blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Dar die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg. — Pokitiſches Berlin, 29. Mai. Die kaiſerliche Familie dollzog am Dienſtag ihre Ueberfiedelung nach Schloß Friedrichskron bei Potsdam, um hierſelbſt bis auf Weiteres zu refidiren. Berlin, 29. Mai. König Humbert und der Nronprinz von Italien trafen auf der Rückreiſe von Berlin Dienſtag früh / 2 Uhr wohlbehalten wieder guf ſtaltenſſchem Boden, in Monza, an der Eiſen⸗ dahnlinie Como⸗Mailand gelegen, ein. Die beiden Fürſtlichkeiten nahmen in dem dortigen königlichen Luſtſchloſſe Nachtquartier, während der Miniſterprä⸗ ſdent Criſpi und der größte Teil des Gefolges nach Mailand weiterreiſten. Die nächtliche Stunde, zu welcher König Humbert nach Beendigung ſeines Be⸗ ſuches am Berliner Hofe wiederum ſein Land betrat, i offenbar die Urſach⸗, daß der Telegroph nichts Aber größere Empfangsfeierlichkeiten und Begrüßungs⸗ huldigungen ſeitens der Bevölkerung in Monza zu berichten vermochte. Mit tiefſter Genugthuung hat man allerwärts in Italien die Berichte über Erispi in der deutſchen Reichshauptſtadt aufgenom⸗ —ů men und noch unmittelbar vor der Heimkehr des Königs hat der italieniſche Senat ſeinen freudigen Gefühlen über dieſe Aufnahme des Monarchen und über die Erfolge ſeiner ganzen Reiſe einmütigen Ausdruck verliehen. Der betreffende Senatsbeſchluß iſt abee nur das jüngſte Glied in einer ganzen zuſtimmt und in ihr ein neues feſtes Unterpfand ür die Fortdauer der herzlichen Beziehungen zwiſchen Samstag den 1. Zuni Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zeile oder deren Raum ale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. die Reclamen 20 Pfg. S ———— 1889. — — r Deutſchland und Italien erblickt. Dieſer Stimmung gegenüber find alle Verſuche der italieniſchen Fran⸗ zoſenfreunde, das Land gegen die Allianz mit Deutſchland aufzuregen, kläglich geſcheitert und auch die faſt gleichzeitig mit der Heimkehr König Hum⸗ bert's in ganz Italien zur Veröffentlichung gelangten Brochüre eines anonymen Preußenfeindes, welche nachzuweiſen verſucht, daß Italien ſeit 20 Jahren von der preußiſch⸗deutſchen Politik hinter's Licht geführt worden iſt, dürfte bald das verdiente Schickſal des Vergeſſens finden. — Der Strike der weſtfäliſchen Bergar⸗ beiter ſcheint nach mancherlei ſeltſamen Wendungen und Zwiſchenfaͤllen, unter denen aus den letzten Tagen die Verhaftung des Bochumer Strike⸗Komi⸗ te's beſonders hervorragt, ſich nun wirklich ſeinem Ende zuzuneigen. Aus Dortmund wird von einem weiteren Zurückgehen des Strikes berichtet und da nach einem vom Vorſtande des bergbaulichen Vereins in Eſſen gefaßten Beſchluße den noch Strikenden bis zum Freitag Friſt gegeben worden iſt, die Ar⸗ beit wieder aufzunehmen, wiedrigenfalls fie alsdann nicht mehr als zu der betreffenden Belegſchaft ge⸗ hörig angeſehen werden würden, ſo wird der Aus⸗ ſtand der weſtfäliſchen Bergleute in dieſen Tagen wohl ſein Ende erreichen. Einigermaßen wider⸗ ſpruchsvoll lauten noch die Mitteflungen über die Urſachen der Verhaftungen des Central⸗Komite's Reihe von Kundgebungen, in welchen ſeitens der großen Mehrheit der italieniſchen Nation es ausge⸗ ſprochen worden iſt, daß dieſelbe aus vollſtem Herzen der nun beendigten Berliner Reiſe König Humberts der Strikenden, es ſcheint jetzt indeſſen, als ob ſo⸗ cialdemokratiſche Beſtrebungen eine Rolle ſpielten; hoffentlich wird die Unterſuchung gegen die ver⸗ hafteten Arbeiterführer bald Licht in die Angelegen⸗ heit bringen. Daß der am Montag unter Vorſitz des Kaiſers ſtattgefundene Kronrat des preußiſchen Staatsminiſteriums in erſter Linie den jüngſten Vor⸗ gängen im weſtfäliſchen Strike⸗Gebiete galt, wird — durch private Meldungen aus Berlin beftätigt. — Die Samoa⸗Conferenz in Berlin zieht ſich unerwartet in die Länge. Die am Montag abgehaltene Sitzung der Conferenz⸗Bevollmächtigt en ſollte zwar die letzte ſein, es gelang indeſſen an dieſem Tage noch nicht, die Abeiten zum Abſchluſſe zu bringen und auch die am Mittwoch abgehaltene fernere Sitzung ſoll noch keineswegs die Beendigung der Conferenzberhandlungen gebracht haben. Es verlautet vielmehr, daß infolge aufgetauchter neuer Schwierigkeiten, welche die amerikaniſchen Deligirten zu vielfachen telegraphiſchen Anfragen bei ihrer Regierung veranlaßten, die Conferenz wahrſchein⸗ lich erſt zu Pfingſten wird geſchloſſen werden können. — Die gegen die ſerbiſche Fortſchrittspartei gerichteten Pöbelausſchreitungen, deren Schauplatz Belgrad am Sonntag und den nächſtfolgenden Tagen war, ſcheinen eine neue Periode ernſter Unruhen in Serbien einzuleiten. Nach privaten Berichten aus Belgrad ſtellen ſich die dortigen Vorgänge, bei denen es viel mehr tode und Verwundete gab, als der officiöſe ſerbiſche Telegraph zugeſteht, als eine förmliche Straßenrevolution dar, deren eigentliche Veranlaſſung aus den vorliegenden Berichten aller⸗ dings noch nicht klar erhellt. Außerdem erhalten die unruhigen Elemente in Serbien durch die für Freitag ankündigte Rückkehr des Ex⸗Metropoliten Michael, dieſes unverbeſſerlichen Wühlers, aus Ruß⸗ land nach Belgrad eine unter den jetzigen Verhält⸗ niſſen doppelte bedenkliche Verſtärkung. Michael traf am Montag in Buckareſt ein, wo er mit dem ruſſi⸗ ſchen Geſandten Hitravo eifrig conferierte und bis Donnerstag zu verweilen gedachte. Berſchiedenes. — La denburg. — Die evang. Gemeinde Ladenburg⸗Neckarhauſen begeht am nächſten Sonn⸗ H. von Ziegler. 1 Nachdruck. verboten. 5. Fort. f ö Lange, Jahre waren ſeit jener furchtbaren Be⸗ gebenheit dahin gefloſſen und im Kreislauf der Jahre war es wieder Winter auf nordiſcher Erde geworden. nute zu Minute. ſchönen Weihnachtsfeſt und überall bemerkte man em⸗ ſige Geſchäftigkeit und freudige Geſichter. Schon brannten die Laternen in den Straßen, als eine junge Dame in knappem Tuchkoſtüm aus einem Kunſtladen trat und die Straße entlang ſchritt, es war ein ſützes friſches Mädchengeſicht, das ver⸗ Lourperte deutſche Gretchen, mit blonden, dicken Flechten und wunderſchönen blauen Augen. Sie trug ein Packet und beſchleunigte ihren Schritt, als ſie gewahrte, daß es ſchon völlig dunkel geworden. „Ich muß eilen,“murmelte ſie vor ſich hin, „Mama liebt es nicht, wenn ich bis zum Dunkel- werden ausbleibe.“ plötzlich eine tiefe Männerſtimme hinter ihr, ſind Sie auch in Weihnachtsangelegenheiten unterwegs? Ich hoffe, Sie erlauben, daß ich Sie ein Stöck Wegs begleite.“ „Oh, das iſt ſehr freundlich von Ihnen, Herr Marcheſe,“ rief das junge Mädchen angenehm über⸗ raſcht, „ Ich bin ziemlich ängſtlich am Abend, doch Weicher ſchimmernder Weihnachtsſchnee tanzte zur Etde nieder, ſchon trug Baum und Strauch das weiße Gewand und uoch verdichtete es ſich von Mi⸗ Es waren nur wenige Tage noch bis zu dem bleiben jetzt immerwährend Beſorgungen zu machen. Haben ſie ſchon den Kaffee getrunken?“ ö „Nein, und ich armer Junggeſelle habe auch Dame ſah verſtohlen ihren Begleiter ſeitwärts an, welcher, als verſtehe ſich von ſelbſt, neben ihr weiter ſchritt. „Haben Sie ſchon einmal in Deutſchl and Weihnachten gefeiert, Herr Marcheſe?“ frug ſie end⸗ lich nach einer faſt drückend langen Pauſe. „Nein, Fräulein Nora. Ich bin erſt ſeit dem Frühling, als meine Mutter ſtarb, in Wiesbaden; wir lebten bis dahin ſtets in Nizza!“ „Ihre Frau Mutter war Franzöſin , „Allerdings gnädiges Fräulein; ſie hieß vor ihrer Verheiratung Gräfin Dorient und hat ſich in Sizilien meines Vaters Heimat nie wohlgefühlt.“ 4 „Seltſam, ich ſollte meinen, eine Frau müſſe 1 ſich in der Heimat ihres Mannes bald einleben. „Guten Abend, gnädiges Fräulein,“ ſagte da Marcheſe?“ kein gemütliches Heim, um ein behagliches Ruhe⸗ ſtündchen bei der dampfenden Kaffeemaſchine zu feiern.“ Das Wort klang ſchwermütig, und die junge doch laſſen wir dieſe unetquickliche Sache, welche in daß ich mit dem Papa hinginge. „So ſtammt ihre Familie aus Siſcilien, Herr „Jawohl, mein gnädiges Fräulein; Kaſtel Roga, unſer Stammſchloß, liegt auf dem Wege nach Meſſina.“ Es muß ſich köſtlich leben in jenen herrlichen Gegenden und ich wäre an ihrer Stelle niemals fort⸗ gezogen, entgegnete die junge Dame. Ein ſetſam forſchender Blick ruhte auf dem ſchönen Mädchengeſicht, der Marcheſe ſeufzte leicht, dann entgegnete er ruhig: „Meine Mutter erzählte mir kurz vor ihrem Tode jene düſtere Geſchichte, welche die Eltern veranlaßte, im Auslande zu leben; ihren leichten Gedankenkreis nicht paßt, Fräulein Nora, ſondern ſagen Sie mir lieber, ob Sie die Weihnachts⸗ redoute mitmachen werden. „Mama möchte daheim bleiben, wünſcht aber, „Und Sie ſelbſt, Fräulein von Bohlen?“ „Oh, lächelte ſie kindlich, ich gehe ganz gerne hin, denn ich tanze ſo ſehr gerne und bekomme wohl auch ein neues Ballkleid zum Feſt.“ Der ſtaatliche Mann mit den dunklen Augen und dem Vollbart ſchaute finnend in die Ferne; er vermied energiſch, ſeine Begleiterin anzuſchauen, deren kindliches Plaudern ihm tief in die Seele drang, denn ihre blaue Sterne hatten ihn verwundet, daß er meinte, nie mehr leben zu können ohne