blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis piertelfährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ für Ladenburg und Amgegend. Anzeigen: die 1.ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. 1891 * FPiur die Redaktion derantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. 5 . Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Nr. 45. Samstag den 6. Juni r 10 b Rede des Reichskanzlers v. Caprivi über Wir haben in Betracht i daß di lche Deutſchland bedarf. Außerdem hat die Staats“ 1b . dle Jeage der Getreidezeermigiguug, 0 etracht zu ziehen. daß die welche Deutſchland bedarf. Außerdem hat die Staa gehalten im preußiſchen Abgeordnetenhauſe. Seitdem Bedenken über den Ausfall der in Ausſicht ſtehenden Ernte laut geworden find, hat das Staatsminiſterium ſich angelegen ſein laſſen, zu er⸗ forſchen, wie die Lage der Broternährung ſich bei beginnender Ernte ſtellen wird. Dieſe Recherchen nahmen einen ruhigen Fortgang bis zu der neulichen Sitzung, in welcher wir ſahen, eine wie hochgradige Aufregung durch die Verhandlungen in das Land getragen wurde. Das machte uns die Notwendig⸗ feet klar, daß wir ſchneller, als wir es urſprünglich geglaubt hatten, zu einer Erklärung gedrängt werden würden. Dazu kam die gleichzeitige Ermäßigung boder Aufhebung der Zölle im Nachbarlande. Der Staatsregierung liegt ein ſehr reiches Material vor, eine Menge von Zahlen, eine Menge von Aeußer⸗ ungen find von Sachverſtändigen verſchiedener Be⸗ rufskreiſe eingegangen. Dieſes Material, das muß ich ohne weiteres zugeben, würde den ziffermäßigen Beweis für die Nichtigkeit der Maßregeln der Staatsregierung nicht ermöglichen. Dieſe Zahlen find zum Teil ihrer Natur nach unſicher. Sie beruhen auf Schätzungen. Sie find oft ſchon acht Tage, nachdem ſie einge⸗ bracht find, durch veränderte Verhältniſſe falſch ge⸗ worden. Aber trotzdem hat die Staatsregierung die ganz feſte Ueberzeugung gewonnen, daß von einer Notſtandslage zur Zeit keine Rede ſein kann und daß die vorliegenden Verhältniſſe, Gott ſei Dank, auch keine Ausſicht dafür geben, daß es zu einem Nolſtand kommen wird. Nicht einmal die außer⸗ gewöbnlichen Maßregeln würden durch die Anſchau⸗ ungen, welche die Staatsregierung von der Lage der Sache bekommen hat, begründet werden. kommende Ernte im Inlande nicht ſo gut werden wird, halten aber für ebenſo wahrſcheinlich, daß ſie beſſer werden wird, als wir vor vierzehn Tagen an⸗ nehmen konnten. Wir werden vorausſichtlich, wenn nicht unerwartete Naturereigniſſe eintreten, eine Mittel⸗ ernte haben. Eine ſolche Mittelernte gibt aber keinen Anlaß zu dem Glauben, daß ein Notſtand bevor⸗ ſteht. Wir haben außerdem in Betracht zu ziehen: welche Vorräte haben wir im Inlande. Das iſt unendlich ſchwer zu ſchätzen. Diejenigen Leute, welche die großen Vorräte in Händen haben, find natur⸗ gemäß ſehr wenig geneigt zu offenbaren. Außerdem find im Lande eine Unzahl lleiner Poſten für den eigenen Bedarf vorhanden, welche ſich jeder Schätzung entziehen. Die Summe dieſer kleinen Poſten iſt vorausſichtlich größer als allgemein angenommen wird. Es muß zugegeben werden, daß wir große Preiſe für das Brotkorn haben, indeſſen beunruhigen uns dieſe hohen Preiſe nicht. Wir haben ſeit 1858 in ſieben Jahren dieſelben Durchſchnittspreiſe gehabt, die ungefähr auf der Höhe ſtanden, auf welcher unſete Kornpreiſe heute ſtehen. Seit einer Reihe von Jahren hat Preußen aufgehört, eine eigene Getreideausfuhr zu haben. Wir find auf die Einfuhr angewieſen. Es kommen da in Betracht Oeſterreich⸗Ungarn, Rußland, Nord⸗ amerika und Indien. Die Berichte über den Etnte⸗ ſtand in Oeſterreich⸗Ungarn ſind ungefähr dieſelben wie die unſrigen. Die in Rußland liegen im Norden weniger günſtig, in der Mitte und im Süden ſcheint ſich die Sache erheblich beſſer zu geſtalten, als man vor kurzem annahm. Die größten Aus⸗ ſichten auf eine ſehr gute Ernte haben Nordamerjka und Oſtindien. Daraus folgt, daß ein Teil dieſer Länder imſtande ſein wird, die Einfuhr zu leiſten, regierung aus Handelsplätzen Berichte, daß zur Zeit erhebliche Importe nach Deutſchland unterwegs find. Sicher ſcheint es zweifellos, daß Nordameriko in dem Bewußtſein, vor einer überreichlichen Ernte zu ſtehen, im Beguſff iſt, abzuſchieben, was es von dem borjährigen Beſtande übrig hat. Nach Wochen wird das erſte oſtindiſche Getreide auf dem europäiſchen Markte eintreffen. Nun iſt das, was aus Nord⸗ amerika und aus Oſtindien herüberkommt, größten⸗ teils Weizen, während in Preußen das Roggenbrot noch die Nahrung des größten Teils unſerer ärmeren Kloſſen iſt. Soweit wir aber die Sache überſehen können, find in Rußland noch Roggenbeſtände, die ſich, wie es ſcheint, in den Händen einzelner reichen Perſonen befinden und auf den Augenblick warten, wo es ihnen nutzbringend erſcheinen wird, auf dem deutſchen Markte zu erſcheinen. Es iſt ferner eine nicht erſt jetzt vorgekommene Erſcheinung, daß in Deutſchland der Weizenkonſum zunimmt. Es kommt dazu, daß die Marktberhältniſſe in den ſogenannten Nebenartikeln, Mais, Hafer und Hülſenfrüchte, beſſer find. Man muß ſich nun die Frage vorlegen: was würde eine Aufhebung der Zölle zur Zeit nützen? Die Frage, wie weit Zölle auf die Preisdifferenzen einwirken, iſt eine ſehr komplizirte und iſt mit ſo einfachen Worten wie: „das Ausland bezahlt den Zoll“, oder der Konſument bezahlt den Zoll“, nicht abgethan. (Sehr richtig! rechts.) Sehr ſchwer wird das im gegenwärtigen Falle feſtzuſtellen ſein, wie weit eine Aufhebung oder Herabminderung der Kornzölle zur Zeit geeignet wäre, die Kornpreiſe bei uns zum Sinken zu bringen. Wir haben in den litzten Tagen, wo infolge der Sitzung vom 27. ſich in weiteren Kreiſen der Glaube verbreitete, es Kampf um's Glück. Novelle von F. Sutan. * Noch einmal irrten Ulrikas Blicke verzweifelt iim Zimmer umher — dann ging ſie hinaus und die Drotſchke rollte mit ihr davon, der Bahnſtation ale k n da 6% Ein fi — * Dort löſte ſie ein Billet nach Berlin, da rum 1 gerade ein Schnellzug dahin abging, und ſie noch 1 * 5 Unklaren war, wohin ſie ihre Schritte lenken . ollte. A 1 Eine tiefe Erſchöpfung bemächtigte ſich ihrer ols fie ſich jetzt in die Polſter des Waggons zurück⸗ lehnte. Das Raſſeln desſelben klang ihr wie ein rauhes eintöniges Wiegenlied, wie es vielleicht, die von harter Arbeit ermüdete Tagelöhnersfrau ihrem Kinde ſingt. Ulrika ſchloß die Augen und nun war es ihr als rauſchten lange, lange Jahre zurück. Als ein glückliches Kind ruhte ſie unter dem alten i 0 1 1 E 5 3 3 U 5 n N 1 Lindenbaum im Garten des Vaterhauſes, hoch über 3 ihr im grünen Dach ſummten die Bienen. Ein 90 a cbones Kind im weißen Kleide kam zu ihr binan. 0 „ getrippelt, es war ihr Brüderchen, der als zartes f Kind geſtorben. Er warf ihr duftende Roſen in 7 den Schooß. „Welch löͤſtlicher Roſenduft,“ ſagte die Dame, die neben ihr im Coupee ſaß, und Ulrika fuhr jäh em⸗ por aus ihrem kurzen Halbſchummer. Ihr gegen⸗ über ſaß eine blühende junge Frau, ſie hatte einen prachtvollen Roſenſtrauß in den Händen. „Die Roſen ſind der Abſchiedsgruß von meinem lieben Mann,“ ſagte ſie jetzt mit lieblichen Ertoͤten zu Ulrikas Nachbarin. Wir ſehen uns aber wieder ehe die Roſen hier verwelkt find.“ Das klang ſo einfach und doch verkündete es ein ſo großes reiches Glück. Ueber Ulrikas Wangen rollten Thränen ſie wiſchte ſie verſtohlen weg als der Blick der jungen Frau fragend und wie leidig auf ihr ruhte. „Ausſteigen,“ rief jetzt der Schaffner, und langt. dem Warteſalon, noch unſchlüſſig, ob ſie wieder ein Billet löſen und weiter hinausfahren ſollte in die weite Welt. ihr ſo ſchwül, ſo drückend entgegen. gleichgiltig blickte ſie von ihrem Fenſterplatz aus auf die Menſchen, welche draußen auf dem Perron hin und herwogten. ü Es war die Zeit der Reiſen, Extrazüge gingen ab. Man eilte hinaus in die ſchöne Gotteswelt und ließ die Sorgen daheim. Ganze Familien mit Kindern, Dienſtboten und zahlloſſen Gepäckſtücken ſetzten ſich ſo gut es ging in den überfüllten Coupees ein. Es waren größtenteils Reiſende, die nach den Seebädern gingen. Auch eine Schaar Diakoniſſen * zählte dazu. Sie reiſten nach dem Seebade Herings⸗ dorf, in welchem ein edeldenkender Fürſt ein kleines Beſſtztum für die Diakoniſſen ſeiner Hauptſtadt an⸗ gekauft hat, damit dieſelben dort am Meeresſtrande Erholung fänden von den Anſtrengungen ihres auf⸗ reibenden Berufs. Ein noch jugendliches feines Antlitz fiel Ulrika unter dieſen ſchwarzen Geſtalten auf. Es war Gertrud Braun, die zum erſten Mal an dieſer Erholungsreiſe teilnahm. Eine frohe Erregung ſpiegelte fich in ihren Zügen, war es doch daſſelbe Seebad, wo ſie einſt ſo glücklich geweſen, und welches ſie jetzt allerdings unter ſo ganz an⸗ deren Verhältiſſen wiedet finden ſollte. 8 „Wie kann man ſo jung und ſo lieblich ſchon * öffnete die Coupeethür, man war in Berlin ange⸗ Ulrika verließ den Wagen und ging nach Die Luft der Froßen Stadt webte Müde und einen ſo ſchweren Becuf erwählen ?“ fragte ſich Ulrika ſtaunend. Doch plötzlich wurde ihr Intereſſe auf eine ganz andere Weiſe in Anſpruch genommen. Ein einfahrender Zug wurde fignalifirt. „Das ſind die Orientreiſenden,“ hörte ſie in ihrer Nähe einen Herrn rufen. „Sie zuckte zuſammen und eine Leichenbläſſe bedeckte ihr Antlitz. Großer Gott, unter dieſen Orientreiſenden, die der Zug zurückbrachte, befand ſich auch wahrſcheinlich Wandrau, ihr Gatte! Sie ſollte ihn wiederſehen! Jitzt, hier, in wenigen Minuten vielleicht seinen eiſtaunten Blicken begeg⸗ nen. Und all ihr Kämpfen wäre umſonſt geweſen „Du hier, Ulrika? Du?“ hörte ſie ihn ſchon verwundert fragen und ſie rang vergebens nach