blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. erscheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ Für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. Anzeigen: 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. die 1⸗ſpaltige Gotpus- Zelle oder 855 Raum Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Samstag den 7. Jebruar 1891 Politiſches. Berlin, 5. Februar. Wieder einmal hat ſich mit dem jitzt zur Thatſache gewordenen Rück⸗ tritte des bisherigen Generalſtabschefs Grafen Walder⸗ ſet eine bedeutſame aber allerdings nicht mehr über⸗ raſchend gekommene Veränderung in den leitenden militäriſchen Kreiſen Deutſchlands vollzogen. In ungemein gnädiger Weſſe iſt ſeitens des Kaiſers das Entlaſſungsgeſuch des Grafen Walderſee bewilligt worden und die zugleich erfolgte Ernennung des⸗ ſelben zum Kommandeur des 9. Armeekorps (Schles⸗ wig⸗Holſtein) an Stelle des Generals v. Beszynsly weiſt zur Genüge, daß der allerhöchſte Kriegsherr die wertvollen Dienſte ſeines ſeitherigen General⸗ ſtabschefs noch lange nicht entbehren mag, wenn er . ihm jetzt auch einen ganz anderen Wirkungskreis * zugewieſen hat. Rückhaltlos giebt auch die be⸗ treffende kaiſerliche Kabinetsordre Aufſchluß über die Gründe, welche den Monarchen bewogen haben, dem Grafen Walderſee die Führung eines Armeekorps zu übertragen. Der Graf iſt vom Kaiſer im Falle eints Krieges zum Führer einer Armee auserſehen und da er dem praktiſchen Truppendienſt längere Zeit entzogen war, ſo ſoll ſich Graf Walderſee zu⸗ nächſt in demſelben durch die Uebernahme eines Korpskommandos wieder einleben, um ſich dergeſtalt für ſeine große Zukunftsaufgabe vorzubereiten. In den Ausdrücken lebhafteſter Anerkennung gedenkt der Kaſſer der hervorragenden Leiſtungen Walderſee's als Generalſtabschef und weiſt ſchlieslich darauf hin, Fein Nun el. a . 1 daß die Berufung Walderſee's gerade an die Spitze des Schleswig⸗Holſteinſchen Armeekorps, welches ſo innig mit der Heimatprovinz der Kaiſerin verwachſen iſt, noch eine beſondere Anerkennung bedeuten ſollen. ſoliti, . Bei den glänzenden militäriſchen Eigenſchaften warten, daß er auch ſeine neue Stellung voll und ganz ausfüllen und daß er in letzterer dem Vaterlande noch recht lange nützlich ſein werde. Ueber die Gründe, welche ihn v ranlaßten, nach wenig mehr als zweijähriger Wukſamkeit den wichtigen und ein⸗ flußreichen Poſten als Chef des Großen General⸗ ſtabes niederzulegen, kann man vorerſt nur Ver⸗ mutungen hegen, vielleicht, daß eine ſpätere Zeit hierüber Aufklärung bringt. Hinſichtlich des Nach⸗ folgers für den Grafen Walderſee lauten die An⸗ gaben noch verſchieden, vermutlich wird aber künftig die Stellung eines deutſchen Generalſtabschefs kaum ihre frühere Bedeutung behalten. — Der bisherige Kommandeur des 9. Armeekorps General v. Bis⸗ chnsky, iſt vom Kaiſer als Zeichen der Anerkennung für ſeine Dienſte zum Chef des Brandenborgiſchen Infanterie⸗Regiments Nr. 65 „Markgraf Karl“ er⸗ nannt worden. Auch die Vorgeſchichte des Rück⸗ trittes Bescyasly's, der für einen der befähigſten deutſchen Generäle galt, bedarf noch ſehr der Auf⸗ klärung. — In Italien iſt durch den plötzlichen Sturz des Miniſteriums Ceispi vorerſt ein vollſtändiger politiſcher Wirrwarr geſchaffen worden. Es zeigt ſich, wie ſchwer es iſt, an Crispe's Stelle eine geeignete Perſöalichkeit zur Leitung der italieniſchen Staats⸗ geſchäfte ausfindig zu machen, denn obwohl König Humbert ſchon mit einer ganzen Reihe angeſehener Perſönlichkeiten wegen Neubildung des Miniſteriums unterhandelt hat, ſo verzögert ſich die Lö ung der Miniſterkriſis doch noch immer. Am meiſten Aus⸗ ſichten ſoll ein aus der Richten und dem Zentrum zu bildendes Miniſterium Rudini haben. Brüſſel, 5. Febr. Von den geſtern wegen Ausſchreitungen ſchaften des . wurden e wa 40 es Grafen Walderſee ſteht mit Zuberficht zu er⸗ Im Banne des Blutes Roman von H. von Ziegler. 23 über das, was er gethan; hätte er damals, mit ihr verlobt, ſo wäre er heute wohl glücklicher! Und nun das Teſtament! Man ſprach von einem Hohenſteins umſtoßen ? Endlich, nach all' den beendigten Präliminarlen, ſchritt der Richter zur Verleſung des Teſtamentes; es ſetzte als Univerſalerbinnen über den geſummten achlaß an Geld, Schmuck und ſonſtigem Eigen⸗ Jon hum die beiden Hohenſtein'ſchen Schweſtern ein, ah jedoch ein Codizill vor. In. Schon athmete Olga und ihr Vater auf, das ieh alden'ſche Ehepaar verriet wenig Inteteſſe und inne m auch Ruths Augen blieben ſfſill geſenkt; da plötzlich uten b hob der Richter ein and res Pepier empor ond ran n abermals zu leſen: 15 »„Keaft meines Rechtes, durch ein ſpäteres aun Codtzil mein Teſtament zu ändern, ſo lange 10 ch lebe und im Befitze meiner geiſtigen Kräfte in, beſtimme ich, daß die einzige Tochter meines verſtorbenen Sohnes, Grafen Albrecht Egon von Hohenſtein war voller Verzweiflung als Ruths Augen voll reiner Lebe an ihm hingen, ſich Codizill. Wücde es nicht all die Hoffnungen der von Ye tſch und deſſen ebenfals ole Gat⸗ tin Anna Berger, welche unter dem Namen Ruth Berger bei ihrem Großvater, dem Herrn Friedrich Berger, Befitzer des Norder⸗ hofes zu Kurdorf lebt, die Univerſalerbin meines ganzen Beſitztums, ohne jeglicher Ausnahme ſein ſoll. Meine Nichten, zu deren Gunſten ich früher teſtierte, werden einſehen, daß die Enkelin an der ich das ihrem Vater zugefügte Unrecht wieder gut zu machen habe, meinen Herzen näher ſteht, als ſie, deren liches iſt.“ Der Schluß dieſes aufregenden Schriftſtückes ward von Niemanden angehört; vier Mädchenaugen ſtarrten ungläubig und entſetzt auf den Rchter und während Oiga vor Wut die Hände ballte, ſtammelte Ruth mit verſagender Stimme: „O nein, nein, das ſoll und kann nicht sein! Ich wil nichts erben — es gezört nicht mir!“ Da, mitten in der allgemeinen Erregung, ſtand Arnold auf und ſagte ruhig: Vor allen Dingen muß die Identität der — Groͤfin Ruth von Multſch feſtgeſtellt werden. Her find ämtliche Papletre und Dokumente, die Ehe ihrer Eltern und ihre Geburt betreffend. Ich bitte den Herrn Richter davon Kennt⸗ nis zu nehmen.“ Während die Herren die Papiere prüften, ſaß am Sonntaz verhörten Mann⸗ — — elterliches Vermögen ſchon ein ganz anſehn⸗ in Arreſt gebracht, wo ſie lärmten und tobten, die Thüre zu zertrümmern ſuchten und ſchließlich die Betten in Brand ſteckten. Das Feuer wurde ge⸗ löſcht und die Meuterer anderweit in Sicherheit gebracht. Heute wurde die militäriſche Unterſuchung eröffnet; 5 Meuterer wurden in Z llenwagen nach dem Gefängnis gebracht. Verſchiedenes Ladenburg, 5. Febr. Einem Bericht der „Karlsr. Zeit.“ über die bis Ende Januar bei der Verſicherungsanſtalt Baden geltend gemachten und nach erfolgter Prüfung anerkannten An prüche auf Altersrente entnehmen wir, daß von insgeſamt 488 Anträgen 330 bewilligt, 12 abgelehnt, die übrigen 146 aber zu weiterer Verhandlung ausgeſitzt wur⸗ den. Die zugebilligten Renten erreichen je nach den 4 Lohnkaſſen die Höhe von M. 106.80, 135, 163.20, oder 191 40. Die Geſamtſumme berechnet ſich für die 330 Renten auf jährlich von M. 44 493,60, durchichnettlich alſo M. 134,883 Ihrem Beruf nach ſtad unter den 330 Renten⸗Empfängern 73 Gemeinde⸗ und Kreis bedienſtete, 66 Fabrikarbeiter 30 häusliche Arbeiter und Dienſtboten, 31 forſt⸗ witrtſchaftl. Arbeiter und Gehilfen, 25 gewerbliche Arbeiter, 5 Kirchendiener, 2 Handlungsgehilfen und 54 ſonſtige Perſonen (Taglöhner, Bureau⸗, Vereins⸗ Anſtoltsdiener, Schreiber.) Ihrem L bensalter nach find 21 über 80 Jahre alt, 62 zwiſchen 75 und 80, 165 zwiſchen 71 und 76; 77 vollendeten das 70. Lebensjahr erſt im Jahre 1890 und 5 im Jahre 1891. Schließlich wird noch bemerkt, daß die Zahl der Rentengeſuche noch nicht abgeſchloſſen iſt, vielmehr jeder Tag neue Geſuche bringt. — Schriesheim, 6. Febr. Herr Kauf⸗ mann J. L. Müller hier fing geſtern in ſeinem Ruth in 8 Erregung, eine Thräne rann über ihre blaſſen Wangen und ſie hätte ſich lieber meilen⸗ weit fortgewünſcht, als hier zu ſitzen — und den Makel zu tragen, als habe ſie unrechtmäßig das Codizill erſchlichen. Da bog ſich Betty liebevoll über ſie und flüſterte in ihr Ohr: „Meine teure Ruth, auch das wußte ich und bin der Tante ſo dankbar für dieſe Beſtimmung! Du ſollſt vor der Welt daſtehen, wie es Dir zukommt — mein liebes neues Coufinchen!“ ö Als der Richter die Papiere geprüft und an⸗ erkannt hatte, wandte er ſich an Ruth und bat um ihre Unterſchrift, die zur Teſtamentsvollſtreckung nbtig ſei; befang n trat das junge Mädchen vor und frug leiſe, doch mit feſter Stimme: „Kann ich den mir zugefallenen Beſitz — auch auf andere übertragen?“ „Gewiß, gnädige Gräfin, Sie ſind allerdings minorenn, doch ſobald Ihr Herr Großvater ſeine Zustimmung mit erteilt, dürfen Sie frei über Ihr nunmehriges E gentum verfügen!“ Bebend vor Wuth erhob ſich Olga j tzt und wandte ſich nach Egon, um ſeinen Arm zu nehmen, doch er ſcheut ſoeben auf die neue Erbin zu, wahr⸗ ſcheinnich um ihr zu gratulieren; ein flumm nder Zornesblick ſchoß aus den Augen der jungen Dame, alſo auch er hudigte der neuen Sonne! Aber Ruth ſah den ſchoͤnen Offizier nicht einmal; ſie ſchritt neben dem Großvater durch den Saal dem Aus⸗