ſtaatsſekretäts Studt zum Nachfolger v. Hagemel⸗ ſtet's ſoll in den katholiſchen Kreiſen der weſtfäli⸗ ſchen Bevölkerung eine gewiſſe Enttäuſchung hervor⸗ erufen haben, da es heißt, die Katholiken Weſt⸗ alen hätten erwartet, daß Herr v. Schorlemer⸗Alſt, der bekannte Centrumsführer, an die Spitze der Verwaltung der Provinz berufen werden würde. Herr Studt, der neue Oberpräfident von Weſtfalen, ſteht am Ausgange der 40er Jahre und iſt aus Oſtpreußen gebürtig; in politiſcher Beziehung be⸗ kennt ſich Herr Studt zur freikonſervativen Partei. Seine Einführung in ſein neues Amt erfolgte am Freitag in Münſter und zwar durch Herrn Herr⸗ 1 7 den preußiſchen Miniſter des Innern, perſöͤn⸗ lich. Dem Schah Nasr Eddin von Perſien, welcher in Fortſetzung ſeiner gegenwärtigen Europa⸗ reiſe von Warſchau aus zunächſt den Wiener Hof beſuchen wollte, iſt von dort ziemlich deutlich „ab⸗ gewinckt“ worden. Wenigſtens traf nach einer pri⸗ daten Meldung der perſiſche Geſandte in Wien, Muchtar⸗Neriman⸗Khan, am Freitag in Warſchau ein und überbrachte ſeinem Gebieter die Mitteilung, daß der Kaiſer von Oeſterreich zum Empfange des Schah's noch nicht vorbereitet ſei und ihn deshalb bitte, ſeine Reiſe nach Wien zu vertagen. Den Berliner Hof wird der Perſerkönig bis zum 18. Juni beſuchen. — Der gegenwärtige Beſuch des Fürſten Nikolaus von Montenegro am Petersburger Hofe bat verſchiedene Ueberraſchungen im Gefolge gehabt. Von ihnen erregt am meiſten Aufſehen der Trink⸗ ſpruch, welchen der Czar am Donnerſtag beim De⸗ jeuner anläßlich der in Peterhof ſtattgefundenen Kirchenparade zweier Garde⸗Kavallerie⸗Regimenter — Miliza dem Großfürſten⸗ Thronfolger Nicolaus zur Braut beſtimmt ſei. — Der Ex⸗ Metropolit von Belgrad Michael, welcher unter König Milan ſeines Amtes entſetzt worden war und nach Rußland flüchtete, traf am Donnerstag Abend wieder in Belgrad ein; beſondere Demonſtrationen kamen hierbei nicht vor. — Der jubelnde und glänzende Empfang, welcher dem König Humbert nach ſeiner Rück kehr aus Deutſchland in Mailand bereitet wurde, hat in Rom eine noch weit glänzendere Wiederhol⸗ ung gefunden. Am Sonnabend in der erſten Mit⸗ tagsſtunde trafen der König und der Kronprinz Victor Emanuel wieder in der Hauptſtadt Italiens ein, von den am Bahnhofe aufgeſtellten zahlreichen Vereinen und einer unzähligen Zuſchauermenge ſtürmiſch begrüßt. Während der Fahrt vom Bahn⸗ hofe nach dem Schloſſe wurden dem Könige von der Volksmenge ebenfalls begeiſterte Ovationen dar⸗ gebracht. Elbing, 3. Juni. Der Kaiſer iſt heute 8 Uhr 21 Min. in Chriſtburg eingetroffen und mit begeiſtertem Jubel empfangen worden. Die Stadt iſt feſtlich geſchmückt. Der Kaiſer ſetzte nach kurzem Aufenthalt im Wagen die Fahrt nach Prockelwitz fort. Berſchiedenes. — Schriesheim, 3. Juni. Am Samstag fand hier Gemeinderatswahl ſtatt und wurden die 9 9—jꝙ—⁊—«.“.õ Herren Hermann Kling, Gabriel Höfer, Ph. Peter Baumann und Ludaig Gaber gewählt. — Sinsheim, 2. Juni. Heute Abend um ½9 Uhr erſchoß ſich der Gehilfe einer hieſigen Handelsgärtnerei vor ſeiner Wohnung, nachdem er auf ſeinen fürſtlichen Gaſt ausbrachte. Der ruffiſche Regierungsboote brachte den Toaſt ſofort im Wort⸗ laut an hervorragender Stelle und lautet derſelbe: „Ich trinke auf das Wohl des Fürſten von Monte⸗ negro, des einzigen aufrichtigen und treuen Freun⸗ des Rußlands!“ Daß der Czar den Beherrſcher Montenegros als den „einzigen aufrichtigen und treuen“ Freund Rußlands hinſtellt, iſt jedenfalls nach mehr als einer Richtung hin recht beachtens⸗ wert! Ferner fand am nämlichen Tage in Peterhof die Verlobung der Prinzeſſin Militza, zweiten Tochter des Fürſten von Montenegro, welche ſchon ſeit längerer Zeit am ruſfſiſchen Hofe weilt, mit dem 25jährigen Großfürſten Peter Nicolajewitſch, einem Vetter des Kaiſer Alexander, ſtatt. Es ſind hiermit zum erſten Male engere Bande zwiſchen dem ruſſi⸗ ſchen Kaiſerhauſe und der montenegriniſchen Fürſten⸗ familie gegnüpft worden, die vielleicht eine Verſtärk⸗ ung erfahren werden, da ja die Fama hartnäckig behauptet, daß eine der Schweſtern der Prinzeſſin — * — „ einige Minuten vorher noch in fröhlicher Geſellſchaft verweilt hatte. Der Unglückliche iſt Bayer und un⸗ gefähr 25 Jahre alt. Beweggründe der entſetzlichen That ſind zur Zeit noch unbekannt. — Bei der geſtern ſtattgehabten Bürgermeiſterwahl wurde Ger⸗ bereibefitzer Fritz Haag gewählt. Neuenburg, 1. Juni. (Abgeſtürzt.) Letz⸗ ten Samſtag Nachmittag ſtüczte in der Umgebung Neuenburgs ein 18jähriges Mädchen aus Norddeutſch⸗ land les iſt eine Enkelin der Schrifſtellerin Ottilie Wildermuth und eine Nichte des deutſchen Pfarres Häusler in Neuenburg, bei dem ſie in Penſion war) beim Blumenſucheu eine Felswand hinunter in die Seyonſchlucht. Sie wurde als verſtümmelte Leiche aufgehoben. — Mannheim, 1. Juni. Im hieſigen Amtsgerichtsgefängniſſe öffnete ſich der am 23. v. M. von der Strafkammer wegen Betrugs zu 9 Monaten Gefängnis verurteilte Kaufmann und Chemiker Julius Claſſen aus Koln die Pulsader Roman von H. von Ziegler. Nachdruck. verboten. 6. Fortſ. Als der Gedankengang des Marcheſe hier angelangt war, nickte er ernſt vor fich hin und ſchritt heim⸗ wärts nach ſeiner ſtillen Garconwohnung mit dem feſten Vorſatz, im Laufe des Weihnachtsballes dem 1 7000 Mädchen ſein Herz und ſeine Hand anzu⸗ eten. Einige Tage ſpäter ſtand in dem behaglich durch⸗ wärmten Salon der Bohlen'ſchen Villa Nora Hand in Hand mit der Mutter vor dem Chriſtbaume, der geſchmückt mit Silberfäden, goldne Tannzapfen und 1 Perlen, einen geradezu feenhaften Anblick ot. Frau von Bohlen, eine zarte vornehme Dame, in deren noch immer ſchönem Antlitz Krankheit und Kummer tiefe Spuren gegraben, ſchaute unverwandt, beinahe ſchwermütig auf den grünen Weihnachtsboten. „Was wird uns dieſes Jahr bringen,“ ſagte ſte halblaut, „möchte es nicht noch mehr Kumm er und Sorgen ausſchütten.“ „Aber Mama,“ jubelte Nora, „wer wird ſo traurig ſein! Iſt nicht der Baum märchenhaft ſchön geworden ? Ich freue mich nur, wenn ihn Vetter Arthur ſieht, denn er wollte ſo gern putzen helfen, ich habe es im nur nicht erlaubt.“ „Arthur?“ frug Frau von Bohlen etwas un⸗ mutig, „ſo kommt er heute Abend auch?“ „Jawohl, Mama, es muß doch heute etwas lu⸗ ſtig zugehen, und Du weiſt, der Marcheſe iſt ſtets ſehr ernſt und ſtill; ich denke oft, er ſei ſchon fünf⸗ zig ſtatt dreißig Jahre!“ „Der arme Mann; es war für ihn ein ſchweres Loos, fünf volle Jahre die Mutter zu pflegen, wel ⸗ che nicht einen Finger rühren konnte. Solche Schick⸗ ſale machen vor der Zeit ernſt, Kind, f „Q ja, er thut mir auch herzlich leid, aber er iſt zu ernſt faſt traurig; ich habe ihn lieber als die andern Herren.“ ö „Trotz all Deinen Einwänden, Nora,“ fuhr die Mutter fort, „iſt Marcheſe del Roga doch ein viel gediegener Charakter als Vetter Arfhur.“ „Ja, ja, Mama, “lachte das ſchöne Mädchen, doch er paßt entſchieden für Euch beſſer, wie für ſol⸗ chen Wildſang als mich: er iſt zu ſteif und wort⸗ karg und weiß nicht, von ſich zu geben, was er ſa⸗ gen möchte. Wenn ich ihn Not wäre, glaube ich, würde ich mit verbundenen Augen nach ſeiner Hilfe ſuchen und mich auch darin nicht täuſchen. Nur zum luſtigen Umgang hat er zu ernſte Anſichten.“ „Fürs Leben iſt aber ſolch zuverläſſiger Cha⸗ rakter ein Edelſtein, denn mit Lachen und Plaudern kommt man nicht über dunkle Stunden hinweg 1 1 der einen Hand, um einen Selbſtmord zu begehen, Der Verletzte wuede in's allgemeine Krankenhauz verbracht. — Baden-Baden, 31. Maj. Kommerzlen⸗ rat Bleichröder in Berlin hat dem hiefigen im letzten Jahre von der Großherzogin gegeündeten Ludwigs Wilhelm⸗Pflegehausfond, deſſen Zweck es ift, ieh arme Adelige ein Heim zu gründen, die Summe von 10000 M. baar vermacht. Das Geſamfapitg ſoll bereits auf 80 000 Mk, herangewachſen feln, Offenburg. 31. Mal. Geſtern Nacht wurde der Direktor der großen Spinnerei und Meberz (Actiengeſellſchaft) Schätti bei ſeiner Ankunft am Bahnhofe verhaftet. Derſelbe wird von der Slagls⸗ anwaltſchaft wegen eines in der Nähe von Walſs⸗ hut begangenen Sittlichkeitsvergehens befolgt, Schätti iſt ein verheirateter Mann und als geh pedantiſcher Vorgeſetzter bei den Arbeſtern weng beliebt. — Lahr, 31. Mai. Daß man beim Verlehe mit Wechſeln nicht vorſichtig genug ſein kann, zeig ein neulich vorgekommener Fall. Ein hieſiger Fotze kant erhielt in Zahlung einen Wechſel im Betrag von 24 Mark und gab ihn auch wieder in Za lung ab. Der Wechſel ging noch durch mehre Hände, bis ſeine Zeit um war. Nun wurde nicht eingelöſt und proteſtirt. Bei dieſer Gelegenen ſtellte es ſich heraus, daß die Wechſelmarke derlehn auf dem Wechſel aufgeklebt war, und deß halb wurde nicht allein gegen den Ausſteller, ſondern auch gegez alle, deren Namen auf dem Wechſel ſtanden, ei Strafe von 50 fachen Betrage der Wechſeſſtenel marke erkannt. Der Wechſet ging durch zel Hände und wurde jeder Unterzeichner zu 5 Maß Strafe verurtheilt, macht in Summa 6 it Strafe wegen einer verkehrt aufgeklebten Marke, — Lon don, 2. Juni. Dem „Herald“ zeit aus Pittsburg gemeldet, daß in der von einer ehe ſchwemmung heimgeſuchten Stadt Johnſtown aug 209 Häuſer ſtehen geblieben find. Die zerttümmetten Häuſer wurden gegen eine Brücke geſchwemt und bildeten einen Kilometer langen, 40 Fuß ohen Damm, welcher Feuer fing. Infolge des Berens der Gasröhren brannten viele Häuser der Stadt ab, 75 Perſonen find verbrannt. Das Waſſer in des Hauptſtraße iſt 20 Fuß tief, Hunderte don Meg ſchen und Tierleichen treiben flußabwärts. Mie hielt Perſonen gerettet worden find, kann noch nicht feſt⸗ geſtellt werden. 1100 Leichen find bereits geborgen, Das Berſten des Reſervoirs und die hierdurch ber ſachte Ueberſchwemmung der Stadt war das Werk weniger Minuten. — St. Peters burg, 31. Mai. ( Diſtanzritt), 7 1 Ein ruſſiſcher Dragonerofftzier iſt in 32 Pagen den ſeiner Garnifonſtadt Pultaba nach Paris geritten, Doch nun geh' Kind, fieh nach dem Abendeſſen, denn wenn die Herren kommen, wollen wir gleich zu Ti⸗ ſche gehen. Ich muß jetzt die Tiſche zur Beſcheer ung ordnen und Johann kann die Lichter am Bau⸗ me aufſtecken.“ Zwei Stunden ſpäter ſtrahlte in der Bohlſchen Villa der Chriſtbaum in blendendem Glanze auf die reichbedeckten Tafeln und die fröhlichen Menſchene gefichter nieder. Vetter Athur von Bohlen, ein junger elegan · ter Offtzier, bemühte ſich eifrig um die Gunſt der ſchönen Kouſine, welche lachend und unbefangen all die Huldigungen annahm, als verſtehe ſich das gang von ſelbſt. Del Roga, ——— „ der beim Anblick ſeines Nebenbuh⸗ lers auch nicht die geringſte Hoffnung mehr für ach hegte konnte deſſenungeachtet und troßz ſcharfer Be ⸗ obachtung, in Noras ſchönen blauen Augen noch ker nen Funken jener Liebe entdecken, von welchet die Dichter ſingen. N „O, Papa, Mama, welch ein herrlicher Auf. bau,“ rief ſie ſoeben jubelnd, die Eltern abwethſelld umarmend, „ich bin ausgeſtattet, als ſollte Ich du Hofe gehen. Dies wundervalle Balllled it faſt u ſchade für die Weihnachtsredoute, nicht wahr Ar⸗ thur.“