladen. Dieſes Vorgehen finden wir im Hinblick auf die beſtehenden delikaten Beziehungen zwiſchen Franzoſen und Deutſchen ſehr berechtigt und natürlich, aber auch der franzöſiſche Chauvinismus zeigt dabei gleich ſeinen Pferdefuß, denn während die Franzoſen auf die Einladung deutſcher Studenten zu dem Jubelfeſte in Nancy aus⸗ d rücklich verzichtet haben, ſo erwarten ſie doch die Teilnahme zahlreicher Gäſte aus Elſaß⸗Lothringen an dem Feſte in Nanch und wird dafür bereits in franzöſiſchen Zeitungen Propaganda gemacht. Wie es heißt haben auch der Präfident der franzöfiſchen Republik, Herr Carnot und der franzöſiſche Miniſter⸗ präfident Loubet ihr Erſcheinen bei der Jubelfeier in Nanch zugeſagt, und es lönnen recht ſeltſame Zwiſchenfälle und Verlegenheiten für die franzöfiſche Regierung entſtehen, wenn die galliſchen Heißſporne ſich etwa zu einer deutſchfeindlichen Demonſtration in Nancy angeſichts der höchſten R. paäſentanten der Staatsgewalt auf der einen Seite und angefichts der wahrſcheinlich zu Tauſenden nach Nanch kom⸗ menden Elſaß⸗Lothringer auf der anderen Seite hin⸗ reißen laſſen. Die Deutſche Nation hat deshalb den Wunſch, daß die franzöſiſche Regierung ſich ſtark, 1 f Die Wallfahrt nach Czeuſtochau. Roman von Johanna Berger. Als ſie vor dem hr wohlbekannten blumigen Hügel ſtand — ſie hatte die Pflegmutter als Kind ſo ahnungslos docthin begleitet — da überlief ſte ganzen ein heftig“s Zittern, es ſchüttelte ihren Kö per. Sie ſank auf die Knie, vergrub ihre Stirn in das hohe, regenfeuchte Blättergewirr und weinte bitterlich. Da unten in der Erde lag ja das einzige Weſen, an das natürliche Bande ſie knüpften, von diſſen Daſein ſie heute erfahren. — Dort unten lag — ihr eigenes, liebes Mütterlein. Jadwiga weinte immer heftiger. Ach, warum war man nicht barmherzig gegen ſie geweſen und hatte ſte mit ihr zufammen ſterben laſſen! „Ach warum nicht, warum nicht?“ ſo flüſterte ſie mit den zucken⸗ den Iippen. Und dann betete ſie haſtig ein Vater⸗ unſer nach dem andern, während ſie die Perlen ihres Roſenkranzes krampfhaft zwiſchen den fieberhaft bebenden Fingern hindurch gleiten ließ. Wie lange ſo vergangen war, ſie Stunden g' fangen. vergaß fie die Außenwelt. Inzwiſchen war der Mond am Himmel herauf⸗ gezogen und breitete ſeinen Zauberglanz über Flur und Wald und auch über den einſamen Gottesacker. Wachholder und Rosmarin. wußte es nicht, denn eine dumpfe Beläubung hielt ſie Mnuten, In ihrem übergroßen Schmerz jammer von Dir ab und wiegen Dich ſanft linde hinein in ein ſeliges Vergeſſen; — komme doch, klug und unſichtig genug erweiſen moge, um wenig⸗ ſtens bei dem offiziellen Teile des Feſtes keine un⸗ liebſamen Demonſtrationen aufkommen zu laſſen. Thatſächlich hat ja auch der beſonnenere Teil der Franzoſen in unrichtiger Beurteilung der bedenklichen Situation in verſchiedenen Zeitungen Warnungs⸗ ſtimmen bezüglich ſogenannter „patriotiſchen Demon⸗ ſtrationen“ laut werden laſſen, und es iſt wahr⸗ ſcheinlich, daß die offlziellen Feſtlichkeiten in Nanch ohne jeden bedenklichen Zwiſchenfall verlaufen werden. In welchem trüben Waſſer die Chauviniſten und gewiſſe hinter ihnen ſtehenden Parteien in Frankreich aber zu fiſchen ſuchen, das geht aus der lägenhaften Nachricht des „Gaulois“ hervor, daß die deutſche Regierung über die Reiſe des Präft en⸗ ten Carnot ſehr ung halten ſei, und daß Deutſch⸗ land als Antwort auf dieſe Reiſe 2 Armeccorps mobil macheen werde. Dieſen Unfinn glaubt wohl kein vernünftiger Menſch. Die deutſche Regierung kümmert ſich um Vorgänge im franzöſiſchen Staate in jenem Sinne gar nicht, und können die Fran⸗ zoſen mit ihrem Gebiete ſchalten und walten wie es ihnen beliebt. Sicher wird aber die deutſche Re⸗ gierung dafür ſorgen, daß die etwaige Ausbrüche des franzöftſchen Chauvinismus anläßlich der Feſt⸗ lichkeiten in Nancy nicht über die deutſche Grenze kommen, und daß in Elſaß⸗Lothringen lebende Fran⸗ zoſen oder Elſaß⸗Lothringer, falls ſie ſich in Nancy zu deutſchfeindlichen Demonſtrationen hinreißen laſſen, bei ihrer Rückkehr nach Elſaß⸗Lothringen Bekannt⸗ ſchaft mit dem noch beſtehenden Diktatur⸗Paragraphen machen, nach welchem alle Perſonen, welche den Frieden in Elſaß⸗Lothringen gefährden, ohne Weiteres ausgewieſen werden. Von den Feldern wehte ein friſcher Wind und brachte einen würzigen Kräuterduft mit, von Thymian, Ueber dem Sumpfſee ſchwebten weißliche Nebelſchleier und ballten fich in phantaſtiſche Formen zuſammen. Unheimlich murmelte und gurgelte das tiefe grünliche Gewäfſſer. Jadwiga hatte ſich endlich müde und matt ge⸗ weint und gebetet. Ganz verwirrt hob ſie den Kopf empor und blickte umher. Auf dem Friedhofe herrſchte die Ruhe des Todes. Das düſtere Mauerwerk der Rochuskapelle hob ſich grau und ſpukhaft in die Luft umher, während alle anderen Gegenſtände fahl und geſpen⸗ ſterhaft in dem bleichen Mondenlicht erſchienen. Eine heiße Angſt legte ſich auf des Mädchens Gemüth, auf ihr laut aufgeregtes klopfendes Herz. — Was ſollte nun werden, — wohn ſollten ihre kleinen Füße nun wandern? — Sie mußte einen Entſchluß faſſen und doch kannte ſie die Welt nicht, die weite, große, fremde Erdenwelt. Und lauter drang das dumpfe, geheimnißvolle Nacht. Sie ſchienen zu rufen, zu winken zu locken: „Knomm doch, oh komm doch nur, hier findeſt Du Frieden Rauſchen der Wellen durch die Stille der — wir waſchen alles Herzleid und allen Erden⸗ und oh komme, hier iſt die ewige Ruhe!“ — So klang es beſtrickend und verheißend in ihr Ohr, ſie mußte Volitiſches. Karlsruhe, 26. Mai. In der zweite Kammer kam am Montag die Petition verſchiedener Metzgergenoſſenſchaften um Aufhebung der ſtaatlichen Fleiſchaceiſe zur Beratung. Einige Stimmen ſprachen ſich zwar für Empfehlung dieſer Bitte aus, allein die überwiegende Mehrheit der Kammer beſchloß nach dem Antrag der Petitionskomm ſſion Uebergang zur Tagesordnung. In der Diskuſſion wurde her⸗ vorgehoben, daß dieſe Steuer offenbar nicht au den Metzgern, ſondern auf dem fleiſchkonſumirenden Publikum laſte und ſchon deshalb die erſteren zur Stellung eines derartigen Verlangens nicht berufen ſeien. Auch wurden der „Bad. Korr.“ zufolge mit Recht, Zweifel ausgeſprochen, ob eine Aufhebung der Steuer ſofort durch ein Herabgehen des Fleiſchpreiſes Ugemeinheit zu gute kommen werden. N Karlsruhe, 26. Mai. Die dreitägige Debatte der Zweiten badiſchen Kammer über den Geſetzentwurf in Betreff der Be⸗ ſteuerung für allgemeine kirchliche Bedürfniſſe endete mit der Annahme des Geſetzes durch eine Mehrheit von 50 Stimmen gegen 8. Das Geſitz wurde nur von 2 Mitgliedern der nationalliberalen Partei und von der geſamten deutſch⸗freifinnigen Fraktion abge⸗ lehnt; im übrigen erfolgte die Annahme ſeitens aller Anweſenden einſtimmig. Als weſentliche Gründe der Ablehnung ſeitens Derer, welche dagegen ſtimmten, wurde die im Geſetz ausgeſprochene Fortdauer der Staatsdotation von je 200 000 Mk. jährlich an die beiden Hauptkrchen ds Landes bis 1899 und der Umſtand bezeichnet, daß die Steuer, welche der Ent⸗ wurf an das Gemeinde- bezw. Ortskirchenſteuerſyſtem angeſchloſſen hatte, nach dem Kommiſſionsantrag nicht unbedingt aus den Einkommensanſchlägen, — ſich gewaltſam bezwingen, um den verführeriſchen Stimmen nicht zu folgen. — Aber nein, das durfte ſie nicht, das nicht, — das war Sünde. Mocht ihr Schickſal auch noch ſo traurig ſein, ſie wollte es ertragen, denn ſie wußte einen Gott über ſich, der ein Vater der armen verlaſſenen Waiſen war Und ſie war geſchickt und verſtand zu arbeiten. Was ſie auch in der kurzen Spanne Zeit von geſtern bis heute durchlebt, durchkämpft und durchlitten, fie mußte es überwinden. Auf Gott und auf ihre eigene Kraft wollte ſie fortan bauen und muthig ein neues Leben beginnen. Sie erhob ſich von ihren Knieen, nahm ihre ö kleine Reiſetaſche vom Boden auf und ſchickte ſich zur Wanderung an. Sie hatte bereits den Kirch⸗ hof verlaſſen und wollte eben an der Capelle vor⸗ beiſchlüpfen, als ein eiliger und feſter Tritt von der Landſtraße hörbar wurde. Das Mädchen lauſchte geſpannt, dann zuckte ſie heftig zuſammen, ſie hatte Romans Schritte er⸗ kannt. Das Blut ſtürmte ihr heiß in das arme gequälte Herz hinein. „Roman, mein Gott, Roman,“ flüſterte fie — Kam er, ſte zu ſuchen in der traurigen Nacht, ſie zu tröſten in ihrem Elend? — Sie durfte ihn alſo noch einmal ſehen, noch einmal hineinſchauen in ſein liebes, ſchönes Geſicht. Noch ein letztes f 1 — ſo zum Abſchied: Und dann — niemals wieder. 1 9