die Geschäfte des Finar zminiſters; in wichtigen Fragen ſoll der Verkehrsminiſter v. Witte hinzuge⸗ zogen werden, Verſchiedenes. — Mannheim, 16. April. Die im bieſigen Amtsgefängniß inte rnirte Frau Hoppſtätt, welche be⸗ kanntlich in Gemeinſchaft mit ihrem Manne zu der großen Diebſtabls⸗ und Einbrecherbande gehört, die im Herbſt vorigen Jahres unſere Stadt und die ganze nähere und fernere Umgebung derſelben bis hinunter nach Mainz und Köln unſicher machte, hatte einen äußerſt kübnen Plan entworfen, um die Freiheit wieder zu gewinnen. Dieſelbe war nämlich ſeither mit Stricken beſchäftigt. Mit Hilfe der Stricknadeln verſtand ſie es, während der Nachtzeit die vor dem Fenſter ihrer Zelle befindlichen Eiſen⸗ fläbe ſo zu lockern, daß ſie mühelos herausgehoben werden konnten. Ferner hatte ſie aus Strickgarn, das ihr die Gefängnißverwaltung lieferte, ſich einen ſtarken Strick gefertigt, mit dem ſie die Flucht be⸗ werkſtelligen wollte. Glücklicherweiſe wurden jedoch die Vorbereitungen zu der Flucht von der Aufſeherin entdeckt. Die Hoppſtädt iſt diejenige Frauensperſon welche den Händen der Polizei ſchon wiederholt ent⸗ ſchlüpft iſt, ſo in Straßburg und Landau. — Lemberg, 16. April. Einer rohen That iſt ein junges blühendes Menſchenleben zum Opfer gefallen. Vor 8 Tagen war ein Mann vom Rodalberhof in Pirmaſens bei der Controlverſamm⸗ lung, bei welcher Gelegenbeit er ein Glas über den Durſt getrunken haben muß, da er beim Nachhauſe⸗ gehen in der Nähe des Kettrichhofes an einem Straßen⸗ graben liegen blieb und einſchlief. Dem Schlafenden wurden die Hoſen ausgezogen und demſelben zwei tiefe Sönitte in einen hier nicht näher zu nennenden Körperteil beigebracht. Der Bedauernswerte achtete, zu Hauſe angekommen, jedenfalls ous Scham, die Wunden nicht und als dann ärztliche Hilfe in An⸗ ſpruch genommen wurde, war es ſchon zu ſpät. — Mainz, 15. April. In wurde beim Auswerfen eines Kellers eine einen fizenden Löwen darſt⸗ lende Figur gefunden, die man für eine gußeiſerne hielt. Dieſelbe ging in den Beſitz eines Juweliers für 30 Mk. über. Dieſer fand bald, daß der Löwe aus Silber hergeſtellt iſt und einen Wert von etwa 4000 Mk. hat. a — Ein Raubanfall wurde in Mailand, wie man von dort ſchreibt, an dem Rentier Terrario ver⸗ übt. Derſelbe ging aus der Scala nach Hauſe und Sobernheim wurde ouf offener Straße von drel Brod über⸗ fallen, 1 10 in einen Winkel der Via Spiga zu ziehen und zu berauben ſuchten. Signor Terrario trug einen Stockdegen, mit dem er ſich nach Kräften verteidigte. Es entspann ſich, während der Ange⸗ griffene laut um Hilfe ſchrie, ein wüthender Kampf, dei dem Signor Terrario einen der Straßenräuber ſchwer verwundete. Die drei ſetzten jedoch ihrem Opfer mit Stockhieben und Meſſerſtichen derartig zu, daß er hinſtürzte und die Beſinnung verlor. In dieſem Augenblicke wurde ihm ober Hilfe zu Theil. Der Rothgießer Biazzi feuerte aus ſeiner Wohnung mit einem Revolver auf die Räuber, die erſchreckt das Weite ſuchten. Es war ihnen nicht gelungen, dem Signor Terrari das Portefeuille zu rauben, wohl aber hatten ſie ihn um ſeine übrigen Werth⸗ achen erleichtert. 1 — 21. 16. April. Griffet, der franzöͤſiſche Conſul in Cuneo, iſt geſtern von einem gewiſſen Michel Robiolo, einem Individuum, das bor einigen Tagen als anarchiſtiſcher Umtriebe berdächtig aus Paris ausgewieſen worden, auf offener Straße an⸗ gegriffen und mit einem Hammer zu Boden geſchla⸗ gen worden. Der Zuſtand des Conſuls iſt ſehr be⸗ denklich. Robiolo, der ſofort verhaftet wurde, konnte nur mit Mühe der Lynchjuſtiz des Volkes entzogen werden. — Paris, 16. April. Ein neues anarchiſti⸗ ſches Dynamitattentat iſt durch Geiſtesgegenwart ver⸗ eitelt worden. Der Notar Lindet, ein Verwandter des ehemaligen Polizeipräfekten Voifin, wurde auf erhaltene Drohbrieſe hin von Poliz ſten Tag und Nacht bewacht. Trotzdem gelang es einem feingeklei⸗ deten Herrn, einen mit Dynamit gefüllten eiſernen Kochtopf vor die Corridorthüre niederzuſetzen und die an demſelben angebrachte Lunde anzuzünden. Ein zufällig vorbeikommender Commis beſaß Geiſtesgegen⸗ wart genug, die faſt abgebrannte Lunde auszudrücken und ſo die Exploſton zu verhüten. Die Polizei ver⸗ weigert über dieſes neue Attentat dis itzt jede Auskunft. — Petersburg, 14. April. Ein eigentüm⸗ liches Familiendrama hat fich nach dem „XIX Sele“ ä in Sauram im Kaukaſus abgeſpielt: Der Fürſt Tſcheidze war ſchon ſeit einiger Zeit Gegenſtand des ö Haſſes aller ſeiner Verwandten, weil ſein Vater ihm 5 ſein ganz ⸗s ung⸗ heures Vermögen vermacht hatte, ohne das geringſte den übrigen Verwandten zu geben. Letztere beſchloſſen daher, Rache zu nehmen. Vorge⸗ ſtern abend drangen mehrere derſelben maskiert in das Haus des Fürſten Tſcheidze ein, ermordeten ihn, ein dumpfes Gemurmel fort, ein halb unterdrücktes Klagen, Schluchzen und Weinen und dazwiſchen klang feierlich die monotone Stimme des Prälaten und das melodiſche Glockengeläut. 5 In der Nähe des Kloſters liegt eine große, von hohen Bäumen umſchattete Wieſe. Sie war ſchon ſeit undenklichen Zeiten der Sammelplatz und Erholungsort der müden Pilger, welche größtenteils die Nacht unter fleiem Himmel, auf den Steinſtufen der Kirchen oder in den Ställen und Scheunen zu⸗ gebracht hatten, denn die kleine Stadt Czenſtochau konnte die Tauſende nicht b⸗herbergen. Auf dieſer friſchen, grünen Grasfläche war das ganze profane Leben und Treiben eines fröhlichen Jahrmarkts zu finden. Bude reihte ſich an Bude. Die Verkäufer waren meiſt polniſche Juden mit langen Seiten⸗ locken und ſtruppigen Bärten. Sie waren in un⸗ ſaubere, Übelriechende Kaftans gekleidet und boten Branntwein, Häringe, Knoblauchswürſte und in Oel geſottenen Stockfiſch feil, welche Leckerbiſſen bei den halb verſchmachteten Wallfahrern den reichlichſten Abſotz fanden. Auch kleine Stände mit Meth, Thorner Pfefferkuchen und Obſt waren vorhanden, ſopwie allerhand Kleinkram, bunte Tücher, Bernſtein⸗ ſchmuck und Kaliſcher Schuhwerk, welches in ganz Polen einen vorzüglichen Ruf beſitzt. Handel und Wandel fand hier ein ergiebiges Feld, ſeine Thätig⸗ keil zu entfalten, aber auch dem frommen Wahne wurde manch ſauer verdienter Rubel zum Opfer ge⸗ bracht: Noſenkränze, direkt von Jeruſalem bezogen, und kleine, in Elfenbein gefaßte Splitter vom heiligen Kreuze wurden mit dem größten Eifer als echte Kleinode angekauft. Auch Gebetbücher, Amulets, Cruc fixe, Heiligenbildchen und Pilgerſtöcke waren in größter Auswahl da, um als theure Andenken nach 2 Abkochen behält und zum kochen in jeder belſehlgen ſeine Frau und zwei Kinder, ebenso die aus 8 ſonen beſtehende Dienerſchaft des Fürſten, Berſcheden 0 Verhaftungen find vorgenommen worden. — Aufſeben erregende Neubeit! Die Jeruſa· lemer Kirſche. (Physalis peruviana). Wiederholte Verſuche haben uns den Beweis geliefert, das diet großartige Frucht die beſte Neuheſt unſeres Zell ters iſt und daß ſie ſich ihres Werthes wegen rasch über alle Kulturländer der Erde verbreſten witz Dieſe Pflanze gehört zur Familie der Himbern, wächſt raſch und kräftig, der Samen dſeſer Nflanzt im April oder Anfangs Mai aus geſct, giebt Pflan. zen, welche noch in demselben Jahre und zwar Frühſommer ſehr ſchmackhafte, gromatiſche, goldgeße Früchte bringen, die anderen Kirſchenſorten in nichlg nachſtehen; dieſelben ſtehen in großen Trauben t 75 — 100 beiſammen, ſie find in der Entwicklung bis zur Reife in einer Hülle eingeſchloſf n, welche durch den Kelch geb eldet wird und die Frucht poll einhüllt. Wenn die Früchte ref find öffget ſſch die Hülle und zeigt eine große Beere von glänzend gol, gelber oder weinrother Farbe. Die Blüthenkelche ung Ranken find ſtark mit röthlichem Moos bedech, Ahn lich wie bei den Moosroſen. Sie wird nicht von Inſekten angegriff n. Der Geſchmack der Frucht f ganz und gar verſchieden von dem jeder anderen Beere, er iſt ſehr herzhaft, kräftig, ſüß und gromo⸗ tiſch und hat kein unangenehmes Sauer, im Gegen⸗ theil ein überaus delikates Aroma, gibt ihr den Vor⸗ zug don gleichartigen Früchten. Die Samen find ſehr klein und werden beim Eſſen nicht mehr dime, als Samen der Erdbeeren. Auch eingemacht i fe allen anderen Früchten vorzuziehen, denn ſſie iſt die einzige Frucht, welche ihr friſches Aroma nach dem Foem läßt keine andere Frucht ſich mit ihr ber⸗ gleichen. Sie iſt ſehr ſaftig und liefert mithin vor⸗ züglichen aromatiſchen Wein. Die Zeit der Neiſe beginnt Anfang Juli und es dauert eine Zeſtlang bis alle Beeren geerntet find. Es iſt die erglebigße Frucht, die mir bekannt iſt und die Buche find buchſtäblich mit ſchönen Früchten bedeckt. Dazu komm, daß die Pflanze vollſtändig winterhart iſt und ehen, ſogut nordiſche Kälte wie jüdliche Hize werfe Samen, ſowie Pflanzen dieſer Neuzeit liefert die Landwirthſchaftliche Samenzüchterel des Herrn Adel a Theiß in Darmſtadt. 16 5 Hauſe gebracht zu werden. Ein altes Weiblein bot den Vorübergehenden geweihte rote Kerzen an, die bei ſchwerer Kcankheit angezündet alle Schmerzen linderten, die Trunkſucht heilten und vor Hexenſpuk und Brandſchäden ſchützten. Im Nu hatte das Weiblein ihre wunderbaren Kerzen verkauft, denn faſt jeder Wallfahrer wünſchte eine derſelben in die Heimat mitzunehmen. Auf kleinen Tiſchen waren ferner eine Menge filberner und wächſerner Glied⸗ maßen ausgelegt, darunter viele Herzen. Dieſe ein⸗ fachen und doch ſo beredt ſprechenden plaſtiſchen Ge⸗ bilde waren dazu beſtimmt, als Opfergaben vor dem Wunderbilde niedergelegt zu werden. Mitten auf dem Feſtplatze, unter einer weit⸗ äftigen Platane, war für die vornehmen Leute, welche das Marienfeſt beſuchten, ein ſogenanntes Herrſchafs⸗ zelt errichtet worden. Hier ſaßen unter dem grauen, mit rothen Einfaſſungen reich verzierten Leinwand⸗ dache Gräfin Kwilecka und die Herrin von Ly gotta. Die Damen waren eben aus der Kirche gekommen, erfriſchten ſich an einer Schale Fruchteis und erwar⸗ teten die Proceſſion, welche den Schluß der Kirchen⸗ feier bildet. Vor dem Zelte ſtand Pavel mit den Gebetblüchern und Roſenkränzen der Damen und er⸗ götzte ſich an dem lebhaften Jahrmarktstrubel. Frau Cafimira lehnte mit halbgeſchloſſenen Augen in ihrem Seſſel und ſchlürfte langſam ihr Eis. Zuweilen ſtieß ſie einen Seufzer aus, während die Gläfin dem fremdartigen, buntbewegten Schauſpiel ihre ganze Aufmerkſamkeit widmete und in warmen Worten ihr Vergnügen darüber ausſp rach. „Das nennen Sie ſchöͤn, gute Antolka ? —“ Frau von Bielinska ſchüttelte verwundert den Köpf. „Da muß ich zum erſten Male Ihrem ſtets ſo feinen Geſchmack meine Anerkennung verſagen, denn mich macht das eentſetzliche Getöſe und der abſcheuliche Oelgeruch vollſtändig nervös. Man kann wäitlich kaum einen Schritt vorwärts ſetzen, ohne auf elende oder ſchmutzige Menſchen zu ſtoßen. Sie ſagen dog gewiß nur aus Höflichkeit zu uns, Antonntſchla!“ Ich ſage die Wahrheit,“ verſetzte die Gräff, indem fie lebhaft ihren Fächer hin und her bewege. „Ich amüfire mich prächtig, denn dieſes Schauſppl hat einen pikanten, prickelnden Reiz an ſich, der ungemein feſſelnd wirkt. Auch gehört es ja zun guten Ton, wenigſtens einmal im Leben einer Wall⸗ fahrt nach Czenſtachau beigewohnt zu haben, Außer dem haben wir noch eine beſondere Freude dabel, liebe Cafimra, wir ſahen unſere beſten Freunde wieder. „Ja, es iſt wahr, es geht nichts über gute und treue Freunde und das find wir Beide, k widerte eifrig Frau v. Bielinski. „Und es ift ent zückend, daß Sie endlich einmol nach Oygolta ge⸗ kommen find. Ach Antonia, ich habe ſeit dem 775 meines Gatten ſo einſam wie eine Nonne gelebl! Sie wiſſen, daß ich mich ſehr unglücklich an feet Seite fühlt⸗, denn meine zarte Natur paßte gar nicht zu ſeinem rauhen Charakter. Ach gute Anlolka, was habe ich durchgemacht! Aber Sie kannten ihn ja! Wenn er berauſcht war — und leider war ek es häufig, beleidigte er mich in ſchrecklicher Weſſe. Entre nous —“ ſie hielt die Hand vor den Rund — „er mißhandelte mich ſogar! Ich mußte mich ein paar Mal vor ſolchen Ausbrüchen ſeines Rauſches mit dem kleinen Roman aus dem Hauſe flüchten und ſo lange verſtecken, bis er wieder nüchtern war, 1