00 1 ö Nr. 97. Volitiſches. Karlsruhe, 2. Dez. Man erwartet mit einer gewiſſen Spannung die noch ausſtehende Vor⸗ loge wegen der Gemeindebeſteuerung, da aus ihr im Zuſammenhang mit der Einkommenſteuer erſt hervor⸗ gehen wird, welche Geſamtlaſt infolge der neuen Steuerregelung den einzelnen Pflichtigen trifft. Dar⸗ Über beſteht übrigens kein Zweifel, daß den Bauern nicht die Staatsſteuer, ſondern die oft drei⸗ bis biermal ſo große Gemeindeſteuer in erſter Reihe be⸗ drückt und daß man die Hoffnung nicht hegen darf, den Landmann durch Nachläſſe an der ſtaatlichen Grundſteuer nachhaltig zu beglücken, wenn er ſie natürlich auch gern annimmt. Nicht allen Gemeinden wird es ſo wohl, wie der Stadt Mühlburg, deren Steuerfuß durch die Vereinigung mit Karlsruhe auf eiwa ein Dritteil des bisherigen Satzes verringert wird. Karlsruhe, 1. Dez. Die Vereinigung der Gemeinden Mühlburg und Karlsruhe wurde von der zweiten Kammer einſtimmig angenommen. Dazu ein Antrag don Kiefer und Genoſſen, die Regierung wolle in Erwägung ziehen, ob und welche Aende⸗ rungen im Wahlbezirk Karlsruhe⸗Stadt und Karls⸗ ruhe⸗Land infolge dieſer Vereinigung einzutreten hätten. Karlsruhe wird nämlich um 4000 Ein⸗ wohner großer und der Landdezirk verliert durch die Wegnahme von Mühlburg 17 Wahlmänner. Die Debatte bewegte ſich faſt ausſchließlich um die Frage, ob deshalb eine geſetzliche Aenderung der Wahlein⸗ teilung nötig falle. Schon der Bericht hatte die Frage geſtreift, ob nicht nach den heutigen Verhält⸗ niſſen für ſtark angewachſene Städte, wie Mannheim, Karlsruhe und auch Freiburg, die Zahl der ihnen durch die Wahlordnung zugeteilten Abgeordneten zu Im Reichstag ſteht die lein geworden ſei. Berlin, 1. Dez. N 1 * 9 1 1 N Samstag, den 5. Dezember ochenblatt General-Anzeiger für Ladenburg und Amgegend. Erſcheint jeden Mittwoch und Hamskag und koſtet vierteljährlich 1 K mit illuſtiertem Anterhaltungsblakt 1 % 70 r 5 Inſerale 5 welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in d Erbedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und 5 55 die e Harmondzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Lokal⸗ Anzeigen mit 6 Pf., ( Nellamen mit 20 Pf, berechnet. Bei größeren Aufträgen Rabattbewilligung. Nachſtehende Annoncen ⸗ Erpeditionen: Alois Herndl in Wien, Adolf Steiner in Hamburg und ſämtliche Annoncen⸗Bureaux von Haaſenſtein und Vogler, Rudolf Moſſe, G. L. Daube und J. Barck und Comp. nehmen Inſerate für uns an. Inſergte find von nachweisbarer Wirkſamkeit. Redaktion, Druck und Verlag von Karl Molitor in Ladenburg Interpellation über die Ausweiſung nichtdeutſcher Staatsangehöriger aus den öſtlichen Provinzen Preu⸗ ßens auf der Tagesordnung. Der Reichskanzler verlieſt eine Botſchaft Seiner Majeſtät des Kaiſers, welche beſagt, daß die eingebrachte Interpellation der Meinung Ausdruck gebe, als könne die deutſche Reichsregierung einen Bundesſtaat veranlaſſen, Schritte rückgängig zu machen, welche dieſe Regierung in ihrem Lande gethan. Eine Reichsregierung, welche in dieſer Weiſe gegen die Regierung eines Einzel⸗ ſtaates vorgehen könne, gebe es nicht; die Inter⸗ pellation ſtehe daher nicht im Einklang mit der Reichs⸗ verfaſſung. Fürſt Bismarck fügt der Verleſung der kaiſerlichen Botſchaft hinzu, er müſſe als preußiſcher Bevollmächtigter zum Bundesrat darauf halten, daß den Beſtrebungen Preußens zur Verhütung der wei⸗ teren Ausbreitung des Polonismus von Reichswegen nicht entgegengetreten werde. Es handle ſich hier um ein Hoheitsrecht des Königs von Preußen. Wenn die Parteien des Reichstages heute den Konig von Preußen und morgen den Konig von Sachſen vor die Schranken des Reichstags rufen wollten, ſo wiederſpreche dies der Verfaſſung. Namens der Bundesregierung lehne er daher eine Beantwortung der Interpellation ab. Abg. Windthorſt beantragt, die Interpellation von der Tagesordnung abzuſetzen. Fütſt Bismarck und die Mitglieder des Bundesrates verlaſſen den Saal. Das Haus nimmt den Antrag Windthorſt gegen die Stimmen der Linken an. Der Reichstag trat hierauf in die zweite Beratung des Etats ein. Bei dem Etat des Reichskanzlers kommt Windthorſt auf die heutige Interpellation zurück, mit welcher man nicht die Hoheitsrechte eines Bun⸗ desfürſten habe verkümmern, ſondern nur einer Be⸗ ſchwerde des Landes Ausdruck geben wollen. Fürſt Bismarck iſt inzwiſchen wieder in den Saal getreten. Er erwiedert, er ſei kein Partikuliſt, wenn aber der Konig und die Bundesregierungen nicht wüßte, daß er die Verfaſſung und die Rechte der Einzelſtaaten mit Feſtigkeit ſchütze, ſo würde die Reichsverfaſſung nicht ſo feſtgewachſen ſein, wie ſie es iſt, ſondern vielmehr die alte Rivalität der Stämme wieder er⸗ wacht ſein. Fürſt Bismarck erklärt, im Landtage würde er den Nachweis für die Notwendigkeit der Ausweiſungsmaßregel führen, die er für ſehr weiſe halte. Die konfeſſionelle Frage kommt bei der Aus⸗ weifungsmaßregel abſolut nicht in Betracht, ſondern nur die Nationalitätsfrage. Die Zeit der Polen⸗ ſchwärmerei ſei vorüber. Abg. Hänel weiſt die An⸗ nahme zurück, als unterſtützten die Deutſchfreiſinnigen die Poloniſierung; er ſpricht von der Bedrückung der Deutſchen in Oeſterreich und den Oſtſeeprovinzen und erklärt, es handle ſich um eine, völkerrechtliche auswärtige Angelegenheiten betreffende Frage, die im Reichstage diskutierbar ſei. Pir of, 2. Dez. Infolge der Nachricht, daß ein tütkiſcher Kommiſſar nach Oſtrumelien entſandt ſei, begab ſich eine Deputation von allen rumeliſchen Regimentern, welche im Lager von Pirot anweſend find, an ihrer Spitze Oberſt Nikolajew, zum Fürſten und erklärte, ſie könnte, da die Rumelier ihr Blut auf dem Schlachtfelde, an der Seite der Bulgaren für die Verteidigung vergoſſen hätten, niemals eine Trennung von denſelben annehmen, Der Flürſt erwiederte, wenn er die bulgariſchen und rumeliſchen Truppen an die ſerbiſche Grenze hätte marſchieren laſſen, ſo ſei dies infolge der Kriegserklärung Ser⸗ biens geſchehen, nicht wegen des Verzichts auf die Union. Wenn die Bevölkerung gegen eine Trennung proteſtiere, ſo habe er nicht das Recht, die Union zurückzuweiſen. Wie geſtern ſei er auch heute bereit, ſich für die heilige Sache Bulgariens zu opfern. Am Ruhm und Ehre von L. Walde mar. 8. „Germina Galveſti, des Edelmanns Tochter, welcher in der Nähe meines Schloſſes ein Gut beſitzt!“ Eine Weile nach dieſer Eröffnung herrſchte lieſſtes Schweigen, dann aber brach ein orkanartiger Sturm los, deſſen Heftigkeit ſich ſchwerlich nieder⸗ ſchreiben ließe. Und dieſer Sturm endete einfach mit den Worten: „die Tochter jenes Bettelbarons wirſt Du nicht heiraten. Dagegen wirſt Du Dich guf mein Betreiben binnen 3 Wochen mit der Gräfin Bianca verloben. Gehorchſt Du nicht, ſo werde ich das Geſchenk, welches ich Dir mit dem Schloſſe ge⸗ macht, einfach zurückziehen, denn Du weißt, daß über dieſe Schenkung kein Pergament exiſtiert. Zum andern aber werde ich Dich als meinen Sohn über⸗ haupt nicht mehr anerkennen. Du haſt jetzt die Wahl zwiſchen dem Stande eines Bettlers und dem ⸗ jenigen, welcher der Rang Deiner Familie Dir in die Wiege legte. Geh jetzt, ich moͤchte allein ſein; binnen drei Stunden erwarte ich Dich in dieſem Zimmer, um Deine Antwort zu hören!“ Der Sohn verließ gebeugten Hauptes das Gewach. Wie eine Zentnerlaſt lag das Geheimnis ſeiner Heirat, welches er nicht vor das Tageslicht zu bringen den Mut hatte, auf ſeiner Seele. Aber darin, daß er zu ſeinem Vater nur von Liebe, nicht aber von einer bereits ſtattgehabten Heirat redete, kennzeichnete ſich die ganze Niedrigkeit ſeines Charakters welche der alte Galveſti ſo draſtiſch bezeichnet hatte. Er hatte ſo viel Mut gefunden, Germina aus dem Hauſe ihres Vaters zu entführen, aber den Mut, ſie glücklich zu machen, fand er nicht. Nachdem er die langen Korridore des Schloſſes durchſchritten, gelangte er in ſein eigenes Gemach, in welchem, wohl auf ſeinen Befehl, Dolores ſchon ſeit geraumer Zeit ſeiner harrte. „Das Spiel iſt aus, Dolores!“ redete er ſeinen Haushofmeiſter an, indem er ſich erſchöͤpft in einen Seſſel niederließ. „So, habt Ihr Eurem Vater alles geſtanden, Signor?“ fragte Dolores geſpannt. i „Nein, das gerade nicht, ich machte ihm nur leiſe Andeutungen don meiner Liebe zu der Tochter Galveſtis. Aber ſchon das genügte um meinen Vater in Harniſch zu bringen. Er drohte einfach, mich enterben und verſtoßen zu wollen, wenn ich an dieſer Liebe feſthalten wolle. Er ließ mir die Wahl zwiſchen dem Bettelſtand und demjenigen, welcher meinem Namen gebührt, und er verlangt binnen 3 Stunden Antwort darüber, ob die Verlobung mit der Gräfin Bianca binnen drei Wochen vor ſich gehen ſoll oder nicht. Jetzt rate mir, Dolores wie iſt dieſer gordiſche Knoten am beſten zu durchhauen?“ „Wenn Sie mich für würdig halten, in dieſer Beziehung einen Vorſchlag machen zu dürfen?“ ſagte ſcheinbar zögernd Dolores. „Gewiß, Du ſiehſt, ich brenne vor Begierde, Deine Meinung zu hören. „Mein Rat iſt ein ſehr kurzer. Signor, heiratet die Gräfin Bianca und behaltet die Baroneß Germina bis — —“ „Nun bis 2 warum ſprichſt Du nicht weiter * „Bis es Gott gefallen wird, Euch zu be⸗ deuten, daß Ihr Euch in einem Teil genügen müßt.“ e „Ehe dieſer Umſtand eintrifft, kann alles längſt entdeckt ſein.“ „Gut, ſo muß dieſer Entdeckung vorgebeugt werden. „Schurke, Du meinſt Doch nicht? — —“ „Signor werden mir nicht zutrauen, daß ich einen Mord predigen will.“ „Was ſollen Deine Worte ſonſt bedeuten ?“ „Ew. Herrlichkeit wollen mir nur die Vollmacht geben, daß ich Signora aus dem Marmorſchloß noch weiter, etwa nach Wien führe, weil ſie ſonſt Eurer Hochzeit gefährlich werden konnte. Ein halbes Jahr in der Abgeſchiedenheit und doch wieder in der Luſt und Freude der Reſidenz werden ihr die Eröſſnungen, die alsdann zu machen wären, weniger ſchwer fühlen laſſen und wenn ſtie je Wiederſtand zeigte, ſo lönnte 5 ja das alte Pfarrhaus, in welchem die Heiratsur⸗