eidelberg, 11. Jull. Um 10 Uhr fand beute die Enthüllung des auf der Schloßterraſſe aufgeſtellten, von Profeſſor Heer in doppelter Lebens ⸗ größe modelliten bronzenen Scheffeldenkmals ſtatt, begünſtigt von herrlichem Wetter. Zahlreiche Kränze aus ganz Deuttchland, Oeſterreich und andern Län⸗ dern waren eingetroffen. Oberbürgermeiſter Wilckens übernahm das Denkmal ſeitens der Stadt. Profeſſor ausrath feierte in ſeiner Feſtrede Scheffel als inen „echt deutſchen realiſtiſchen Dichter von Gottes Gnaden“. — Lahr, 12. Juli. Eine gonz originelle Idee hat dem hieſigen Reichswalſenhauſe zu einem Schatze verholfen, der ſeinesgleſchen wohl nirgends nden dürfte. Der Verwaltungsrat, ſtets eifrig be⸗ ſtrebt, die Sache der Anſtalt zu ſörd ern, hat ſich zämlich an die hervorragendſten deutſchen Dichter und Schriftſteller mit der Bitte gewandt, zum Beſten s Hauſes eines ihrer Werke zu ſtiften. Die Bitte war nicht vergebens. Mit großer Bereitwilligkeit wurde derſelben entiprochen und iſt jetzt ſchon eine Bibliothek von mehreren hundert Bänden beiſammen, die dadurch noch einen beſonders hohen Wert erhält, daß jedes Werk mit eigenhänd' ger Namensch ffre des Verfaſſers und einem eigens für den Zweck des Buches verfaßten Gedicht oder Sprüchlein verſehen ſt. Die Bibliothek ſoll ſpäter verkauft werden und iſt wohl nicht daran zu zweifeln, daß ein hoher Preis dafür gelöſt wird. — Dresden, 9. Juli. Der Soldat Kohler des hierſelbſt garniſonirenden Schützenregiments wurde vorgeſtern Abend von einem Gefreiten ge⸗ legentlich eines Fluchtverſuchs niedergeſchoſſen. Köhler hatte bereits vor einiger Zeit einmal zu deſertiren verſucht, war aber ergriffen und zu 2 Jahren Straf⸗ kompagnie verurteilt worden. Wegen ſeiner guten Führung als Strafſoldat wurde Köhler in letzter Zeit zu Gartenarbeiten verwendet, gelegentlich welcher er abermals zu entfliehen ſuchte und von der Kugel des verfolgenden Gefreiten niedergeſtreckt ward. — Aus Thüringen, 9. Juli. Eine ent⸗ ſetzliche Scene ſpielte ſich im Geneſungshauſe zu Roda ab. Als Dr. Werner auf ſeinem üblichen Rundgange durch die Krankenzimmer in das Zim⸗ mer des früheren Buchdruckereibefitzers Rudolf aus Gera kam, ſtürzte ſich dieſer mit dem Rufe: „Du mußt ſterben!“ auf ihn und ſtach wütend mit einem Einſchlagemeſſer auf ihn los. Der erſte Stich traf die untere Bauchpartie, der zweite die linke Wange, der dritte — für den Hals berechnet — die Schulter — te die Pulsader der linken Hand. Der Wärter war vor Schreck voll⸗ ſtändig gelähmt und erſt der Angſtruf des Be⸗ drängten: „So helfen Sie mir doch!“ vermochte den Wärter aufzurütteln, ſo daß der Irre über⸗ wältigt werden konnte. Rudolf, der zwar als ex- zentriſch bekannt war, aber ſonſt als harmlos galt, genoß die größte Freiheit. Er iſt derſelbe, welcher vor einigen Jahren ein Mordattentat auf den Sohn des Geheimen Regierungsrat Fiſcher unternommen hat; nur das Gutachten der Aerzte rettete ihn da⸗ mals vor dem Zuchthauſe. Auf welche Weiſe ſich Rudolf in den Beſitz des Meſſers geſetzt hat, iſt noch nicht feſtgeſtellt worden. Der Zuſtand des Dr. Werner iſt den Verhältniſſen nach günſtig, ſo daß nichts Schlimmes zu befürchten ſteht. — Brüſſel, 10. Julſ. Um 250,000 Fr. betrogen wurde dahier der Juwelier Schomacker. Drei Perſonen, zwei Herren und eine Dame, wählten bei ihm Juwelen im Werte von etwa 250,000 Fr. aus. Die Juwelen ſollten jedoch vorerſt einer vierten Perſon vorgelegt werden, zu welch m Behufe der Juwelier erſucht wurde, dieſelben Nachmittags in ein Haus der Rue de la Trone zu bringen. Der Ju⸗ welier ſtellte ſich, von ſeiner Feau begleitet, zur beſtimmten Stunde ein. Ein galonirter Diener nahm das Packet Juwelen ab und trug es in ein Nebenzimmer, wo die Käufer ſich angeblich befanden. Nach einſtündigem Warten klopfte der Juwelier ſchüchtern an die Zimmerthür, erhielt jedoch keine Antwort. Als er daraufhin die Thür öffnete, war das Zimmer, in dem ſich keine Möbel befanden, vollſtändig leer. Die Gauner waren durch eine andere Thür mit den Juwelen verſchwunden. Bisher konnte nur feſtgeſtellt werden, daß ſie ſich nach Hol⸗ land wendeten. — Lon don, 10. Juli. In der Menagerie Bridgmann zu Gummislake wurde am letzten Sonn⸗ tag der unter dem Namen „Kapitän Cordona“ be⸗ kannte Löwenbändiger Thomas Bridgman von dem Löwen „Wallace“ in Stücke geriſſen. „Wallace“ hatte während der Uebungen, die Cordona am Sonntag mit ſeinen Löwen vornahm, zu wieder⸗ holten Malen Beweiſe ſeiner Bösartigkeit gegeben Während die vier anderen Löwen, durch die Peitſche Cordona's in Schranken gehalten, in einen Nachbar⸗ käfig eintraten, zog ſich „Wallace“ in eine Ecke ſeines Käfigs zurück. In dieſem Augenblick wandte Cordona den Kopf und vergaß einen Moment das bösartige Tier mit dem Blick zu feſſeln. Mit einem und der ließ den Arzt begleitende wilden Sprunge ſtürzte ſich der Lewe auf ſelnen Herrn, warf ihn mit ſeinen Tatzen auf den Boden und drückte ſeine Krollen in deſſen Fleiſch. Die Zuſchauer brachen in ein wildes Geſchrel guz, waz den Löwen noch mehr zu erbittern ſchien. Cordong bewahrte geraume Zeit ſeine Kaltblütigkeit und wehrie ſich ſo gut es ging. Als er um Hülfe rief, geschah etwas Unerhörtes. Die vier anderen Löwen liefen aus ihrem Käfig herbef, flürzten ſich auf „Waolloce⸗ und verteidigten ihren Herrn gegen das wilde Tier. Es war ein fürchterlicher Kampf. Hätten die Me⸗ nageriewärter, welche mit eiſernen Stangen auf die Löwen einſchlugen, die Tiere nicht unnd ig gekeſ, ſo wäre Cordona vielleicht gerettet worden. In der Aufregung dachte jedoch niemand daran, die Pforte des Käfigs zu öffnen und ſo wurde Thomas Bridg, man vom Löwen „Wallace“ buchſtäblich zerſiückell, Das wilde Tier, ein prächtiger Löwe aus dem Atlas, das nicht zum erſten Male ſeinen Meister — ; i Lafee angegriffen hatte, wurde noch an demſelben Tagz „ e deen erſchoſſen. + 7 lch. (Internationale elektrotechniſche Ausſtellung 5 13. J J. in Frankfurt a M. 1891.) Aus Fronkfur ) an. M., 2. Juli, wird uns geſchrieben: „Die elektrisch; Meilen Ausſtellung iſt jetzt vollſtändig fertig, Zulſcht er öffnet wurden der 50 Meter hohe elektriſche Aus ſichtsturm die Pumpwerke aus dem Maln und nac dem Woſſerfall, das Bergwerk nebſt Grubenbahn, die elektriſchen Bahnen nach dem Main und nac dem Opernplatze, das Siemens⸗Theater. Sämmi⸗ liche Dampf. und Dynamomaſchinen, die Kraftüber⸗ tragung aus dem 3 ½ Kilometer entfernten Palmen, garten, die 22 Werkſtätten ſind in vollem Bettiebe. Die Kunſtausſtellung mit elektriſcher Beleuchtung ift ebenfalls fertig und wird in den nächſten Tagen dem Publikum zugänglich ſein. Ebenſo das ele, ttiſche Boot, welchts bereits polizeilich abgenommen iſt. Jeder Beſucher der Ausſtellung wird dieſelbe daher vom 5. Juli ab in allen ihren Teſlen befich⸗ tigen können. Die Zahl der Beſucher ſteigt don Tag zu Tag. Am litzten Sonntag wurden 13,348 Eintritskarten abgegeben, in der letzten Woche 40,868, ſeit Eröffnung der Ausſtellung bis 30. Juni 187,098. Die Fronkfurter Gaſthäuſer find gefüllt; da jedoch in den letzten Jahren die Zahl derſelben ſeht gewachſen iſt, ſo iſt für gutes Unterkommen aller Fremden geſorgt, umſomehr als Anfangs nuͤchſter Woche ein unter Aufficht des Ausſtellungsvorſtandes ſtehendes, gut organ ſirtes Wohnungsbur tan im Hauptbahnhof in Thätigkeit treten wird. — „Ich bitte über meine Er öffnung ſchweigen zu wollen!“ bat er noch. „Natürlich!“ verſicherte Laura, „Aber nun, Sophie bat er noch das Veilchen von Goethe!“ Sophie begann ſogleich: „Ein Veilchen auf der Wieſe ſtand!“ Die Compoſition war gut, der Vortrag dra⸗ maliſch belebt. Mit Intereſſe lauſchte Werther, Laura dachte wohl an etwas anderes, denn ihre Augen ſtarrten in die Ferne. Und ſterb' ich dann, ſo ſterb' ich doch Dutch ſie, durch ſie 5 Zu ihren Füßen doch!“ Mit dieſen Strophen verklang das Lied troſt⸗ los, öde. War das nicht auch ein Omen?“ Werther ſchwieg lange, bis ihn Lauras Stimme aus ſeinen Träumereien mit der Frage weckte: „Waren Sie öfter auf Irenenſtein?“ „Ja, in meinen Knabenjahren, Fräulein!“ erwiderte Werther dann. 10 37 weit mag es von dort bis Hennigſtedt ein?“ „Was wollte ſie denn in Hennigſtedt? weibliche Neugier! dachte Werther. Dann beſchrieb er die Entfernung nach Hennig ⸗ ſtedt und verabſchiedete ſich. Der tiefe Eindruck, denn Laura auf ihn gemacht, hatte ſich verſtärkt. Er wollte jetzt fl⸗ißig 5 ſeine Examen machen und dann — um Laura reien. Ah, Wahrſcheinlich nichts weiter!“ 1 3. 795 Der alte Helbig war wie verjüngt. hatte aber auch ſeinen guten Grund. Das Werther hatte ſich ganz und gar verändert, und der Kauf⸗ her ſah frohen Herzens in die Zulunft. Es war junge Herr ſo fein ehrbarlich lebe. In der That hatte ſich Werther jetzt ganz aus den Wirtshäuſern zurückgezogen, dagegen war er, ſo weit er ſeinen Studien oblag, jeden Nachmittag im Woland⸗ ſchen Garten zu finden. Werthers Vater wiegte bei dieſer Wahr⸗ nehmung den Kopf bedachtſam hin und her und meinte zu ſeiner Frau: „Die Laura wäre mir ſchon als Schwlieger⸗ tochter recht, und eine ehrbare geheime Liebe hat oft vorteilhaft auf einen Menſchen gewirkt!“ „Das meine ich auch!“ ſitzte Frau Helbig hinzu und die Eltern hofften von der Herzens⸗ neigung des Sohnes das Beſte. Daß aber mit der Lektüre des Werther von Goethe auch eine glühende Leidenſchaft in des Sohnes Bruſt gezogen, ahnten die Eltern nicht, denn die äußerliche Ruhe Werthers war nur Maske und in ihm tobte ein Vulkan, deſſen Ausbruch ein Zufall herbeiführen konnte. Am zweiten Tage nach Entlehnung des Buches ſaß Werther mit dem Werk, das einen ſo dunklen Schatten auf ſeinen Weg werfen ſollte, im väter⸗ lichen Garten. „Iſt der Menſch,“ ſo dachte er, das Buch zu⸗ klappend, „nicht ein Product ſeiner Lage, ein Ball in der Hand des Schickfals ? — Und — liebt ſie Dich wieder, Werther? — Thöͤrichte Frage! Ihr Herz iſt ja noch frei: ich werde es mir erobern! Die kleine Sophie hat Recht, es iſt ein Omen, daß ich Werther heiße, aber müſſen denn alle jungen Männer, die dieſen Namen tragen, den ihnen der felbſt dem alten Gröhlmann aufgefallen, daß der nicht Zufall verliehen, unglücklich ſein? O nein, Laura, wird die Meinige; meinem Fleiße wird es gelingen den Doktorhut bald zu erwerben und dann — Lanta, dann iſt's Zeit, offen anzuklopfen und zu frage, „Willſt Du mein ſein ?“ N Werther ſtand auf und rief Hicktor, der im Schatten ein Schläfchen gemacht, ſtieg zu ſeinem Zimmer hinauf, nahm ein Piſtol von dek Wand, unterſuchte deſſen Ladung und ſteckte es in die Taſche feines blauen Gehrocks, ergriff Hut und Stock und ſchritt der Brücke zu, umichmeſchelt von Heelok, Jetzt betrat er den Oſterhagen, ein großes Ge · hölz, welches ſich bis zum Irenenſtein und darüber hinaus fortſetzte. Hier warf er ſich unter einer Lnorrigen Eiche im grünen, ſchwellenden Woldmooſe nieder und blickte zum lachenden Sonnenhimmel, der hier und dort zwiſchen den Laubkronen ſichtbar ward, hinauf, wo⸗ bei er ſeufzte und ein paar Mal leiſe den Namen Laura rief. Dann zog er das Buch „Die Leiden des jungen Werther“ hervor und las gene Stelle, wo derſelbe die Geliebte zuerſt erblickt. Ein Schaut des Entzückens verklärte dabei das Geſicht des jungen Mannes, und ein Sonnenſtrahl, der durch 5 dichte Laubdach brach, ſiel gerade guf ſein Haul, als wolle er den ſchönen jungen Mann mit tinem Glorienſchein umweben. Müde ließ Werther dann den Kopf ſinken und flüſterte: 1 „Es muß 5 0 Der Vater ſieht ihn nicht gern bei mir und anderen Händen verkratzt ich 1 aß nicht an! O Laura, wenn Du wüßteſt, 0 i 2 Opfer ich Dir bringe!“ 5 4 — — N