Miniſteriums des Innern vom 10. Dezember 1890 die Invaliditäts⸗ und Altersverſicherung der von den Gemeinden beſchäftigten Perſonen betreffend, nimmt die Gemeindehebamme ebenfalls von der Verficher⸗ ungspflicht aus, weil die Gemeinde nicht als Arbeit⸗ geber der als ſelbf ſtändige Gewerbetreibende zu be⸗ trachtenden Hebamme etſcheine. 2) Eine Frau, wel⸗ cher in einem Hauſe als Entgeld für die übernom⸗ mene Verpflichtung, Flur und Treppen zu reinigen, ſowie die ſonſtigen Arbeiten eines Portiers zu ver⸗ richten, die freie Benützung von drei heizbaren Räume nebſt Küche eingeräumt worden war, wurde als Verſicherungspflichtig angeſehen, weil die Ueber⸗ laffung der fraglichen Wohnung über das Maß des „freien Unterhalts“ hinausgehe, indem damit das 1 für ihre Perſon beſtehende Wohnungsbedürfnis er⸗ heblich überſchritten werde. 3) Eine Wittwe, welche ihren Unterhalt dadurch verdient, daß ſie für be⸗ liebige Perſonen aus von dieſen geliefertem Flachs und Hauf in ihrer Wohnung auf eigenem Spinn⸗ rad Garn spinnt, iſt ſelbſtſtändige Unternehmerin, da ſie weder wirtſchaftlich, noch perſönlich von ihren Arbeitgebern abhängig iſt, daher nicht verſicherungs⸗ pflichtig. — Waldkirch, 26. Dez.. Ein gedruckter Bericht an die Gläubiger der Gewerbebank zu Wald⸗ lirch beziffert die Ueberſchuldung der Bank auf 460 000 Mark. Unter den muthmaßlichen Verluſten find 28 000 M. in Rechnung des flüchtigen Kaſſiers geſtellt. Zur Deckung des Feblbetrages wird zu⸗ nächſt ein Nachlaß von 100,000 M. von den Gläubigern erbeten. Die Nachzablung auf die nicht 0 voll einbezahlten Aktien beträgt 80,000 M. die vr⸗ n lorenen Stammantheile beziffern ſich, auf 10 000 M. Von dem noch verbleibenden Reſt des Fehlbetrages von 170,000 M. bringen der Auffichtsrath und die Gründer 90,000 M. auf 50,000 Mark fallen den Genoſſenſchaftern zut Laſt, davon werden 45,000 Mark durch freiwillige Zeichnungen gedeckt, der Reſt wird mit je 3000 M. von den Genoſſenſchaften aufgebracht. — Mons, 27. Dez. Der geſtrige Abend⸗ expreßzug Bräſſel⸗Paris ſtieß zwiſchen Mons und Warhanſes mit einem Güterzug zuſammen. Etwa zehn Perſonen wurden verwundet. i — Antwrpen, 23. Dez. Heute mittag 11 Uhr 20 Min. wurden die Anwohner des Hafens und die Schiffer durch einen furchtbaren Knall in Schrecken verſetzt. Einen Augenblick vernahm man nur das Klirren der Fenſterſcheiben, die in der ganzen Umgegend praſſ Ind hernlederſauſten. Das ſranzöfiſche Sch eff, die Schaluppe Pilote Nr. 2, war durch Dynamit in die Luft geſprengt worden; Der Pilote war vor Dünkirchen, wo er mit 20 000 Kilo Dynamit, beſtimmt nach England vor Anker lag, während des furchtbaren Sturmes, der in voriger Woche in der Nordſee raſte, auf den Ankern ins Treiben gekommen und hatte ſich mehrere Tage ſteuerlos umhergetrieben. Belgiſche Sch ffer von Adinkerke fanden nach dem Sturme das gefährliche Dynamitſchiff und ſchleppten es in den Hafen von Oſtende. Da die dortige Hafenordnung das Löſchen von Dynamit nicht gestattet, ließen die Schiffer ihren Fund hierherbeingen, wo an der ſogenanten Tahaks⸗ pfeife, einer abgel'genen Stelle weiter unten am Fluſſe, durch Soldaten das Dynamit gelöſcht worden ſſt. In unbegreiflichem Leichtſinn, der ſich jetzt ſchauderhaft gerächt hat, iſt wahrſcheinlich von der Bemannung ein b'trächtlicher Teil des Sprengſtoffes bei Seite geschafft und im Sch ffsraume verborgen worden behufs späteren Verkaufes. Durch eine, wohl ſtets unbekannt bleibende Urſach: iſt das Dynamit entzündet worden. Die Wirkung war eine furcht⸗ bare. Der „Pilote“ befand ſich nunmehr mitten im ſogenannten Baſſin Kattendykdock, dem größten Hafenbecken, wo die Schiffe Bord an Bord liegen. Um 11 Uhr 20 Minuten erfolgte die Exploſton. Holzſtücke, Segelf tzen, Ragenfeile, Sch ffsplanken ſauſten durch die Luft, Verhꝛerungen anrichtend, wo⸗ hin ſie trafen., Blutende Menſchenſö per, Arme, Beine fielen klatſchend in das Waſſer. In beträchtlicher Entfernung von der Unglücksſtätte fand man den Rumpf eines Weibes, eine Hand und einen Fuß, ſowie Maſſen zerhackten Fleiſches. Der Pilote war vollſtändig verſchwunden. Zwei kleine Leichterſch ffe. die ihm zur Seite gelegen hatten, waren auf der Stelle geſunken. Ein ſchwediſcher Schoner, die „Bega“, vor einigen Tagen ebenfalls vor dem Wetter treibend in der Nordſee führerlos aufgefiſcht, lag unweit. Das ſtattliche Schiff iſt faſt ganz ver⸗ nichtet. Eine Seite iſt ganz eingedrückt, das Hinter⸗ ſchff mit den Gebäuden faſt ganz zertrümmert, zwei ſtarke Maſten hart am Boden glatt wegge⸗ ſchlagen, Das Schiff iſt vollſtändig unbrauchbar geworden. Annoncen⸗Exp ditton von Rudolf Moſſe zum Jahres⸗ wechſel für ihre zahlreichen Kunden einen neuen Zeitungskatalog herausgegeben. Trotz dieſes altge⸗ wohnten Brauchs dürfte der diesjährige Katalog — Wie oljöbtlch, ſo bat auch diesmal die edem Empfänger eine angenehme Ueberraschung reiten. Derſelbe erſcheint als 25. Auflage zum Ju⸗ biläum der Firma, welche am 1. Januar 1867 be⸗ gründet wurde, und hat demgemäß ein deſonder; feſtliches Gewand angelegt. Der in zartem Blaugrau gehaltene Leinwandband zeigt reichen figürlichen und ornamentalen Schmuck in Silber- und Relieſpreſſung Dieſem ſchmucken Außenkleide entſpricht ein nicht minder gut ausgeſtatteter Text. Das Vorwort des Katalogs bringt zunächſt für Jedermann intereſſante Mitteilungen über das Annoncenweſen und nahere Details über die Organiſation dieſes weltbekannten Inſtituts, das gegenwältig in ſeiner Annoncenab⸗ teilung mit einem Perſonal von 257 Beamten arbeitet. Der tägliche Notizkalender hat durch reizende Monatsvigneten, durch einen Geſchichtska ender und tägliche Sin nſprüche ebenfalls gegen früher eine Be⸗ reicherung erfaheen. Hieran ſchließt ſich der ſorgfältig bearbeitete durch eine neue Rubrik für Reklam preiſe der einzelnen Blätter v rvollſtändigte eigentliche Zei⸗ tungskatalog. Mit reizend erfundenen jedes Land und jede Branche der Fachblätter charakteriſirenden allegoriſchen Vigneten geſchmückt, durch intereſſante ſtatiſtiſche Notizen ac. iſt auch dieſe Hauptabteilung des Katalogs, der noch ein reichhaltiger Inſeraten⸗ anhang folgt, erweitert worden. Den Schluß des Ganzen bildet eine trefflich ausgeführte kolorirte Spezialkarte Mitteleuropas, die vom Geheimrat Liebenow neu btarbeitet iſt und gewiß jedem Em⸗ pfänger des Katalogs beſondere Freude machen wird. Neben der gründlichen Behandlung des Stoffes verdient auch die typographiſche Ausſtattung des Katalogs alle Anerkennung, gleichzeitig ein Be⸗ weis für die Leiſtungsſähigleit der Buchdruckerei von Rudolf Moſſe. 1 Wegen des Neujahr tages erſcheint die nächſte e 8 Blatte amsta endö. 1 1 8 5 Erpeditlon. Gedenſiet am Atujahrstage unſeres unermütlichen Briefträgers. ücheres Weſen auf Erden als ſie ſelbſt. Und nun war dieſe kurze, wundervolle Glückſeligkeit zu Ende! Nun lag ein armes, troſtloſes Weib am Boden und rang mit ihrer heißen Liebe zu dem Geliebten und der harten Kindespflicht gegen den Vater, der ſie — nie geliebt, und nun dem Bruder Alles geopfert hatte. „O, mein Gott, mein Gott, nimm mich, zu dir, „ flehten die blaſſen Lippen „wie gern will ich ſterben, wenn ich dadurch dem ſchrecklichen Geſchick entgehe. Friedrich, Friedrich, was ſollen Deine Worte bedeuten? Du giebſt mich auf und liebſt mich doch? Aber ich will ſchreiben; wiſſen muß ich, was ſein Brief bedeutet, wer ihm von jenem Opfer ſprach, „das mein Vater von ſeinem Kinde annimmt.“ Freilich, wenn ich an Popas Stelle wäre, ich ſtürbe lieber, ich trüge lieber Schmach und Schande, ehe ich ein anderes Lebensglück dem meinen opferte, Doch ſtill, ſolche Worte ziemen mir nicht; eine Tochter muß gehorchen!“ Auf den eleganden Briefbogen, auf welchen Luiſe ſchrieb, rollten heiße Thränen, daß ſo man⸗ ches der Worte ausgelöſcht wurde, aber ſie achtete nicht darauf, den zum letzten Male ſprach ſie im Geiſt mit dem Geliebten! Als das Couvert beſchrieben und verſtegelt war, da ſtand fie auf, weiß wie eine Lilie und blickte, ſtarren Auges auf die feſtgefrorenen Fenſterſcheiben. Eisblumen,“ murmelte ſie ſchmerzlich, „auch meine Glückesknoſpen find erfroren, getödtet und begraben in Eis und Schnee. Vorüber, vorbei! Luiſe, denke nicht mehr an vergangene Tage, fieh vorwärts — auf den lalten, öden Pfad der Pflicht Gott wir helfen 75 bis zum Ende!“ In wilder Aufregung war Eugen fortgeeilt, vor dem Bankgeſchäft vom Olfers erſt blieb er ſte⸗ hen, um Athem zu ſchöͤpfen. „Wär's doch hinter mir,“ murmelte er ſeuf⸗ zend, „noch nie in meinem Leben habe ich mich ge⸗ demüthigt wie heute, aber wenn Olfers ein Ehren⸗ mann iſt, wird er mich verſtehen!“ Er trat ins Comptoir und ward nach dem Privatzimmer des Chefs gewieſen, der ihn ſehr höf⸗ lich empfing. „Sehr erfreut, Sie zu ſehen, Herr Aſſeſſor,“ ſagte Olfers. „Wie befinden Sie und die Iheigen ſich? Gratuliere auch zu dem Glücke Ihres Herrn Vaters mit der Bach'ſchen Handſchrift. Wirllich äußerſt intereſſant und werthvoll.“ „Sſe wiſſen es auch ſchon, Herr Banquler?“ frug Leopold finſter, „nun ſo mogen Sie denn der Erſte ſein, dem gegenüber ich feſt und offen erkläre, daß das Lied Sebaſtian Bachs unecht und völlig werthlos iſt.“ „Aber, Herr Aſſeſſor! Wie iſt das möglich? Man ſpricht bereits üb⸗rall davon und erſt vorhin er⸗ zählte mir der Univerſitätsſekretair, daß die koſtbare Handſchrift erworben ſei.“ Leopold erbleichte. „Man hat meinen Vater auch betrogen,“ meinte er kurz, „doch gleich viel; was kümmern mich fremde Angelegenheiten, wo die meinen ſo verwickelt und ausſichtslos find, Herr Bauquier, ohne Umſchweife; ich komme, Sie um Friſt meiner Schuld zu erſuchen.“ „Ihre Schuld, Herr von Norden,“ rief der ernſte Geſchäftsmann und lächelte fein; „Ich weiß von keiner Schuld, denn jene 10,000 Mark find bereits vor einigen Tagen beglichen worden.“ Leopold ſprang empor und ſtarrte Olfers an als habe er nicht recht gehört. i „Meine Schuld — beglichen?“ frug er dann athemlos, „Sie irren ſich, mein Herr, ich kenne Niemanden, der es für mich thun würde — und ich ſelbſt habe kein flüfſiges Kapital aufgetrieben.“ „Iſt auch wie geſagt unnöthig und alles in beſter Ordnung, Herr Aſſ ſſor,“ „Aber, mein Himmel, wer iſt es geweſen, den meine Schulden bezahlt hat? Herr Banquier, ſagen Sie es mir, bei Ihrer Ehre — ich muß es wiſſen.“ „Beſter Herr von Norden, die Perkönlichkeit, welche jene Summe bezahlte hat den Wunſch ge⸗ äußert, Sie nicht von der Begleichung des Geldes zu benachrichtigen und Sie begreifen, daß ich nicht indiskret ſein will.“ „War es ein Herr — oder eine Dame?“ „Wie geſagt, Herr Aſſ ſſor, ich bedaure, keiner⸗ lei Auskunft geben zu können; man ſagte mir, Ihre Familie habe die 10,000 Mark bezahlt. Uebrigens hier iſt mein Hauptbuch, worin der Empfang dere ſelben ſteht.“ 9 Mit beinah noch ſchwererem Herzen als er ges? kommen verließ Leopold das Bankgeſchäft. Sein erſter Gedanke war Juana, aber ſein Stolz bäumt wild auf, wenn er dachte, daß ſie es geweſen, welche ihn errettet — ſie, die er haſſen wollte und doch noch immer liebte. Lindens Brief war in ſeinem Biſitz; er wollte zu iht und ſie fragen, was ſie dae mit gemeint, wollt ihr ſagen, daß er fortgehen werde, ſobald Luiſe gerettet. — Ja, was wollte er nod * ſagen? Von dem Weh, welches die Entdeckung 178 daß ſie Linden liebe, ihm bereitet, durfte er nichts N ſagen — fie ſollte es nicht ahnen, denn er wit ſie nie wiederſehen. 8. f.