Volitiſches. 8 Konſtanz, 24. Auguſt. Der Kronprinz des deutſchen Reichs traf heute kurz nach Mittag hier ein, wurde vom Großherzog und der Großherzogin am Bahnhof empfangen uud alsbald nach dem Ha und von da auf einem Extradampfboot nach Mainau geleitet. 5 Berlin, 25. Auguſt. Der chineſiſche Geſandte Li ⸗Fong⸗Pao iſt geſtern Abend hier eingetroffen. Paris, 24. Auguſt. In den letzten 24 Stunden ſind in Marſeille 18, in Toulon 9. in den Departements Herault 8, Oſtpyrenäen 14, Gard 10, Aude 5 Cholerafälle vorgekommen. Paris, 22. Auguſt. Die „Agence Havas“ berichtet den Bruch der Beziehungen Frankreichs zu Cbina und den Beginn der Feindseligkeiten. Der „Republique Francaiſe“ zufolge werden ſich die Operationen gegen Cbina nach folgendem Plan voll⸗ ziehen: Franzöſiſche Kriegsſchiffe werden das Arſenal von Futſchen zerſtören; dann erfolgt die Beſitzer⸗ greifung von geeigneten Pfändern, um Frankreich die verlangte Kriegsentſchädigung zu ſichern. Zu dieſem Zwecke wird eine franzöſiſche Garniſon den Hafen von Kelong und die in der Nähe gelegenen Berkwerke beſetzen, bis China Genugthuung geleiſtet haben wird. Paris, 24. Auguſt. Ein Telegramm aus Sganghai von heute Vormittag 11 ¼ Uhr meldet, daß das Bombardement von Fu- tſcheu geſtern Nach⸗ mittag um 2 Uhr begann und Abends 8 Uhr auf⸗ böͤrte. Das Arſenal iſt zerſtört. Sieben chinefiſche Kanonenboote wurden in den Grund gebohrt. Verſchiedenes. 8 [ Ladenburg, 26. Aug. Vom 17.— 21. ds. Mis. fand eine Austellung für Bäckerei u. Conditorei im Wintergarten des Central⸗Hotel's in Berlin ſtatt und waren auf derſelben außer zwei badiſchen Firmen, auch die Fabrikation der bie⸗ ſigen Frucht- Saft⸗Preſſerei von V. Trippmacher vertreten. Dieſe Fabrikate fanden ſchon auf den Ausſtellungen in Stuttgart und Heidelberg Auszeich⸗ nungen und wurde auch in Berlin prämiirt. i — Ladenburg, 24. Aug. Aus dem be⸗ nachbarten Neckarau kommt ſoeben die Naricht von einem dort geſtern Abend gegen 10 Uhr verübten Vatermord. Der Taglöhner Philipp Ziegler bekam Streit mit ſeinem in einer Mannheimer Fabrik be⸗ chäftigten Sohn, der bei ſeiner Nachhauſekunft das Nachteſſen nicht fertig fand, daß ſein Vater bereiten ſollte und warf der junge Ziegler ſeinen Vater zu Boden und lödtete ihn mittelſt Fußtriten auf Leib und Bruſt. Der Mörder, welcher längere Zeit in Amerika war, ſich dort berheirathete und deſſen Frau gegenwärtig zur Beerdigung ihres in ihrem Heimath · ort in Heſſen geſtorbenen Kindes abweſend iſt, gilt als ordentlicher und fleißiger Menſch, während ſein Vater ſich keineswegs guten Leumunds erfreute und dem Trunke ergeben war. Der Thäter verſuchte erſt in einem benachbarten Wirthshaus den Tod ſeines Vaters mit einem Fall zu erklären, begab ſich jedoch hierauf nach dem Bürgermeiſteramt und bekannte ſeine That im vollen Umfange. Durch die Gendarmerie murde er noch geſtern Abend nach dem Amtsgefängniß nach Schwetzigen verbracht. — Feudenheim, 25. Auguſt. Der 18.7 jährige Sohn des Landwirths Wild hier gerieth bei einer Fuhre ins Feld unter das Fuhrwerk und wurde ihm der Arm derart zerquetſcht, daß er geſtern gänzlich abgenommen werden mußte. — Heidelberg, 22. Auguſt. Das hinter Neuenheim, an der Handſchuchsheimer Landſtraße liegende Lutherhaus, welches, weil Dr. Martin Luther . Z.es bewohnte, einen großen hiſtoriſchen Werkh hatte und von vielen Fremden bewundert und ehrfurchts⸗ voll betrachtet wurde muß in doppelter Hinſicht dem Zahn der Zeit weichen. Erſtens iſt das ruinenhafte Gebäude baufällig und zweitens wird eine Straße gebaut, welche über den Boden führt, wo der große Reformator Dr. Luther einſt geweilt hat. Mit dem Abbruche iſt bereits begonnen. — In Reichgartshauſen, wo gegen⸗ wärtig ein Theil des hieſigen Grenadierregiments gelegentlich des Brigadeexerzierens einquartiert iſt, ereignete ſich am Samſtag ein bedauerlicher Unglücks⸗ fall. In einem Bauernhauſe waren mehrere Kinder allein, da die einquartirten Soldaten auswärts und die Eltern im Feld beſchäftigt waren. Den Kindern gelang es, ein an der Decke hängendes Säckchen mit Platzpatronen herunterzuholen, ſie ſpielten damit und entzündeten ſich die Patronen, wahrſcheinlich durch einen ſtarken Stoß, ſo daß durch die erfolgte Ex⸗ ploſion einem Knaben zwei Finger abgeſchlagen wurden. — Aus Baden, 21. Auguſt. Die Mann⸗ heimer Meſſeraffaire iſt jetzt aufgeklärt. Die ver⸗ hafteten Viehtreiber wurden entlaſſen. Ein Arbeiter dagegen iſt in Haft genommen, welcher geſtändig iſt, daß er und noch ein Kollege mit den Viehtreibern Streit bekommen und die Angriffe derſelben mit Meſſern gewehrt hätten. — Der Weiterbau des Gerüſtes an der Jeſuittenkirche in Mannheim wurde wegen zu schwacher Konſtruktion polizeilich eiugeſtellt. — Heute Nachmittag iſt Herr Jacques Emil Du⸗ preſſoir, der letzte Spielpächter von Baden im Alter von über 60 Jahren geſtorben. Der Verſtorbene erfreute ſich großer Beliebtheit, die er ſich durch Freigebigkeit und Wohlthätigkeit gegen die Armen, ſowie durch gemeinnützige Unternehmungen erworben hat. Die Badener prächtige Turnhalle und das Schützenhaus verdanken ſeinem Gemeinſinn ihre En⸗ ſtehung. — Wiesbaden, 24. Auguſt. Ein großer Prozeß wegen Genußmittelverfälſchung ſiehl demnächſt hier in Ausſſcht. Amtliche Unterſuchungen bon Lebens⸗ und Genußmitteln werden mit großem Eifer fortgeſetzt und find die Reſultate derartige, daß gegen eine geradezu unglaubliche Anzahl von — ca. 100 — Colonialwaarenhändler ꝛc. (darunter die angeſehenſten und achtbarſten Firmen) gerichtlich vorgegangen werden ſoll. Diesmal handelt es ſich größtentheils um Beanſtandung von Gewüezen. Die bevorſtehenden Gerichtsverhandlungen dürften ſchon des wahrſcheinlich ſtattfindenden Chemiker⸗Tourniers halber hochintereſſante werden, denn die betreffenden Firmen werden ebenfalls autoritative Experten i Gefecht führen. Erſchwert wird die Poſition der betreffenden Firma dadurch, daß die meiſten derſel ben ſich keine amtlichen Gegenproben haben geben laſſen. — Bierver fäl ſchung. Wie der „Fran, Kur.“ vernimmt, iſt auf Anregung einer ſüddeutſchen Staatsanwaltſchaft durch eine Gerichtskommiſſion in Dresden Einblick in die Geſchäftsbücher einen bedeu⸗ tenden Salicylfabrik daſelbſt genommen worden. Man bringt dieſes mit der zur Zeit ſpielenden Unterſn⸗ chung gegen bayeriſche Bierbrauer wegen Verwendung von Brauſurrogaten u. dgl. in Verbindung. — Ein entſetzlicher Unglücksfall hat ſich am letzten Freitag in Barmen ereignet. Auf einem Anſtreichegerüſt in der Fiſcherthalerſtraße arbeſtelen drei Anſtreicher, als plötzlich das Gerüſt brach und die Arbeiter aus der Höhe des dritten Stocs aufs Pflaſter ſtürzten. Zwei derſelben erlitten Schädel brüche und waren auf der Stelle todt. Dir Britze wurde zwar noch lebend ins Krankenhaus befördert, doch ſind auch deſſen Verletzungen ſo ſchwer, daß an ſeinem Aufkommen gezweifelt wird. — Paris, 19. Auguſt. In Brahe, wo ein Tunnel für den neuen Kanal von der Oiſe noch der Aisne gegraben wird, erſtickten geſtern 17 unkeri⸗ ein fürchterliches Bild zog an ſeinen Augen vorüber; er ſah Staſia angeklagt! Ich weiß, an was Du denkſt“, ſagte Parlowna. „Glaubſt Du. ein ſolcher Verdacht wäre möglich?“ „Hier zu Land iſt Alles möglich“. 5 „Oh, wenn das ſich noch ereignen ſolle, ſo bin ich zum Aeußerſten bereit, man weiß nicht, weſſen ich fähig bin“. „Ruhe, Serge, Kaltblütigkeit! Niemals that ſie uas mehr noth. Man wird auf uns fahnden, das iſt ſicher“. Alles, was Serge und Parlowna in dieſer kurzen Unterredung zuſammengefaßt hatten, ganz Petersburg ſagte es ſich ſchon leiſe. Die Idee. Staſia anzuklagen, kam Niemanden; ſie ſtand ſo hoch in der Achtung Aller und der öffentlichen Be⸗ wunderung, daß ein ſolcher Gedanke nicht aufkommen konnte. Die vorherrſchende Idee, die, von welcher das Publikum am meiſten erſchreckt war, war, daß Petersburg noch viele andere Ermordungen erleben werde. Man ſagte, daß die Zahl der Nihiliſten zwanzigtauſend betruge, Alle bewaffnet und fähig zu Allem. Und was die dummen Gerlichte noch beſtätigte, war, daß die Verhaftungen begonnen hatten. XIV. In dem Palaſte Roſtow. Das Herz Staſia's war ſo rein, ihr Leben ſo untadelhaft, ihre Träume ſelbſt ſo klar und durch⸗ ſichtig, daß keiner der Gedanken, welche Parlowna und Serge beläſtigten, in ihr aufſteigen konnte. Obſchon Wladimir ſie ſchmählich behandelt und verlaſſen hatte, obgleich er jegliches Recht auf die Achtung und Liebe der Gräfin eingebüßt hatte, blieb doch Staſia den Eigenſchaften ihrer Race treu, indem 5 ſie die Leidenſchaft der Pflicht opferte und nichts . höher ſtellte als die Ruhe des Gewiſſens und Selbſt⸗ achtung. Da ſie ſich keinen Vorwurf in Bezug auf Wladimir zu machen, er ihr im Gegentheil Alles verdankte, ſie auch Mutter werden ſollte, vielleicht einen Sohn bekommen, der das Ebenbild des Mannes ſein würde, den ſie in einer Stunde ſüßen Wahnes ſelbſt gewählt; da nichts ihre Natur hatte umändern können und ſie gut und barmherzig geblieben war, ſo hatte der ploͤtzliche Tod ihres Gatten nur unſäg⸗ liches Mitleid bei ihr hervorgerufen. Bevor man zur Einbalſamirung der Leiche ſchritt, mußte die Polizei den Thatbeſtand feſtellen. — Schon ſtrömten die Beſucher herbei; bei den erſten hatte Staſia bereits ſagen laſſen, daß ſie zu angegriffen, es ihr unmöglich ſei zu empfangen. Aber ſie ſah bald ein, daß dieſe Neugierde der Be⸗ kannten und ſogenannten Freunde gerechtfertigt ſei, ſie begriff, daß das Verlangen, den Geſichtsausdruck der Wittwe zu ſehen, inſofern begründet war durch die Gerüchte, welche ſich über die Mißhelligkeiten zwiſchen ihr und Wladimir verbreitet hatten, und ein unerklärliches Vorgefühl veranlaßte ſie, ihre Thüre zu öffnen und die traurige Reihenfolge der Beſuchen⸗ den begann. Auf demſelben Bette, in demſelben Gemach, wo wir zu Anfang den Grafen Roſtow ſterben ſahen, war die Leiche Wladimirs ausgeſtreckt. Der Tod, ſo ſchrecklich zu ſehen auf den müden Geſichtern ſolcher, die ein langes, mühſeliges Leben führten, iſt beinahe lächelnd, wenn er die Züge eines jungen Geſichtes berührt, kurz vorher noch empfänglich für Freude und Erregung. Wladimir ſchien zu athmen, man konnte glauben, er liege im ſicheren Schlafe der Geſundheit und der Kraft. Der Banquier Fritſchen war nicht der Letzte, 7 5 der herbeieilte. Das Unglück Wladimirs kührle ihn wenig; aber ſeine angeborene Feinfühligkeit die genaue Kenntniß, die er von der ruſſiſchen Geſell⸗ ſchaft beſaß, zeigten ihm für Staſia eine ganze Verkettung von unberechenbarem Unglück; er ſah Alles im trüben Lichte. Es war wirkliche Neigung und Freundſchaft, die ihn in jener Stunde zu Staſia führten und dieſe, an ſeiner Haltung, ſeiner Trauer, ſeſnem Schweigen, mit der den Frauen eigenen Kunſt zu errathen, verſtand ihn. 5 0 Patlowna hielt es, nachdem was zwiſchen ihr und Serge verabredet war, für gerathen, kroß der Maſſenareſtationen, die angeordnet waren, nicht von ihren Lebensgewohnheiten abzuweichen. Sie kam zu Staſia aber ziemlich ſpät, in der Abſicht mit der Gräfin zu wachen. Die beiden Frauen umarmen ſich ſchweigend. Was war Alles in dem kurzen Zwiſchenraum von zwei Monaten geſchehen 7 welch Ereigniſſe! wie viel vergoſſenes Blut! wie viel Elend Und der Urgrund von Allem, was ſich zugetragen, wo war es anders zu ſuchen, als in dem feuflichen Geiſte Parlownas? Würden ihr endlich die Augen aufgehen? Würde ſie endlich bereuen, ſo viel Unglüc veranlaßt zu haben? Das Glück, welches ſie in der Vernichtung alles Beſtehenden ſah, war es denn für ſie vor Allem die Vernichtung des Glückes Anderer? Wladimir wurde zu ſeiner letzten Ruheſtätte von einem endloſen Gefolge geleitet; die Neugierde trug viel zu dieſer Betheiligung der Maſſe bei, kratie nicht erſchienen. Aus Verachtung oder Vorsicht war die Aeißs⸗ he 9 (Fortſetzung — 2 . N * N 8 2 12 2 . 0 . 2 2 1 2 N 8 —— 2 2 4 0 72 8 Ant.