Erſcheint Hittweek und Zamstag und le vierteljähtlich in Schriesheim 70 Pfen Nr. 21. 15 215 1 nit inugt. Mnterbattungsblatt 1 M4. rel. Votbrsdifton. Jnſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Ubr in der Sxpeditien eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden für einſpaltige Petitzeile eder deren Naum mit 10 Pf., 2! al- Anzeigen mit 6 Pfg., RNeclamen mit 20 Pf. berechnet. ſprechende Nabattbewiligung. — Inſerate nimmt Herr Gaßwirt Aran Carus zum „ deutſchen Kaiſer“ jederzeit entgegen. Bei größeren Aufträgen ent⸗ General⸗Denzeiger für Schriesheim und den Idenwald. ö Rebaktien, Druß und Verlag von Karl MNeliter in Ladenburg. ä Samstag den 12. März re — — 1892 Die Sozialdemokratie im Kreuzfeuer des Anarchismus. Die ſchlauen alten Führer der Sozialdemokratie haben bekanntlich ihrerſeits jede Gemeinſchaft mit dem durch und durch revolutionären Anarchismus abgelehnt und mit großem Nachdruck die Umgeſtalt⸗ ung der Geſellſchaft und des Staates im ſozial⸗ demokratiſchen Sinne auf dem Wege „friedlicher Re⸗ formen“ betont. Wir wollen nun einmal annehmen, daß in der Parteileitung der Sozialdemokratie die ſer ideale Zug wirklich vorhanden wäre, und wollen ausdrücklich den Fall ſetzen, daß die Herren Bebel, ſchine den Liebknecht, Singer und Genoſſen ungeſeßliche, alſo a. M. ku revolutionäre Mittel zur Erreichung ihres Zukunfts⸗ lt, Wien, ſtaates verabſcheuen, aber trotz dieſer gutgläubigen Där Voraus ſezung beweiſen die nackten Thatſachen nur der 20 f, zu deutlich, daß die ſogenannte „offizielle“ Sozial ⸗ zmitt 90 demokratie die in Gärung gebrachte Arbeitermaſſe gar nicht auf geſetzlicher Bahn erhalten kann und zwar hauptlächlich ſchon deshalb nicht, weil die Anhänger der Sozialdemokratie nicht nur ehrliche Arbeiter, ſondern zum großen Teile auch Bummler, arbeils⸗ ſcheues, freches Gefindel und endlich ſogar direkt Anarchiſten, Umſtürzler vom reinſten Waſſer find, dei denen die Lehre von den friedlichen ſozioldemo⸗ kratiſchen Reformen etwa dieſelbe Wu kung thut, wie eine Predigt der Nächſtenliebe gegenüber den Wölfen. Daß die angeblich ſo friedliche Sozialdemokratie, ſo⸗ bald die Proletariermoſſen mit dem hinter ihnen ſtehenden „üßen Pöbel“ zur Verwirklichung der ſozialiſtiſchen Lehren ſchteiten, ſofort im anarchiſtiſchen Fahrwaſſer ſegeln muß, dies haben nicht nur die jüngſten Tumulte in Berlin und anderen Orten be⸗ wieſen, ſondern dies verraten auch ſehr deutlich die ſozialdemokratiſchen „Jungen“ oder „Unabhängigen“, enn ud! welche fich von der „Partei der Alten“, der „Ab⸗ hängigen“, losgeſagt haben. Daß brod⸗ und arbeitsloſe ehrliche Arbeiter ruhige, friedliche Demonſtrationen unternehmen, um die Staats⸗ und Gemeindeverwaltungen auf ihre, der brodloſen Arbeiter, verzweifelte Lage aufmerkſam zu machen und dadurch vielleicht Brod und Arbeit zu erhalten, dies wird man den ſchwer bedrängten Leuten nicht gerade verargen, aber daß in großen Städten ſtets das nach Tauſenden zählende Gefindel ſich unter die eigentlichen Arbeiter miſcht und Tu⸗ multe und Plünd⸗rung in Szene ſetzt, dies be⸗ weiſt doch klar, daß jede Arbeiterbewegung die na⸗ turgemäße Tendenz der bodenloſen Ausartung b fitzt. Kein ſozialiſtiſcher Führer wird ja dies ohne Wei⸗ teres zugeſtehen, und ſie werden immer ſchöne Phraſen zu Ausreden und Beſchwichtigungen in dieſer Hinſicht bereit haben, aber die Partei der ſozialidemokratiſchen Unabhängigen hat in ihrer litzten Verſammlung in Berlin Gdanken verraten, welche zeigen, daß die Sozialdemokrat e in der Praxis nur Anarchie ſein kann, und daß ſie nur ſo lange, als ſie Theorie und Phraſe iſt, friedlich bleiben kann. Der Maler Buhr führte nämlich in der Verſamm⸗ lung der „Unabhängigen“ aus, daß bei dem Zu⸗ ſammenbruche der bürgerlichen Geſellſchaft alle „han delnden Männer Janhagel und Lumpenproletarier“ und keine „feinen Herren in weißer Weſte und Cylinderhut“ ſein würden. Die Plünderung der Läden will der Maler Buhr zwar nicht gutheißen, aber ſolche Plünderungen verſtänden ſich aus den Verhältnſſen hraus. Ein anderer „Unabhängiger“ Herr Güntber, ſprach den Herren Bebel und Veb⸗ knecht das Recht und di⸗ Fähigkeit ab, die Prole⸗ tarier zu führen, da dieſe Herren ſelbſt in Paläſt⸗n wohnten. Der Sozialdemokrat Cigarrenmacher Die Wallfahrt nach Czenſtochau. Roman von Johanna Berger. (Nachdruck verbot ⸗ n.) Es war in der zweiten Hälfte des Junt, gleich nach Petrus und Paulus. Ein prachtvoller Sommer⸗ tag neigte ſich ſeinem Ende zu. Die weite, ſich in leichten Hügelwellen dahinziehende Landſchaft war noch vom Sonnengolde übeifluthet, während die filberne Mondſichel bereits verſtohlen hinter roſen⸗ rot angehauchten Wolken hervorlugte. Soweit das Auge reichte, gewahrte man blauen Himmel, klare Luft und warmen Sonnenſchein, nur die in blauer Ferne liegende Bergkette der Karpathen hob ſich dunkel und drohend, faſt ſchwarz von der lachenden, hellleuchtenden Ebene empor, welche mit ihren duftigen Linien und herrlichen Farbentönen ſchon manchen Maler begeiſtert hat. Das polniſche Flachland breitet ſich mit ſeinen großen Wäldern, fruchtbaren Aeckern und ſandigen Haideſtrecken über viele Quadratmeilen aus. Bald taucht die Windung eines Fluſſes, bald ein blauer See, eine Stadt oder ein Dorf aus grünen Fluren auf, und hier und dort erzählt, ein halbverwittertes, ſtolzes Schloß, ein altes ehrwüdiges Kloſter von vergangenen Jahrhunderten und der längſt verblichenen und verſunkenen Macht und Größe des ehemaligen Königreiches Polen. Die Stadt Czenſtochau liegt am Abh teilen Ber Jasnsgorg“ genann . ange eines — — Sipfel ſteht das altersgraue Kloſter des h'iligen Paul, des Eremiten. Es iſt der detühmt⸗ſte und beſuchteſte Wallfahrtsort Polens, denn in ſeiner prachtvollen, mit verſchwenderiſchem Luxus ausge- ſtatteten Kapelle befindet ſich das wunderthätige Marienbild, welches bei den frommen, gläubigen Katholiken, unter dem Namen der ſchwarz'n Ma⸗ donna, die höchſte Verehrung erworben hat. Das Bildniß ſoll byzantiniſchen Urſprungs ſein und von Lukas ſelbſt gemalt, ſich lange im Beſſtz⸗ der heiligen Helena befunden haben. Später wurde es von dem rutheniſchen Fürſten Laon nach Galizien gebracht, und endlich im Jahre 1332 rettete es Wladislaw, der Herzog von Opeln, der Erbauer des Kloſters, vor den wilden Horden der Tartaren, indem er es den frommen Mönchen anvertraute. Dieſes Marienbild erlangte durch eine wunder⸗ bare Begebenheit ſeine Berühmtheit. Vor Jahr⸗ hunderten war es, als eines Tages die Huffiten das Kloſter auf dem Jasnagora überfielen, um das Bild und andere Koſtbarkeiten zu rauben und nach Schlefien zu entführen. Aber kaum tauſend Schritte vom Kloſter entfernt, blieb plötzlich der Karren mit der reichen Beute wie angewurzelt ſtehen und war in keiner Weiſe mehr vom Fleck zu bringen. Auch das Bildniß der Himmelskönigin war nicht zu ent⸗ fernen, es ſchien mit dem Karren wie feſigewachſen. Die Huſſiten ließen nach vergeblicher Mühe und An⸗ lrengung Alles im Stich und ergriffen voller Anaſt Herrmann betonte darauf, daß gerade der Anarchis⸗ mus mehr in die Volksmaſſen dringen müſſe, wenn man etwas Ordentliches erreichen wolle, eine Aus⸗ führung, die lebhaften Beifall h⸗tvorrief. Der So⸗ zialdemokrat Grünberg ſchilderte die Berliner Exz'ſſe geradezu als die guten Vorzeichen kommender Tage. Politiſches. — Karlsruhe, 9. März. In der beutigen Sitzung der Zweiten Kammer ſtand die Pofition: Hilfe für den Rebbau zur Beratung. Abg. Schüler⸗ Breiſach führt aus: Es ſollte um jeden Preis Hilfe geſchofft werden: der Ausfall betrage in den letzten 6 Jahren 122 Millionen am Ertrag unb weitere 72 Millionen an Kulturkoſten. In erſter Reihe gelte es der herrſchenden Mutlofigkeit entgegenzutreten. Gerber bezeichnet als einen Hauptfeind den „pfälzer Zuckerwaſſerwein.“ Der Finanzminiſter erwiederte: Die Regierung habe ein offenes Herz für den Not⸗ ſtand und würde jedem annehmbaren praktiſchen Vorſchlag zu ſtimmen. Eingehende Erhebungen in Otten wie Laufen Achern u. a. hätten aber gezeigt, ö daß es ſich immer nur um Steuerbeträge von wen⸗ ö igen Mark, oft ſogar von 50 Pfennig handelte. We⸗ der ſinanzielle noch techniſche Vedenken würden ihn abhalten, wenn er wirklich helfen könnte. Die Anträge werden angenommen. Die gleiche Frage wird bei dem ſchon vorgelegten Entwurf wegen Steuernachlaß bei Hagelichlag u. ſ. w. wieder zur Erörterung ge⸗ langen, Miniſterialrat Buchenberger rechtfertigt das Vorgehen der Regierung bei Beſpritzung der Reben; es wurden keine Strafen auferlegt. Die Reblausgefahr ſei uns durch die Nachbarländer nahe gebracht. Mu⸗ ſer legt Wert auf die ſozialpolitiſche und moraliſche Bedeutung einer Hilfe in den unzweifelhaft vorhan⸗ denen Ausnahmezuſtänden. — Die Zentrumspartei und Grauſen die Flucht Als ſpäter die verſcheuchten Moͤnche in's Kloſtet zu ückk⸗hrten, zeiate die heilige Barbara dem Abte die Stelle, wo ſich der Karren mit den geraubten Schätzen befand. Nun wurde dos Marienbild in feierlicher Prozeſſion in die Kapelle zurückgebracht. An dem Piotze aber, wo der Karren geſtanden, ſprudelte gleich darauf ein wunder ⸗ bares, filberhelles Brünnlein hervor, welchem das gläubige Volk bis auf den heutigen Tag gar mächtige Kräfte zuſchreibt. — Dies iſt die jetzt noch im Munde und Herzen der Polen erhaltene Sage von der ſchwarzen Madonna. Sie iſt von einer eigen⸗ artigen Po ſie durchweht, welche nicht verfehlt, auf Herz und Gemüt der Katholiken einen wunderbaren Einfluß auszuüben. Ein Prior und eine Schaar ehrwürdiger Mönche b wohnt das Kloſter auf der eimamen Berghöoͤhe und verwaltet die reichen Opferſpenden, welche die von Fern und Nah herkomme den Wallfahrer vor dem Altar des Gnadenbildes niederlegen. Nirgends als im Koͤnigreiche Polen wird dem Marienkultus gehuldigt. Obgleich in dieſem Lande ſogar dem frömmſten Geiſtlichen noch Eines höher ſteht als Rom — das iſt ſein Vaterland, ſeine Nationalität — ſo ſtreben doch die meiſten Prieſter unermüdlich nach der Auszeichnung, als auserleſene Hüter der ſchwarzen Madonna auf dem Jasnagora don Czen⸗ ſtochau einen geſegneten Wirkungskreis finden und behaupten zu können.