blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, erscheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ Ladenburg. Druck und Perlag von Karl Molitor, Ladenburg Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder 150 Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 8 Pfg. Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Mittwoch den 2. September 1891 Zum 2. September. Mitten in hechbedeutſamer Zeit feiert in dieſem Johre die deutſche Nation ihr Nationalfeſt, die nun zum einundzwanzigſten Male erfolgte Wiederkehr des Gedenktages an die große Schlacht von Sedan! Wurde doch in dieſem Jahre, am 18. Januar, das zwanzigjährige Geburtsfeſt des deutſchen Reiches ge⸗ ſelert, denn an jenem welthiſtoriſchen Tage war es ju, an welchem vor zwanzig Jahren der ruhmge⸗ krönte König Wilhelm I. von Preußen zum deutſchen Naiſer von Fürſten und Volksvertretern jubelnd aus⸗ gerufen wurde und einer der herrlichſten Wünſche des deutſchen Volkes ſich vollzog. So iſt diesmal die Feier des Sedantages ganz beſonders bedeutſam in ihren Erinnerungen an das große Jahr 1870/71, ſie iſt es aber faſt ebenſo ſehr durch ihre lebendige Bedeutung für die Gegenwart. Ein Sieges⸗ und Triumphfeſt über den ge⸗ dings nicht ſein, darüber find längſt alle erleuchteten über das gelungene deutſche Einigungswerk und eine Feier des heiligen Gelobens, daß alle deutſchen dige hohe Bedeutung der Sedanfeier. nicht der geringſte Zweifel beſtehen. Denn wie anders als auf dieſe Weiſe kann das Vorbild der ration würdig übertragen werden als durch eine volkstümliche Feier des größten Ehrentages der deutſchen Nation, der gerade bei Sedan am 1. und falten Gegner ſoll die Feier des 2. September aller⸗ — Patrioten einig, aber ein nationales Feſt der Freude Stämme feſt, treu und freudig an der mühſam er⸗ tungenen Einheit feſthalten wollen, das iſt die leben⸗ Daß dieſer Wunſch und Wille aller Patrioten, die Einheit des Reiches unter allen Umſtänden zu ethalten, auch einer glänzenden äußeren Entfaltung bedarf, darüber kann Großthaten der alten Helden auf die junge Gene⸗ 2. September 1870 voll vereinigten deutſchen Stämme Auch ſollen die auswärtigen Gegner des deut⸗ ſchen Reiches im Weſten und Oſten an der deutſchen Nationalfeier erkennen, daß der Einheitsgedanke im deutſchen Volke für immer feſte Wurzel gefaßt hat und daß die verſuchte Zerreißung des deutſchen Reiches auf eine kampfbereite wehrtüchtige Nation von fünfzig Millionen Deutſchen ſtoßen würde. In einer Zeit, wo der politiſche Boden im Weſten und Oſten Europas für die Verwirklichung von Revanche⸗ ideen ganz beſonders vorbereitet erſcheint, kann auch dieſe Betonung der Bedeutung der Sedanfeier in Deutſchland nichts ſchaden. Unſer beſtes, nationales Heil iſt eben allein in den herrlichen Worten unſeres Dichterfürſten enthalten; „Wir wollen ſein ein einig Volk von Brüdern, In keiner Not uns trennen und Gefahr!“ Politiſches. Berlin, 1. Sept. Die kurze Erholungs⸗ pauſe, welche fich Kaiſer Wilhelm nach Abſchluß der Reiſen nach Holland, England und Norwegen in ſeinem trauten Familienkreiſe im Neuen Palais bei Potsdam gönnte, wird nunmehr wieder von einer Zeit neuer Anſtrengungen für den erlauchten Mo⸗ narchen abgelöſt werden. Soweit bekannt, reiſt der⸗ ſelbe am 2. September direkt nach Horn in Nieder⸗ öſterreich ab, um den Manövern bei Schwarzenau beizuwohnen. Sofort nach Schluß der öſterreichiſchen Manöver gedenkt der deutſche Kaiſer behufs Teil⸗ nahme an den bayeriſchen Manövern nach München abzureiſen, wo man ſeiner Ankunft am Abend des 7. September entgegenſieht. In Kaſſel trifft der Kaiſer am 11. September ein. Der W Treue Liebe. Original⸗Novelle von E. C. Buzg. III. Es war vierzehn Tage ſpäter“ nach Freiheit und Gleichheit. gekommen; laut forderte eine Deputation der Be⸗ völkerung vom Fürſten Conc⸗ ſſionen, und der Fürſt hatte darauf mit den Miniſtern eine ſtürmiſche Ge⸗ war der Mann des Tages; an ihn klammerten ſich jetzt nachdem das ganze Miniſte rium ſeinen Abſchied erbeten hatte, die Hoffnungen des Landesherrn. Im flürſtlichen Palaſte war es in jener ſchwülen Zelt ſehr ſtille; nur leiſe traten die Lakaien auf, während der Fist fi⸗berhaft erregt, die Verhand⸗ lungen der Velksmänner im Ballhauſe las, wo Herr don Klinger, j tzt der erſte Volksführer und Volks⸗ redner, durch eine fulminante Rede die Moſſen elek⸗ kriftet hatte. Se. Durchlaucht zerknitterten das Zi- tungsblott zwiſchen den Fingern und ſtampften mit den Lockſtiefeletten das teppichb dickte Parkett. Dann ſchlug em eintretenden Lakaien kurz: „Herr Grunert ſoll kommen!“ Die Wogen der politiſchen Bewegung in deutſchen Londen gingen höher, und lauter erſcholl der Ruf In der Reſtdenz war es ſchon zu Zuſammenrottungen von Volksmaſſen heimſſtzung abgehalten. Der kluge Rat Fiſcher aber die filberne Glocke schrill an, und der Fürſt befahl „Zu Befehl, Ew. Durchlaucht!“ — — 1 Grunert war der Geheimſteretär des Fürſten. Bald öffnete fich denn auch die Thür zu des Fürſten Gemach, und im courfähigen Anzuge, und ö Frack und weißer Weſte, erſchien Herr Grunert, ein echter Hofling. „Was befehlen Ew. Durchlaucht?“ Der Fürſt durchmaß das Zimmer ſchneller und blieb dann vor Grunert ſtehen: „Sie kennen den Rat Fiſcher?“ 05 „Zu Befehl Ew. Durchlaucht!“ 0 „Iſt er ein zuverläſſiger Mann und glauben Sie, daß man ihm das Staatsruder anvertrauen un ?“ Grunert lächelte und gab dann zurück: 5 „Trotz des fehlenden Adels, Ew. Durchlaucht, iſt der Rat Fiſcher ein Mann von Autorität, ein Ariſtokrat. Ew. Durchlaucht wiſſen ja, daß die hohen alten Beamten unbedingt ihrem Landesherren ergeben ſind und auch auf das Wohl des Landes ſehen.“ „Schon gut! Und Sie glauben, daß ich dem Rat Fiſcher das Heft der Regierung anvertrauen darf?“ „Ich denke, er wird ein kluger Vermittler in dieſer ſchwierigen Zeit ſein, Ew. Durchlaucht!“ er⸗ wiederte der Geheimſekretär. „Gut, ſo beſtellen Sie ihn nach zu mir!“ — v. Caprivi wird ſeinen kaiſerlichen Herrn auf dieſen ganzen Reiſen begleiten. Bei den Schwarzenauer Manövern iſt auch der öſterreichiſche Miniſter des Auswärtigen, Graf Kalnoky, zugegen und da er hierbei alſo mit Herrn v. Caprivi zuſammentrifft, ſo dürfte es zwiſchen beiden Staatsmaͤnnern zu einer ſehr zeitgemäßen Ausſprache über die internationale Lage kommen. — Konig Albert von Sachſen und ſein er⸗ lauchter Bruder, Generalfeldmarſchall Prinz Georg, treffen zur Teilnahme an den öſterreichiſchen Mand⸗ dern am 2. September in Schwarzenau ein und kehren am 7. September nach Dresden zurück. — In Wiener politiſchen und militäriſchen Kreiſen erregt eine ſoeben erſchienene Broſchüre, be⸗ titelt: „Die gegenwärtige Lage Europas und das Kriegsbudget Oeſterreich⸗Ungarns“, Auffehen. In derſelben werden eine ganze Reihe von Vorſchlägen gemacht, welche ſich auf eine beträchtliche Vermeh⸗ rung des Offtiziers⸗Friedensſtandes, Erhöhung des gegenwärtigen Friedens präſenzſtandes der gemein⸗ ſamen Armee um 100 Mann pro Compagnie, Ver⸗ mehrung der Zahl der Berufs-⸗Kavallerie⸗Offlziere, Errichtung weiterer Remonte⸗Depots, Vermehrung der Artillerie, Bereitſtellung großer Vorräte an Con⸗ ſerven, Anſchaffung hinlänglichen Feldbahnmaterials u. ſ. w. beziehen. Begründet werden dieſe vorge⸗ ſchlagenen Maßnahmen durch den Hinweis darauf, Oeſterreich⸗Ungarn dürfe im Ausbau der Wehrmacht andern Mächten keinen Vorſprung laſſen. Der Mehraufwand für die betreffenden Maßnahmen wird in der Broſchüre auf 16 bis 18 Millionen Gulden veranſchlagt und es iſt allerdings leicht möglich, daß ſich die Delegationen in ihrer bevorſtehenden Herbſt⸗ ſeſſton vor eine ſolche unerwartete militäriſche Neu⸗ 12 gefellt ſehen. Grunert 1 um ſich ſeines Auftrages zu er⸗ ledigen. Einige Stunden ſpäter ging es im Fiſcher'ſchen Hauſe geräuſchvoll zu. Der Rat Fiſcher befand ſich in ſeinem Arbeits⸗ zimmer, in welches ab und zu Boten aus dem Miniſterium, Deputirte des Volkes und hervorragende Führer der Parteien eintraten. Die Frau Rätin trug den Kopf heute um einen Grad hoher, denn die kluge Frau ahnte, was vorging, und Excellenz klang doch noch beſſer als Frau Rätin! Mit Würde redete die gute Frau dann auf Thekla, ihre jüngere Tochter ein, welche vor dem Piano ſaß und dem Herrn Studioſus der Medizin Oswald von Weddingen, Brunos jüngerem Bruder, Chopins ſchönſte Mazureks und Nocturnes vortrug, aber nicht ohne hie und da eine Bemerkung und einen Scherz anzuflechten. Die Frau Rat ſah auf einmal den ungenirten Verkehr der jungen Leute mit⸗ einander nicht mehr gern. Früher ja, da wäre ihr ein Arzt als Schwiegerſohn ſehr angenehm geweſen, aber als künftige Frau Staatsminiſter — nein, das ginge denn doch wohl nicht. Aber auf die leiſe ge⸗ flüſtetten Bemerkungen der Mama hatte Thelka nur ein Lächeln, im nächſten Augenblicke ſchon ließ ſie die Hände ruhen und ſagte lachend: „Nein, ſo eine ganze Glockenſtunde Chopin ſpielen heißt geradezu, fich in die düſtere Laune hin⸗