blatt Ml. 1.40 frei ins Haus. Nr. 27. erst jeden Dienzteg unb Freitag Abend. preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Untethaltungs⸗ Fur die Redaktion verantwortlich: Karl Moliter, Ladenburg. Anzeigen : die 1-ſpaltige Corpus⸗Zelle oder deren Naum Corpuszeile. Neelamen 20 Pfg. Samstag den 2. Rpril 1892 N Volitiſches. Berlin, 31. März. Der Reichsanzeiger be⸗ ſtätigt, daß Miniſter a. Bötticher ein Entlaſſungs⸗ geſuch eingereicht hatte und fügte hinzu: Der Kaiſer lehnte in einem Huldvollen Schreiben das Geſuch ab, indem er den Wunſch ausdrückte, Herr v. Böt⸗ ticher möge in ſeinen derzeitigen Stellungen verbleiben Berlin, 31. März. Die lange Periode voll Aufregungen und Beunruhigungen, voll Partei⸗ kämpfen und Preßzänkereien, welche ſich an das neue preußiſche Volksſchulgeſetz knüpfte, hat mit der nun erfolgten Verzichtserklärung der Regierung auf den Zedliß ſchen Entwurf äußerlich wenigſtens ihren Abſchluß erfahren. Es war gewiß keine angenehme rilſcen Aufgabe für den neuen preußiſchen Miniſterpräſt⸗ — denten Grafen Eulenburg, im Landtage dieſe offizielle N Erklärung abzugeben, beſonders, da ſich der neue i Rabinetschef hiermit dem Landtage vorſtellte, Denn . es war vorauszuſehen, daß ſpeziell im Abgeordneten⸗ hauſe Zentrum und Konſerdative, als die beiden Parteien, welche ſich nachdrücklich für das nun ge⸗ rn She eim mE fallene Volksſchulgeſetz eingeſetzt hatten, den Nückzug mb: der Rezierung in dieſer Frage mißfällig aufnehmen 7 7 5 würden, wie es in der That ja auch geſchehen iſt. + * Vielleicht entledigte ſich darum Graf Eulenburg ſeiner proc. Aufgabe mit einer unverkennbaren Bündigkeit, um — raſch über die für die genannten Parteien und ſchließlich für die Regierung ſelber immerhin etwas unerquickliche Situation hinwegzukommen. Jeden⸗ 0 falls iſt aber jetzt das ſo hartumfochtene Volksſchul⸗ geſetz tot und begraben, und liegt weder für die Freunde noch für die Gegner deſſelben ein Anlaß vor, einen Kampf fortzuſetzen, der infolge der günz⸗ lich veränderten Situation durchaus gegenſtandslos ſein würde. Einſtweilen wirkt aber die Angelegenheit des 121 Vollsſchulgeſetzes allerdings noch fort, wenngleich nur nach einer ganz beſtimmten Richtung. Es iſt zwar noch nicht ganz aufgeklärt, was an den über den Staatsſekretär und Vizepräfidenten des Staats⸗ miniſteriums v. Bötticher, ſowie den preußiſchen Landwirtſchaftsminiſter v. Heyden aufgetauchten Demiſſionsgerüchten eigentlich Wahres iſt, der Aus⸗ gang der Schulfrage ſcheint aber doch auf die Stell⸗ ung auch dieſer beiden Miniſter zurückgewirkt zu haben. Am Dienstag hat eine längere Beſprechung zwiſchen dem Kaiſer und Herrn v. Bötticher ſtatt⸗ gefunden, die offenbar mit der Frage des Verblei⸗ bens des letzteren im Amte in Zuſammenhang ſtand. Beſtimmteres über das Ergebnis dieſer Unterredung iſt noch nicht bekannt, hie und da bezeichnet man aber Herr v. Bötticher als den mutmaßlichen Nach⸗ 0 des Grafen Eulenburg im Oberpräftdium zu aſſel. — Der Leiter der auswärtigen Angelegen⸗ heiten Belgiens, Fürſt von Chimay, iſt am Diens⸗ tag nach ſchwerer Krankheit in Brüſſel verſchleden. Fürſt Chimah übernahm bei Erſetzung des libekalen Miniſteriums Frere⸗Orban durch das jetzige klerikale Kabinet Beernaert die Leitung der auswärtigen Politik Belgiens, die von ihm in mitunter ſehr ſchwierigen Lagen geſchickt und klug geführt worden iſt. Dank dieſes umſichtigen Verhaltens iſt die Stellung Belgiens zu den auswärtigen Mächten eine ziemlich günſtige, was namentlich in Anbetracht der Einklemmung des kleinen Ländchens zwiſchen zwei großen Mächten immerhin Anerkennung verdient. Dem Vernehmen nach iſt der Herzog von Urſel zum Nachfolger des Fürſten von Chimay auserſehen. — In Paris beherrſcht der Dynamitſchrecken die geſamte Tagesfituation. Die Polizei entfaltet eine fieberhafte Thätigkeit, um der mutmaßlichen Urheber der jüngſten ſo erfolgreichen Bomben e xploſton in der Rue Clichy habhaft zu werden, aber ſie tappt da noch immer im Ungewiſſen herum, was natürlich nicht zur Beruhigung der aufgeregten Bevölkerung beiträgt. Verſchiedenes. — Koſtheim, 29. März. Ein entſetzlicher Unglücksfall hat ſich geſtern Nachmittag hier ereignet. Ein in der Celluloſefabrik beſchäftigter Arbeiter hatte naſſe Spähne von dort um ſeinen Ofen zum Trocknen geſchichtet. Dieſe gerieten nun während der Ab⸗ weſenheit der Mutter in Brand und ein kleines Kind, das in einem Korb in der Nähe lag, verbrannte jämmerlich, während zwei etwas ältere Kinder leichtere Brandwunden erlitten. — Freiburg i. Br., 31. März. Ein Ehe⸗ paar mit ſechs Kindern iſt heute Nacht, Claraſtraße 53, in einer Dachwohnnug verbrannt. — Landau, 30. März. In einer ſchrech⸗ lichen Weiſe kam der 74 Jahre alte Oekonom Jakob Kunz von Kapswe her ums Leben. Derſelbe war im Be⸗ griff, in der Nähe der Station Winden das Bahn⸗ geleiſe zu überſchreiten, wurde aber in demſelben Momente von der Maſchine des Schnellzuges gepackt und derart zugerichtet, daß er nur noch als Leiche hervorgezogen werden konnte. Dem Verunglückten riefen zwei in der Nähe der Unglücksſtätte weilende Perſonen Warnungen zu, Kunz aber, welcher ſehr hörleidend iſt, ſcheint dieſelbe nicht gehört zu haben und mußte deßhalb auf ſo traurige Weiſe ſein Leben laſſen. — Ein merkwürdiger „Geiſterſpuk“ ſoll ſeit Kurzem in der Kaſerne des 6. Infanterie⸗Regiments zu Ulm ſein Weſen treiben. Die Ulmer Zeitung bringt in ihrer letzten Nummer einen größeren Ar⸗ den Pie Wal fahrt nach Gzenſochan. 1 1 7 Roman von Johanna Berger. Sie ging raſch, ohne Roman zu bemerken, vorüber, öffnete mit dem Schlüſſel eine kleine, halb vom Gebüſch verborgene Gitterthür und ſchlüpfte 3 b hinaus. Der junge Mann prang auf und ſtarrte n dem Mädchen mit weit geöffneten Augen nach, als pl hötte er plötzlich einen Geist erblickt. Dann eilte er ohne lange Ueberlegung hinter ihr her'und rief ihren in an Namen. Sie blieb ſofort ſtehen und ſah ihn ruhig 1% S näher kommen. Doch machte ſich eine leichte Ver⸗ 1 legenheit bei ihr bemerkbar. 24 „Wo willſt Du denn noch hin — ſo ſpät, ſo — ͤ allein ?“ fragte er. „Es iſt Mitternacht vorbei und f zu dieſer Zeit darfſt Du den Edelhof nicht mehr verlaſſen. Des morgigen Feſtes wegen treibt ſich aller⸗ a hand fremdes Volk auf der Landſtraße umher!“ 91 „Ich bin ſtarl nnd kann mich wehren, wenn mir J'mand zu nahe kommt, und ein paar flinke Fuße habe ich auch, um davon zu laufen, wenn es 30 ſchlimm wird. Ich muß heute noch in die Stadt, . um nach dem Vater zu ſehen, und bleibe die Nacht 0 bei ihm.“ II * „Der Weg nach Czenſtochau iſt unſicher und 1 die Nacht dunkel, ich werde Dich begleiten, Jadwiga,“ 1 entgegnete ſchnell der junge Mann. 3K „Das werden Sie hübsch bleiben laſſen, Pan nicht ſehen konnte. Roman,“ fiel ihm eben ſo raſch das Mädchen in's Wort. „Als ob ich mich fürchtete! Ich bin den Weg ſo oft gegangen, daß ich ihn mit geſchloſſenen Augen finden kann. Und das fremde Volk? Pah! nach dem frage ich nicht viel!“ „Sträube Dich ſo viel Du willſt, ich gehe den⸗ noch mit! Ich will doch einmal ſehen, ob Du es mir wehren kannſt,“ rief Roman aus. Die Röthe des Unwillens ſchoß ihm jäh in die Wangen. Jadwiga's blaue Augen hefteten ſich voller Unruhe auf ſein Geſicht. „Ach, Pan Roman,“ ſagte ſie haſtig und leiſe, als würde es ihr ſchwer, die Wotte zu sprechen, „bleiben Sie, bitte, bei Ihren Gäſten, die Sie ungern vermiſſen werden! Meinet⸗ wegen machen Sie ſich keine Sorgen!“ Sie hatte ihren Gang beſchleunigt und war immer einige Schritte vor ihm voraus. Sie bemühte ſich ſicht⸗ lich, aus ſeiner Nähe zu kommen. Dabei wandte ſie ihr Köpfchen von ihm ab, damit er ihr Antlitz Das empörte ihn, er war feſt entſchloſſen, nun erſt recht feinen Willrn geltend zu machen. „Ich ſage Dir, Jadwiga,“ rief er mit Unge⸗ ſtüm, „ich weiche nicht von Deiner Seite, ob Du es willſt oder nicht, und ich kehre nicht eher nach Lygotta zurück, bis ich Dich ſicher zu Deinem Vater geleitet habe. Ich werde Dich zwingen, meinen Schutz anzunehmen, denn es iſt reine Laune von Dir, mich abzuweiſen.“ Jadwiga wendete langſam ihren Kopf herum und Roman's Blicke hingen mit geheimen Entzücken an den blauen Augenſternen, die jetzt groß und voll zu ihm aufgeſchlagen, mit ſeltſamen Ausdruck in die ſeinen ſchauten. „Wenn Sie darauf beſtehen,“ erwi⸗ derte ſie ſchüchtern, „ſo muß ich Ihre Begleitung ſchon annehmen, denn Laune habe ich nicht! Aber wenn ich bitten darf, Pan Roman, ſo gehen wir raſch, es iſt zu ſpät und ich —“ „Wie es Dir beliebt! Ich werde Dich ſo oder ſo — doch auf jeden Fall ſicher nach Hauſe bringen! Mache es aber nicht zu eilig, Du mühſt Dich ja förmlich ab, um weiter zu kommen! Laß mich auch Deinen Korb tragen, er ſcheint zu ſchwer für Dich!“ „Nein, nein, danke,“ erwiederte ſie. „Ich bin an noch größere Laſten gewöhnt!“ Aber Roman nahm ihr ohne ein weiteres Wort ihre Bürde ab, und ſie fügte ſich, wenn auch mit offenbarem Widerſtreben. 8 Sie gingen eine Zeit lang ſtip und ſchweigſam neben einander her. Das Dunkel der Nacht hatte die ganze Landſchaft mit grauem geſpenſtiſchen Ar⸗ men umfangen und am Horizont war auch der ſchimmernde Mondesglanz verſchunden, nur über dem ſchwarzen Föhrenwalde blitzten ein paar funkelnde Sternenlichtchen auf. Tiefe Schatten verkürzten jeden Blick auf die unebene bernachläſſigte Chauſſee, die vom Edelhöfe nach Czenſtochau führte. Das Mäd⸗ chen mußte wieder Willen ihre eiligten Schritte hem⸗