5 * Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. * 8 preis vierteljährlich Mark 1.—, mit ilußtriertem Unterhaltungs⸗ ei 15. 90 blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. 535 f Für die Nedaktlon verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. ais urger Allgemeiner Anzeiger für Ladenburg — und Amgegend. Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. 1891 1 5 Jaht 1 a ichen n 10 Erpthten ub 1 iu 12 N. Deputiertenkammer hätte die Interpellation des Abg. Laur über die angebliche Verſchärfung der deutſchen Paßborſchriften beinahe einen unangenehmen und vielleicht gefährlichen Konflikt heraufbeſchworen. G. fährlich war die Interpellation von vornherein, weil ſte in den unabhängigen Machtbereich des Deutſchen Reiches eingriff; die Maßregeln, welche Deutſchland zu ſeinem Schutze ergreift und die nicht einmal gegen die Franzoſen allein, ſondern gegen alle Aus⸗ länder gerichtet find, gehen die Franzoſen ſo wenig etwas an, als etwa der deutſche Reichstag berechtigt wäre, den Franzoſen etwas in ihr Spionengeſetz und dergleichen dreinzureden. Man kann über ſolche 90 0 Dinge vielleicht, wenn man es recht geſchickt angreift, auf diplomatiſchem Wege mit einander reden und Ft einander gegenſeitig auf dieſe oder jene Unannehm⸗ lichkeit aufmerkam machen, allein der geſetzgebende 110 Korper hot unter keiner Form ein Recht, ſich in die Geſchäfte des Nachbars einzumiſchen. Der fran⸗ zöfiſche Miniſter des Acußeren, Ribot, erkannte ſehr 6. 2e, Jun, dn dee ſrerwfſhen 3. B. gerade in der Paßangelegenheit zum min⸗ deſten eine Milderung zu Stande gebracht. Die Kammer lehnte den Vertagungsantrag Ribots ab, der dann in der Erkenntnis, daß eine Entſcheſdung nun ſo raſch als moglich getroffen werden müſſe, in Abweſenheit des Miniſterpräftdenten bat, die Et⸗ örterung der Interpellation auf den andern Tag feſtzuſezen, womit die Kammer ſich einverſtanden erklaͤrte. Kaum war die Unvorſichtigkeit begangen, ſo wurde man ſich auch der ganzen Tragweite der⸗ ſelben bewußt: die Nachricht von dem Kammerbe⸗ ſchluß rief in Paris große Aufregung hervor und in den Wandelgängen des Abgeordnetenhauſes ſelbſt wurden die möglichen ſchwerwiegenden Folgen eifrigſt beſprochen. Die Miniſter traten ſofort zu einer Beratung zuſammen und beſchloſſen, das Geſuch um Aufſchub der Interpellation auf unbeſtimmte Zeit, d. h. Zurücknahme derſelben, im Namen des Ge⸗ ſamtminiſteriums zu erneuern und gleichzeitig die Vertrauensfrage zu ſtellen. Unter diefen Umftänden getraute ſich die Kammermehrheit doch nicht, noch einmal Nein zuſagen und ſie nahm die Vertagung der Laur'ſchen Interpellation mit großer Mehrheit an, womit der Zwiſchenfall erfreulicher Weiſe aus der Welt geſchafft iſt. Straßburg, 19. Juli. Heute Mittag um 12 ½ Uhr fand vor dem Statthalter als dem be⸗ auftragten Vertreter des Kaiſers in dem Palais des Statthalters in Gemäßheit der geſetzlichen Beſtimm⸗ ungen die feierliche Leiſtung des Eides der Treue und des Gehorſams ſeitens des Biſchofs Fritzen und des Weihbiſchofs Marbach ſtatt. Dem Akte wohnten Staatsſekretär Puttkamer, Unterſtaatsſekretär Köller und andere hohe Beamte bei. Noch vollzogener Eidesleiſtung bat ſowohl Biſchof Fritzen als auch Weihbiſchof Marbach den Statthalter, dem Kaiſer den unterthänigſten Ausdruck ehrfurchtsvollſter Ge⸗ finnung übermitteln zu wollen; auch dem Statt⸗ halter ſelbſt, als dem Vertreter des Kaiſers gegen ⸗ über, brachten die beiden Kirchenfürſten ihre voll⸗ kommenſte aufrichtigſte Ergebenheit zum Ausdruck. Statthalter Fürſt Hohenlohe ſpeach ſeine beſondere Genugthuung und Freude über die beiderſeits kund⸗ gegebenen loyalen Verſicherungen aus, die er zur Kenntnis des Kaiſers bringen werde; er ſei über⸗ zeugt, beide Biſchöfe würden das ihnen übertragene Amt entſprechend ihrer an Verdienſten reichen Ver⸗ gangenheit in Treue führen zum Heile der Kirche, zum Beſten der Didzeſanen und zum Wohle des Landes. Bod, 20. Juli. Die „Hohenzollern“ ſſt Nachts 1 Uhr hier vor Anker gegangen. Früh 3 Uhr unternahm der Kaiſer mit Gefolge und den Offizieren der Hohenzollern und der Prinzeß Wil⸗ helm und den an Bord der letzteren befindlichen Seekadetten eine Fußpartie nach Hoche⸗Löboſäaſen. Nach 9 Uhr kehrte der Kaiſer an Bord zurück. Die Weiterfahrt nach Tromſb erfolgt morgen Vormittag. Paris, 19. Juli. Die Flottenmandver im mittelländiſchen Meere haben dem „Gaulois“ zufolge bewieſen, 1) daß Toulon von der See aus unein⸗ nehmbar iſt; 2) daß man die Torpedoboote nur in einem Kreis um die Küſte verwenden kann, wo ihre Verſorgung leicht zu bewerkſtelligen iſt; 3) daß man den Panzergeſchwadern große Kreuzer mit bedeutender Fahrgeſchwindigkeit beigeben muß. Das neue Rekrutirungsg⸗ſetz des Jahres 1889 liefert Frank⸗ reich jährlich 200,000 Rekruten, während das Geſetz vom Jahre 1872 durchſchnittlich nur 135,000 lieferte. Letztes Jahr bildeten Heer und Flotte 204,873 junge Leute aus, ungerechnet 32,758 Freiwillige und 8126 wieder engagirte Unteroffiziere. ſehn wohl die Gefahr der Laur'ſchen Interpellation und fl er deutete der Kammer durch das Verlangen, die 69. 900 Interpellation zu vertagen, ſehr deutlich an, daß ſie I a im Begriffe ſtehe, einen ſchweren Fehler zu machen; 5 die Kammer wollte aber nicht verſtehen, weil fie, lle wee es ſcheint, die Gelegenheit benützen wollte, um . insbeſondere dem Miniſterpräſtdenten Freycinet ihr 1 Mißfallen zu bezeugen. Dieſes Mißfallen ſoll u. a. dadurch hervorgerufen ſein, daß Freheinet ſehr ener⸗ eotg 50 giſch zum Botſchafter Herbette in Berlin hält, während man in Paris der Meinung iſt, Herbette vol. habe in Berlin nicht den wünſchenswerten Einfluß; 7 ein anderer Botſchaftet, meinen die Pariſer, hätte Hu 44% Werthers Schatten. 6. Novelle von Karl Caſſau. „Ei, ei, viel Glück dazu, Herr Dockor in spe!“ lachte Sophie dazwiſchen. „Danke ſehr! — Der Hector war nun ein echter Studentenhund, der mir einſt eine Freude und nun eine Laſt war. Er hätte auch nicht ins Hund⸗ n K haus und nicht vor den Karren gepaßt. Der Vater was mochte ihn auch nicht leiden und — fremden Leuten 00 gönnte ich ihn nicht!“ „ paß 60 „Warum nicht ? . 10 — Weid das, was ich beſthe und liebe, And nicht beſſtzen ſollen !, 0 „If das Egoismus oder Charakter 2, frug Laura. „Ich denke, es iſt das Letztere!“ erwiederte Werther. „Jedenfalls iſt es nicht Egoismus! Ich erſchoß Hector — aus purer Liebe!“ Laura antwortete nicht. „Zürnen Sie mir noch, Fräulein Laura, oder din ich vor Ihnen gerechtfertigt?“ frug deshalb Werther. „Das Erſtere jedenfalls nicht, übrigens waren Sie ja der Herr des Tieres!“ Etwas verſtimmt erreichten die jungen Leute Schwalbheim, und die Hundegeſchichte machte Wer⸗ ther bald zum Gegenſtand des Geſpräches von ganz Schwalbheim. ö In ſeinen äußerlichen Beziehungen zum Nach⸗ barhauſe änderte der Vorfall aber nichts. Werther beſuchte die Mädchen nach wie vor, aber er wurde mit jedem Tage mißtrauiſcher und eiferfichtiger. — Verſtimmt hatte Werther eines Nachmittags ſich von den Damen verabſchiedet, als ſich aber die Thür hinter ihm geſchloſſen, ſprang Sophie unruhig auf und rief: „Laura, Laura, er iſt eiferſüchtig auf Paul; die Sache gedeiht bei ihm in Kopf und Herz immer weiter! Mach' ein Ende, ſpiele nicht mit ſeinem Herzen. Er iſt ein zu guter Menſch, als daß er an einer unglücklichen Liebe Schiffbruch nehmen ſollte!“ Laura erwiderte mit Thränen in den Augen: „Kann ich denn? Hat Paul ſich erklärt? Ich weiß, Werther“ iſt ein ſentimentaler Menſch, ich fürchte ſeine Leidenſchaft, aber kann ich ſie hindern?“ „Veranlaſſe Paul zu einer Erklärung, und wäre es nur um dieſen Jüngling! Denke Dir dieſe leidenſchaftliche Natur in ihrer Liebe getäuſcht! Es giebt wahrhaftig ein Unglück!“ „Ich glaube es ſelbſt! Aber was ſollen wir thun? Wir müſſen Papa bitten, mehr zu Hauſe zu bleiben!“ 5 Eins Tages kam Werther in das Nachbarhaus, um Abſchled zu nehmen. Die Anweſenheit des Vaters erleichterte den Mädchen den Abſchied von Werther, und in ſüße Hoffnungen gewiegt, reiſte er andern Tages wieder nach Jena ab. i 4. Der Briefbote in den Farben des Fürſten von Thurn und Toxis, welcher damals ein Monopol auf Einrichtung von Poſten in vielen Staaten des Deutſchen Reſches beſaß, betrat heute das Wolandſche aus. N „Ein Brief ous Jena! Einen halben Marien⸗ gro ſchen Beſtellgeld!“ ſagte der Bote. Laura nahm ihm den Brief ab und zahlte. „Der Dezember läßt ſich heuer ſehr hart an,“ ſagte der Briefbote, „dies Jahr wird uns eine ſtrenge Kälte bringen.“ „Meint Er?“ „'s liegt in der Luft, Mamſell! Laura lächelte und wandte den Brief hin und her, ehe ſie in das Wohnzimmer trat, wo Sophie ſtrickend am Fenſter in der Ruhe der Hyazinthen ſaß. „Ein Brief aus Jena!“ Mit dieſen Worten 855 9 9 8 haſtig ein. „Sollte er von — Werther ein?“ Sophie beſah die Adreſſe und ſagte: „Die Hand kenn ich. Er iſt von Werther Helbig und an Papa adreſſirt. Wie zartſinnig!“ Laura wandte ſich ſtolz ab und ſagte: „Ich erwarte heute noch Paul!“ Sophie trat dicht vor ſie ihn und flüſterte: