Alt en ae blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. För die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, —.— — — ——— Die politiſchen Parteillämpfe in b Frankreich find noch niemals im Laufe dieſes Jahrhunderts mit einer ſo grenzenloſen Erbitterung und in einer ſo olle Geſetze des Anſtands verleugnenden Weiſe geführt worden, wie gegenwärtig. Daß Frankreich ſeßt nicht mehr von Miniſtern, ſondern von „Schurken und Banditen“ regiert wird, kann man alle Tage im den boulangiſtiſchen Jornalen leſen, ganz eben⸗ ſo wie die republikaniſchen Blätter ihre Gegner als Gauner, Diebe, ehrloſe Verleumder brandmarken. Man hal ſich ſchon j tzt ſo ſehr an dieſe pödelhaften gegenſeitigen Beſchimpfungen gewöhnt daß es ſihr fraglich iſt, ob das feanzöſiche Volk bei den nächſten allgemeinen Wahlen Männer wählen wird, die nicht durch dieſen Schmutz und Kot gezogen und deren Ehrlichkeit und Rechtlichkeit noch von Niemandem angezweifelt worden iſt. Niemand weiß, wie die Wah⸗ len ausfallen und was aus Frankreich und ſeiner 5 republikaniſchen Staatsform künftig werden wird. In jedem Falle wird die Anklageakte, die gegen Boulanger erhoben und die in weiten franzöͤſiſchen Kreiſen die „Anklageakte gegen die Regierung“ ge⸗ Hannt wird, weil dieſe nicht verhindert hat, daß ein Fülſcher und Dieb“ wie Boulanger die höchſten militär chen Stufen erſtiegen und ſich vor einem ſolchen „Diebe“ dermaßen flüchtet, daß ſie die Au⸗ torifät dieſes „Diebes“ nicht mit den gewöhnlichen Mitteln und Geſetzen, ſondern nur durch Ausnahme⸗ maßregeln, durch die Infrageſtellung der Grundlagen des rt publikaniſchen Staatsweſens glaubt vernichten zu können, nicht die beabſichtigte Wirkung haben. . Ebenſo wird mit den ſonſtigen gegen Boulanger und 5 Genoſſen gerichteten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden. Ob die boulangiſtiſchen Blätter in den Militärkafinos verbsten werden oder nicht, ob die⸗ Eerſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. pril vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ Ladenburg, Samstag den 27. Juli Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. die Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. 1889. jenigen Wahlen, welche am näaͤchſten Sonntag bei den Generalrats⸗ und Arronſſementswahlen zu Gunſten Boulanger's ausfallen werden, für ungiltig erklärt werden oder nicht, iſt ſchließlich ganz gleich⸗ giltig. Könnte wirklich bewieſen werden, daß alle die Verbrechen, welche Boulanger in der Anklageakte zugeſchrieben werden, von ihm auch begangen worden find, und würde ſich das Volk hievon überzeugen, ſo würde ja Boulanger abgethan ſein für immer. Damit würde doch aber noch nicht die Republick ge⸗ rettet ſein. Der Wert dieſer Staatsforu iſt — hier⸗ über kann gar kein Zweifel herrſchen — nach dem, was in den letzten 5 Jahren geſchehen, auf ein be⸗ deutend niedrigeres Maß als früher abgeſchätzt wor⸗ den und die Republik kann nur dann befeſtigt wer⸗ den, wenn die jetzt herrſchende Mißwirtſchaft beſei⸗ tigt wird. Dazu bedarf es ganz anderer Maßnah⸗ men als der Anklageakte und der übrigen Verfol⸗ gungs⸗Maßregeln gegen den Exgeneral und Diejeni⸗ gen, die für dieſen Propagando gemacht. Volttiſ ches Berlin, 24. Juli. Der Kaiſer traf am 21. Juli um 4 Uhr Morgens in Bodö ein und ſetzte von dort aus im beſten Wohlſein die Heimreiſe durch den Baiern⸗Fjord nach dem Holand Fjord fort. Da⸗ ſelbſt begab ſich der Kaiſer zur Beſichtigung eines mäch⸗ tigen Gletſchers ans Land und nahm gegen 6 Uhr Abends die Weiterreiſe bei ſehr ſchoͤnem ſtillen Wet⸗ ter wieder auf. fahrt gegen 9 Uhr Abends die Telegraphenſtation Selſyvik, wo Depeſchen ausgetauſcht wurden. Bergen, 25. Juli. Der Kaiſer blieb Abends an Bord und wird von hier in direkter Fahrt nach Wilhelmshafen ſich begeben. Berlin, 24. Juli. Die Pacht paſſirte auf der Weiter ⸗ Koͤnig Leopold II. von Belgien hat wiederholt den Wunſch geäußert, mit Kaiſer Wilhelm zuſammenzutreffen, und man glaubt in Brüſſel, daß der deutſche Kaiſer anläßlich ſeiner engliſchen Reiſe, entweder auf der Hin⸗ ober auf der Rückfahrt — wahrſcheinlich auf der letzteren — den belgiſchen Boden betreten wird. Etwas beſtimmtes läßt ſich bei dem Umſtande, daß der Kaiſer nicht blos Beſuche fremder Fürſten in Berlin erwartet, ſondern ſelbſt noch umfangreichen Reiſeverpflichtun⸗ gen nachzukommen hat, noch nicht feſtſtellen. Ob⸗ wohl, wie geſagt, beſtimmte Abmachungen noch nicht getroffen find, bereitet man ſich in Brüſſel auf die Ankunft des Kaiſers vor, als wenn ſie unbedingt ge⸗ ſichert wäre. Die Militärbehörden treffen Vorberei⸗ tungen zu einer Truppenſchau, wie ſie in Belgien noch niemals abgehalten wurde. Man ſpricht von 25 000 Mann, welche dem Kaiſer vorgeführt wer⸗ den ſollen. Berlin, 24. Juli. Den Beſorgniſſen, welche in Oſtpreußen aufgetreten find, daß der Friede in Gefahr ſtehe, ein Ueberfall von Oſten befürchtet werden müſſe, und daß im Verfolg unberechenbarer Ereigniſſe eine Preisgebung der Probinz bis zur Weichſel der deutſchen Heeresführung — wenn auch nur vorübergehend — werde aufgendtigt werden können, iſt am Samstag bekanntlich der ſeitherige Kriegsminiſter und neuerdings kommandirende Ge⸗ neral Bronſart von Schellendorf in einer Trink⸗ ſpruchrede auf die Provinz Oſtpreußen entgegen ge⸗ treten. Er hat in dieſer Tiſchrede ſich dahin ge⸗ äußert, daß von dergleichen Beſorgniſſen ihm bei ſeinen Reiſen in der Provinz Kenntnis geworden ſei, daß dieſelben unbegründet ſeyen und eine Störung des Friedens überhaupt nicht in Ausficht ſtehe, daß er und das 1. Armeekorps aber, wenn ein ſolcher Fall wieder Erwarten eintreten ſolle, mit dem eigenen Leibe bis auf den letzten Mann die Grenzen ver⸗ e Seelen - Adel. Novelle von Th. Hempel. Ein ſcharfer Oſtwind fegte durch die Straßen der Stadt, verhinderte aber nicht, daß eine große Menſchenmenge ſich vor einem Hauſe verſammelte, deſſen glänzend erleuchtete erſte Etage erraten ließz, daß hier eine Feſtlichkeit ſtattfinde. Trotz der Auf⸗ kechterhaltung der Ordnung aufgeſtellten Diener, drängten die neugierigen in die Einfahrt, ja bis an die teppichbelegten Stufen der Treppe, um die ele⸗ ganten Umhüllungen, oder ein Teil des hinter der Trlͤgerin nachſchleppenden Ballkleides muſtern und keitiftren zu können. Während dieſes Gedränges wollte eine Frau⸗ e engeſtallt in langem Mantel den Kopf und das Ge⸗ ſicht unter einem dichtem Schleier verborgen, ſchnell durch die Menge nach der zum Hofe des Hauſes führenden Thüre gelangen, als ein Wagen raſch von der Straße her in die Thorfahrt einbog. Durch die gaffende Menge am Ausweichen gehindert, wurde die Dame von einem Pferde unſanft zu Boden ge⸗ worfen, zum Glück ohne eine Verletzung davon zu tragen. Der Wagen hielt, zwei demſelben, von denen der eine ſich der umgeſunke⸗ nen Dame näherte und ſie aufrichtete. Obwohl der heftige Schreck ſie für einen Au⸗ Herren entſtiegen b genblick betäubt hatte, ſo kam ſie doch wieder raſch zu ſich, zog ſchnell die zurückgefallene Hülle wieder über das Geſicht und wandte ſich dem Ausgang zu; aber ſie hatte ihre Kräfte überſchätzt, ſie mußte fich an eine Säule lehnen und mit anhören, wie der junge Offizier, welcher ihr beim Aufſtehen behülflich Marie nicht durch die Schilderungen meines Abenteuers beunruhigen, es hat ja nichts auf ſich. Am Wieder⸗ wärtigſten dabei war mir der hochmütige Mann, nach deſſen Angeſicht die Menſchen erſt deim Baron geweſen war, zu ſeinem Gefährten ſagte: „Beim Himmel Baron, ein herrliches Geſicht! Das hätte Rahpael als Model dienen können, ſo ſchön iſt es, trotz der Schreckensbleiche welche fich darüber ausbreitete. Schade Baron, daß Sie die junge Dame keines Blickes würdigten!“ „Eine junge Dame, die nicht an der Ballfeſt⸗ lichkeit hier teilnimmt, hält ſich wohl nicht hier auf, auch finde ich es wenig augenehm, beim Ausſteigen vom Poͤbel umdrängt zu werden. Ich wäre wohl kaum zu einem borurteiloſen Urteil über das Aus⸗ ſehen einer dieſer Perſonen geneigt. Aber kommen Sie, wir wollen uns in andern Regionen von dem fatalen Eindruck erholen. Dir aber,“ — fuhr er zu ſeinem Kutſcher gewendet fort, — „rate ich, künf⸗ tig vorfichtiger zu fahren, ich wünſche nicht, durch Deine Ungeſchicklichkeit in Konflikt mit der Polizei zu geraten.“ ragte, die Stufen des Haufes empor. : Die Leute verliefen ſich, auch das junge Mäd⸗ Der Sprecher blickte mit dunklen Augen hoch⸗ mütig über die Menge hinweg und ſtieg neben ſei⸗ nem Begleiter, welchen er faſt um Kopfeslänge über⸗ tiſch erhebende Schweſter zu. chen hatte ſich von ſeinem Schrecken erholt. Sie ſchlüpfte durch das hintere Thor, ging langſam zwei Treppen im Hinterhaus hinauf und blieb aufath ⸗ mend an einer Vorſaalthür ſtehen. „Ich muß mich erſt noch etwas beruhigen,“ begann ſie im leiſen Selbſtgeſpräch. — „Ich will anfangen, wenn mir auch ſein Begleiiter kaum weniger unliebenswürdig erſchien, der ſich für berech tigt hielt, mir dreiſt in das Geficht zu blicken.“ Sie bemühte ſich, ihren durch den Fall be⸗ ſtaubten Anzug zu reinigen, zog dann einen Schlüſſel hervor, öſſnete die Flurthür und ſtand bald ju einem behaglich erwärmten und erleuchteten Zimmer. War deſſen Einrichtung auch äußerſt einfach, ſo zeigte doch alles in demſelben von dem guten Geſchmack der Bewohner. Die Stellung der Möbel, die blendende Sauberkeit der Gardinen, ein wohl⸗ gefülter Bücherſchrank und ein Planinio ließen ver⸗ muten, daß Leute von Bildung ſich in dem beſchei⸗ denen Hoflogis angeſiedelt hatten. Das eintretende junge Mädchen warf die warmen Hüllen auf den nächſten Stuhl und eilte mit herzlicher Begrüßung auf die ſich vom Schreib⸗ Zwei ungleiche Erſcheinungen ſtanden ſich ge⸗