T1 blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Far die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. — — Allgemeiner Anzeiger für Ladenburg und Amgegend. 5 Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit iluſtriertem Unterhaltungs⸗ Nr. 65. — jochenbla 2 Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Samsta den 15. Auguſt Z —— —— 189 Volitiſches. Karlsruhe, 12. Aug. Es ſcheint, daß man ſich in Rußland überzeugt hat, es ſtehe dort ein bedenklicherer Notſtand infolge der unzulänglichen Roggenernte bevor, als man bisher angenommen hatte. Iſt dies wirklich der Grund des Ausfuhr⸗ verbotes, ſo könnte dieſes in politiſcher Beziehung als ein friedliches Symptom betrachtet werden. Dies nur beiläufig. Für Deutſchland iſt nunmehr feſt⸗ gestellt, daß wir auf den größten Teil der 10 Mill. Doppelzentner Roggen verzichten müſſen, welche wir unter der Vorausſetzung einer ähnlichen Ernte, wie 1889 und 1890, zu importieren hätten; denn der dei Weitem größte Teil unſerer Roggeneinfuhr kommt aus Rußland und kann als Roggen anderweitig nicht beſchafft werden. Der Erſatz muß, ſoweit er nut durch Getreide erfolgen kann, durch Waizen ſtattfinden. Es wird an ſolchem infolge der guten amerikaniſchen Ernte nicht fehlen; aber der Preis kann vermöͤge der ſich ſteigernden Nachfrage noch weiter ſteigen, als es bereits der Fall war. Geſtern war unter dem erſten Eindruck des ruſſiſchen Aus⸗ fuhrverbots an der hieſigen Börſe Roggen teurer als Waizen; für Auguſt 227 gegen 223. Die ſes unnatürliche Verhältnis wird raſch vorübergehen; aber es muß mit der Thatſache gerechnet werden, daß in Deutſchland für das Brotgetreide in den nächſten zwölf Monaten hohe Waizenpreiſe auch von denjenigen Klaſſen bezahlt werden müſſen, welche Brot nur bei mäßigen Roggenpreiſen in ausreichen dem Maße verzehren können. Unſern Bauern iſt übrigens ein guter Getreidepreis von Herzen zu gönnen! Kiel, 12. Aug. Der deutſche Botſchafter in Paris, Graf Münſter, und der kommandſerende General Graf Walderſee find hier eingetroffen. Graf Walderſee wurde vom Kaiſer empfangen. e Borkum, 12. Aug. Soeben hat an Bord des Kabeldampfers Faraday der Firma Gebrüder Siemens vor Borkum die Vollendung der neuen telegraphiſchen Verbindung zwiſchen Deutſchland und England ſtattgefunden. Die erſten Telegramme auf der neuen Linie wurden an den deutſchen Kaiſer und die Königin von Großbritannien abgeſandt. Die Vetſtändigung war eine vollkommene. Konſtantinopel, 12. Aug. Infolge des Schrittes des franzoͤſiſchen Botſchafters Montebello hat die Pforte die Zahlung des Löſegeldes zur Be⸗ freiung des von Räubern eingefangenen Franzoſen Raymond angeordnet. Verſchiedenes. l: Neckarhauſen, 14. Aug. (Poſtaliſches.) Einen recht altertümlichen Gegenſtand zu beſitzen iſt oft eine Liebhaberei, ſo aber nicht mit unſerem am Rathaus angebrachten, wahrſcheinlich ſchon in der Zeit der Kreuzzüge gefertigten Briefkaſten. Will man des morgens zwiſchen 7 und 8 Uhr oder nachmittags in der Zeit von 3—4 Uhr einen Brief ablegen, muß man immer erſt die Nachbarn des Rathauſes fragen, ob der Kaſten geleert oder nicht. Durch Einſchiebung eines Täfelchens (vormittags und nachmittags) könnte der Sache leicht abgeholfen werden. Der Einſender erſucht verehrliche Verwal⸗ tung um gefl. Legung dieſes Mißſtandes. — Badenweiler, 12. Aug. Die Erz⸗ grabarbeiten in unſerer Gegend ſchreiten rüſtig weiter und fördern immer erfreulichere Reſultate zu Tage. Ebenſo fallen die Grabverſuche bei der Fürſtenfreude und die vor wenigen Tagen bei dem Doͤrſchen Sehringen, das zur Gemeinde Lipburg gehort, wohl befriedigend aus. Die Erzarten, die in dieſer Gegend gegraben und gefunden werden find: Silber, Kupfer und Blei. Die Bleierze find die reichlichſten und weiſen einen Prozentgehalt von 70 bis 85 auf; die Kupfererze präſentiren einen Prozentgehalt bis zu 17 und die Silbererze, gewöhnlich 2 bis 3 pt. zeigend, ergeben einen Gehalt bis zu 8 Prozent. Dieſe Thatſachen find gewiß ein deutlicher Beleg dafür, daß die Erzgrabungen in unſerer Gegend recht lohnend zu werden verſprechen. Im nächſt en Frühjahr ſollen an 8 Platzen unſerer Umgebung die Erzgrabungen in regelrechten Betrieb geſetzt und dann die Grabarbeiten bei 30 —40 Arbeitskräften von Tag auch auf die Nacht ausgedehnt werden. Die Unternehmer find einige Herren aus Köln und Düſſeldorf, in deren Auftrag zugleich auf die Erz⸗ grabungen im Münſterthal, ſowie in der Höhe des Schauinsland bei Freiburg, wo bereits ein ca. 1¼ Meter breiter Erzgang gefunden ſein ſoll, und ebenſo die Grabungen bei Waldkirch, wo Zink und Blei gefunden wird, ausgeführt werden. — Die Bereitung von Beerweinen findet jede s Jahr größere Verbreitung. Daß aber zum guten Gelingen desſelben nicht genügt, die Herſtellung genau nach den verſchiedenen Rezepten vorzunehmen geht aus den Klagen hervor, welche man nicht ſelten über mißglückte Beerenweine hört. Von großer Wichtigkeit iſt ein guter Verlauf der Gährung. Im allgemeinen iſt die beſte Räumlichkeit zum Vergähren der Keller. Iſt derſelbe jedoch ſehr kalt, ſo iſt es beſſer, die Hauptgährung in einem anderen Ort durchmachen zu laſſen. Das betreffende Lokal darf aber größeren Temperaturſchwankungen nicht unter⸗ worfen ſein. Die beſte Wärme iſt 15 bis 20˙ G ⸗ 12-16 R. Um einen guten Verlauf der Gähr⸗ ung zu ſichern, empfiehlt Herr Geh. Hofrat Dr. Novelle von J. Nikola. Plötzlich thaten ſich ein Paar hohe Flügelthüren auf, wir traten näher und ſtanden im vollen Glanz von tauſend brennenden Kerzen. Es war ein ſchöner, hoher Raum; von der geſchnitzten und ge⸗ malten Decke hingen elegante Kronleuchter vom klar⸗ ſten Kiyſtall, die ein helles Licht ausſtrahlten und die äußerſten Ecken belcuchteten, Statuen aus dem ſchönſten Marmor, von Künſtlerhand gemeißelt, wert⸗ volle Gemälde — einzelne von berühmten alten Meiſtern — zierten die eine Seite des Zimmers und ſpiegelten ſich in koſtbaren Spiegeln auf der andern Seite wieder. Dicke, weiche Teppiche dämpften den leiſeſten Schritt. Ein Tiſch, inmiiten des Zimmers, war reich mit den ausgewählteſten Speiſen beladen. Das Ganze war wie ein ſchöͤner Traum. Mein Onkel rieb ſich die Augen und ſchaute und ſchwatzt und lachte in munterſter Weiſe über in den Strudel des Verbrechens. Endlich ſtieß mich die Hine gefährliche Verwechslung. 4. gekränkte Geſellſchaft aus ihrem Kreis; doch trotz meiner verachteten Lebensweiſe befitze ich noch etwas von dem angeborenen Gefühle eines Edelmannes.“ „Aha,“ dachte ich, „das alſo iſt der Schlüſſel, zu ſeiner Kenntnis der ſchöͤnen Künſte, die mir ſo rätſelhaft war,“ Den leckeren Speiſen und den funkelnden Weinen wurde tapfer zugeſprochen. Unter dem Ein⸗ fluß des Letzteren geriet mein Oakel ſchnell in eine gehobene Stimmung. Er wurde kühn und muthig die Erlebnſſſe des Tages. 8 „Und nun,“ ſagte er, während er den Briganten⸗ Hauptmann vergnügt anlachte, „möchte ich Sie fragen wenn's erlaubt iſt, was Sie zum Briganten machte ? Es iſt doch ziemlich gefährlich,“ ſetzte er kopfſchüt⸗ telnd hinzu. ö Bei dieſer vertraulſchen Rede zog unſer Wirth die Brauen finſter zuſammen. Aus ſeinen Augen halb verwundert, halb fragend um ſich, ob er auch ſchoß ein wildes, verächtliches Feuer und ſeine Geſicht⸗ wirklich wach ſei. Unſer Wirt lud uns ein, Platz zu nehmen, und „Sie haben nichts zu fürchten, Signore,“ ſagte er lächelnd, als er meine Kälte ihm gegenüber ge⸗ wahrte. „Ich ſtamme aus einem guten, ja, ich darf wohl ſagen, einem edlen Hauſe; ein leichtfertiges, verſchwenderiſches Leben zog mich Schritt für Schritt ö ich ſah zu meiner Seite unſeren verräteriſchen Führer. verloren, der ſeiue Frage hartnäckig wiederholte. muskeln arbeiteten heftig. Aber dieſer drohende Aus⸗ druck ging an meinem geſchwätzigen Onkel gänzlich „Welches Intereſſe kann das für Sie haben?“ verſetzte Guido Gonzage mit unterdrücktem Aerger. „Das würde mein Verbrechen in Ihren Augen doch nun kein Jota mindern.“ „Reue, Freund, Reue,“ plapperte mein Onkel. „Reue!“ wiederholte Gonzago, verächtlich lachend. „Eine Vergangenheit, wie die meine, läßt ſich nur mit meinem Kopfe zahlen. Wenn man einmal angefangen hat, bergab zu ſchreiten, iſt es ſchwer, wieder umzukehren. Doch kommen Sie, trinken Sie noch ein Glas von dieſem alten Marſala. Auf Ihre Geſundheit Signore!“ Und auf die Ihrige — auf die Ihrige!“ verſetzte mein Onkel, indem er das Glas mit einem Zuge leer trank und es dann mt Mühe wieder auf den Tiſch ſetzte. Begnügen Sie ſich damit, Sig⸗ nore, daß ich nicht ſo ſchlecht bin, wie ich ſcheine,“ ſagte der Räuberhauptmann, „ja im Grunde — darf ich wohl ſagen, bin ich ganz gut.“ „Im Grunde wirklich ſehr gut,“ ſti mmte mein Onkelemit etwas ſchwerer Stimme zu. „Im Grunde ausnehmend gut — ebenſo ihr Wein. Ausgezeich⸗ net, Herr, ausgezeichnet!“ „Noch ein Glas von dieſem alten Marſala, Signore?“ lächelte der Brigant, „ein ſelten guter Wein, verſichere ich Sie. „Jedenfalls noch ein Glas!“ rief mein Onkel, „noch zwei Glas wären beſſer! Ich war immer ein Weinliebhaber — ich kann ſchon etwas vertragen.“ „Kommen Sie, Signore, noch zwei Glas Maorſala!“ rief Gonzago, der ſich über meines „Onkel trunkenen Zuſtand höchlichſt zu amüfiren ſchien. J „Marſala!“ ſtotterte er, — „das iſt — iſt