Alagten. 3 bsc Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder deren Naum Far die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. Nr. 55. 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Samstag den 11. Juli Volitiſches. Berlin, 9. Juli. Die Kaiſertage in Eng⸗ land nehmen im Allgemeinen ihren programmmüßigen Verlauf, verſchönt durch die ungeheuchelte jubelnde Begrüßung, welche den deutſchen Majeſtäten tag ⸗ täglich bei ihrem öffentlichen Erſcheinen von den Volksmaſſen entgegengetragen wird. Man fühlt eben in den weiteſten Volksſchichten Englands, daß der diesmalige Beſuch Kaiſer Wilhelms im Lande nicht nur der engliſchen Königsfamilie, ſondern auch der engliſchen Nation ſelbſt gilt und daß das Er⸗ eignis mit beſtimmt iſt, die zwiſchen den Völkern Deutſchlands und Englands beſtehenden Bande der Freundſchaft und Sympathie nur noch enger zu kaüpfen. Demgemäß lauten denn auch die Aeußer⸗ ungen, welche die tonangebenden Londoner Blätter frortgeſetzt dem Kaiſerbeſuch widmen, ſehr ſympathiſch für Deutſchland und ſein erlauchtes Herrſcherhaus, wie z. B. aus einem vielbemerkten Artikel der „Times“ vom 7. d. M. über deutſch⸗engliſche Ver⸗ hältnis erhellt. — Am Dienstag Abend fand im Schloſſe zu Windſor ein größeres Banket zu 140 Gedecken ſtatt, bei welchem das goldene Tafelgeſchirr des königlichen Hauſes, im annähernden Werte von einer Mill Pfd. Sterl. (20 Mill. Mark) benutzt wurde. Die Königin Victoria ſaß zwiſchen dem Kaiſer und der Kaiſerin; außerdem nahmen von Fütſtlichkeiten weſend war auch Lord und Lady Salisbury, ſowie an dem Prunkmahle noch der Prinz und die Prin⸗ zeſſin von Wales, der Herzog und die Herzogin von Edinburg, der Prinz und die Prinzeſſin Heinrich von Battenberg, der Prinz und die Prinzeſſin Chri⸗ ſtian, der Herzog, die Herzogin und der Erbprinz von Anhalt u. ſ. w. Teil. Staats⸗ und Hofwürdenträger, die Botſchafter und andere Notabilitäten waren ebenfals zugegen. Die Die hoͤchſten engliſchen Tafelmufik wurde von der königlichen Artillerie kapelle ausgeführt. Das Banket, bei welchem keine offiziellen Reden gehalten wurden, nahm einen glän⸗ zenden Verlauf. Köln, 7. Juli. Wie die Köln. Ztg. aus Petersburg erfährt find ſämmtliche von Odeſſa nach Paleſtina abgehende Dampfer mit aus Rußland und nach Paläſtina auswandernden Juden überftüllt. Beim Eintreffen in Jaffa erhalten die Ausgewieſen en von dem ſtändigen Ausſchuß alle nötigen Finger⸗ zeige; den Kaufpreis für das ihnen zugewieſene Land lönnen ſie in zehnjährigen Raten tilgen. Als Leiter des ganzen Paläſtina⸗Unternehmens werden neben Rothſchild, Bleichröder und Baron Hirſch noch 5 andere jüdiſche Geldfürſten genannt. Nach Odeſſa kehrten nur zwei ausgewieſene Familien zurück. Rothſchild aus Paris beabſichtigt, weitere 5 ¼ Millionen Quadratmeter fruchtbaren Landes am öſtlichen Jordanufer anzukaufen. Lon don, 9. Juli. 6½ Uhr von Windſor auf dem hiefigen Bahnhofe ein, vom Prinzen von Wales und den Herzogen von Edinburg und Clarence und dem Grafen von Hatzfeld empfangen. Die Herrſchaften begaben ſich in den Buckinghampalaſt und fuhren Abends in die neue Oper, wo das Eintreten der Majeſtäten in die Koͤnigsloge große Begeiſterung hervorrief. Das Occheſter ſpielte die deutſche Nationalhhmne. An⸗ alle Botſchafter und Geſandten. Das Programm der Votſtellung war: Erſter Akt Lohengrin, vierter Akt Romeo und Julie, dritter Akt Orpheus und vierter Akt Hugenotten. Sanſibar, 8. Juli. Als der Sultan geſtern das Cooper⸗Inſtitut, an deſſen Einweihung er ſich mit dem englichen Admiral und deu englichen Offi⸗ des Sultans ahgeſeuerten Geſchützſalven. zieren beteiligt hatte, verließ und ſeinen Wagen beſtieg, ſcheuten die Pferde in Folge der zu Ehren Der Sultan ſprang aus dem Wagen und zog ſich Das Kaiſerpaar traf um mehrere Verleßungen am Kopfe un d an den Bei⸗ nen zu. — In China geſtaltet ſich die Lage für die Europäer nachgerade hoͤchſt kritiſch. Selbſt ein kal⸗ ſerliches Dekret zum Schutze der Fremden hat nicht bermocht, die immer weitere Kreſſe des Chineſen⸗ volkes ergreifende feindſelige Stimmung gegen die Ausländer zu beſchwichtigen, ſo daß es begreiflich erſcheint, wenn unter den in China lebenden Euro⸗ päern große Beunruhigung herrſcht. Die Vertreter der fremden Mächte bei der chineſiſchen Regierung haben bereits mehrfache Konferenzen über gemeinſame Schritte zum Schutze der europäiſchen Staatsange⸗ hoͤrigen abgehalten. Verſchiedenes. — Mannheim, 6. Juli. Unter dem Vorſiz des Herrn Landgerichtsdirektors Dr. Cadenbach nah⸗ men heute die Schwurgerichtsverhandlungen für das 3. Vierteljahr 1891 ihren Anfang. Im erſten Falle befindet ſich die 39 Jahre alte Ehefrau des ehemaligen Gaſtwirts Ludwig Fritz, Frieda geb. Schmeißer von Landshauſen bei Bretlen, zuletzt in Mannheim wohnhaft, unter der Beſchuldigung der vorſätzlichen Kindstötung auf der Anklagebank. Die Angeklagte Fritz, welche das zweite Mal verheiratet iſt und deren jetziger Mann, der frühere Gaſtwirt zum „Goldenen Anker“ hier, im März v. J. wegen Hehlerei zu einer längeren Zuchthausſtrafe verurteilt wurde, ſtand, nachdem ihr Mann in das Gefängnis gewandert war, mit dem 31 Jahre alten Haus⸗ burſchen Mathes Ihrig in intimen Beziehungen, Werthers Schatten. Novelle von Karl Caſſau. „Sie haben recht!“ entſchied nun Laura. „Loſſen Sie anſpannen. Herr Wirth!“ Bald ſtiegen die Damen mit den Studenten in die Kutſche. Es war eine reizende Fahrt, belebt durch ein animirtes Gespräch. „Sagen Sie mir doch, Herr Reißner,“ fragte plötzlich Laura, „warum nennen Sie Ihren Freund ſtets Pluto ? Es iſt doch ein Hundename?“ Werther ſtieß Reißner mit dem Fuße an und dieſer erwiderte lächelnd: „Fräulein Laura, das iſt eine lange Geſchichte. Helbig beſaß einſt einen Hund dieſes Namens, der ſein ſtetiger Begleiter war, daher der Name!“ Werther athmete erleichtert auf, und die Damen Aber da lag Schwalbheim ſchon. Die jungen Mädchen ſtiegen aus und nahmen dankend Abſchied. Die beiden Freunde aber ſteuerten das Gefährt mit dem betrunkenen Kutſcher nach der goldenen Sonne zu ſeinem Eigentümer, Gaffelin. Es war eine böſe Nacht, die nun folgte. Halb don dem ſchweren Bier berauſcht, hatten die Freunde i Schwalbheim erreicht, nun wollte es das Unglück auch noch, daß ſie einen alten Studiengenoſſen im 5 Waffellin'ſchen Wirtshauſe fanden, Paul Buſch. „Hollah, Bruder, woher des Weges?“ fragte Reißner und ſchüttelte dem Freunde enthufiaſtiſch die Hand. 1 f „Ich komme von Hennigſtedt. Aber wißt Ihr's ö den nicht, daß ich dort Amtmann geworden bin. „Gratuliere, Philiſter!“ nickte Reißner. Warſt ſtets von uns allen am beſchlagendſten, kannteſt ſtets die einſchlägigen Paragraphos, weshalb Du auch der Salomo heißeſt.“ ö „Hier haſt Du einen blanken Thaler, Wächter der Nacht,“ unterbrach ihn Reißner, „gehe nun in N Straße und ſiehe zu, welcher Wind dort weht!“ Der Alte ſteckte das Geld ein und meinte: „Meine Herrens, das kann ich, denn ich bin ein pflichtgetreuer Beamter, — aber treiben Sie es nicht zu toll!“ „Für einen zweiten Thaler wirſt Du auch nicht Werther, der nach ſeines Vaters Willen Amt⸗ hören, wenn wir den Damen ein Ständchen mann in Hennigſtedt hatte werden ſollen, etwas verſtimmt, dann verlangte er Wein und wurde luſtig. Echter Kloſter Erbacher!“ verſicherte er. Siebenziger Ausleſe.“ Die Herren, achteten kaum darauf. Sie tranken, lachten uud plauderten ſo laut, daß die Gäſte an den anderen Tiſchen verwundert aufhorchten. Erſt nach Mitternacht brach Buſch auf ſprengte mit dem vorgeführten Pferde davon, während die beiden Freunde durch die ſtillen Straßen heimwärts ſchlen⸗ derten und Lieder ſangen. An einer Ecke gegenüber ſtand der alte Nachtwächter Baring und hörte zu, als ſie es denn aber doch ein wenig zu arg trieben, ſagte er herübettretend: „Meine Herren, ich bin ein pflichtgetreuer Be⸗ amter und muß Sie erſuchen, daß Sie Ruhe halten, 0 ſonſt 3 1 ſonſt — Der Wirth Gaffelin war ſchnell zur Hand: „Reine 1 1 1 war erſt bringen!“ „Aber nicht ſo ſehr gebrüllt,, meine Herrens, „Nein, wir fingen ganz leiſe!“ lachte Reißner. „Wo wohnen die Damen, Werther?“ „Dicht neben uns!“ Vorwärts denn!“ Im Woland'ſchen Hauſe war alles dunkel und bald begann Reißner gerade gegenüber auf der Gaſſe mit ſeiner tiefen Baritonſtimme: „Holde Maid in ſüßer Ruh! N ings die Welt im tieſſten Schweigen, elbſt die Bäume, müde neigen Mit den Gipfeln, mit den Zweige Eine gute Nacht Dir zu; chlaf in Ruh, ſchlaf iu Ruh! Hold Maid in ſüßer Ruh! i ch, Dein Bild wird nicht verbleichen,