— ——ü—ũ— 12 5 Politiſches. 95 Berlin, 29. Juli. Das Berliner Togeblatt richtet in einem Petersburger Briefe, die deutſche und die ruſſiche Regierung hätten ſich gelegentlich des Kaiſerbeſuches eingehend über die Orientfrage verſtändigt, und zwar darüber daß der Prinz von Koburg zu beſeitigen und der däniſche Prinz Waldemar, vorausgeſetzt, daß er bereit ſey, zur griechiſch orthodoxen Kirche überzutreten, Fürſt von Bulgarien werden ſolle. Endlich würde eine internationale Botſchafterkonferenz die Stellung Bulgariens und Oſtrumeliens revidiren. Verhandlungsgrundlage ſey vorher auch von Oe⸗ ſterreich⸗Ungarn gebilligt worden. — Nach der Voff. Ztg. trifft Kaiſer Wilhelm mit dem König der Belgier im Auguſt wahrſcheinlich in Spaa zu⸗ ſammen. Berlin, 29. Juli. Der König von Schweden bat ſich auf Erſuchen des Kaiſers gern bereit er⸗ klärt, bei dem neugeborenen Prinzen Patenſtelle zu übernehmen. — Der König von Portugal tritt am 1. Auguſt ſeine Reiſe nach Deutſchland an. Die Reiſe erfolgte zur See. — Der Kronprinz von Italien un⸗ ternimmt in den nächſten Tagen eine Reiſe, um den verwandten ſächfiſchen Hof zu beſuchen; wahrſchein⸗ lich wird derſelbe auch Berlin beſuchen. Paris, 29. Juli. Der jtalieniſche Botſchafter Menabrea übergab geſtern dem Miniſter des Aus⸗ wärtigen, Goblet eine Note, in welcher in Gemäß⸗ heit der Beſtimmungen des Berliner Vertrags mit⸗ geteilt wird, daß Italien von dem Gebiet von Maſs⸗ ſauah endgiltig Beſitz ergriffen habe. St. Petersburg, 29. Juli. Der in Brüſſel erſcheinende ruſſiſche Nord ſchreibt in ſeiner politiſchen Ueberſicht, daß der Eifer, mit welchem ſich das ruſ⸗ ſiſche Publikum an den dem Kaiſer Wilhelm erwie⸗ Urſcheint jeden Mittwoch und Hamstag und koſtet viertelfährlich 1 & mit illuſtiertem Anterhaltungsblatt 1 %% 40 3 gal Ae 1 Znſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition ingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die einſpaltige Garmondzeiele oder deren Raum mit 10 Pf., Lokal- Anzeigen mit 6 Pfg. ( Reklamen mit 20 Pf. berechnet. Bei größren Aufträgen Rabatthewilligung. Dieſe ſenen Ehren beteiligt hat, ein karakteriſches Zeichen ſeh. Die von der offentlichen Meinung in Rußland geäußerte Billigung der Politik, welche ſich die Ent⸗ wickelung freundſchaftlicher Beziehungen mit Deutſch⸗ land zum Ziele ſetzte, hat ſich beiderſeitig in der unzweideutigſten Weiſe als Wunſch geäußert, den freundſchaftlichen Verkehr zwiſchen den beiden Län⸗ dern zu feſtigen. Die Bedeutung der Kaiſerbegegnung liegt in dieſer Doppelkundgebung, die genügend iſt, um daraus ein denkwürdiges Ereignis zu machen, wenn auch kein formeller Vertrag abgeſchloſſen wurde welchen übrigens die Lage in keiner Weiſe erheiſchte. Die Freundſchaft zwiſchen Rußland und Deutſchland hat indeß eine neue wirkliche Weihe erhalten. Dies iſt die Hauptſache und wird in der Zukunft allen Nationen Früchte bringen. Der Petersburger Kor⸗ reſpondent des Nord äußert ſich dahin, die Kaiſer⸗ begegnung würde ſchon unter gewöhnlichen Umſtän⸗ den auf das europäiſche Publikum den tiefſten Ein⸗ druck hervorgebracht haben. Deſto tiefer müſſe jetzt dieſer Eindruck ſeyn unter politiſchen Verhält⸗ niſſen, welche ungünſtig genug geweſen waren, um Befürchtungen wachzurufen, die nunmehr durch den Schritt des Kaiſers von Deutſchland und den ſicht⸗ lich ſympathiſchen Empfang, welchen derſelbe bei dem Czaren fand, ein doppeltes Demminti erfahren haben. Stockholm, 28. Juli. Geſtern Abend um 10 Uhr nahmen der König und der Kronprinz von Schweden an Bord der „Zobenzollern“ vom Kaiſer Wilhelm herzlichen Abſchied. Von der Marinewerft wurde ein prachtvolles Feuerwerk abgebrannt, auf welches von der „Hohenzollern“ her ein Brillantfeuer antwortete. Taufende von Zuſchauern an den Ufern jubelten dem Kaiſer ſowie dem Könige und dem Kronprinzen von Schweden fortwährend zu. Heute Nachstehende Annoneen - Erpeditionen: Aloit Herndl in Wies, Avolf Steiner in Hamburg und fämtliche Annoncen⸗Bureaur von Haaſenſtein und Vogler, Rudolf Moſſe, G. 8. Daube und J. Barck und Comp. nehmen Inſerate für uns an. Inſergte ſind von nachweisbarer Wirkſamkeit. Redaktion, Druck und Verlag von Karl Moliter in Ladenburg G —— — — früh um 6 Uhr dampfte die „Hohenzollern“ aus dem Hafen. — Der König verlieh dem Grafen Herbert Bismarck das Großkreuz des Nordſtern⸗ Ordens in Brillanten. — Sämtliche Blätter von den verſchiedenſten politiſchen Richtungen beſprechen in äußerſt ſympatiſcher Weiſe den Beſuch des Kaiſers Wilhelm. Die „Poſt Tidninger“ ſchreibt: Der herz⸗ liche Empfang, der hier dem erſten Re präſentanten des mächtigen Kaiſerreichs und des deutſchen Volkes begegnete, wird von der Sympathie zeugen, die der Kaiſer ſich und ſeiner Nation zu gewinnen verſtanden hat. Kopenhagen, 30. Juli. Kaiſer Wilhelm und Prinz Heinrich ſind um 11 ½ Ubr hier einge⸗ troffen und von den Mitgliedern der Königsfamilie herzlich empfangen worden. Die Muftk der Ehren⸗ wache ſpielte „Heil Dir im Siegerkranz.“ Kopenhagen, 30. Juli. Beide Geſchwader ſalutirten, als ſie fich einander näherten. Der Konig und der Kronprinz begaben ſich mit der Schaluppe an Bord des Hohenzollern, wo Kaiſer Wilhelm ihnen entgegen kam und den König und den Kron⸗ prinzen herzlichſt durch Umarmung und Kuß begrüßte. Der König und der Kronprinz kehrten nach kurzem Aufenthalt an Bord des Danebrog zurück, worauf die Weiterfahet hierher erfolgte. New⸗Nork, 26. Juli. Ueber die vor eiwa 8 Tagen gemeldete Dynamit⸗Verſchwörung in Chicago liegen nunmehr folgende neue Mitteilungen vor: Durch einen Angeber erhielt die hieſige Polizei Kenntnis von dem geſtern hier entdeckten Dynamit⸗ komplot. Die im Zusammenhange mit der Ver⸗ ſchwörung verhafteten Perſonen werden in Gewahr⸗ ſam gehalten Mangels Stellung einer Bürgſchaft im Betrage von 5000 Dollars. Einer der ver⸗ hafteten Anarchiſten, ein Oeſterreicher Namens John Der König von Görlitz. Hiſtori r Roman von 8 v. Ziegler. 5 Nachdruck verboten. Still und zerſtreut ſaß er neben ſeiner ſchönen Nachbarin und ſchaute traumverloren in das Glas vor ſich, worin der edle Wein von Corfu ſchimmerte, trotz aller Mühe der Dame gelang es nicht, ein Geſpräch mit dem Junker in Gang zu bringen und endlich frug ſie beleidigt, warum er ihr gar nicht Red' und Antwort ſtehe! Ein Wort gab das andere; ſie meinte ſchmol⸗ lend, er gedenke nur der ſchönen Frauen im Aus⸗ lande, er aber beteuerte mit tiefer Erregung daß jeder Pulsſchlag, jeder Atemzug ſeinerſeits nur allein nach Görlitz gehöre. Er merkte nicht, wie klug und gewandt ſie immer mehr aus ihm hervorlockte — bis ſie endlich die volle Wahrheit wußte, nämlich ſeine Liebe zu dem ſchönen Tuchmachermädchen. N Todtenbleich ſaß die junge Frau dabei, währ⸗ end er immer weiter erzählte, wie er nimmer von Benigna laſſen und lieber Tod und Verbann⸗ ung als Trennung von ihr wählen werde, in 3 ſtahlfarbnen Augen glimmte ein böſer Strahl auf. 5 Alſo deßhalb hatte Georg ihre, Agnetens Liebe nicht bemerkt, weil eine ſchlaue Dirne, ein niedres Bürgermädchen es ihm angethan, ihn mit Zauber⸗ tränken verführt hatte. Die Elende! Wie die ſchöne Wittwe ſie haßte! Unter der Tafel ballte ſie die Hand und es war ihr, als griffe eine kalte Hand nach ihrem Herzen, um es in Stücke zu reißen. 8 5 Um ſie her verſank der Saal, die heitren Gäſte, die Kerzen und der funkelnde Wein; rieſengroß wuchs Ihr Elend vor ihr auf: ſte mußte allein weiter wandern durchs Leben, denn Georg, würde fie niemals lieben, ſein Herz gehörte einer Andren! ö Klirrend brach das ſchlanke Kelchglas unter dem nervoͤſen Druck ihrer Finger, ein dunkel⸗ roter Strom Weines ergoß ſich über das Tafel⸗ linnen und Agneta lächelte bitter — es war wie ihr Herzblut, welches dahinſtrömte zu ſeinen Füßen. Heute noch, zwei Tage nach jenem unſeligen Bankette konnte die ſchöͤne Frau nicht an den Moment denken, da Georgs Worte ihr Ohr er⸗ reichten, ohne daß ihre Pulſe im Fieber flogen und ein Schmerzenslaut auf die erblaßten L ppen trat. Dunkler ward es um die tollkühne Reiterin, die Wolkenmaſſen ſchienen herab zu finken zur Erde und immer dichter ſprühte der kalte Regen in ihr glühendes Antlitz; jetzt wandte ſie mit jähem Rucke — ihr Roß, welches im ſelben Moment bor einer zerlumpten Geſtalt hoch aufbäumte, die ſich dumpf drohend aus dem Graben zur Seite der Landſtraße erhob. d Es war ein Strauchdieb und ſeine nervige Fauſt fiel Agnetens Pferde in die Zägel; aber pfeifend durchſauſte ihre Peitſche die Luft, daß der Kerl lautaufheulend zurücktaumelte und in den ſumpfigen Graben ſtürzte. Roß und Reiterin jedoch flogen dahin, bis letztere endlich ans Weichbild der Stadt zurückge⸗ langt, aufatmend den wilden Lauf müßigte, ſie befand ſich am Kreuzthore, welches der eingetretenen Dun⸗ kelheit wegen ſchon geſchloſſen worden, und zog die Schelle, daß der Klang derſelben ſchrill durch die Luft konte. Ein blonder Mädchenkopf erſchien am Fenſter, dann ward der Riegel zurückgeſchoben, und Benigna öffnete der Reiterin demütig das Thor, erſtaunt blickte die Letztere auf. Wo iſt der Thorwächter? frug ſie als das Thor kreiſchend wieder zufiel, „und ſeit wann läßt der hohe Rat der Stadt daſſelbe durch ein Weibsbild ſchließen ? a Seit der alte Pathe Lehmann ſtarb iſt noch kein anderer Wächter eingeſetzt, geſtrenge Frau, und mein Vater und ich beſorgen ſo lange abwechſelnd den Dienſt hier drauß e . 8 5 1 70