blatt Ml. 1.40 frei ins Haus. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis viertelfährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ Far die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Neelamen 20 Pfg. Die Juſtände in Rußland. Die Entwickelung der Dinge in Rußland for⸗ dert fortgeſezt in hohem Maße das Intereſſe ſeiner Nachbarländer heraus, denn neben dem ungeheuren Nothſtande, der ſich auf ein von mindeſtens 30 Millionen Menſchen bewohntes Gebiet erſtreckt, be⸗ ſteht im ruſſiſchen Reiche auch eine große ſoziale und politiſche Krifis. Dieſe letztere beſteht in der Hauptſache darin, daß der Kern der ruſſiſchen Be⸗ völkerung mit den ſozialen, wirtſchaftlichen und politiſchen Zuſtänden im hohen Maße unzufrieden tter. iſt, weil man in Rußland es unterlaſſen hat, zeit⸗ gemäße Reformen durchzuführen. Nun iſt es aber ſehr charakteriſtiſch für das von einem unbeſchränkten i Herrſcher regierte Zarenreich, daß die Bevölkerung dort in ganz übertriebener Weiſe die Regierung für ö alle möglichen Uebelſtände verantwortlich macht und natürlich auch von der Regierung die Beſeitigung ſad ftr aller Uebel erwartet. Da man in Rußland keinen Reichstag und keine Budgetbewilligung kennt und „A. die allmächtige Regierung des Zaren alle Regier⸗ ungsgeſchäfte beſorgt, ſo hat man in Rußland von der Macht der Regierung eine ſehr große Vorſt⸗llung. Das wirklich Große bei dem Zarenregiment iſt aber nur die Autorität, mit welcher der Zar ſeinen Willen durchſetzt, in allen übrigen Regierungsgeſchäften iſt aber die ruſſiſche Regierung ſchwach. Jeder ruſſiſche Beamte ſpielt in ſeiner Weiſe den willkürlichen Herrn, wenn er nicht unter der direkten Controlle des Zaren ſteht. Und da Rußland ſehr groß iſt und der Zar gar nicht in der Lage iſt, ſein rieſiges Beamtenheer ſelbſt kontrolliren, ſo kann man ſich denken, was ſich in Rußland ein Beamter anmaßen darf, ohne dafür beſtraft zu werden. Die wirkſamſte Samstag re 5 . f Controlle durch das Parlament und durch die Preſſe fehlt ja in Rußland, denn ein Parlament giebt es dort nicht und den Zeitungen iſt es ſo gut wie verboten, die inneren Zuſtände, reſp. die Handlungen der Beamten zu kritiſtren, weil dies als Auflehnung gegen die väterliche Regierung des Zaren angeſehen und ſchwer beſtraft wird. Bei der im Verkehre mit den ruſſiſchen Beamten üblichen Trinkgeldgeberei und Beſtechung iſt es überdies auch ſehr ſchwer, eine Klage bis an die richtige Stelle zu bringen, dafür beſteht aber in Rußland die Praxis, daß die Be⸗ ſchwerden der Einwohner bei den Beamten und Mi⸗ niſterien gewöhnlich unbeantwortet bleiben. Der Kaiſer ſelbſt erfährt für gewöhnlich von den Zu⸗ ſtänden im Lande nur das, was die betreffenden Beamten zur Mitteilung für geeignet halten. Man kann ſich denken, daß die Mißſtände gewöhnlich vertuſcht und berechtigte Reformrufe aus dem Volke als unbegründet oder gar als gefährliche Umtriebe hingeſtellt werden. Emer der ſchwerſten Vorwürfe der jetzt gegen die ruſſiſchen Beamten erhoben wird, beſteht nun darin, daß die großen vom Zaren zur Linderung der Hungersnoth und zur Unterſtützung des ſchwer heimgeſuchten Bauernſtandes in den von der Mißernte betroffenen Diſtrikten geſpendeten Summen meiſtenteils gar nicht in die Hände der Nothleitenden gelangt ſein ſollen teils unterſchlagen, teils zum Ankaufe minderwärtigen Getreides und Mehles benutzt worden ſein. Auf dieſe Weiſe kann in Rußland der allgemeine Nothſtand und die herr⸗ ſchende Unzufriedenheit leicht einen chroni ſchen Charakter annehmen und allmählich zu ganz unbe⸗ rechenbaren Folgen führen. Jedenfalls wird Rußland dazu genötigt ſein, die hachmütige Rolle, die es ſo oft in der auswärtigen Politik geſpielt hat, mit einer beſcheideneren zu vertauſchen, denn ohne Rückwirkung auf die ganze Machtſtellung und Kraft Rußlands können dieſe Zuſtände nicht bleiben. Verſchiedenes. — Ilvesheim, 6. Jan. Sonntag den 10. Januar, nachmittags halb 3 Uhr findet im Gaſt⸗ haus „zur Roſe“ dahier eine Landwirtſchaftliche Beſprechung ſtatt, bei welcher Herr Landwirtſchafts⸗ Inſpektor Römer von Ladenburg einen Vortrag über Obstbau halten wird. Wünſchen wir dieſer Verſammlung einen recht zahlreichen Beſuch und recht guten Erfolg. a — Mannheim, 6. Jau. Auf dem hiefigen Hauptbahnhofe entgleiſten heute Mittag beim Ran⸗ gieren die 2 binteren Wagen eines Güterzuges. Einer der beiden Wagen kippte um. Perſonen wur⸗ den nicht verletzt, dagegen iſt der Materialſchaden ein ziemlich bedeutender. Der Ve rkehr kerlitt eine kurze Unterbrechung. 85 — Heidelberg, 5. Jan. Die polizeilichen Vorſchriften bezüglich der Leichenverbrennungsanſtalt find nunmehr veröffentlicht worden. Dieſelben be⸗ ſtimmen u. A., daß die Leichen von Perſonen unter 18 Jahr und Willensunfähigen nur auf Wunſch der Beſtattungspflichtigen verbrannt werden können, auswärts Verſtorbene nur auf Grund einer Beur⸗ kundung der zuſtändigen auswärtigen Polizeibehörde. Ferner, daß aber, wo der Verdacht eines gewalt⸗ famen Todes vorliegt, die Verbrennung nicht vor⸗ genommen werden darf. Die Aſchenreſte werden in Holz- oder Blechbehältniſſen oder in Thongefäßen den Angehörigen übergeben, welche dieſelbe bei ſich bewahren oder auf dem Friedhofe beiſetzen bezw. auf⸗ ſtellen können. Bas Geheimnis der Frau de la Mare. 28 Roman von H. v Limpurg. „O, ich wußte es ja, es konnte nicht enders ſein. Nun wird vielleicht Leopold noch glücklich. So lam wohl jene Summe, mit welcher Leopolds Schulden bezahlt wurden.“ 5 „Von mir,“ hauchte die ſchöne Frau hocher⸗ gühend und preßte das Antlitz an die Schulter der Freundin. 5 „Aber ſtill davon, Luiſe. Sei barmherzig und verdirb mir nicht die Freude. Es iſt das erſte Mal, daß ich ſtolz darauf war, reich zu ſein. Aber Leopold darf es nicht erfahren.“ „Aber Linden — o, Juana, ſage mir, wie ſtehſt oder ſtandſt Du mit ihm?“ 5 flehend: „Ich kann Dir das Geheimniß noch nicht enthüllen, Luiſe, heute noch muß ich ſchweigen, aber - vertraue mir, denn ich ſchwöre Dir beim ewigen ft Gotte, daß ich Linden — nie geliebt habe und nie unn ein bedenkliches Verhältniß zu ihm hatte. Wirſt Du 1 mir glouben!“ „J, Juana, ich glaube Dir und es iſt in meinem Unglück der erſte lindernde Troſt, daß ich mich nicht in Dir tävſchte. Darf ich es — Leopold 5 1 Juana zauderte, dann ſchlang ſie ſchmeich nd beide Arme um den Nacken der Freundin und ſprach „Nein,“ ſagte die junge Frau feſt und ernſt, „ich allein will ihm einſt Alles ſagen. Gott gebe nur, daß Leopold nicht im Duelle mit dem elenden Linden fällt. Bitte Luiſe, telegraphiere ſofort an Leuthold — und ſende mir Botſchaft — wo das Duell ſtattfinden ſoll.“ „Sei nicht unvorſichtig, Juana!“ „O, Luiſe, ſprich Du mir von Klugheit! Denke daran, was Du thäteſt, wenn Leuthold an Leopolds Stelle ſtünde!“ „Ich würde zu Hauſe in die Kniee finken und für ihn beten,“ erwiederte Fräulein von Norden demüthig. „Aber ich, ich muß bei dem! Duell zugegen ſein!“ fuhr Juana leidenſchaftlich empor, „ich will Leopold die Augen zudrücken, wenn er fallen ſollte und den elenden Linden ſtrafen.“ O, was willſt Du thun, Juana?“ „Frage nicht warum!, erwiederte Frau de la Mare und ihre Augen blitzten und ihre zarte Geſtalt ſchien zu wachſen. „ſondern laß uns handeln 1. Viel⸗ leicht iſt das Schlimmſte nicht ſo ſchlimm als wir denken, die Ungewißheit allein reibt mich auf. Weiß Dein Vater von der bevorſtehenden Kataſtrophe?“ „Ich will zu ihm gehen,“ ſeufzte Luiſe traurig, „heute Morgen haben wir immer vergeblich an ſeiner Thür gepocht. O, Juana; meines Vaters Schick⸗ ſal iſt bei allem Jammer diezſchlimmſte Sorge!“ Und Du weißt ficher, daß Linden bereits von der Univerſität die Kauffſumme für das Lied Se⸗ baſtian Bachs erhielt?“ „Allerdings“ Das macht die Angelegenheit eben völlig troſtlos.“ O nein, dafür kann Linden viel zu gut rechnen.“ „Juana,“ ſeufzte Luiſe vollig troſtlos, „wenn nur Papa — anders gehandelt härte!“ „Ja, wie konnte ein Vater, um ein Kind zu retten, das andre opfern 2“ rief Juana bitter. „Aber wozu die unnützen Klagen ? Wir können die That⸗ ſache nicht mehr ändern. Geh nur, Liebſte, eile ehe es zu ſpät wird!“ Kaum war die Freundin gegangen, als Juana ſich mit glühenden Wangen hinſetzte; um einen Brief zu ſchreiben. Er war an den Schatzmeiſter der Univerfität gebracht und enthielt eine Anweiſung auf 30,000 Mark, die genaue Summe, welche für die gefälſchte Handſchrift ausgezahlt worden. „Ich wünſche ausdrücklich.“ ſchrieb ſie, „daß der arme, von Baron Linden betrogene Geheimrath und Profeſſor von Norden völlig unbetheiligt von der fatalen Sache bleibt und keinerlei Unannebmlich⸗ keiten erfährt. Die Rückerſtattung der Summe für das gefälſchte Manuſerpt geſchieht aus Freundſchaft für die Familie von Norden und ſoll moͤglichſt ge⸗ heim bleiben!“ * 1 * Als Luiſe zu Hauſe anlangte, eilte ſie ſogleich zum Vater, deſſen Zimmerthür ſie offen, ihn ſelbſt