Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis viectelſͤhrlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Far die Redaktion verantwortlich; Karl Molitor, Ladenburg, —— Nr. 52. 1— é : m Abonnemenkseinladung. Mit dem 1. Juli beginnt ein neues Quartal dieſes Blattes und laden zum Abonnement hierauf ergebenſt ein. Die Expedition. Folitiſches Ber lin, 27. Juni. Die Stuttgarter Jubildumsfeſtlichkeiten find auf's glänzendſte ver⸗ laufen, verſchönt durch die Teilnahme eines geößeren Kreiſes fürſtlicher Gäſte, vor Allem des Kaiſerpaares. Dem eigentlichem Jubiläumstage dem Dienſtag, ging am Montag Abend im Reſi⸗ denzſchlofſe ein Theaterfeſt mit lebenden Bildern vor, an dem ſämtliche in Stuttgart anweſenden Fürſt⸗ lichkeſten beiwohnten. Die lebenden Bilder ſtellten Scenen aus der Geſchichte Württembergs und aus dem ſchwäbiſchen Volksleben dar und gelangen vor⸗ kwefflich; die Koſtüme waren prachtvoll. Den Feſt⸗ vorſtellungen im Theater ſchloſſen fich ein Ballfeſt und eine venetianiſche Nacht an; die geſamten Feier⸗ lichkeſten trugen einen ſehr animirten Character. Am Dienſtag Vormittag trafen die kaiſerlichen Majeſtäten und der König von Sachſen in Stuttgart ein, om Bahnhof vom Prinzen Wilhelm, dem präſumtiven Thronfolger Württembergs, und den ſämtlichen Fürſt⸗ lichkeiten empfangen. Nach der Begrüßung des Kö⸗ nigspaares im Reſidenzſchloſſe fuhr der Kaiſer, ge⸗ leltet vom König Karl, unter den brauſenden Hoch⸗ rufen der die Straßen füllenden Volksmaſſen zur Parade über die Stuttgarter Garniſon nach dem Canſtatter Waſen. Die Parade, bei welcher auch enburge Allgemeiner Anzeiger für Ladenburg und Amgegend. Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. die Samstag öden 29. Juni der Generalſtabschef Graf Walderſee und viele Of⸗ ficiere des großen Generalſtabes zugegen waren, ver⸗ lief auf das Glänzenſte und führte der Kaiſer dem König Karl ſein Infanterie⸗Regiment Nr. 120 zwei Mal vor. Das Paradiner fand auf Schloß Roſen⸗ ſtein ſtatt, an welchem die ſämtlichen in Stuttgart anweſenden Souveraine und ſonſtigen Fürſtlichkelten teilnahmen. Den Trinkſpruch des Königs von Würt⸗ temberg auf das Kaiſerpaar beantwortete Naiſer Wil⸗ helm ſofort mit einem Toaſte auf König Karl und Königin Olga. Der kaiſerliche Redner betonte hier, wie es ein Vorrecht des deutſchen Volkes ſei, daß fich die deutſchen Stämme mit ihren Fürſten in Freud und Leid verbunden fühlten und insbeſondere habe das ſchwäbiſche Volk in dieſen Feſtestagen ſeinen alten Ruhm und ſeine Anhänglichkeit an das an⸗ geſtammte Herrſcherhaus auf's Neue bewährt; zu⸗ gleich hob der Kaiſer hervor, wie das Regierungs⸗ jubiläum des württembergiſchen Herrſchers abermals die Solidarität der deutſchen Fürſten gezeigt habe. Alsdann brachte König Karl einen Toaſt auf die Armee der in Stuttgart anweſenden oder ver⸗ tretenen Souverainen aus, insbeſondere trank aber der König auf die brave württembergiſche Armee. Von Stuttgart aus begab ſich das Kaiſerpaar am Mittwoch nach Sigmaringen und wohnte hier am nächſten Tage der Vermählung des Erbprinzen Wilhelm von Hohenzollern mit der Prinzeſſin Maria Thereſia von Bourbon bei; auch das rumäniſche Königspaar nebſt dem Thronfolger Ferdinand von Rumänien, die Königin von Sachſen und eine Reihe anderer Fürſtlichkeſten waren bei der Hochzeitsfeier anweſend. — Die bedeutungsvollen Auslaſſungen des Kaiſers von Oeſterreich über die Weltlage bei Er⸗ Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. 1889. öffnung der Delegationen haben durch die vom Grafen Kalwky im Budgetausſchuſſe der öſtereſchiſchen Delegation abgegebenen Erklärungen eine wertvolle Ergänzung gefunden. Dieſelben ſind offenbar be⸗ ſtimmt, die Beſorgniſſe und Befürchtungen, welche der im Ganzen ernſte Ton der kaiſerlichen Rede in weiten Kreiſen aufs Neue erweckte, zu zerſtreuen, denn die Aeußerungen des Leiters der auswärtigen Politik Oeſterreich⸗Ungarns klingen geradezu über⸗ raſchend friedlich und hoffnungsvoll. Wohl findet auch Kalnoky die Lage ſchwankend und leicht ver⸗ änderlich, aber er erklärt trotzdem beſtimmt den eu⸗ ropäiſchen Frieden als nicht gefährdet und führte er dies in vortrefflicher Rede des Näheren aus. Speciell nahm der Miniſter Bezug auf Rumänien und Ser⸗ bien und trat er der Meinung, daß das jetzige ru⸗ mäniſche Cabinet Catargiu ruſſenfreundlich und dem⸗ nach antiöſterreichiſch gefinnt ſei, entſchieden entgegen. Auch die Aufregung in Serbien nahm Kalnoky keineswegs ſehr ernſt, wobei es ironiſche Seitenhiebe auf die großſerbiſchen Phantaſtereien abſeſetzte. Kalt⸗ blütig erklärte er, Serbien verfüge zu aggreſſiven Zwecken nicht über genügende Machtmittel und werde Oeſterreich⸗Ungarn im Uebrigen ein ſcharfes Auge auf etwaige Mühlereien in Serbien haben. Jetzt aber gelangte Kalnokly zum Kernpunkte feiner ge⸗ ſamten Darlegungen, indem er als den wahren Grund des allgemeinen Gefühles der Unſicherheit die Unzu⸗ friedenheit einiger Völker mit dem beſtehenden eu⸗ ropälſchen Rechtszuſtande und die ſyſt⸗matiſche Er⸗ weckung der nationalen Leitenſchaften bezeichnete; worauf dieſe Worte zielen, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung! Dem gegenüber betonte der Miniſter den feſten Willen aller Monarchen und auch der Regier⸗ ungen, den Frieden zu erhalten, ſchon wegen der ungeheuren Dimenſionen heutiger Kriege. Zum Blutrache. Roman von H. von Ziegler. Nachdruck ver boten. Fortſ. 13. Seien Sie ruhig, Frau Oberſt, ich weiß Alles, 2 ethöht nur meine herzliche Teilnahme für Sie etwas verlegen ſeinen Helm herumdrehend, „denn Belde. Fräulein Nora gab mir des Verſtorbenen letzte Worte zu leſen.“ „Ja,“ flülſterte die arme Frau ſchaudernd, „und mit dieſen Worten auf den Appen ſchied er von der Welt, ohne Reue, ohne Vorbereitung — durch die eigene Kugel — als Selbstmörder. Gott im Him⸗ mel, ich kann es nicht ertragen!“ „Mama, liebſte Mama,“ rief das junge Mädchen und ſchloß ſie in die Arme, „ſei ruhig, rege Dich nicht auf — um unſertwillen. Wir wollen alles auf⸗ ö bieten, Dich zu tröſten.“ Vivian empfand tiefe Bewegung bei dieſen Worten; „wir“ hatte Nora geſagt und ihm damit die Berechtigung gegeben, ſich zur Familie zu rechnen. Da erkönten draußen piͤtzlich haſtige Schritte, Thür ging auf und Achur trat bleich und entſetzt herein. „Rebe Tante, ich erfuhr bei der Parole ſoeben das furchtbare Unglück und will Dir nur meine nete Teilnahme ausſprechen. Wer hätte das heute früh geahnt, als wir vom Balle kammen.“ Vivian beobachtete den jungen Offizier ſcharf, ſein Benehmen war ſo ſeltſam erregt, beinahe athem⸗ los, auch ſchien er Nora garnicht zu beachten. Dieſe ſaß wieder wie vorhin am Fenſter, die Hände in einandergefaltet und teilnahmslos hinaus⸗ ſtarrend, es ſchien als wiſſe ſie kaum, daß ihr Vetter anweſend ſei. „Es thut mir ſo leid,“ fuhr letzterer fort, ich wollte Euch gerade heute eine frohe Neuigkeit mitteilen.“ „Nun, Arthur und welche?“ frug Frau von Bohlen ſich beherrſchend, um mühſam zu lächeln. „Aber bitte Herr von Bohlen, ſetzen Sie ſich doch,“ unterbrach der Marcheſe den jungen Offizier einen Stuhl anbietend; erſtaunt nahm ihn derſelbe an. Seit wann machte del Ro ga die Honneurs im Bohlen'ſchen Hauſe ? „O, beſte Tante, es paßt eigentlich nicht in dieſes Haus der Trauer, indes — Ihr ſeid meine nächſten Verwanden und ſolltet es ſo wie ſo zuerſt erfahren Ich habe mich — verlobt.“ Jetzt wandte Nora das blonde Haupt, ein Blick unſäglicher Verachtung traf den eleganten Better, der ihr ſelbſt vor wenigen Tagen erſt von Liebe erzählt, und ſie ſagte langſam mit ſcharf ſpottendem Tone: „Verlobt, Vetter Arthur? Da muß man viel Glück wünſchen, zunächſt der Braut über ihte vortreffliche Wahl. Vivian, ſie wandte ſich plötzlich mit einem rührenden Ausdruck des Vertrauens zu ihrem Bräutigam, „erzähle ihm, daß — daß wir —“ Erſtaunt blickte Leutnant von Bohlen zuerſt auf die erregte Kouſine, welche den ſtattlichen Mann mit Du anredete und ſodann auf dieſen, der jetzt voll ernſtlicher Herzlichkeit näher trat und die kleine Hand ergriff, welche nach ihm ausgeſtreckt wurde. „Sie ſehen hier gleichfalls ein — Braut⸗ paar, Herr von Bohlen,“ ſprach er ruhig; „wir fanden uns in ernſter, dunkler Stunde und erfüllten damit gleichzeitig den letzten Wunſch des Toten.“ Arthur hatte wohl den veröächtlichen Blick und Ton Noras vernommen, doch er bemühte ſich tapfer, in zu überſehen; ſo war ja alles am beſten ge⸗ ordnet. Sonderbar daß alles ſo kam,“ ſtotterte er ver⸗ legen und gerade — Nora zuckte zuſammen bei dieſer taktloſen Anteudung, und unwillkürlich zog Vivian die kleine Hand noch inniger an ſich, während er dem jungen Offizier zugleich merklich kühl frug: „Wie heißt ihr Fräu⸗ lein Braut Herr von Bohlen ? Sie vergaßen, uns den Namen der — neuen Koufine zu nennen.“ „Im — ja, — Sie haben Recht, Herr Mar⸗ cheſe! Es iſt — Fräulein Selma Bornheimer — Tochter des reichen Kommerzienrats Bornheim.“ Eine lange dräckende Pauſe folgte den Worten,