8 in wenigen Stunden olitiſches. Berlin, 30. März. Am Dienstag gingen die deutſchen Volksvertreter in die Oſterferien. Ein großer Theil hatte ſich ſchon vorher heimlich davon gemacht, ſo daß in der Dienstagsſitzung nur noch 140 Mitglieder, alſo eine beſchlußunfähige Zahl, anweſend war. Verargen kann man es den Abge⸗ ordneten nicht, daß ſie nach ſo langen und ßürmiſchen Debatten Sehnſucht nach der Heimath und dem fried⸗ lichen Familienleben bekommen haben. Der Reichs⸗ tag hat in dieſem zweiten Theile der laufenden Ta⸗ gesordnung den Reichshaushaltsetat erledigt, die Berathung der Zolltarifnovelle weſentlich gefördert und die Dampferſubventionsvorlage angenommen. Am 14. April wird der Reichstag wieder eröffnet. Die Franzoſen haben ihr altes Wahl ſyſtem über den Haufen geworfen und die ſogenannte Liſten⸗ wahl (lein Lieblingswunſch Gambettas) eingeführt. Die Republikaner berſprechen ſich davon einen Zu⸗ wachs von Abgeordneten; ſie ſagen: Die Liſtenwahl entſpricht dem Ideale direkter Volksberrſchaft; das Volk ſtimmt dabei über ein politiſches Programm ab und ſeine Wahlen ſind alſo der direkte Ausdruck ſeines politiſchen Wollens. Bei der bisherigen Wahl in Wahlkreiſen ſtimmt der Wähler nicht für oder wider dieſe oder jene Politik, ſondern für oder gegen eine Perſon. Bei der Liſtenwahl wählt jeder Wähler ſo viel Abgeordnete, als für ſeinen Regierungsbezirk borge ſchrieben ſind. 5 Der ruſſiſch⸗engliſche Konflikt wegen Afsbaniſtans gewinnt ein ernſteres Ausſehen. Die Königin von England hat die engliſche Reſerve und Milizreſerve einberufen laſſen und die indiſche Armee wird mobil gemacht. Die engliſche Regierung beharrt auf einer ſofortigen Regelung der ſtreitigen Grenze, wozu Rußland keine Luſt zu baben ſcheint. Kommt es wirklich zum Kriege, ſo würde ſich der Kriegs⸗ ſchauplatz wohl nicht auf Afghanistan beſchränken, ſondern England würde mit ſeiner gewaltigen Flotte in der Oſtſee und im Schwarzem Meere erſcheinen. f Paris, 29. März. Eine Depeſche des Ge⸗ nerals Briere aus Hanoi vom 28. d. Abends 11 Uhr meldet: General Negrier ſei ſchwer verwundet und gezwungen, Langſon zu räumen. Die Chineſen hätten ſich in drei ſtarken Kolonnen auf die fran⸗ zöͤfiſchen Poſitionen vor Kilua geworfen, nachdem berſt Berbinger angeſichts dieſer bedeutenden nu⸗ meriſchen Uebermacht ſeine Munition verſchoſſen hatte, habe er General Brier benachrichtigt, daß er ungen ſei, 0 0 0 5 zuruckzuziehen, der General habe alle ſeine Streit- kräfte concentrirt zu einer Action bei den Ausgängen von Chu und Kep. Der Feind erſcheine in immer größerer Anzahl auf dem Songkol doch ſei zu hoffen, daß das ganze Delta gehalten werden könne. Ge⸗ neral Briere erſucht die Regierung, ſo bald wie möglich weitere Verſtärkungen zu ſenden. Paris, 30. März. Dem „Figaro“ zufolge iſt am Samſtag der Befehl ergangen, alle vierten Bataillone zu mobiliſiren, die freiwilligen von allen Regimentern einzub'rufen und 5000 inſcribirte Küſ⸗ ſtenbewohner auszuheben. Verſchiedenes. — Ladenburg, 30. März. Geſtern Nacht wurden auf der hieſigen Bleiche große Verherungen von bis jetzt unermittelten Unmenſchen angericktet. Die jungen Bäume lagen mit ſamt den Stützen umgeknickt zur Erde; ſämtliche Pfähle, welche zum Anmachen der Waſchſeiler dienten, wurden umge⸗ riſſen und Pfoſten, welche zum Anbringen eines Geſänders dienen ſollten, aus der Erde gezogen. Mit den Sachbeſchädigungen noch nicht zufrieden, gefährteten ſie noch den öffentlichen Verkehr, indem dieſelben die Chauſſee mit Hopfenſtangen verſperrten, wodurch großes Unglück hätte entſtehen können, wenn Fuhrwerke den Weg paſſirt hätten. Möge es ge⸗ lingen die Thäter zu ermitteln, damit diefelben der wohlverdienten Strafe nicht entgehen. — Ladenburg, 31. März. (Eingeſandt.) Mit dem beginnenden Frühjahr regt ſich überall der Trieb zum Schaffen und auch die hieſigen Turner, welche ihre geſundheitsfördernden Uebungen während der Carnevalszeit ziemlich flau betrieben, werfen ſich nun von neuem mit aller Energie ins Werk. Sind ſie ſich doch Alle bewußt einem edlen Ziele zuzu⸗ ſtreben und die von des Tages Mühen übrig ge⸗ bliebene Zeit zur Stärkung des Körpers auszu⸗ nützen. Einſender dſs. hat in letzter Zeit mehr⸗ mals die Uebungsſtunden des hieſigen Turnvereins beſucht — was übrigens Jedermann frei ſteht — und als alter Turner mit Vergnügen gefunden, daß die Leiſtungen unſerer Jungen weit über dem ſtehen, was man ſonſt von kleineren Vereinen er⸗ warten kann. Wenn der Beſuch auch nicht gerade ſchwach zu nennen iſt, ſo gibt es hier doch gewiß noch eine größere Anzahl junger Leute, welche beſſer auf dem Turnplatze körperliche Gewandheit und Au auer erringen würden als ſſch bummelnd in den Straßen herumzulreſhen, In den hieſigen Turnverein werden, ſo bil dem Einſender bekannt, alle jungen Leute ohne Un. terſchied des Standes aufgenommen, wenn die mo. raliſche Führung eine gute iſt. Die Uebungen werden in wohlausgedachler Abwechslung durchgenommen, die Ordnung und Disciplin iſt eine faſt militärisch ſtrenge, fo Väter und Vormünder ihre Söhne und Schu fohlenen dem Verein ruhig anvertrauen können, Möge dem ſtrebſamen Vereine das Sommerhalbjahr recht viele neue Mitglieder zuführeh, — Rücklings erſchoſſen. In Venedig wi dieſer Tage bei Sonnenaufgang der Soldat g 39. Infanterieregiments, Coſtanzo, welcher . wenigen Wochen in Padua in einer Nacht dre U teroffiziere ſeiner Compagnie erſchoſſen hat und bom Kriegsgerichte zum Tode verurtheilt wurde, durch Pulver und Blei hingerichtet. Als Verſchärfung de Strafe wurde er rücklings erſchoſſen Er fol die Todeswunden nicht, wie ein ehrlicher Soldat, born tragen. Coſtanzo war ſehr gefaßt und ließ ſich nicht einmal die Augen verbinden, ja, er wandte ſogat den Kopf nach rückwärts, um die Executionsmanp⸗ ſchaft zu muſtern in dem Momente, als Feuer auß ihn gegeben wurde. 0 — Berlineriſch. Auf dem Bahnhof u Spandau war an einem der letzten 0 . Warteſaal 2. Klaſſe von einem Berliner Verein, einen Ausflug gemacht hatte, völlig beſetzt, als zue anſcheinend dem Kaufmannsſtande angehörende Herren welche nicht zu der Partie gehörten, eintralen und, da ſie keinen Stuhl mehr leer fanden, vom Inſpeclor verlangten, conſtatiren zu laſſen, ob die Inſaſſ des Warteſaals durch gelöſte Billette 2. Klaſſe z Aufenthalt daſelbſt berechtigt ſeien. Das Reſult der Unterſuchung war, daß der ganze Verein ni Billette 3. Klaſſe hatte, deßhalb auch auf den Wart ſaal 8. Klaſſe angewieſen war und auf Aufforderun des Inſpektors in den weniger comfortabel einge richteten Saal 3. Klaſſe wandern mußte. Einer e hinausgemaßregelten Herren ſtellte indeſſen an de Inſpector die Bitte, zu controlliren, ob denn d beiden Störenfriede Billette 2. Klaſſe hätten. N denke ſich nun den Spott und die Heiterkeit de Anweſenden, als die beiden Herren, unter tödtlich Verlegenheit und Worte der Entſchuldigung ſtammelg — Ebenfalls Billette dritter Klaſſe zum Vorſchein brachten! Sie erwiderte ſeine antworten, allein er zog ſie mit ſich fort, weiter hin auf den Gottesacker unter die Linde, deren Zweige faſt bis auf die Erde herabhingen. „Hier,“ flüſterte er, „ſind wir ungeſtört. Nur die Todten hören uns und die verrathen nichts. Sieh Mädchen“ fuhr er fort, indem er ihre Hand feſt in der ſeinigen hielt, „als wir zum letzten Male beiſammen waren, hätte ich nimmer geglaubt, daß ſich mein Geſchick ſo ſchnell ändern könne, daß ich ein Bettler, ein dem Tode Doch ich will nicht klagen. entkommen und noch habe verfallener ſein würde. Diesmal bin ich glücklich ich ja Dich!“ Margarethe ſchluchzte. gethan,“ ſprach ſie. glück geſtürzt. „Hätteſt Du es nicht „Du haſt uns Beide in's Un⸗ Glaubſt Du, ich könne ruhig ſein, wenn ich jeden Tag, jede Stunde für Dein Leben zittern muß ?“ „Hätt' ich es nicht gethan,“ halb in Gedanken verſunken. wiederholte Röver, „Ja, es wäre beſſer für uns geweſen. Ich wäre noch der Haidewirth, mir gehörte noch der Hof im Dorfe, ſtolz dürfte ich noch auftreten, öffentlich mich zeigen — kein Menſch könnte mir ein Unrecht nachſagen — und dennoch vermag ich nicht zu bereuen, was ich gethan habe. Hätteſt Du den Grafen kennen gelernt, dieſen ein⸗ fachen ſchlichten Mann, hätteſt Du nur einmal den ſtillen, bittenden Ausdruck in ſeinem Geſichte geſehen, Du hätteſt nicht anders gehandelt als ich, obſchon Du nur ein Mädchen biſt.“ Weshalb haſt Du das entgegnete Margarethe. „Weßhalb baſt Du Dein Leben nicht in Sicherheit gebracht? Hier kannſt Du nicht bleiben.“ 5 7 Liebkoſung, ſie wollte ihm Land nicht verlaſſen?“ „Du fragſt noch ?“ erwiderte der Haidewirth vorwurfsvoll. „Deinetwegen bin ich nicht geflohen. Ich konnte und wollte mich nicht von Dir trennen. Ich mußte Dich zuvor noch einmal ſprechen. Du ſollteſt aus meinem Munde noch einmal hören, daß mein Herz nie — nie bon Dir läßt. Dein Vater hat mich ja als Räuber und Moͤrder geſchildert, er nennt mich öffentlich ſo — weil ich mein Leben nicht gutwillig preisgeben wollte. Ich dachte mir wohl, daß Du ihm nicht glauben würdeſt, aber aus Deinem Munde mußte ich es hören, ſonſt hätte ich nirgends Ruhe gefunden.“ Margarethe ſchwieg. Die Gedanken an den Ueberfall tauchten in ihr wieder auf. „Haſt auch Du mich verdammt, fragte Röver. „Doch nein — dann wärſt Du nicht hierher ge⸗ kommen. — Sieh, Margarethe, ich bin entſchloſſen, das Land zu verlaſſen, vielleicht für immer, aber nur dann werde ich es thun, wenn Du mit mir gehſt. — Fliehe mit mir, Margarethe, — fliehe mit ihr!“ Er hatte ſie mit beiden Armen um⸗ ſchlungen. Seine Stimme klang bittend, flehend. Margarethe ſchwieg. „Antworte mir,“ fuhr er fort. „Sage ja, und ich will jubeln, daß Alles ſo gekommen iſt, wie es gekommen iſt. Ich will Alles vergeſſen; die einſam finſtern Stunden im Gefängniß, die Qual, daß nur wie ein Dieb mich während der Nacht aus meinem Zufluchtsort herauswagen darf. Alles vergeſſen, wil mich glücklich fühlen, ſo glücklich als ein Menſch nur zu ſein vermag. — Fliehe mit mir. Fürchte nicht, daß ich Dich in's Elend führe. Für unſere Zukunft iſt geſorgt, Du ſollſt beſſer leben, als jetzt, und wenn Dein Vater Dich enterbt, Du ſollſt es nicht bereuen, dieſen Schritt gethan zu haben.“ Sie erlag ſeinem Flehen faſt. Ihr Herz rief freudig ja, aber eins mußte ſie wiſſen, Eins, das ihr ſeit Tagen keine Ruhe gelaſſen hatte. „Heinrich! rief ſie und ihre Stimme bebte — „Du weiſt, daß ich glücklich ſein würde, und wenn ich das Arme Leben mit Dir theilen müßte — aber erſt beank⸗ worte mir eine Frage: Haſt Du Theil genommen an dem Ueberſall auf die Gensdarmen? Haſt Du Theil genommen an dem Ueberfalle auf die Gens⸗ darmen? Haſt Du das Geld mitgeraubt ?“ Sie verſuchte in ſein Auge zu blicken, allein ſie vermochte in der Dunkelheit nichts zu ſehen. Doch das ſchnelle Pochen ſeines Herzens, das kurze, un⸗ ruhige Athmen ſeiner Bruſt glaubte ſie zu hören, „Glaubſt Du auch daran?“ erwiderte er, „Doch Dein Vater hat ſogleich geſagt, ich ſei es geweſen und der Gensdarm hat behauptet, meine Slime erkannt zu haben!“ f „Weiche meiner garethe. „Und wenn ich es gethan hätte, wäre daz Verbrechen ſo groß, daß ſich Dein Herz deshalb von mir abwenden könnte ?“ „Weiche meiner Frage nicht aus!“ wiederhole Margarethe noch einmal. Er zögerte einen Augenblick mit der Antwort, dann erwiderte er feſt: „Ja, ich habe es gethan!“ „Allmächtiger Gott!“ rief Margarethe und barg ſchluchzend ihr Geſicht in beiden Händen. „Höre mich ruhig an,“ bat Röver indem ihr die Hände von ihrem Geſicht zu ziehen ſuchke, „Höre mich ruhig an, Margarethe, ehe Du mich verdammt,“ bat er noch einmal. 885 2 5 (Fortſetzung folgt.) 71 Frage nicht aus!“ rief Maß