Allgemeiner Anzeiger für Ladenburg und Amgegend. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abenb. preis viertelſährlich Mark 1.—, mit uſtriertem Unterhaltung blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Für die Redaktion berantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. „Fb 5 Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus-Zelle oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Neclamen 20 Pfg. 1892 Politiſches. — Ladenburg, 1. Jan. Die Sonne eines neuen Jahres leuchtet den Völkern entgegen und übereinſtimmend begegnen ſich dieſelben in dem Wunſche, daß es immer nur die Strahlen einer Frühlingsſonne ſein mögen. Erfreulicher Weiſe ver⸗ heißt das Ausſehen der internationalen Lage beim diesmaligen Jahreswechſel, daß die Friedenserwar⸗ tungen, mit denen die Nationen in das neue Jahr hineinſchreiten, nach menſchlichem Ermeſſen gerecht⸗ fertigte find. Denn wenn auch in der hohen Politik die bekannten Gegenſätze, wie ſie ſich ſchon ſeit einer Reihe von Jahren herausgebildet haben, in ihren Grundurſachen fortbeſtehen, ſo erſcheinen ſte doch nach außen lange nicht mehr ſo ſchroff, wie früher. Es hat eben in den gegenſeitigen Beziehungen zwiſchen den Völkern troß aller, zoch vorhandenen prinzipiellen Streitfragen eine gewiſſe Stetigkeit mehr und mehr Platz gegriffen, womit ſich auch allſeitig die Zuverſicht auf die fernere Erhaltung des Frie⸗ dens, wenigſtens des europäiſchen, gefeſtigt hat. Hierzu trügt aber immer wieder die Gewißheit von dem unentwegten Fortbeſtand der Allianz zwiſchen Deutſchland, Oeſterreich und Italien das meiſte bei, dieſelbe bleibt nach wie vor das eigentliche Bollwerk des Völkerfriedens in Europa, denn die Behauptung, daß die Ex ſtenz des ruſſiſch⸗franzöſiſchen Einverneh⸗ mens das ihrige zur Fortdauer des jetzigen Frie⸗ denszuſtandes beitrage, ſtellt doch nur eine recht künſtliche Theorie dar. Nun hat gerade das alte Jahr 2 hochbedeutſame Momente in der Geſchichte des Dreibundes gezeitigt, ſeine Verlängerung auf eine weitere Anzahl von Jahren und ſeine Erwei⸗ terung zu einem wirtſchaftlichen Bündniſſe durch die abgeſchloſſenen Handelsverträge, hiermit find die denkbar gewichtigſten Bürgſchaften für eine weitere friedliche Entwickelung der Verhältniſſe unſeres 1 gegeben: Glück auf darum im neuen ahr. — Am Mittwoch hat ſich die Ueberſtedelung der kaiſerlichen Familie und des geſamten kaiſerlichen Hofhaltes aus dem neuen Palais bei Potsdam nach dem Berliner Refidenzſchloſſe vollzogen. Der Kaiſer und die Kaiſerin verließen mit den fämtlichen kalſer⸗ lichen Prinzen am Nachmittag des genannten Tages ihr bisheriges Sommerheim und begaben ſich von 5 Wildparkſtation aus mittels Sonderzuges nach erlin. — In Berlin fand am Donnerſtag die Beer⸗ digung des daſelbſt an der Influenza geſtorbenen Botſchafters Englands bei der Pforte, Sie William White, auf dem katholiſchen Kirchhofe mit großem Pomp ſtatt. Der Kaiſer ſelbſt hatte angeordnet, daß dieſer ernſte Akt ſich in moͤglichſt feierlichen Form en zu vollziehen habe. l — Aus dem nordweſtlichen Grenzgebiete In⸗ diens wird die Erſtürmung und Einnahme des Forts Stilt durch engliſche Truppen gemeldet. Der Vorgang bedeutet einen weiteren Erfolg in den Be⸗ mühungen der Engländer, die Gebiete ſüdlich vom Pamir⸗Plateau, alſo die Ländereien zwiſchen Kaſch⸗ mir und Afghaniſtan, unter ihre Botmäßigleit zu bringen. Verſchiedenes. — Edingen, 1. Jan. Bei dem heute Nacht ſtattgefundenen Neujahrsſchieen hat der Sohn der Witwe Jäger durch einen Schuß die Hand ganz zerſplittert. Der Verunglückte wurde ſofort nach Heidelberg ins Krankenhaus verbracht. — Karlsruhe, 29. Dez. Der Großherzog hat beſtimmt, daß die Badiſche Flagge aus zwei gelben und einem rothen Längsſtreifen von gleicher Breite beſtehe (ſtatt bisher nur einem gelben und einem rothen Streifen) und in dieſer Anordnung in den geeigneten Fällen zur Anwendung zu kommen habe. Wer alſo künftighin bei Beflaggungen die offizielle Badiſche Flagge benutzen will, wird ich hiernach einzurichten haben. Oberkirch, 1. Jan. In Griesbach ſtürzte ein 12jähriges Mädchen beim Ueberſchreiten einer Brücke ohne Geländer in die hochangeſchwol⸗ lene Rench und verſchwand alsbald in den Fluten. Die Leiche des armen Kindes wurde auf Gemarkung Ibach geländet. — Aus Baden, 30. Dez. Zu ſeinem 50⸗ jährigen Jubiläum beabſichtigt der Gewerbe⸗ und Induſtrie⸗Verein zu Mannheim u. A. die Veran⸗ ſtaltung einer Landesausſtellung für Lehrlingsar⸗ beiten, ſowie einer Lotterie mit 20,000 Looſen zur Bildung eines Grundſtocks zur Erbauung einer Ge⸗ werbehalle. Von der urſprünglich in Ausſicht ge⸗ nommenen größeren Gewerbeausſtellung iſt man wegen Fehlens eines paſſenden Lokals abgekommen. — Der Landwirt Seb. Rombach von Hochdorf geriet in Buchheim unter ſeinen Wagen, der über ihn wegging und ihn ſofort tödete. — Frankfurt a. M., 28. Dez. In der Verſammlung des weiteren Ausſchuſſes der elektri⸗ ſchen Ausſtellung teilte der Vorſtand des Ausſtel⸗ lungskomites, Sonnemann, das vorläufige finanzielle Ergebnis der Ausſtellung mit. Nach demſelben be⸗ trugen die Einnahmen 1,514,000 M., die Aus⸗ gaben 1,362,000 M. Der Ueberſchuß beläuft ſich vorausſichtlich auf 152,000 M. Von letzterem ſollen der Stadt Frankfurt und der Handelskammer die bedingungsweiſen Unterſtützungen zurückbezahlt werden. Ferner ſollen die Ausſteller einen erheblichen Anteil an der Platz⸗ und Kraftmiete zurückerhalten. Die Das Geheimnis der Frau dt la Mart. Noman von H. v Limpug. Als die Viſttenzeit gekommen und er vor dem Hauſe anlangte, ritt Juana ſoeben, begleitet von dem Reitknecht, an ihm vorbei. Bei ſeinem Gruße ward ſie dunkelroth und ſekundenlang leuchtete ein Dlanz in ihren Augen auf, ſo hell und derräthe⸗ riſch, daß auch L-opolds Herz aufjubeln wollte, dann aber gedachte er an die Scene im Theater wort ſchwebte auf ſeinen Lippen, doch er bezwang ſich, denn man vernahm draußen ein lautes Klingeln und gleich darauf ward Baron Linden gemeldet. Luiſe,“ ſagte der Geheimrath halblaut und dringend, „nimm Dich zuſammen — denke daran, daß Deines Vaters Ehre und Leben, in Deinen Händen liegt.“ Todtesbleich, aber ruhig trat das ſchöne Mäd⸗ chen dem Baron entgegen, derein koöſtliches Bouquet Händen, lächelnd und beweglich hereinſchlüpfte. „Fräulein Luiſe und Herr Geheimrath! Ich freue mich aufrichtig, Sie beide zu ſehen, denn dies mit Linden und — wandte ſich ab juſt im felben Moment als die ſchöne Witwe ihn anreden wollte. Da erloſch der Schimmer in ihrem Blick, Wlünſche erfüllt zu ſehen. ſchmerzlich zuckte der kleine Mund und Frau de la Mare ritt weiter. Um die Mittagsſtunde kam der Geheimrath In überſchwänglichen Worten drückte Baron Linden ſeine Freude über Fräulein von Nordens Einwilligung aus, ohne ihre Bemerkung, auf des Vaters Befehl zu beachten. Es war nicht zu ver⸗ kennen, daß ſein Benehmen ſich verändert hatte, eine anmaßende Sicherheit lag in jeder Miene, er ſchien den Geheimrath gar nicht zu bemerken und nut für die ſchöne Braut zu exiſtiren, welche reglos, bleich wie eine Mamorſtatue vor ihm ſtand. „Wo iſt Ihr Bruder, theure Luiſe ?“ frug der Baron und wollte die ſchlanken Finger küſſen, welche giebt mir die erneute Hoffnung — meine heiß⸗ſten Nicht wahr, ich täuſche mich doch nicht?“ Sein fragender Blick ruhte teuflich lächelnd auf dem jungen Mädchen, die augenſcheinlich ſchwer mit von Norden zu Hauſe, viel eher als ſonſt, und be⸗ 5 gab ſich ſogleich in den Salon, wo Luiſe ſchon war; ſie trug ein bis zum Hals hinauf geſchloſſenes ſchwarzes Kleid ohne j de Verzierung, nur am Halſe trag anzunehmen.“ dutch einen goldnen Stern geſchloſſen. „So düſter, mein Kind?“ lächelte der Vater freundlich wie ſonſt nie, „weshalb haſt Du keine helle Farbe gewählt zur Verlobung ?“ „Weil dieſelbe für mich len frohes Ereigniß bildez ein Opfer darf dunkle Farben tragen.“ Nordens Antlitz ward finſter, eine heftige Ant⸗ ſich rang und endlich ihre Erregung bezwarſe „Allerdings nicht, Baron von Linden,“ ent⸗ gegnete ſte leiſe, „denn ich habe Popas — Be⸗ fehlen nachgegeben — und bin bereit — Ihren An⸗ 1 1 1 ſie ihm jedozh entzog. „Ich weiß es nicht, Baron, er wird jedenfalls zu Tiſche da ſein.“ „Aber, meine geliebte Luiſe, wollen Sie nicht wenigſtens den ſteifen Tetel bei der Anrede fortlaſſen und mich bei meinem Taufnamen nennen? Auch Sie, Herr von Norden, werden mir erlauben.“ „O gewiß, — lieber Oskar, es wird mir eine ganz beſondere Freude ſein!“ entgegnete der Ge⸗ heimrath. Halbohnmächtig taſtete ſie bei dieſen Worten nach einer Stuhilehne um ſich zu ſtützen, das Opfer überſtieg doch faſt ihre Kräfte und als der Baron mit einem freudigen Ausruf zu ihr hineilte, hob ſie ſchwach abwehernd die Hände „Vergeben Sie, Herr Baton, es iſt nur eine — votübetgehende körper⸗ liche Schwäche: f „Der heimkehrende Aſſeſſor war, als er hörte, Baron Linden ſei im Salon, zurückgefahren und hatte dem Diener geſagt, er werde auswärts eſſen und erſt wiederkommen, wenn die Gäſte Abends kämen. Als man Luiſen dies meldete, erbleichte ſi⸗ und griff haſtig nach dem Billet, das Leopold für ſte beigefügt. Es enthielt nur wenige, flüchtig mit Bleiſtieft geſchriebene Worte: