gerichte ab. Als die Verhandlungen beginnen ſollten, fehlte ein Schöffe. Ein Bote wurde weggeſchickt, um einen Hilfsſchoͤffen zu holen, kehrte aber nach etwa drei Viertelſtunden zurück mit der Meldung, er habe den Herrn nicht aufgefunden. Eben ſchickte ſich der Bote zu einem erneuten Gange an, als in einer Ecke des Zuhörrerraums ein Bäuerlein zu einem neben ihm ſtehenden Herrn äußerte? „Ik wolt et gong los, ik beff kein Tid men; ik ſin auk vörladen woran, över ik weit nich, worüm!“ Dieſe Bemerk⸗ ung wurde an rechter Stelle gehört; man ſchöpfte Verdacht, und eine nähere Beſichtigung der Vor⸗ ladung ergab, daß man hier den bermißten Volksrichter in ureigenſter Geſtalt vor ſich hatte. — Mord und Mordverſuch. Das Schwur⸗ gericht in Landsberg hatte gegen den penſionirten Gendarm Thiele aus Küſtrin wegen Mordes und dreifachen Mordverſuches, begangen an ſeinen eigenen Kindern, zu verhandeln. Die Familie des Anuge⸗ geklagten wohnte, getrennt von demſelben, in Rakow bei Arnswalde. Am 16. November v. J. drang der Unmenſch in die Wohnung ſeiner Familie ver⸗ langte, daß die Kinder mit ihm kommen ſollten, und als dies verweigert wurde, ſchoß er die eine Tochter ſofort nieder, einer anderen ſchoß er ein Auge aus, zwei weiteren Tochter fügte er Verwundungen zu, und nur der fünften gelang es, zu entkommen. Auch eine im Hauſe wohnende Urgroßmutter wurde don dem Wütenden verwundet. Thiele, welcher ſich ſeiner Zeit der Behörde in Arnswalde ſelbſt geſtellt hatte, wurde vom Schwurgericht zum Tode und zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. — Am St. Bernhard verunglückte zehn Minuten oberhalb Bourg ⸗Saint⸗Pierre der aus Schaffhauſen gebürtige Profeſſor Gottfried Keller, der ſich zuvor in Montreux aufhielt. Er wollte dieſen rauhen Paß zur Winterzeit ſehen, und hatte auch ſchon dem Simplon⸗Hoſpiz einen Beſuch ge⸗ macht. Er war vor einigen Tagen des Abends 6 Uhr zu Schlitten in Liddes angekommen und ſetzte ntgegen dem Rat ſeines Führers, den Weg Nachts nach Bourg⸗Saint⸗Pierre und, ohne ſich hier aufzu⸗ halten, weiter fort, um noch zur Cantine zu gelan⸗ gen und dann am folgerden Morgen über den harten Schne⸗ die Tour zu vollenden. Oberhalb Bourg⸗Saint⸗Pierre glitt der Verwegene einige Schritte aus; er wollte ein wenig ausruhen und ſich ſtärken, wie man aus dem Umſtande annimmt, daß fich zu ſeinen Füßen leere Flaſchen vorfanden. Hier erfror er und wurde er Tags darauf als Leiche vorgefunden. — Großer Internationaler Wetiſtrelt, Brüſſel 1888. Mit dem 15. d. M. iſt der Anmeldeter min für den Brüſſeler Wettſtreit definitiv abgelaufen. Die deutſche Abteilung zählt circa Ein Tauſend Aus⸗ ſteller, An der Spitze derſelben ſtehen als General⸗ Kommiſſare die Herren: Freiherr von Landsberg Vehlen, Generalkonſul Goldberger und Geheimer Kommerzienrat Dietrich. Die Leitung der Geſchäfte der deutſchen Abteilung in Brüſſel iſt Seitens der deutſchen Komm ſſion Herrn R. Corneli, General⸗ inſpektor der Brüſſeler Ausſtellung, übertragen wor⸗ den. Ihm zur Seite ſtehen Herr Freiherr von Gie⸗ nanth⸗Brüſſel als Generalſekretär und Herr Arthur Vranken⸗Köln als Sekretär. Zur Zeit befaſſen ſich die Bureaux mit der Anfertigung der Situations⸗ und Dekorationspläne. Inſtruktionen wegen Zoll-, Transport- und einigen internen Fragen gelangen in den erſten Tagen an d. Herren Ausſteller z. Verſandt. Neueſte Nachrichten. Berlin, 20. März. In der geſtriegen Sitz⸗ ung des Reichstags verlas Fürſt Bismarck die fol⸗ gende Kaiſerliche Botſchaft: „Wir Friedrich, von Gottes Gnaden, deutſcher Kaiſer, König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wiſſen: Durch den nach Gottes Rat⸗ ſchluß erfolgten Hintritt unſeres geliebten Herrn Vaters iſt mit der preußiſchen Krone die deutſche Kaiſerwürde auf Uns überg⸗gangen. Wir haben die mit derſelben verbundenen Rechte und Pflichten mit dem Entſchluſſe übernommen, die Reichsverfaſſung unverbrüchlich zu beachten und aufrecht zu erhalten und demgemäß die verfaſſungsmäßigen Rechte der einzelnen Bundesſtaaten und des Reichstags gewiſ⸗ ſenhaft zu achten und zu wahren. Im Bewußtſein der mit der Kaiſerlichen Würde Uns überkommenen hohen Aufgabe werden Wir nach dem Vorbilde Unſeres unvergeßlichen Herrn Vaters jederzeit darauf bedacht ſein, in Gemeinſchaft mit den Uns verbün⸗ deten Fürſten und freien Städten unter der verfaſ⸗ ſungsmäßigen Mitwirkung des Reichstags Recht und Gerechtigkeit, Freiheit und Ordnung im Vaterlande zu ſchirmen, die Ehre des Reiches zu wahren, den Frieden nach Außen und im Innern zu erhalten und die Wohlfahrt des Volkes zu pflegen. Durch die einmüthige Bereitwilliakeit, mit welcher der Reichs⸗ tag den auf die Fortbildung der vaterländiſchen Wehrkraft behufs Sicherſtellung des Reiches gerich⸗ teten Vorſchlägen der verbündeten Regierungen zu⸗ geſtimmt hat, iſt Unſere hochſelige kaiſerliche Maje⸗ ſtät noch in den letzten Tagen ſeines Lebens hoch erfreut und gestärkt worden. Im it es nach gönnt geweſen, dem Reichstage einen tal ſerlichen Dank für dieſe Beſchlüſſe auszudrüce Um ſo mehr iſt es Uns Bedürfnis, dieſez Vermächt nis des in Gott ruhenden kaiſerlichen Herrn der Reichstage zu übermitteln und dem Letzteren au⸗ Unſeren Dank und Unſere Anerkennung für die ze dieſem Anlaß aufs Neue bewieſene pafriotiſche Hin gebung auszusprechen. Im zuverſichtlichen Vertrag auf dieſe Hingebung und auf die bewährte Bale landsliebe des geſamten Volkes und ſeiner Verſpel legen wir die Zukunft des Reiches in Gottes Hoh Gegeben Charlottenburg, den 15. März 1899 Gezeichnet Friedrich. Gegengezeichnet v. Mama Die erſte Viographie des neuen deutſchen ai iſt ſoeben unter dem Titel „Friedrich, Deutſcher al und König von Preußen,“ ein Lebensbild von Lud Ziemſſen, im Verlage von Franz Lipperheide, Pe erſchienen. Von dem bequemeren Bezuges halber in dien ungen erſcheinenden Buche liegt uns das erſte Het aber es zeigt uns bereits, daß wir es hier mit einem deutſamen Unternehmen zu thun haben, mit einem fel wie künſtleriſch auf gleicher Höhe ſtehenden Werke, daz bevorzugtem Grade das Intereſſe unſerer Leſer in Anſhrh nehmen dürfte. Dem Verfaſſer müſſen zahlreiche, dig noch wenig oder gar nicht benutzte, in weiteren Kreiſen gag lich unbekannte Quellen zur Verfügung geſtanden bah denn er erzählt uns in jedem Abſchnitt neue inzereſſg Thatſachen, die auf den geiſtigen Entwickelungsgang neuen deutſchen Kaiſers bezeichnende Streiflichter wert und das Lebensbild dieſes großen deutſchen Helden in char teriſtiſcher Weiſe vervollſtändigen helfen. Dabei iſt die 9 Ziemſſen gewählte Art der Darſtellung ungemein ſriſch unterhaltend; er hat den echten Volkston getroffen, der Herzen kommt und zu Herzen wirkt. Zahlreiche Iluſtegtioge Vollbilder ſowohl wie kleinere in den Text verſtreute, leihen dem von der Verlagshandlung würdig und vorgeh ausge ſtatteten Werke einen eigenartigen Schmuck! Meß wie Bleibtreu, Camphauſen, W. Gentz, Lüders, Neſtell, diz horſt, Winterhalter u. A. gehören in erſter Reihe zu e künſtleriſchen Mitarbeitern dieſer Biographie. In der az vorliegenden Lieferung erregen die Portraits des Fahr Prinzen Friedrich Wilhelm, ferner diejenigen der Prize Viktoria, unſerer jetzigen Kaiſerin, in ihrem elften Mog (nach einer Zeichnung der Königin Viktoria) ein beine Intereſſe: ſehr amüſant find auch die Reproduktionen den Geographie⸗Heften des kleinen Prinzen Die auf Rah druckpapier nach Vorlagen berühmter Maler bergen großen Vollbilder, deren jedes Heft zwei enthält, he ſich durch vollendete äußere Technik aus. Um dieſez e bild unſeres Herrſchers zu einem Gemeingute der daher Nation zu machen, was es ſeiner ganzen Veranlagunz daß zu werden verdient, iſt der Preis des Werkes aüßerſf rig feſtgeſetzt worden. Das Buch erſcheint in ela 10 A ferungen, die in Zwiſchenräumen von 8 bis 14 Tagen Ausgabe gelangen; jede Lieferung umfaßt 16 Quar eiten Text mit zahlreichen Illuſtrationen und koſtet mur J Pfennig. rtönten Schritte durch die Dunkelheit. Ihre beſorgte Miene erheiterte ſich, ſie glaubte den Gang zu kennen. Leichten Fußes ſprang ſie den ſchmalen Pfad entlang, der auf die Straße führte, um dem Kommenden entgegen zu eilen, näher und näher ommen die Schritte, eine Mannesgeſtalt wurde ſicht⸗ bar, im nächſten Augenblicke mußte ſie die Arme des Geliebten umfaſſen. Da war es ihr, als wäre as Blut in den Adern mit einem Male zu Eis rflarrt, die Füße verſagten den Dienſt, und wie eſtgebannt blieb ſie ſtehen, mit ſtieren Augen den Ankömmling muſternd. — Nicht der Geliebte war es, der vor Ihr ſtand, ſondern ein Anderer, in Mann, vor dem Sie ein gewiſſes heimliches Grauen empfand, als müſſe ihr von ihm Böſes wiederfahren. „Guten Abend, Marietta!“ ſagte der Fremde dem Mädchen die Hand bietend. „Du haſt mich twartet und kommſt mir entgegen, das iſt brab von Dir!“ Wo iſt Leonardo, warum bleibt er auch heute weg? fragte Marietta haſtig, ohne auf die Worte 5 „Leonardo und immer wieder Leonardo!“ er⸗ wiederte Jener unmuthig. „ſchlage dir den doch end⸗ lich aus den Sinn. Glaubſt Du, der reiche Fremd⸗ ing werde ein armes Fiſchermädchen, wie Du biſt, heiraten? Bei ſolchen Herren heißt es: an⸗ eres Städtchen, anderes Mädchen; indeſſen wirſt Was ſagen ſie, Pietro ? rief das Mädchen banal preßte. „Es iſt ſo““ meinte Jener in ruhigem, faſt Du wohl überhaupt ſeine letzte Liebe geweſen ſein.“ angſtvoll, indem es den Arm des Mannes faßte und gleichgiltigem Tone, deinen Le lich wied erſehen. g „Iſt er abgereiſt?“ 5 Die Stimme des Mädchens zitterte leiſe und von dem ſonſt ſo vollen, weichen Tone war nichts zu bemerken. „Schlimmer als das, Marietta,“ verſetzte Pietro langſamund mit Nachdruck, als wolle er dam Mädchen die ganze Schwere ſeiner Worte empfinden laſſen, „er iſt wahrſcheinlich in dieſem Augenblick bereits ein todter Mann, für dich unwiederbringlich verloren.“ Alles Blut war aus dem Antlitze des Fiſcher⸗ mädchens gewichen; mit ſtarren, irren Blicken ſchaute ſie einen Moment lang dem Manne in's Geſicht, daß dieſer, den Ausbruch des Wahnfins fürchtend, unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. „Todt?“ ſchrie ſie mit gellender Stimme, „das iſt Lüge! Leonardo iſt nicht tot, er darf nicht tot ſein, hö ren ſie es, Pietro er ſoll, er muß leben, leben für mich, für mich, ſeine Braut, die ohne in nicht leben kann, nicht leben will.“ „In jedem Worte, welches das Mädchen her⸗ vorſtieß, ſpiegelte ſich die Seelenangſt, die ihr In⸗ neres durchwühlte, und als ſie geendet, ſtreckte Sie beide Hände aus, wie um einen Stützpunkt zu ſuchen, und ehe noch Pietro helfend herbeizuſpringen vermochte, brach ſie matt und kraftlos zuſammen. Das Unglück war ſo plötzlich über ſie hereingebrochen, daß das ſonſt ſo ſtarke, energie volle Mädchen ihm erlag. Der junge Mann hob ſie empor und bot ihr ſeinen Arm. „Ergieb Dich in das Unvermeidliche, tröſtete er und ſuchte ſeiner ſanften Ausdruck zu geben, W e du ſchwer⸗ a Marietta, Stimme einen möͤglichſt aber es klang dazwiſchen 1 Den 9 mit Ringen und 1 ee 8 durch, wie triumphirende Schadenfreude. Neon würde Dich doch über kurz oder lang verlaſſen haben und dann wäre die Enttäuſchung für Dich eine nag härtere geweſen. „Das Mädchen riß ſich von dem Arme iz Begleiters gewaltſam los ſie bedurfte keiner Se mehr, die letzten Worte Pietros hatten ihr alle W lenskraft zurückgegeben. „Sprechen Sie nicht ſo von ihm,“ rief ſee gebietendem Tone. „Leonardo iſt kein Schurke, det mit den Herzen der Frauen ſpielt, der ſich ſchmeichelnd nähert und dann dem bethörten West lachenden Mundes erklärt, daß er nur Scherz ge macht habe. Leonardo iſt ehrlich und wahr, et lit mich treu und innig, und einer ſolchen Handlung weiſe, wie ſie, Signor, ſie ihm zutrauen, ist er A mals fähig.“ „Denke was Du willſt, Marſekla, ich will d Deinen Glauben nicht nehmen,“ ſagte Jener i ſpöttiſchem Lächeln. „Aber Du klammerſt Dich un ein Phantom, an ein Nichts, du biſt wie ein gung aber berzogenes Kind, das nicht weiß, was e frommt. Entſchlage dich der Gedanken an den Todung 2 und halte Dich an die Lebenden. Sie Mödchen ich bin Dir gut, Du weißt es; ſei mein, und Au 5 ſollſt nicht mehr Netze ſtricken das armſellge Gewand de ſollſt Du ablegen und dich mit ſeidenen Kleſdenn 705 a * 8 Spangen ſchmücken.“ Fortſetzung folgt. „Na, Einjähriger Müller, Sie ſind aug 1 ein altes Kameel, dem noch die Eierſchalen auf de Hoͤcker ſißen!“