Erſcheint jeden Mittwoch und Samſtag und koſtet vierteljährlich 1 / 20 03 mit illuſtiertem Anterhaktungsblatt 1 /K 70 J exel, Poſtproviſion. Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Aufnahme und werden die einſpaltige t 10 Pf., Lokal⸗ Anzeigen mit 6 P., ( Bei größeren Aufträgen Rabatthewilligung, Expedition eingehen, „finden ſofortige Garmondzeile oder deren Raum mit Reelamen mit 20 Pf. berechnet. 1 . Nr. 68. i Volitiſches. Berlin, 24. Auguſt. Das eigentliche Ereignis der abgelaufenen Woche iſt der Beſuch des Wiener Männergeſangvereins in Berlin. Die Bedeutung dieſes Beſuches wird allgemein empfunden, denn ſo bewunderungswürdig auch die Kunſtleiſtungen des Wiener Männergeſangvereins ſind, die Demonſtra⸗ tionen und Ovationen, welche ihm in Berlin gebracht wurden, erklären ſich nicht durch bloſe Anerkennung der geſanglichen Künſtlerſchaft der Gäſte; da iſt der politiſche Gedanke der freundſchaftlichen Einigung zwiſchen dem deutſchen Reich und dem deutſchen Oeſterreich durchgebrochen, der Gedanke einer „deutſch⸗ öſterreichiſchen Volksentrevne“ wie ein Berliner Blatt den Beſuch der Wiener in der deutſchen Reichshaupt⸗ ſtadt nannte. Dieſer Beſuch hat zweifelsohne ein ichtbares Zeichen aufgeſteckt, das die vollendete Ver⸗ ſöbnung der einſtmals feindlichen Brüder auch dem bloͤdeſten Auge ſichtbar macht. In Frankreich hat am 16. ds. die Ent⸗ büllung der Statue des Generals Chanzy in Le Mans ſtattgefunden. Daß bei dieſer Angelegenheit viel geredet wurde, iſt ſelbſtverſtändlich, aber alle Reden klangen diesmal friedfertig. Admiral Jaure⸗ guiberry gab den Mangel an geübten Soldaten als Grund an, weshalb Chanzy trotz ſeiner Energie keine Erfolge errungen habe. Der Kriegsminiſter Campenon wies darauf hin, daß die Beſtrebungen der Republik friedliche ſeien, und der Miniſter des Innern, Allain Targe, rief in einer Rede beim Bankett aus: „Frankreich will den Frieden! Es iſt friedlich geſinnt, ſeine Friedensliebe iſt aufrichtig, ſie iſt ihm von der nationalen Demokratie auferlegt, welche die Sicherheit und die Würde Frankreichs will!“ — Das klingt alles recht ſchön, aber die Phraſe „die Republik iſt der Friede“ im Munde Mikfwoch, den rufene „Das Kaiſerreich iſt der Friede!“ Vor acht Tagen war das Gerücht zu verzeichnen, daß England ein Bündnis mit China gegen Ruß⸗ land geſchloſſen habe, in den letzten Tagen heißt es nun, England ſei mit Italien ein Vertrag eingegangen, deſſen Hauptzweck zunächſt der Entſatz von Kaſſala ſein ſoll, welcher im Oktober durch ein gemiſchtes engliſch-italieniſches Truppenkorps erfolgen ſoll. Dies ſteht nun allerdings mit der ſeither ver⸗ breiteten Annahme, die Abeſſinier ſeien auf dem Weg, der bedrängten Stadt Hilfe zu bringen, im Wiederſpruch, aber alles Ernſtes wird in römiſchen politiſchen Kreiſen behauptet, infolge Wefgekung der Pforte, im Sudan zu intervenieren, ſeien neuerdings Abmachungen zwiſchen England und Italien getroffen worden, welche die früheren Dispositionen aufheben würden. Nachdem der Sultan von Zanzibar ange⸗ ſichts der vor ſeinem Palaſte Stellung nehmenden deutſchen Kriegsſchiffe die Forderungen Deutſchlands bewilligt hat, werden jetzt durch Kommodore Paſchen wegen Entſchädigungsanſprüchen, welche ſowohl die deutſchen Geſellſchaften als der Sultan erhebt, Ver⸗ handlungen gepflogen. Der Sultgn hat nämlich s. Z. auf neutralem Gebiete die Expedition Hörnicke angreifen laſſen und es ſind ihm hierbei vier Sol⸗ daten getötet worden. Für dieſe Soldaten bean⸗ ſprucht Said Bargaſch 150,000 Mk.; von ſeiten der deutſchen Geſellſchaft macht man Gegenanſprüche geltend. In Kreiſen der deutſchen Reichsregierung glaubt man, daß die Sache nach orientaliſchem Ge⸗ brauch durch Geſchenke ausgeglichen werde. Die deutſch⸗ oſtafrikaniſche Geſellſchaft war hierzu ſchon früher bereit, aber alle Verſuche einer Auseinander⸗ ſetzung ſcheiderten an der Verblendung des Sultans, adenburg und IAmgegend. Nachſtehende Annoncen ⸗ Expeditionen: Alois Herndl in Wien, Adolf Steiner in Hamburg und ſämmtliche Annoncen⸗Bureaux von Haaſenſtein und Vogler, Rudolf Moſſe, G. L. Daube und J. Barck und Comp. nehmen Inſerate 26. Ruguft eines Franzoſen erinnert noch zu lebhaft an das ver⸗ der die Deutſchen als eine von den Engländern ab⸗ N 8 cublall für uns an. Inſerate ſind von nachweisbarer Wirkſamkeit. Redaktion, Druck und Verlag von Karl Molitor in Ladenburg 1885. hängige Macht betrachtete. Jetzt iſt Said Bargaſch vielleicht anderer Anſicht geworden. Die beabſichtigte, oder wie man in Madrid annimmt, vollzogene Beſetzung der Karolinen durch Deutſchland hat in Spanien arge Verſtimmung gegen das deutſche Reich hervorgerufen und die oͤffent⸗ liche Meinung ſpricht ſich gereizt über den Fall aus. Die Madrider Blätter behaupten, es gäbe keine Entſchuldigung für dieſe Verletzung des Volksrechts, zumal Deutſchland durch ſeine Konſuln gewußt hätte, daß der Gouverneur der Philippinen ſeit März d. J. die effektive Occupation der Karolinen vorbereitete. Der afghaniſche Grenzſtreit ſcheint nun⸗ mehr einer ſchnelleren Löſung entgegenzugehen. Ruß⸗ land hat ſeine Forderung bezüglich des Zulfikar⸗ Paſſes geändert. Ungeachtet deſſen wird dabei die Befeſtigung von Herat in größter Eile weiter geführt und der Bahnbau von Harnat zum Bolan⸗Paß von den Engländern eifrig weiterbetrieben. Berlin, 19. Aug. Dem „Tagblatt“ zufolge erſcheint die Verhängung des Konkurſes über das Privatvermögen des Königs von Bayern unvermeid⸗ lich. Weder die bayeriſchen Prinzen, noch der an⸗ geblich um Hilfe angegangene Wiener Hof werden die Tilgung der Schuldenlaſt übernehmen, und eben⸗ ſowenig erſcheine den Miniſtern ein Apell an den Landtag zur Erhöhung der Zivilliſte ratſam. Kremſier, 23. Aug. Anläßlich der bevor⸗ ſtehenden Kaiſerbegegnung ſind hier eingetroffen: der Erzbiſchof von Olmütz, Kardinal von Fürſtenberg, der Miniſterpräſident Graf Taaffe, die Grafen Pal⸗ lavicini und Lariſch, der Intendant des Hoftheaters, der Landeshauptmann von Mähren, Graf Vetter und der Corpskommandant Graf Stubenrauch. Heute früh zog mit klingendem Spiele die aus dem Ale⸗ Zwei Männer. Novelle von Friedrich Wörndel. 5 2. Fortſetzung. „Was iſt denn das, Geerd?“ Mit dieſen Worten machte Franziskas Vater, der ſoeben um die Hausecke bog, ſeinem Erſtaunen Luft, als er den Neffen reiſefertig vor ſich ſtehen ſah. „Der Bettelbube geht, wie er gekommen!“ rief der junge Mann erbittert aus, warf ſein Bündel über die Achſel und ſchritt von dannen. „Doch ſo leichten Kaufes ſollte er nicht davon⸗ kommen. 5 Die kleine Gertrud hatte Alles angehoͤrt und ihr aufgeweckter Sinn wohl begriffen, daß Geerd do bold nicht wiederkehren würde. Wie der Wind flog ſie die Treppe hinunter und hinter dem Jüng⸗ ling her. „Geerd! Geerd! rief ſie ein über das andere Mal, doch dieſer beſchleunigte nur ſeinen Gang. Atemlos rannte das Kind, und als es mit Auf⸗ bietung aller Kräfte ihn endlich eingeholt hatte, ſank ſie erſchöpft vor des jungen Mannes Füßen nieder. „Geerd,“ keuchte ſie, „geh' nicht fort, bleib, ich bitte Dich, bleib', Geerd!“ „Es iſt mir nicht möglich, Gertrud,“ ſagte dieſer, betroffen und erſchüttert von der Anhänglichkeit des zehnjährigen Mädchens. . Das Kind hub bitterlich zu weinen an, ſie fragte Geerd nicht nach dem Grunde ſeines Fort⸗ gehens, ſie ſagte nichts mehr; ihre ganzen Gedanken gingen in dem auf, daß ihr beſter, treueſter Freund ſie berlaſſen würde. Geerd war ihr von jeher gut geweſen, er war der Vertraute ihrer kleinen Freuden und Leiden, — wem ſollte ſie ſich nun anvertrauen? Die Schweſter ging bald fort, und es blieb nur der hartherzige, rauhe Vater. — Vergebens ſuchte der Jüngling die Schluchzende zu beruhigen; als nichts fruchten wollte, zog er einen blanken Thaler aus der Taſche und reichte ſie dem Kinde mit den Worten: „Hier, Gertrud, dafür kaufe Dir etwas Schönes.“ Dann ſchüttelte er energiſch alle Weichheit ab, faſte ſeinen Stock feſter und ſchritt auf dem Raſe⸗ wege leiſe von dannen. Als Gertrud die Schürze von den Augen ent⸗ fernte, war Geerd verſchwunden. Sie ſprang auf. „Er iſt fort!“ rief ſie ſchmerzlich, dann ging ſie traurig und niedergeſchlagen zurück. Geerds Geſchenk aber, den neuen Thaler, bewahrte ſie ſorgſam und geheim auf, und ſie, das unter der älteren Schweſter Erziehung und Pflege ſchon früh gereifte und geiſtig begabte Kind, dachte an nichts weniger, als den Thaler wieder unter die Leute zu bringen. Zu Hauſe ging es bös her. Der Vater fluchte und wetterte ohne Unterlaß, denn ſo ſehr er geſtern noch auf Geerd geſchimpft, ſo unangenehm war ihm nun doch deſſen Fortgang. Sein ganzer Zorn richtete ſich gegen Franziska denn wenn ſie ihn nicht durch ihr Benehmen er⸗ mutigt hätte, meinte er, würde Geerd es nie gewagt, um ſeine Tochter zu werben. Daß er unrecht mit ſolchen Vorwürfen gegen ſein Kind handelte, kam dem Egoiſten nicht in den Sinn; er kannte ja überhaupt keine Liebe zu den Menſchen, ſein größter Genuß beſtand darin, abends allein und verborgen mit gierigen Fingern im Geld⸗ kaſten zwiſchen den funkelnden Münzen zu wühlen und dennoch zu trachten, dieſelben auf jede mogliche Art und Weiſe zu vermehren. Franziska hörte die Zornesausbrüche ihres Vaters mit der gleichen Ruhe an, als wenn er ihr. eine der gleichgültigſten Mitteilungen gemacht hätte. Ihr wäre es an dieſem Tage ſo ziemlich gleich ge⸗ weſen, ob die Welt noch ferner fortbeſtand oder um ſie herum zuſammengebrochen wäre. Die Tage vor der Hochzeit, ſonſt eine Kette von Seligkeiten für glückliche Bräute, waren für ſie die traurigſten ihres Lebens. Stumm und nieder ⸗ geſchlagen ſaß ſie Stunden lang auf einem Fleck; die nötigen häuslichen Arbeiten verrichtete ſie zwar mit gewohnter Pünktlichkeit und Accurateſſe, aber ſtill und geiſtesabweſend. Vor wenigen Tagen noch im Vollgenuß des Glückes, ſah ſie ſich jetzt in einer Wüſte troſtloſeſter Ausſichten. Herr v. Hohen, der wieder in der Stadt ſeinen Wohnſitz genommen, kam oft herüber geritten, um