Abſichten der jiriſchen Unverſöhnlichen erhält der „Standard“ aus Brüſſel eine ſo inhaltſchwere Mit⸗ theilung, daß, wenn nur ein Theil davon wahr iſt, England zittern muß. Die Depeſche lautet: „Aus einer Quelle, die ich für zuverläſſig halte, erfahre ich, daß die jriſchen „Invincibles“ in London Vor⸗ bereitungen zu neuen Ausſchreitungen in wenigen Wochen treffen, wahrſcheinlich zur Zeit, wenn häufige Nebel zu erwarten ſind. Wie ich Grund zu glauben habe, beabſichtigt man Mordattentate gegen mehrere der höchſten königlichen und politiſchen Perſönlichkeiten im Lande. Zu dieſem Zwecke werden in London von einem erfahrenen Ingenieur, der vormals in den Dienſten der Nihiliſten ſtand, Bomben fabricirt. Auch ſollen Verſuche gemacht werden, gewiſſe Mo⸗ numente und öffentliche Gebäude, daruter eine Anzahl von Polizeiſtationen, in die Luft zu ſprengen. O' Donovan Roſſa hat für die Löſung der Frage, auf welche Weiſe am Beſten das Parlementsgebäude in die Luft geſprengt werden könnte, einen Preis aus⸗ geſetzt. Die bisher eingegangenen Antworten wurden aber für unbefriedigend gehalten. Die Zerſtörungs⸗ verſuche gegen öffentliche Gebäude ſollen den Umſtänden nach entweder gleichzeitig oder auf einander folgend in's Werk geſetzt werden.“ Verſchiedenes. — Ladenburg, 23. Sept. Unſere landw. Winterſchule beginnt am Dienſtag den 4. November d. J., vormittags 9 Uhr, im Gebäude der Bürger⸗ ſchule ihr neues- nunmehr XVII. Schuljahr und wird daſſelbe Ende März 1885 ſchließen. Jungen Leuten, welche das 14. Lebensjahr zurückgelegt haben, wird hier Gelegenheit geboten, ſich während der Wintermonate in den allgemeinen Lehrfächern fortzubilden und einen leicht faßlichen, den praktiſchen Geſchäftsbetrieb berückſichtigenden Unterricht in den landw. Fächern zu genießen. Der Unterricht knüpft zunächſt an das in andern Schulen Erlernte an und wird von 4 Lehrern in wöchentlich 36 Stunden in folgenden Fächern ertheilt a) Hülfsfächer: Deutſche Sprache und Geſchäftsaufſätze, Rechnen, Geometrie, Feldmeſſen, Zeichnen; b) Landwirth⸗ ſchaft: Naturkunde, Acker⸗ und Pflanzenbau, Obſt⸗ bau, Thierzucht, Betriebslehre, landw. und gewerbl. Buchführung und Thierheilkunde. Das Schulgeld beträgt 10 Mark und wird unbemittelten Schülern entlaſſen. Weniger bemittelte Schüler, bei welchen der Beſuch der Schule größere Ausgaben (Ver⸗ pflegungs⸗ und Reiſekoſten) nothwendig macht, er⸗ halten auf Anſuchen ziemlich beträchtliche Stipendien aus Kreismitteln. Im Hinblick auf den hohen Werth einer guten Schulbildung und der ſchönen Erfolge, welche dieſe Anſtalt bisher erzielt hat kann der Beſuch der landw. Schule beſtens empfohlen werden. Anmeldungen zur Schule nimmt der Schul vorſtand Landwirthſchaftslehrer Schmezer in Ladenburg entgegen. Nähere Auskunft ertheilt der Aufſichtsrath der Schule, welcher aus folgenden Herrn zuſammengeſetzt iſt: Kaufmann G. Scola, Vorſitzender und Emmerich Bläß, beide in Ladenburg, Landtagsabgeordneter H. Förſter Weinheim, Altbürgermeiſter Phil. Wilhelm Schmitt Heddesheim, Bürgermeiſter G. Sponagel Edingen, Gemeinderath Georg Volz Seckenh im, Bürgermeiſter Adreas Treiber II. Plankſtadt, Landwirthſchaftslehrer Schmezer Ladenburg. — Von der Bergſtraße, 20. September. Tabak. Die Tabaksernte fällt bei uns günſtig aus, ſie liefert einen durchſchnittlichen Ertrag von 10 Cte. per Morgen. Die Pflanzer hoffen den vorjährigen Preis von Mk. 23 — 30 per Ctr. erlöſen zu können, obwohl nach den vorläufigen Ermittelungen der Steuer- behörde die disjährige Ernte Deutſchlands etwa 1 Million Centner gegen 800,000 Ctr. im Vorjahr betragen dürfte. — Ein raffinirter Betrug, ſchreibt man unterm 18. dſs. aus Köln, wobei es ſich um 84,000 M. handelt und der vor einigen Tagen aufgedeckt wurde, beſchäftigte heute lebhaft die hieſigen Börſenkreiſe. Vor einigen Monaten ſtellte ſich bei zwei größeren Bankhäuſern dahier ein junger Mann, angeblich im Auftrage ſeines hieſigen Prinzipals, vor, um je ein Dreimonatsaccept von 42,000 Mark auf ein grö⸗ ßeres Bankhaus unſerer Stadt zu diskontiren. Bei beiden Häuſern hielt man die Accepte, ſowie die Unterſchriften der Indoſſanten, welche Firmen an⸗ erkannter Induſtrieller und Großhändler waren, für echt und kaufte die Wechſel anſtandslos gegen die Herausgabe des Betrages. Vorgeſtern, als am Ver⸗ falltage, ſtellte ſich jedoch heraus, daß die Wechſel, welche ſich in Form und Inhalt vollkommen gleich ſahen, beide gefälſcht, ſämmtliche Unterſchriften, Firmenſtempel u. ſ. w. auf die täuſchendſte Weiſe nachgemacht waren. Bis jetzt fehlt von den Fälſchern, da ohne Zweifel mehr als einer an dem Betrug betheiligt iſt, noch jede Spur. — Innsbruck, 19. Sept. Heute fand hier bei prachtvollem Wetter die Vorfeier ſtatt zur mor⸗ gigen Eröffnungsfeier der Arlbergbahn. Zu dieſem Zwecke prangte die ganze Stadt in feſtlſchem Flaggen⸗ ſchmuck. Bahnhof und Bahnhofplatz ſind in reichſter Weiſe dekorirt und in der Rudolfsſtraße erhebt ſich ein rieſiger Pavillon in Form einer Kaiserkrone gus Taxgewinden. Morgens 7 Uhr 12 Minuten kam der Kaiſer Franz Joſeph nebſt Herrn Erzherzog Rainer nebſt Herrn Erzherzog Rainer mittelſt Se⸗ parathofzug hier an, worauf nach kurzer Aufwarkung des Statthalters, Baron Widmann, die Weiterfahrt zu den Landwehr⸗Manövern nach Stams im Ober⸗ innthal erfolgte. Gegen Mittag kamen ſodann die hohen Herrſchaften wieder hier an und nun geſtaltete ſich der Einzug des Kaiſers und der Erzherzog Heinrich und Rainer zu einer impoſanten Lofalitäts⸗ Demonſtration der hieſigen Bevölkerung. Die My⸗ ſikkapelle und Scharfſchützen⸗Kompagnien von Willen in altmaleriſcher rother Tracht mit kurzen Leder⸗ hoſen und Tiroler⸗Spitzhut eröffneten den Zug, da⸗ rauf folgte die Salinen ⸗Kapelle von Hall, der Ve⸗ teranen⸗Verein ꝛc. bis ſchließlich gleich hinter dem Wagen des in Gala-Uniform vorangefahrenen Statt⸗ halters der von Erzherzog Rainer begleiteten Kaſſers ſichtbar wurde, worauf das Kopf an Kopf gedrängt ſtehende Publikum in jubelnde Hochrufe ausbrach, welche ſich durch Plätze und Straßen bis zur kaſſer⸗ lichen Burg fortpflanzten, wo der Kaiſer das Hof⸗ lager abhält. Die übrigen hohen Herrſchaften, ſo⸗ wie die Suite des Kaiſers wurde ebenfalls theils in der Hofburg einlogiert, theils hatten ſich ſelbe, wie z. B. Miniſter⸗Präſident Graf Taoffe, in den ersten Hotels Wohnung beſtellt. Nachmittags unternahm Sr. Majfeſtät eine kleine Ausfahrt, worauf abends ein Hofdiener in der Burg, ſowie Serenade it Fackelzug von Seiten der hieſigen Feuerwehr und Illuminatian des Burgplatzes den Tag beſchloß. — Rettung aus Todesgefahr. Aus Garmiſch, 18. Sept. wird geſchrieben: Geſtern Abend hörte Waldaufſeher Sonner, von ſeinem Waldbegange heimkehrend, von dem 6000“ hohen Kramerberge her Hilferufe und eilte hierauf ſofort mit noch zwei Mann an den vermuthlichen Unglücksort. Kaum dorthin abgegangen, verbreitete ſich die Nachricht, daß Herr k. Amtsrichter Schormajer daher von einer Bergpartie noch nicht zurückgekehrt ſei und von ſeinen Angehörigen ſchon längſt mit Bangen erwartet werde. Ohne Verzug begaben ſich wieder⸗ um mehrere Männer unter Führung des k. Forſt⸗ gehilfen Maier auf die Suche und bald darauf ſah man das Glitzern der Lichter aus dem Dunkel det bewaldeten Höhen. Bald da, bald dort tauchten die ſondern auch ein ſchlechter Gatte, noch mehr, ein ſchmachvoller Gatte. „Wenn ein Mann, ohne Gewißheit zu haben und beinahe im Lachen, ſich ein Spiel daraus macht, ſeiner tugendhaften Gefährtin, der er Achtung und Schutz ſchuldig iſt, zu ſagen: „Du haſt einen Lieb⸗ haber!“ wenn dieſe Frau, empört über die Schmach und grobe Beleidigung, ihn tödtet, iſt ſie ſtrafbar? „Ich kann es nicht ſagen, meine Herren; es iſt ein ſtreitiger Punkt, bei dem das Für und Wider zu erwägen bleibt. ö i „Hier liegt nichts Derartiges vor. „ „Ein Duell findet ſtatt: der Beleidiger war Serge; er wurde verwundet. Staſia beſucht ihn verſtohlener Weiſe. Wehe über jene, die dieſes zarte, tiefe Gefühl nicht verſtehen. „Serge in ſeiner weit beredteren Vertheidigungs⸗ rede als der meinigen, hat Ihnen das Entſtehen der Gedanken, welche Staſia täglich in ihre Blätter eintrug, erklärt. Ich habe nach ihm nichts weiter darüber zu ſagen. „Aber der Roman? Staſia las eine Geſchichte, deren Situationen von Ihnen auf ſie bezogen werden. Doch paſſen ſie nicht auf ſie; was wird bei dieſer neuen Hypotheſe aus dem tragiſchen Zwiſchenfall, der ſo großes Aufſehen macht? „Ich greife Ihrem Urtheil nicht vor, aber ich vermuthe, daß die Herren Geſchworenen Staſia frei entlaſſen. Auf welchen Grund hin wollten ſie eine Verurtheilung ausſprechen? Staſia iſt keine politiſche Perſönlichkeit. Ihre freundſchaftlichen Beziehungen können in dieſem Falle nicht gegen ſie zeugen, ſie iſt nicht Mitſchuldige an dem Morde. Alles beweiſt es. Eine ſo ausgezeichnete Frau, eine ſo treue Freundin und gute Gattin, welche bald liebende Mutter ſein wird, muß Ihnen heilig ſein.“ Nach dieſen Worten zogen ſich die Geſchworenen unmittelbar in das Berathungszimmer zuriſck. Die Berathung der Geſchworenen dauerte un⸗ gefähr eine halbe Stunde. Nach den Plaidoyers waren die Angeklagten aus dem Saale geführt worden und die Zuſchauer dieſes ergreifenden Dramas konnten ſich ihren Be⸗ ſprechungen, Auslegungen und Auffaſſungen darüber hingeben. Die vorherrſchende Anſicht war, daß Staſia von der Beſchuldigung der Anklage freige— ſprochen werde. Endlich traten die Geſchworenen nach kurzer Berathung wieder ein: man führte die Angeklagten noch einmal in den Saal zurück. Die Anweſenden wagten kaum zu athmen. Sie verſchlangen ſchon im Voraus die Worte des Präſidenten, der, den Wahrſpruch in der Hand haltend, ſich anſchickte, ihn in ſeiner gewohnten ruhigen Stimme vorzuleſen. Nach verſchiedenen bei dem Gerichte gebräuch⸗ lichen Vorbemerkungen, nachdem er die einzelnen Anklagepunkte angegeben hatte, ging der Präſident zu den Gründen des gefällten Urtheils über. „In Beziehung auf Serge trennen wir ſeine Beſchuldigung auf Mord von der Parlowna's.“ Somit wurden auf die Fragen: 1. „Iſt Serge der Theilnohme an dem Mord ſchuldig?“ einſtimmig mit „Nein“ geantwortet. 2. „Iſt Serge in irgend einer Weiſe mit⸗ ſchuldig an der Ermordung Wladimirs ?“ gleichfalls ö einſtimmig mit „Nein“ geantwortet. Wir trennen auch ſeine Anschuldigung von der der Gräfin und auf die Fragen was auch Staſia vorgeworfen wird?“ (lautete die gemein 1. „Iſt Serge der Mitſchuld, in Gemeinſchaft mit Staſia, an dem Morde Wladimirs anzuklagen?“ 2. „Iſt Serge in irgend einem Grade ſchuldig, Fr E . K. ö Antwort einſtimmig „Nein“. „In Folge deſſen iſt Serge freigeſprochen don der Anſchuldigung des Mordes und der Mitwiſſen⸗ ſchaft.“ Andere Fragen wurden noch geſtellt: a 1. „Iſt Serge Anführer einer Nihiliſtenpare, welche den Umſturz der ruſſiſchen Geſellſchaft, die Zerrüttung des Reiches anſtrebt ?“ 2. „Iſt Serge Verfaſſer eines revolutſondren Rituals zur Einführung einer neuen Religion 3. „Hat Serge verſucht, Jünger und Anhängen zu gewinnen“ i Auf alle dieſe Fragen wurde mit einem eine ſtimmigen „Ja“ geantwortet. 73 „In Folge deſſen wenden wir auf den die u Kraft ſtehenden Geſetze an und gemäß der Beſchllſe der Geſchworenen verurtheilen wir Serge zur De⸗ portation in die Bergwerke, unterzeichnen feine ſoe⸗ fortige Verſendung nach Sibirien, wo er febenns länglich zu Arbeiten für die Regierung berwwendel wird.“ „Serge,“ fügte der Präsident bei, „haben See etwas zu ihrer Vertheidigung vorzubringen “ „Nein“, antwortete der Angeklagte, der ohne Zeit zu haben, noch ein Wort beizufügen, aus dem Saale geführt wurde. Doch hatte er noch das Glück, einen Blick von Staſia zu erhaſchen, deren moraliſche Energie ſich geſtählt hakte. Der Wahrſpruch der Geſchworenen wurde all⸗ billigt. . 9955 (Fortſetzung folgt.) Are i * . 2 10 777 1 J n