Erſcheint jeden Mittwoch und Samſtag und koſtet vierteljährlich 1 /“ 20 mit illuſtirtem Anterhaltungsblatt 1 % 70 bal Poste eue 0 Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Eyhedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die einſpaltige Harmondzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Lokal⸗ Anzeigen mit 6 Mellamen mit 20 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen Nabalttewiligung 5 Nr. 99. Volitiſches. Ladenburg, den 8. Dez. Die vergangene Woche brachte uns im Reichstag zunächſt die erſte Leſung des Etats. Staatsſekretär Burchard legte die Finanzlage des Reiches dar, die eine wenig er⸗ freuliche iſt. Die Einnahmen ſind um 42 Millionen geringer als die Ausgaben und es wird dieſes De⸗ ſizit durch Erhöhung der von den Einzelſtaaten an das Reich zu leiſtenden Matrikularbeiträge getilgt werden müſſen. Der Staatsſekretär erklärte den Rück⸗ gang der Reichseinnahmen namentlich durch einen ganz bedeutenden Ausfall der Zuckerſteuer, welcher durch das Darniederligen dieſer Induſtrie verurſacht werde. Auch ſeien die Ausgaben durch Mehrforder⸗ ungen für Marine⸗ und Militärzwecke und für das guswärtige Amt, letztere infolge der Kolonialpolitik, geſtiegen. Der Staatsſekretär warnte jedoch davor, dieſe Lage allzu ungünſtig zu beurtheilen. Der wirthſchaftliche Aufſchwung Deutſchlands in den letzten Jahren ſei ein unverkennbarer und es würden ich deshalb mit Leichtigkeit neue Steuerquellen er⸗ chließen laſſen. Im Verhältniß zu anderen Ländern seien die Steuern in Deutſchland noch ſehr niedrig. Der Staatsſekretär fordert ſchließlich den Reichstag guf neue Steuern vorzuſchlagen. Eine ganz andere Anſicht hatten natürlich die Gegner der Regierung über den Etat. Der Abgeordnete Eugen Richter behauptete, der Etat bedeute den vollſtändigen Zu⸗ ſammenbruch der Bismarck ſchen Finanzpolitik. Ob⸗ gleich die Volksvertreter von Jahr zu Jahr mehr Steuern beweligten, und wir jetzt direkte und in⸗ Direkte Steuern hätten, werde die Finanzlage nicht günftiger. Das liege zu großem Theile daran, daß das Reich keinen ſelbſtſtändigen Finanzminiſter hätte, det weiſe abwägend die Ausgaben nach den Ein⸗ Nillwoch, d nahmen einrichte. Bei uns vermehre jedes Reſſort ſeine Ausgaben, ohne an's Sparen zu denken. Redner wies namentlich auf das beſtändige An⸗ wachſen von Marine und Militäretat hin, welche alle neuen Steuern verſchlängen. An dem Dar⸗ niederliegen der Zuckerinduſtrie ſei die Regierung Schuld, weil ſie mit einer Zuckerſteuerreform gezögert haben. Seine Partei werde keine neuen Steuern vorſchlagen — das ſei überhaupt Sache der Re⸗ gierung — ſondern durch Streichungen beim Aus⸗ gabeetat das Deficit zu beſeitigen ſuchen. Das Zen⸗ trum erklärte ebenfalls, nur ganz dringende Aus⸗ gaben bewilligen zu wollen. Von den Socialde⸗ mokraten ſprach der Abgeordnete Bebel zum Etat. Er meinte, mit Erſparniſſen ſei nichts gethan, die Schuld an der troſtloſen Finanzlage liege an der Verkehrtheit der ganzen Staatseinrichtung. Der Militäretat ſei die Hauptquelle des Uebels. Es müſſe ein Kongreß für Europa, ähnlich der Kongokonferenz, gebildet werden, welcher internationale Streitigkeiten ohne Blutvergießen ſchlichte. Dieſem Redner trat der Kriegsminiſter energiſch mit der Behauptung ent⸗ gegen, am Militäretat laſſe ſich nichts kürzen, Deutſch⸗ lands Anſehen beruhe auf ſeinem ſtarken Heere. Die Freunde der Regierung, Konſervative und Na⸗ tionalliberale, erklärten ſich bereit, neue Steuern zu bewilligen, wollten jedoch bei der Etatberathung mög⸗ lichſte Sparſamkeit geltend machen. Dieſe allmemeine Debatte über den Etat nahm zwei Sitzungen in Anſpruch. Es folgte nun die Berathung der Dampferſubventionsvorlage, an welcher auch Fürſt Bismarck theil nahm. Die Gründe für und gegen dieſe Vorlage, in welcher die Regierung vorſchlägt, zur Belebung des überſeeiſchen deutſchen Handels neue Dampferlinien auf Staatskoſten ein⸗ zurichten, ſind ſchon hinlänglich bekannt. Die Gegner, en 10. Dezember Nachſtehende Annoncen ⸗ Erpeditionen: Alois Herndl in Wien, Adolf Steiner in Hamburg und ſämmtliche Annoncen⸗Bureaux von Haaſenſtein und Voglere Rudolf Moſſe, G. L. Daube und J. Barck und Comp. nehmen Inſerat, für uns an. Inſerate find von nachweisbarer Wirkſamkeit. Redaktion, Druck und Verlag von Karl Molitor in Ladenburg. 1884. zu welchen die Deutſchfreiſinnigen und ein Theil des Centrums gehören, behaupten, es ſei kein Bedürfniß für ſolche Dampfer da; für unſern überſeeiſchen Verkehr genügten die deutſchen Privatdampferlinien und die ausländiſchen Dampfer. Die Dampferſub⸗ vention ſei eine bloße Spekulation, die gut und ſchlecht ausfallen könne, und zu einer ſolchen habe der Staat augenblicklich keine Millionen übrig. Die Freunde der Vorlage ſind im Reichstag unverkenn⸗ bar überwiegend. Sie betonten namentlich den na⸗ tionalen Geſichtspunkt der Sache, Deutſchlands An⸗ ſehen in fernen Welttheilen würde durch die neuen Linien wachſen; dieſe würden auch ein feſteres Band zwiſchen uns und unſern Landsleuten jenſeits der Ozeane knüpfen. Ein Aufſchwung unſeres Handels werde ſchließlich die Folge ſein, wenn ſich auch nicht gleich in den erſten Jahren das Unternehmen ver⸗ zinſe. Zu einer ſorgfältigen Prüfung wurde die Vorlage einer Kommſſſion übergeben und iſt es zweifellos, daß ſie ſchließlich vom Reichstag ange⸗ nommen wird. Berlin, 5. Dez. Die freie wirthſchaftliche Vereinigung hat ſich heute im Reichstage mit etwa 180 Mitgliedern konſtituirt. Den Vorſitz führt Schorlemer, Stellvertreter iſt Frege. Drei Com⸗ miſſtonen ſind gebildet: für Getreidezölle, für die Induſtriezölle und für Währungsfragen. Die Leiter dieſer Vereinigung geben ſich der Hoffnung hin, bald über 200 Mitglieder zu zählen, alſo eine Mehrheit für die ſchutzzöllneriſchen Pläne der Regierung zur Verfügung ſtellen zu können. Wien, 7. Dez. Die hochoffiziöſe „Monkags⸗ revue“ ſagt in einer Beſprechung der Situation, in der ſich das Miniſterium Ferry der Kammer gegen⸗ über befindet, daß es zur Ruhe Eurapas und zum Heile Frankreichs doch endlich einmal eine Regierung Line unglückliche Königin. Hiſtoriſche Erzählung von R. Hoffmann. 5. Fortſetzung. [Nachdruck verboten!] Dieſe und die übrigen anweſenden Hofdamen erſchracken über dieſen krankhaften Anfall Anna Bo⸗ lehn's aber Niemand ahnte den wahren Zuſammen⸗ hang und die Königin befahl, Anna Boleyn, die kedenfalls krank ſei, aber trotzdem ihren Dienſt habe herrichten wollen, zurück in ihr Gemach zu bringen und ſorgfältig zu pflegen, was denn auch mit der inzwischen von den Hofdamen mit Hilfe ſtärkender Eſſenzen aus der Ohnmacht erweckten Anna Boleyn geſchah. Dieſelbe gerieth auch thatſächlich in einen fieberhaften Zuſtand, in Folge deſſen ſie auf einige Toge ihr Zimmer nicht verließ. 5 f Dem Könige Heinrich war natürlich weder die Abweſenheit noch die Krankheit Anna Boleyn's un⸗ bekannt geblieben. In ſeiner leidenſchaftlichen Liebe für das ſchöne Hoffräulein trug er deshalb große Sorge um dieſelbe und ſchickte auch ſeine Leibärzte, auch kam er am darauffolgenden Tage ſelbſt, wo er auch die Urſache von Anna Boleyn's Krankheit gus ihrem Munde erfuhr. Heinrich ſann daher auf einen Plan, nach welchem er feine geliebte Anna aus der ihrer Ge⸗ ſundheit gefährlichen Nähe der Königin entfernen und ihr gleichzeitig eine Stellung und einen Rang geben konnte, welche gewiſſermaßen eine Brücke nach der hohen Stufe bilden ſollten, auf welche dereinſt Heinrich Anna Boleyn ſtellen wollte. Für den mächtigen Herrſcher war dies keine ſchwere Aufgabe, zumal er ſich durch eine etwaige abfällige Meinung ſeines Hofes in ſeinen Plänen nicht beirren ließ und das Parlament wurde zu Heinrichs 8. Zeiten nicht viel um Rath gefragt, Heinrich war unumſchränkter Herrſcher. Er beſchloß daher, wie er ſchon verſprochen, Anna Boleyn in den Adelsſtand erheben und zwar wollte er ſie gleich zur Gräfin machen. Das ging aber nicht gut anders an, als daß Heinrich dieſen Rang auch den Eltern Anna Boleyn's verlieh, denn des Königs zukünftiger Schwiegervater konnte kein einfacher Bürgersmann ſein. Deshalb wurde der biedere Londoner Bäcker⸗ meiſter Thomas Boleyn zum Grafen voa Wiltſhire vom Könige Heinrich erhoben, wodurch auch deſſen ganze Familie und vor allen Dingen Anna Boleyn den gräflichen Rang erhielt. Ein Dekret König Heinrichs zeigte einige Tage ſpäter der verdutzten Hofgeſellſchaft und den Londo⸗ ner Bürgern die Erhebung des Bäckermeiſters Tho⸗ mas Boleyn zum Grafen von Wiltſhire an, wie es in dem Dekrete hieß, um Miß Miß Anna Boleyn den wegen ihrer Tugenden und Verdienſte gebühren⸗ den Rang zu geben und um den Vater derſelben zu ehren. 8 N Anna Boleyn's Vater, dem biederen Bäcker⸗ meiſter, war es natürlich beim Anblick des Adels⸗ diploms, als wenn er aus den Wolken gefallen wäre, aber er durfte nicht wagen, den hohen Titel abzu⸗ lehnen, erſtens aus Rückſicht auf ſeine nun ſchon ſeit Jahren in ausgezeichneter Stellung lebende Tochter Anna, und zweitens aus Reſpekt vor dem Könige, den Heinrich 8. hätte Thomas Boleyn wegen Wie⸗ derſpenſtigkeit ſicher in den Tower ſperren laſſen, wenn dieſer ernſtlich gewagt hätte, das Geſchenk königlicher Huld und Gnade nicht anzunehmen. Heinrich 8. verlangte übrigens auch nicht, daß Thomas Boleyn ſeine neue Grafenwürde mit der eines Londoner Bäckers vereinigen ſollte, denn Tho⸗ mas Boleyn erhielt mit der Würde eines Grafen von Wiltſhire auch das Schloß gleichen Namens und einige Landgüter vom Könige zum Geſchenke. Im Einverſtändniſſe mit dem Könige und auch gern für die Jetztzeit den königlichen Hof meidend, begab ſich darauf Anna Boleyn zu ihrem Vater auf Schloß Wiltſhire und lebte dort meiſtentheils in ſtiller Zurückgezogenheit und in banger Erwartung ihrer Zukunft Die Verlobung Annas mit Lord Percy wurde offiziel aufgehoben. Anna ſchrieb ihrem Bräutigam noch einen Brief, in welchem ſie dieſem ihren Ent⸗ ſchluß aufzuklären und zu entſchuldigen ſuchte, ob⸗ wohl ſie die inneren Vorwürfe gegen Lord Percy nicht tadellos treu gehandelt zu haben, nicht los wurde. Aus allen dieſen Begebenheiten und auch aus *