100 Garmondzeile oder deren Raum mit Reklamen mit 20 Pf. berechnet. Nr. 4. — —— Volitiſches. Berlin, 10. Januar. Im Reichstag hat der konſervative Abgeordnete Hartmann einen neuen Geſetzentwurf wegen Entſchädigung unſchuldig Ver⸗ urteilter eingebracht. In dem grundlegenden §8 1 lautet dieſer Geſetzentwurf: „Dem Angeklagten, wel⸗ cher wegen einer nach der Strafprozeßordnung zu verfolgen geweſenen ſtrafbaren Handlung zu einer Freiheitsſtrafe verurteilt worden und dieſelbe ganz oder teilweiſe verbüßt hat, iſt, wenn er im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens wegen dieſer Handlung freigeſprochen worden, auf ſeinen Antrag für die durch den Strafvollzug in Beziehung auf ſeine Vermoͤgensverhältniſſe, ſeinen Erwerb oder ſein Fortkommen erlittenen Nachteile Entſchädigung aus öffentlichen Mitteln zu gewähren, falls auf Frei⸗ ſprechung erkannt iſt, weil die That, wegen der die Verurteilung erfolgt war, überhaupt nicht oder nicht von dem Verurteilten begangen, oder weil die ſämt⸗ lichen Beweiſe, auf welche die Verurteilung ſich gründete, beſeitigt worden.“ Aus Südweſtafrika iſt Dr. Büttner nach Deutſchland zurückgekehrt und hat nach Berlin die Schutzverträge überbracht, die ſeitens des deutſchen Reiches mit einer Reihe von Häuptlingen im Weſten des bisherigen deutſchen Schutzgebiets zwiſchen dem Oranjefluß und Cap Frio abgeſchloſſen worden find. Ss handelt ſich in dieſen Verträgen nicht um Ab⸗ tretung des Oberhoheitsrechts, vielmehr unterſtellen ſich die Häuptlinge darin nur dem deutſchen Schutze und der deutſchen Freundſchaft und verpflichten ſich dagegen, deutſche Unternehmungen nach Kräften zu fordern. Von beſonder Wichtigkeit ſind die Verträge mit dem Maharero und mit dem Häuptling des Roten Volkes, deſſen Gebiet ſich weit bis in die ſogenannte Kalahariwüſte erſtreckt. So iſt jetzt das Erſch nt jeden Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich 1 && 20 3 mit illuſtiertem Anterhaltungsblakt 1 4 70 excel, Poſtproviſton. Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die einſpaltige t 10. Pf., Lokal Anzeigen mit 6 Bei größeren Aufträgen Rabattbewilligung. Pf., Ladenburg und Amgegend. Nachſtehende Annoncen - Erpeditionen: Alois Herndl in Wien, Adolf Steiner 5 in Hamburg und fämtliche Annoncen⸗Bureaux von Haaſenſtein und Vogler, Rudolf Moſſe, G. L. Daube und J. Barck und Comp. nehmen Inſerate W n c e 5 K N für uns an. Inſerate ſind von nachweisbarer Wirkſamkeit. * Redaktion, Druck und Verlag von Karl Molitor in Ladenburg 1886. ganze Hinterland der deutſchen Küſte in Südweſt⸗ afrika bis etwa 22 Grad öſtlicher Länge von Green⸗ wich deutſchem Schutz unterſtellt. Dieſe Verträge werden ſchon in allernächſter Zeit in einem Weiß⸗ buche dem Reichstag zur Kenntnisnahme vorgelegt werden, ebenſo wird in den aller nächſten Tagen das wiederholt angekündigte Weißbuch über die Karolinen⸗ Inſeln erſcheinen. Ueber die zwiſchen Deutſchland und Frankreich erzielte Verſtändigung in Betreff der einzelnen Beſitzungen in Weſtafrika erfährt man noch, daß Deutſchland auf die Oberhoheit über die von dem Stuttgarter Collin in Beſitz genommenen Län⸗ dereien am Dubrika⸗Fluß, die einen deutſchen Keil in die franzböſiſchen Beſitzungen ſüdlich des Senegals einſchoben, verzichtet hat, ſelbſtverſtändlich unter Wahrung der Collin'ſchen Privatrechte, daß dagegen Frankreich die Oberhoheit Deutſchlands über das Togoland von Lome weſtlich bis einſchließlich des Königreichs Klein⸗Popo, ſowie ferner die Oberhoheit Deutſchlands über das ganze Batanga⸗ oder ſüdliche Kamerunland bis zum Riol del Campo anerkannt hat, ſodaß alſo jetzt für dieſe beiden Gebiete die Küſtenſtrecken unbeſtritten ſind. Auch über dieſe Verhandlungen wird demnächſt dem Reichstag aus⸗ führliche Mitteilung gemacht werden. Berlin, 8. Januar. Der im „Reichsan⸗ zeiger“ in lateiniſcher Sprache veroffentlichte Brief des Papſtes an den Fürſten Bismarck lautet in freier Ueberſetzung wie folgt: „Leo XIII. entbietet dem erhabenen Manne, dem Fürſten Otto Bismarck, des Deutſchen Reiches großem Kanzler ſeinen Gruß. Als in dem Streit über die Karolinenfrage auf die von uns vorgeſchlagene Grundlage hin eine Einigung erzielt war, haben wir dem erlauchten Kaiſer von Deutſchland unſere Freude darüber kund thun laſſen, aber wir wollen auch Dir, mächtiger Fürſt, dieſelbe freundliche Gefinnung bekunden, der Du aus eigener freieſter Ueberzeugung heraus uns zum Schiedsrichter in dieſem Streit vorgeſchlagen haſt. Wir wollen Dir auch gern geſtehen, wie es auch in Wirklichkeit liegt, daß wenn wir die verſchiedenen Schwierigkeiten bei der Laſt unſerer Geſchäfte zu überwinden in der Lage waren, wir dies zu einem großen Teile Deinem anhaltenden Eifer zu verdanken haben, da Du von Anfang bis zu Ende unſere Bemühungen unterſtützt haſt. Deswegen bezeugen wir Dir dankbar, daß uns ganz beſonders infolge Deines Rates eine äußerſt günſtige Gelegenheit dargeboten iſt, um den Frieden aufrecht zu erhalten. Eine ſo würdige Aufgabe zu erfüllen, das iſt freilich in der Geſchichte des heiligen Stuhles nichts neues, ſondern etwas, was man ſeit langer Zeit zu wünſchen aufgehört hat, obgleich es kaum irgend etwas gibt, was mit dem Geiſt und der Natur des römiſchen Pontifikats ſo vollſtändig übereinſtimmte. Du biſt lediglich frei Deinem Ermeſſen gefolgt und haſt die Angelegenheit mehr nach ihrem wahren Gehalte, als nach der Meinung Anderer oder nach dem Herkommen beurteilt und deshalb klein Bedenken getragen, ſie unſerem billigen Urteil anzuvertrauen. Dabei haſt Du die offene und ſtill⸗ ſchweigende Billigung der vorurteilsfrei denkenden Männer auf Deiner Seite gehabt, namentlich aller Katholiken des ganzen Erdkreiſes, welche ſicherlich wunderbar ergriffen ſein mußten von der ihrem Vater und Oberhirten erwieſenen Ehre. Deine poli⸗ tiſche Klugheit hat ſehr viel gethan, um das deutſche Reich zu einer ſolchen Höhe, wie es allgemein aner⸗ kannt und zugeſtanden wird, zu erheben. Das eine aber, was ſelbſtverſtändlich iſt, das ſiehſt Du jetzt, daß ein Reich täglich feſter ſteht und bleibt, wenn es durch mächtige Kräfte auf die Dauer geſtützt iſt. Es iſt jedenfalls Deiner Weisheit nicht entgangen, Die Lieblingskkinder. 1555 tilt Novelle von M. Gerbrandt. 1 öſch, „Abrabhmsſon! Um Gotteswillen, wie kommſt irg. Du zu dem Wucherer!“ . „Eigentlich nur durch die dritte Hand, Mama, urüllge⸗ erhielt ich von ihm einen kleinen Vorſchuß. Mit dem Taſchengelde, das Papa mir giebt koͤunte allen⸗ 5 N falls ein Kommis auskommen, aber nicht —“ i „Gut, gut! Wenn nur dieſe Verlobungen zu⸗ 8. ſtande kommen! Geh jetzt ſende mir Frieda. — ang) Aber höre, Alphons, die Affare mit Abrahmsſon i iſt das erſte und letztemal —“ itwe. „Ich verſpreche es, theuerſte Mama! — Und — jetzt fliege ich Dir Frieda zu ſchicken.“ N N . 1 4. Kapitel. 4 0 8 Leonie ſchlief bereits, ober Valerie ſaß noch lange, nachdem es im Hauſe ſtiller geworden, regungs⸗ los an dem Tiſch ihres Zimmers. Ein Hoffnungs⸗ ſtrahl erhellte das ratloſe Dunk um ſi her: der Gedanke an Arthur. „Wenn Du in Not biſt, ſo rufe mich!“ hatte er geſagt. Sie wollte ihm ſchreiben, daß er mit Bergen ſprechen moͤge. Daß ſie das Glück, welches heute nachmittag ſo berlockend an ihr vorübergeſchwebt war, nie erreichen werde, hatte ſie ſich ja gleich geſagt. Aber wenigſtens würde ſie nicht die Gattin eines ungeliebten Mannes werden dürfen, wenn Arthur ihrem Bewerber alles das ſagte, was ſie ſelbſt unmoglich ſagen konnte. — Als ſie den Brief vollendet hatte, erhob ſie ſich, um hinunterzugehen. Sie wußte Arthurs augen⸗ blickliche Adreſſe nicht, denn er veränderte während ſeiner Geſchäſtsreiſe häufig ſeinen Aufenthaltsort und nur der erſte Buchhalter, Herr Hausmann, ſtand mit ihm in ununterbrochenem geſchäftlichen Verkehr. An Herrn Hausmann wollte ſie ſich wenden. So beſcheiden ſie war, ſo war ſie doch Weib genug, um zu wiſſen, daß, wenn ſie über irgend Jemand Einfluß beſaß, es dieſer Mann ſei. Herr Hausmann arbeitete gewohnlich bis ſpät in die Nacht hinein; oft hatte ihr der Vater noch um dieſe Zeit aufgetragen, ihm eine Erfriſchung zu ſenden. So klopfte ſie hoffnungslos an die Thür des Komptoirs. Der Buchhalter ſchien ſeinem Gehör mißtraut zu haben, denn er öffnete ſelbſt, ſchien verwundert, als er wirklich Jemand vor ſich ſah, und noch ver⸗ wundeter als er Valerie erkannte. „Sie — gnädiges Fräulein!“ rief er und eine jähe Blutwelle färbte vorübergehend ſein Ant⸗ litz. Er trat zurück, ſie einzulaſſen. „Ich komme mit einer Bitte, Herr Haus⸗ mann!“ Er bot ihr einen Stuhl und blieb dann, den l Ellenbogen an das Schreibpult geſtützt, höflich er⸗ wartend vor ihr ſtehen. Ihr Blick glitt an ſeiner hohen, ſchmalen Geſtalt empor und blieb auf dem glatten kalten Antlitz haften, das jetzt wieder keine Spur von Bewegung zeigte, und aus dem die blauen Augen ſo hell und klar funkelten, daß ſie der goldenen Brille wohl hätten entbehren können. Von einem unwillkürlichen Schauer befallen, ſagte ſie ſich, daß ſie mitfühlende Freundſchaft hier nicht ſuchen dürfe. „Umſtände machen es mir wünſchenswert,“ begann Valerie unſicher, „dieſen Brief moöͤglichſt bald an meinen Bruder gelangen zu laſſen. Ich wende mich deshalb an Sie —“ Hausmann ſtreckte die Hand nach dem Schreiben aus, ſie gab es ihm, obwohl zögernd. „Erlauben Sie, daß ich die Adreſſe ergänze,“ ſagte er mit ſchnellem Verſtändnis. „Ihre Hand⸗ ſchrift könnte auffallen — ſo! — Es hat Eile, ſagen Sie?“ „Mir liegt Alles daran, daß Arthur den Brief noch morgen erhält.“ „Der Schalterbeamte der nächſten Poſt iſt mein Freund. Wollen Sie mir die Beſorgung anver⸗ trauen, ſo geht der Brief noch dieſe Nacht von hier ab.“ „O, ich danke, ich danke Ihnen!“ rief ſie