N 0 blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Jar die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. Allgemeiner Anzeiger für Ladenburg Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend Preis vierteljahrlich Mark 1.—, mit illutriertem Unterhaltungs⸗ Nr. 54. ——— Dokitiſches Ladenburg, 4. Juli. Mit herzlichen Se⸗ genswünſchen begleitet die geſamte deutſche Nation Ne zweite Nordlandfahrt, die auch in dieſem Jahr Raiſer Wilhelm nach Norwegen zum Beſuche der berühmten norwegiſchen Küſten, der wunderbaren Lofoteninſeln und das Nordkap unternommen hat. Sehr bedauert muß es werden, daß von dieſer Kai⸗ ſerfahrt während der Seereiſe ſelbſt nur wenige Nachrichten zu uns zurück in's Vaterland gelangen können, doch wird wohl unmittelbar nach Beendi⸗ gung der Kaiſerreiſe und wohl auch noch zum Teil während derſelben eine maleriſche Schilderung der⸗ ſelben bekannt werden. Soweit die bisherigen Nach⸗ kichten reichen, paſſirte die kaiſerlichr Hacht „Hohen⸗ zollern“ mit dem Begleitſch ff bereits am Dienſtag früh die däniſchen Küſtengewäſſer und fuhr am Mittwoch durch das Kattegad und das Skagerak in die nor⸗ wegiſchen Gewäſſer. Die Rückkehr des Kaiſers nach Berlin wird erſt am 27. Juli erwartet, es ſcheint daher, daß der Kaiſer mit ſeiner gegenwärtigen Nord⸗ landsfahrt eine Anzahl Ausflüge nach den land⸗ ſchaftlich berühenteſten Sehenswürdigkeiten Norwegens verbinden wird. — Auf dem Gebiete der inneren Angelegen⸗ beiten herrſcht ſchon beinahe völlige Ruhe, nur die Ausſchüſſe des Bundesrates halten noch eifrig Be⸗ katungen ab, auch dürften zur Bewältigung der zahl⸗ reichen Vorlagen noch mehrere Plenarfitzungen des Bundesrates nötig ſein. — Die Vermählung des Erbpeinzen Friedrich von Anhalt mit der Prinzeſſin Marie von Baden fand am Dienſtag in Karlsruhe ſtatt. Bei der Ga⸗ latafel zu Ehren des neu vermählten Paares brachte der Großherzog von Baden den Toaſt auf die Neu⸗ bermählten aus. Der Großherzog knüpf te in ſehr — — — 2 Samstag den 6. Zul Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. die Cotpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. ä — —̃ VU— — — 1889. — —— — ſinnreicher Weiſe an die bereits vor hundert Jahren er⸗ folgte Vereinigung der beiden Fürſtenhäuſer Anhalt und Baden zum Zwecke der Einigung Deutſchlands an und ſprach die Zuverficht aus, daß die endlich errungene Einheit des deutſchen Reiches eine dauernde ſein werde. — Der Erbprinz und die Erbprinzeſſin von Anhalt traten am Dienſtag Abend eine kurze Hochzeitsreiſe an und werden am Sonnabend ihren Einzug in Deſſau halten. — Aus Dortmund wird gemeldet, daß in dem Schwurgerichtsproceſſe gegen die Haupturheber des Bergarbeiterkravalls auf der Zeche „Schleswig“ der Bergmann Bernhard Trautmann zu 5 Jahren, die Bergleute Pfahl und Schwiel zu je 4, Otto Trautmann und Wowries zu 4 Jahren, Doringhoff zu 3 Jahren, Generotzly und Schnatmeher zu 1½ Jahren Zuchthaus und Knietenbrink zu 2¾ Jahren Gefängnis verurteilt wurden. — die öſterreichiſchen und ungariſchen Parla⸗ mentsdeligationen beſchäftigten ſich in den letzten Tagen neben den Budgetarbeiten vorzugsweise mit militäriſchen Angelegenheiten. Als wichtig heben wir daraus hervor, daß in der ungariſchen Delegation der Kriegsminiſter erklärte, daß bis zum Früh⸗ jahr 1890 ſämtliche 13 Armeekorps mit dem neuen Repitirgewehe bewaffnet ſein würden. — Unter großer Begeiſterung fanden in Kral⸗ jewo am Dienſtag die feierliche Salbung des Kö⸗ nigs ſtatt. Die erſte Glückwunſchdepeſche traf von dem öſterreichiſchen Geſandten von Hengelmüller ein, wel⸗ cher im Namen des Kaiſers Franz Joſef Glück⸗ wünſche und Gefühle der Freundſchaft für den Kö⸗ nig Alexander ausdrückte. Bei dem Empfang des ruſſiſchen Geſandten Perfiani hob der Wortführer der Stadtgemeinde von Kraljewo hervor, daß das einſtige Zuſammenwirken der Ruſſen und Serben für die Befreiung des ſerbiſchen Volkes ſtets in der Erinnerung jedes Serben bebe. Die Serben ſeinen von Sympathien und den Gefühlen der Dank⸗ barkeit für die mächtige ruſſiſche Nation erfüllt, Der ruſſiſche Geſandte drückte ſeine Freude darüber aus, der Salbung des aus der ruhmreichen Dynaſtie ſtammenden und von lebhaften Sympathien der ruſſiſchen Nation begleiteten Königs beiwohnen zu können. Berlin, 3. Juli. Reſerviſten, welche infolge dringender Veranlaſſung genötigt find, die Befreiung von den Uebungen bei den Militärb⸗hörden zu erbitten, werden darauf hingewieſen, daß ſolche Geſuche nicht, wie dies ſehr häufig geſchieht, bei den Bezirkskomman⸗ dos, ſondern bei den betreffenden Bezirksfeldwebeln eingereicht werden müſſen. Ferner iſt es durchaus erforderlich, daß die Richtigkeit der im Geſuch an⸗ gegebenen Behinderungsgründe von der zuſtändigen Ortsbehörde beſcheinigt wird. Geſuche, bei denen die bezeichneten Bedingungen nicht erfüllt find, finden keine Berückſichtigung. Ueberdies wird der Abſender wegen Nichtinnehaltens des Inſtanzenweges beſtraft. Berlin, 4. Juli. Der frühere Reichstagsab⸗ geordnete Haſenclever iſt geſtorben. (Haſenclever war bekanntlich ſchwerer und unheilbarer Geiſtesftörung vetf allen. Berſchichenes. — Ladenburg, 4. Juli. Das in voriger Woche am Mittwoch Abend von der Kaſinogeſellſchaft hier abgehaltene Gartenfeſt nahm zur allgemeinen Befriedigung einen ſehr ſchönen Verlauf. Verſchie⸗ dene Teilnehmer äußerten nun den Wunſch, es mochte im Laufe des Sommers eine ſolche Abend ⸗ unterhaltung wiederholt ſtattfinden, jedoch mit vollem Orcheſter, da ſolches im freien und beſonders in dem ſchönen Garten zum Schiff ſehr anſprechend wirken ö H. von Ziegler. 1 Nachdruck verboten. Noch an demſelben Abend wollten die Neuvermählten abreiſen und zwar direkt nach Kaſtel Roga, während Frau v. Bohlen zu ihrem einzigen verwittweten Bruder ziehen wollte, der ſie gebeten hatte, ſeine Einſamkeit zu teilen. — Umſchlungen von den Ar⸗ men der Mutter, ließ die junge Frau ihre Thränen von der Menge am Boden. fließen, denn wenn ihrem Herzen auch das ſtrahlende Glück zu teil geworden, ſo galt Ihr Empfinden doch dem Abſchied von der Mutter und von dem heute, und da ſeine Augen im Grabe gebrochen Mädchenleben. — 1 „Gott ſegne Dich mein Herzenskind,“ ſagte Frau von Bohlen beim Abſchiede, „ſei glücklich an der Seite des edlen Mannes, der Dir mit feiner Liebe ſo Köſtliches geſchenkt. Mögeſt Du ſtets Deine Pflichten erfüllen, vor Gott und den Menſchen, wie Du bisher Deinen Eltern gegenüber erſüllteſt.“ — — Auf Kaſtel Roga hatte man emſig gearbeitet, um bis zum Einzug der Herrſchaft alles ſo in Stand zu ſetzen, wie der Marcheſe dem In⸗ tendanten vorgeſchrieben hatte, und da der Koſten⸗ punkt Nebenſache blieb, ſo konnte das altersgraue Gebäude in einen wahren Feenplaſt verwandelt werden. Heute nun, am Einzugstage des jungen Paares, ſtand das vollendete Werk, mit Kränzen, Fahnen und Guirlanden geſchmückt. Die Dorfbewohner wa⸗ ren vor dem Schiſſe verſammelt es entſtand in der dichtgedrängten Menge ein lautes Flüſtern Fra⸗ gen und Kichern. Alles Geplauder bezog ſich auf den Einzug der Herrſchaften und die Menge wurde nicht müde zu lachen und zu ſcherzen. Nur eine Perſon ſtand ſtill und finſter, ein grauhaariges Weib mit dü⸗ ſterem Antlſtz aus deren funkelnden Blicken es wie Irrſinn leuchtete. Das Weib kauerte etwas abſeits „Endlich kommt ſie, die Stunde der Rache, nach dreißig langen Jahren. Ich habe gewartet bis find, ſo geht die Vendetta auf den Sohn über. Hah, und wenn der meine den Dolch nicht ergreift — ſo werde ich ſelbſt — flüſterte ſie. Dämoniſcher Hohn lag auf ihren welken Zü⸗ gen als ſie ſich langſam erhob und aus dem Buſen eine trockene Blume zog. „Die Granate,“ nickte ſie geheimnißvoll, ich habe ſie nie vergeſſen, wenn auch ſein Leib zu Staub und Aſche zerfiel. Er tötete mein Herz und dann den Gatten den Vater meines Sohnes. Vendetta, ſein Blut muß ich ſehen — ſonſt finde ich keine Ruhe hier.“ — Der junge Marcheſe war den Dorfbewohnern ein vollſtändig Fremder, für den man dis jetzt weder Sympathie noch Abneigung ſpürte doch dem ungeachtet ſiegte die allgemeine Neugier und ſchaa⸗ renweiſe ſtanden die Zuſchauer ſchon zwei Stunden vor der Ankunft des Wogens auf der Dorfſtraße, bis dicht an die Freitreppe des Kaſtels. Die meiſten, namentlich Frauen, trugen Kränze Guirlanden, Schleifen, auch Blumen, um mit den⸗ ſelben die Hochrufe zu unterſtützen. Das nahe Kloſter hatte ebenfalls einen Ab⸗ geſandten geſchickt, um den Marcheſe nebſt Gemahlin zu begrüßen und Ihnen das Weihwaſſer zu bieten. Pater Anſelmo, der Kloſtergeſandte ſchaute vom Gartenſalon aus nachdenklich in das bunte, wechſelvolle Treiben. Er war ein Kind des Dorfes und bei alt und jung beliebt, denn der ſtrenggeſchloſſene Mund konnte ſo mild und friedlich ſprechen, konnte er⸗ mahnen, tröſten, aufrichten, ſo daß die Kranken und Sterbenden ſtets einſtimmig nach Pater Anſelmo verlangten. Jetzt lehnte er an dem Eingang zum Garten⸗ ſalon und man hätte meinen können, die nahe An⸗ kunft der Neuvermählten bereite ihm mehr Schmerz als Freude, denn ſein Blick war tief ſchwermütig und lautlos murmelte er vor ſich hin: „Gott wende alles zum Beſten, mein Gebet ſoll mit ihnen ſein und — ich habe keinen Teil