blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. Nr. 46 Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis viectelfährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs . ———— . Miktwoch den 10. Juni Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Cc Acc ˙ A ———6rð—ÜðÜ?³ ˙³˙¹[¼ Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. 1891 Rede des Reichslanzlers v. Caprivi über Handels, der Induſtrie und der Landwirtſchaft, wie die Frage der Getreidezollermäßigung. (Schluß.) Seit einer Reihe von Wochen iſt der Prels des Getreides in Deutſchland gleich der Summe des Weltmarktpreiſes — ich nehme hier den Londoner Preis als Weltmarktpreis an — und der Zölle, und nun variirt es: einmal kommt es etwas höher und einmal kommt es etwas herunter, im allgemeinen ober zahlen wir zur Zeit den Weltmarktpreis plus dem Zoll. Wenn wir aber den Zoll aufgeben, ſo ſſt, wie ich glaube, mit Sicherheit vorauszuſehen, doß ein Teil des Zolles an das Ausland fällt. Das Ausland gehört alſo jedenfalls zu den Gewinnern. Wie weit der inländiſche Konſument zu den Ge⸗ winnern gehören würde, iſt zweifelhaft, um ſo zweifelhafter, je geringer die Herabfetzung iſt und guf um ſo kürzere Zeit ſie beliebt würde. Die Staatsreglerung hat in reiflicher Erwägung aller dieſer Verhältniſſe ſich davon überzeugt, daß mit einer mäßigen Herabſetzung der Zölle, alſo etwa mit dem, was man ein Offenlaſſen bis zum Perfekt⸗ werden des öſt⸗ rreichiſchen Handelsvertrages nennen würde, nicht geholfen iſt, ſondern daß, wenn eine Ermäßigung des Brotpreiſes eintreten ſollte, wenn alſo unſerer ärmeren Bevölkerung geholfen werden ſollte, dann der Zoll auf Zeit ganz erlaſſen werden müßte. Das aber iſt eine Maßregel, zu der die Staatsregierung ſich nicht würde enkſchließen können. Wenn wir alſo auf der einen Seite den Nutzen, der aus einer Herabsetzung oder zeitweiſen Aufhebung der Getreidezölle entſtehen würde, für einen fraglichen halten, ſo halten wir für ungleich weniger fraglich den Schaden, der aus einer ſolchen Maßregel ent⸗ —— mir ſcheint, überein, daß für eine geſunde Entwick⸗ lung dieſer Erwerbszweige Stetigkeit das erſte Er⸗ fordernis iſt. Stetigkeit braucht der Handel, um Verbindungen einzugehen, die ja, wie es beim Handel meiſt der Fall iſt und beim Kornhandel erſt recht, überhaupt erſt in langer Zeit wirkſam werden. Einer ruhigen Entwicklung bedarf der Handel. Wenn man aber die Zölle auf Monate hin- und herwirft, ſo iſt eine ſolche ruhige Entwicklung gefährdet. Das ſolide Geſchäft leidct darunter und zieht ſich von ihm zurück, während die Spekulation, ich moͤchte ſagen, die wilde Spekulation, bei dem Hin⸗ und Herſchwanken der Verhältniſſe, unter denen ſich der Handel zu bewegen hat, properirt. Ich will hier⸗ bei ſagen, um nicht mißverſtanden zu werden, ich halte die Spekulation nicht für etwas ſchädliches an ſich, ſondern für etwas geradezu Notwendiges. Sie muß die Bedürfniſſe des Volles vorherſehen, ſie muß ihnen folgen. Aehnlich liegen die Verhältniſſe nach meinem Dafürhalten in Bezug anf die Landwirtſchaft. Wenn die Staatsregierung ſich entſchlöffe, bei den Reichs⸗ behörden eine Aufhebung unſerer G treidezölle, we⸗ nigſtens für Brotgetreide, auf Monate zu beantragen, könnten wir nach Ablauf der Friſt ſehr leicht in das, was ſte will, im Beſten des Staats liegt. Eine Regierung muß auch gegen den Strom ſchwimmen Verlegenheit ſein, das wieder einzuführen, was wir erſt aufgehoben haben. Nun haben aber die preußiſche Regierung und, ſoweit ich unterrichtet bin, die ver⸗ in Bezug auf dieſe Maßregel noch wachſen ſollte, ſo glaube ich, daß er uns nicht auf die andere Seite bündeten Regierungen nichts weniger im Sinne, als zu einem Freihandelſyſtem überzugehen. Wir haben uns in den Verhandlungen mit anderen Staaten, die ja offenkundig find, entſchloſſen, zu einer gewiſſen Herabſetzung unſerer Getreide zölle di Zustimmung zu geben, aber unter der Vorausſetzung, daß wir dann auf anderen Gebieten Gewinne machen, die uns ein Aequivalent dafür geben. Führten wir nun geringere Zölle auf kurze Zeit ein oder ſchritten wir auf kurze Zeit gar zur vollſtändigen Aufhebung der Getreide zölle, ſo müßten wir doch auch mit der Möglichkeit rechnen, daß am Ende dieſes Termins der deutſche Markt mit ausländiſchem Getreide der⸗ art überſchwemmt ſein könnte, daß dann unſere nächſte Ernte in Verlegenheit wäre. Die franzöſiſche Re⸗ gierung hat in dieſer Beziehung nach meiner Anſicht korrekt gehandelt. Sie läßt ihre Zölle erſt vom nächſten Auguſt an fallen, wo mit der dann be⸗ ginnenden ſtärkeren Einfuhr die eigene Ernte ſchon konkurriren kann. Laſſen wir unſere Zölle ſchon heute fallen, ſo würden wir möoͤglicherweiſe eine ſo ſtarke Einfuhr bekommen, daß dann unſere Land⸗ wirtſchaft unter der Unabſetzbarkeit ihrer eigenen Ernte litte. Neben dieſen auf dem Handel und der Land⸗ wirtſchaft bafirten Motiven hat die Landwirtſchaft auch Motive politiſcher Art. Man kann uns ein⸗ wenden: macht doch dieſer unerquicklichen Agitation ein Ende. Ich bin aber der Meinung, daß eine Regierung dazu da iſt, die Verantwortung zu tragen und auf ſich zu nehmen, wenn ſi überzeugt iſt, daß können. Und ſelbſt wenn der Strom der Meinung bringen wird, ebenſowenig wie manches andere uns aus der Richtung gebracht hat, die wir für die richtige holten. Wir haben, und darin glauben wir keinem nachzuſtehen, ein warmes Herz für die armen Klaſſen, aber auch in dieſer Beziehung glauben wir recht zu handeln, wenn wir auf eine Herabſetzung oder Aufhebung der Getreidezölle für ſieht. Darüber kommen die Sachverſtändigen des 4 9 1 EJ Ein Kampf um's Glück. 8 Novelle von F. Sutan. Lange ſaß Wandrau in dieſen Erinnerungen berſunken, bis er ſich endlich aus dieſen Träu⸗ men zur Gegenwart zurückrief, zu der entflohenen Gattin. Zunächſt war es doch wohl ſeine Pflicht, die nötigen Schritte zu thun, Ulrika wieder aufzu⸗ finden, die jedenfalls in einem verzweifelten, halb Uunzurechnungsfähigen Zuſtande in der Welt um⸗ herirrte. um Unheil von ihr abzuhalten. Vielleicht daß ſich Wandrau beſchloß daher, Ulrika zu ſuchen, Obgleich er ſich ſelbſt ſagen mußte, daß es ſeine großen Schwierigkeiten haben würde, in der großen volkreichen Stadt, die Entflohene zu finden. Es war Abend als Wandrau in Berlin an⸗ langte. Ziemlich erſchöpft und angegriffen begab er ſich in den Warteſalon, in welchem Ulrika Tags ihren traurigen und der Zafall zuvor ſo lange Stunden, in Gedanken verſunken, zugebracht; wollte es, daß derſelbe Kellner, deſſen lebhaftes Intereſſe Ulrika am Tage vorher erregt hatte, Wandrau das verlangte Abendbrot ſervirte. Wandrau wagte die Frage an ihn zu richten: Ob nicht geſtern eine junge Frau, blaß mit ſchwarzem Haar, im hellen Reiſemantel, hier im Warteſalon von ihm dann ſpäter nach gegenſeitiger Uebereinkunft eine Scheidung einleiten ließe. Dieſer Gedanke hatte etwas Belebendes für ihn. Frei werden! Nicht mehr gef ſſelt ſein an die Ungeliebte, in deren Nähe er es täglich bereute: härmlich geweſen, und Liebe geheuchelt, wo auch nicht ein Atom dieſes heiligen Gefühls durch ſeine Stele gezogen. O, dergleichen rächt ſich bitter; er hatte es genug erfahren in den Jahren ſeiner licbe⸗ loſen Ehe. Auf der Bahnſtation wohin Wandrau zunächſt Daß er ſo ſchwach, ſo er⸗ leine Schritte lenkte, um nach Ulrikas Reiſeziel zu forſchen, erfuhr er, daß dieſelbe den Schnellzug nach g Berlin benußt hatte. Er beſchloß, da keine Zit leiſen vertraulichen Ton, bemerkt worden ſei. In des Kellners etwas phan⸗ taſiereichem Kopfe begann ſich ein Roman zu ge⸗ ſtalten. Natürlich hatte er die junge Frau ge ſehen. „Eine unheimliche Erſcheinung war es, dort am Fenſter ſaß ſie ſtundenlang,“ berichtete er eifrig. „Ich ging endlich zu ihr heran und fragte: wann ſie weiter zu reiſen gedächte. Da ſchreckte ſie empor wie eine Ertappte. Hat ſie geſtohlen? Oder han⸗ delt es ſich um einen Kindesmord? fragte er im in dem feſten Glauben, mindeſtens einen Beamten von der geheimen Polizei vor ſich zu haben. Wandrau ſprang unwillig von ſeinem Stuhl auf, eine flammende Röte ergoß ſich zu verlieren war, ſofort wieder dahin aufzubrechen. über ſein Antlitz. Doch der Kellner ließ ſich nicht verblüffen. „Sie nahm dann ein Billet nach Stettin,“ fuhr er geheimnißbvoll fort, „es war der ſelbe Zug, der ſetzt abgehen wird. Und wenn der gvädige Herr vielleicht einen Zeugen brauchen ſollte, ich habe die Dame ſcharf beobachtet, daß etwas nicht in der Ordnung mit ihr war, ſah ich natürlich ſofort!“ Wandrau war jedoch ſchon nach der Thlir gerilt, und ſchenkte den Worten des ſchlauen Kellners, der mit tiefen Bücklingen ihm das Geleit gab, kein Gehör mehr. Wenige Minuten ſpäter reiſte Wandrau nach Stettin weiter. Dort aber blieben ſeine Nach⸗ forſchungen, die er am andern Tage anſtellte, gänz⸗ lich reſulta tlos. „Ulrika wird ein Seebad aufgeſucht haben,“ ſagte fich Wandrau ſchließlich, ſich ihrer Vorliebe für die See erinnernd und beſchloß, obgleich er das Schwierige ſeines Unternehmens immer mehr einſah, die verſchiedenen Oſtfeebäder, zunächſt auf Uſedom und Wollin aufzuſuchen. Wenn auch hier ſeine Bemühungen ohne Erfolg blieben, mußte er ſich dann allerdings entſchließen, ſo ſehr es ihm wider⸗ ſtcebte, andere Hülfe in Anſpeuch zu nehmen und entweder durch die Zeitungen oder die Polizei Nach⸗ forſchungen nach Ulrika anſtellen laſſen. W Tief verſtimmt und gereizt über Nl und Mühe langte Wandrau nach einigen Tagen in dem Seebade Heringsdorf an. Er hatte nur noch