Sachen auch einen Ueberrock entdeckten, denſelbe her⸗ vorzog und in die Böſchung warf. Der Stromer verkürzte alsdann ſeine Schritte, um ſeinen Fang in Sicherheit zu bringen. Als er aber in der Nähe des zweiten Wagens kam, ergriff ihn der Fuhrmann deſſelben, der den Diebſtahl bemerkt hatte, und be⸗ arbeitete ihn mit Peitſchenhieben, worauf ſich der Stromer geflügelten Schrittes davon machte. Dieſe prompte Juſtiz erregt viel Heiterkeit. — Mannheim, 31. Juli. Der Aufruf des Komites zur Bildung der Ferienkolonien für arme kränkliche Schulkinder der hieſigen Volksſchule hatte einen ſolch glänzenden Erfolg, daß dem Ko⸗ mite 6910 Mk. zur Verfügung geſtellt wurden. Es konnten daher 5 Kolonien mit zuſammen 77 Schüler und Schülerinnen errichtet werden, eine Anzahl, wie wir ſie in anderen Städten beim Beginn bis jetzt nicht wahrgenommen haben. Die beiden errichteten Knabenkolonien kamen nach Schönau bei Heidelgerg und nach Pleutersbach bei Eberbach, die drei Mädchenkolonien nach Heiligkreuzſteinach bei Heidelberg, nach Eberbach und nach Neckarwimmers⸗ bach bei Eberbach. Jede dieſer Kolonien iſt auf das reichlichſte ausgeſtattet; nichts wurde geſpart, was den Kolonien von Vortheil hätte ſein können. Die Dauer der Kolonien iſt auf 24 Tage berechnet. Münſchen wir ihnen den beſten Erfolg. — Dieſer Tage wurde in Karlsruhe die Hebamme Epp bei einer Kindstaufe von der Gen⸗ darmerie verhaftet und in das hieſige Amtsgefängniß verbracht wegen Verbrechens gegen die 88 218 und 219 des Reichsſtrafgeſetzbuches. Es ſollen, wie man dem „Bad. Odsb.“ von ganz zuverläſſiger Seite mittheilt, gegen 30 und meiſt verheirathete Frauen in Folge dieſer Verhaftung und der Geſtändniſſe Seitens der inhaftirten Hebamme in empfindliche Mitleidenſchaft gezogen werden. — Karlsruhe, 31. Juli. In den nächſten Tagen wird hier vor der Strafkammer der Wucher⸗ prozeß gegen Hirſch Hausmann von Flehingen beginnen, zu deſſen Verhandlung bereits vier Tage in Ausſicht genommen ſind, die aber kaum ausreichen werden, wenn der geſammte Stoff bewältigt werden ſoll. Der Genannte war der Schrecken der Land⸗ bebölkerung an der württembergiſchen Grenze und hat ſich in verhältnißmäßig wenigen Jahren ein koloſſales Vermögen zuſammengewuchert. Man will wiſſen, daß ſeine Hand auf mehr als 400 Schuldner ſchwer laſtet. Er trieb Wirthſchaft eigentlich nur zum Schein, weil ſie ihm zu ſeinen Geſchäften will⸗ kommene Gelegenheit bot; ſeinen „Handel“ dehnte er beſonders in den Bezirksämtern Bretten, Eppingen und Sinsheim aus, aber auch die württembergiſchen Oberämter und Maulbronn wiſſen von ſeinen Ge⸗ ſchäften zu erzählen. Wenn man den Gerüchten Glauben ſchenken darf, ſo war derſelbe zu allen mit dem Reſſorts des Wuchers verwandten Vergehen fähig, die dem noch vor kurzer Zeit Unbemittelten zu ſchnellem Reichthum verhalfen. Die Verhandlung wird ja wohl das hellſte Licht über ſein dunkles Treiben verbreiten, ebenſo wird ſie auch vieles laut werden laſſen von der ſchamloſen Art und Weiſe, wie er ſeine Schuldner zu fangen, auszupreſſen u. finanziell zu erwürgen verſtand. — Von der Bergſtraße, 1. Aug. Gewöhn⸗ lich pflegt man hier zu Land zu ſagen: „Kirſchen⸗ jahr ein gutes Jahr,“ welches Sprüchwort ſich heuer faſt in allen Produkten bewahrheiten wird. Auch in unſerer Gegend fiel die Fruchternte ausgezeichnet aus, Kartoffel, Tabak, Hopfen, Klee ſtehen ſehr ſchön; namentlich aber das Obſt. Es werden jetzt ſchon Käufe von Aepfeln zum Keltern zur Centner zu 8 M. 45 Pf abgeſchloſſen. — In Germersheim, wurden laut Zei⸗ tungsnachricht bereits über 80,000 Stück Feldmäuſe, in Herxheim in zwei Tagen 50,000 abgeliefert; rechnet man für jedes Stück nur 20 Gramm Futter pro Tag, ſo verzehren jene 80,000 täglich 1600 Kilo an Körnern, Grünfutter, Kartoffeln, Wurzel⸗ werk u. dgl. Welch' enormer Verluſt! In Min⸗ feld wurden am 28. allein 12,433 A 1 Pf. ein⸗ geliefert. Trotzdem in Offenbach ſchon mehr als 4 Monate an der Vertilgung mit allen Mitteln gearbeitet wird ſind am 29. Juli allein 57,721 Feldmäuſe abgeliefert und nach Beſtreuung mit Chlorkalk eingegraben worden. — Oppau, 2. Auguſt. Ein hieſiger im Hemshof in Arbeit ſtehender junger Arbeiter hatte geſtern das Unglück, mit einem Eimer kochenden Peches hinzuſtürzen, wobei ſich die Maſſe über Kopf und Rücken des Unglücklichen ausgoß. Der junge Mann iſt ſchrecklich verbrannt und mußte mittelſt Droſchke nach Hauſe verbracht werden, wo er jetzt ſchwer krank zu Bette liegt. — Dielheim, 4. Auguſt. Wie wir ſchon früher meldeten, feiert unſer hieſiger Geſangverein an einem der nächſten Sonntage das Feſt der Fahnen⸗ weihe. Daß man zu ſolchen Feſten einer ſchmucken unverzagten, wenn möglich recht hübſchen Fahnen⸗ jungfer bedarf iſt männiglich bekannt und kommt oft mancher Verein mit der Wahl derſelben in Ver⸗ 1155 e legenheit. Nicht ſo unſere Sängerbrüder, denn 9 50 13 dieſen boten ſich geeignete, durchſchnittlich recht lieb⸗ 1 1 liche Mädchen genug an, welche das Ehrenamt über, fe 1 nehmen wollten. Weil aber nur einer der wichtige Poſten übertragen werden kann, griff man hier zu 7 einem ebenſo originellen wie materiellen Auskunfts⸗ 15 mittel, man verſteigerte die Fahnenjungferſtelle, im ein ur; Submiſſionsweg an die Meiſtbietende. Ein Klfer⸗ ü meiſter war der Meiſtbietende und ſo hat deſſen b ba Toöchterlein um 45 Mk das Gluck bei dem Wahn die ſo wichtige Rolle ſpielen zu dürfen. Daß Blultger⸗ n wi md meiſter herausgewürfelt werden, konnte man por noch . de . gar langer Zeit in Neckarau ſehen, iſt alſo schoß 1 W l dageweſen, daß aber eine Fahnenjunferſtelle verſteigerk gal Banden wird, das war gewiß noch nie da und dürſte als u. agi 1 Unikum in der Geſchichte des Vereinsweſens ber⸗ ia een dr zeichnet werden. A hen, 2 — Auerbach, 1. August. Geſtern erſchß abe ſich auf unſerem Schloſſe ein Herr G.. . e Sil Darmſtadt. Er ſtammt aus einer der beſten dorligen 10 lk aber Familien. Die Leiche wird nach Darmſtadt ber⸗ uit int in Se bracht werden. Die Motive, welche dem Manne die u n Neck — Piſtole in die Hand drückten, ſind nicht bekannt ge⸗ bn 20 iind worden. . — Hildesheim, 1. Aug. Das Gebäude, 1 in welchem ſich das ſtädtiſche Leihhaus und de „er rt Sparkaſſe befinden, das altehrwürdigſte und intereſſan⸗ 5 bn Aitor teſte Gebäude der Stadt, das ſogenannte Knochen⸗ 2 haueramthaus, ein aus dem Mittelalter ſtammendek 5 fer Holzbau mit wunderſchönen Schnitzereſen, vor eig Het 4 30 Jahren in ſeiner Urſprünglichkeit wiederhergeſtell, . Brett ſteht in hellen Flammen. Der Verluſt iſt unerſetzlſch. int s erte — Wiesbaden, 31. Juli. Der „Rh, K. 1 ſchreibt: Ein Freund unſeres Blattes hat ſich der u II Mühe unterzogen, die große Zahl der hier lebenden lun 5 verabſchiedeten Offiziere nach ſhrem Rangperhälkniſfe dh 210 zu rubriziren und iſt dabei zu folgender intereſſanker Zuſammenſtellung gekommen. Augenblicklich wohnen in Wiesbaden: 3 Gendeäle der Infanterſe, 22 Ge⸗ nerallieutenants, 28 Generalmajors, 30 Oberſten, 36 Oberſtlieutenants, 53 Majors, 32 Hauptleuze und Rittmeiſter, 15 Premier⸗ und Sekondelſeutenanks. Wahrlich, unſere Stadt hat die Bezeichnung „Pen⸗ ſtonopolis“ in Ehren verdient! — München, 29. Juli. Ein Sgalkelner im Hotel „Bairiſcher Hof“ hat geſtern Nacht eigen Mordverſuch auf den Oberkellner dieſes Hotels ge⸗ macht und denſelben mittelſt eines Degenſtockes ſchiwer verwundet; nach erfogter Recherche durch die Pollzei ſeine Ruhe, ſein Uebermuth, alles dies ſchien in den Augen Ribowski's die Straffälligkeit von Staſta's Gatten zu beweiſen. Wie man ſchon geſehen hat, liebte es Ribowski, die einzelnen Schriftſtücke eines Aktenſtoßes zu ſam⸗ meln; in der Gefangenſchaft hatte er alle Muße, ſeine Beſchwerdegründe zuſammenzuſtellen und einen foͤrmlichen Anklageakt gegen Wladimir daraus zu bilden. Uebrigens dachte er nicht daran, ihn jemals zur Geltung zu bringen. „Was liegt daran,“ ſagte er zu ſich ſelbſt, es befriedigt mich dennoch zu meiner eigenen Genug⸗ thuung, ſo viele Beweiſe aufgefunden zu haben von der Niederträchtigkeit dieſes Elenden. ... Warte, warte nur, mein Lieber, wenn je der Tag kommt, werde ich ſchön mit Dir umſpringen.“ Als er ſo ſeine Ueberzeugung feſtgeſtellt hatte, ſchien Ribowski ruhiger; er war nur noch in Er⸗ wartung ſeiner Deportation. „Ohne Zweifel werde ich“, ſagte er zu ſeinen Wärtern, „einem Gefangenentransport, der aus dem Innern kommt, beigeſellt werden.“ Aber dieſe wußten nichts und ſchwiegen. Ribowski hatte ſeinen Akten ein Schlußurtheil beigefügt: — „Wenn die Sachen ſich ſo verhalten, wie ich glaube, ſo iſt Wladimir zu Tode verurtheilt.“ Dann fügte er lachend bei: „Möglicherweiſe werde ich früher hingerichtet wie er.“ An einem Morgen wurde Ribowski in die Kanzlei gerufen. Um die Wahrheit zu geſtehen, bedurfte er einer gewiſſen Doſis Energie, um nicht zu verzagen. Er war keineswegs darauf gefaßt, ſo 2 56 daß er gehen würde, für den Czaren zu arbeiten, bald vernommen zu werden. Der Weg in die Ver⸗ bannung, der Sträflingstransport, die ſchlechte Ver⸗ pflegung, der Züchtlingsanzug, die unreinliche Ge⸗ meinſchaft, die Zwangsarbeit, all dieſe Bilder des Schreckens zogen blitzesſchnell an ſeiner Phantaſie vorüber. Er ging hinab; der Oberwärter erwartete ihn. „Herr Ribowski,“ ſagte er mit ausgewählter Höflichkeit zu ihm, „hier iſt der Befehl eigenhändig von dem Grafen unterſchrieben. Sie ſind frei. Unterſchreiben jetzt auch Sie auf dieſes Regiſter. Es iſt gut. Leben Sie wohl. Ich ſage nicht auf Wiederſehen, trotz des Vergnügens, welches uns unſer Zuſammenſe in gewährte.“ Ribowski konnte ſeinen Ohren nicht trauen. „Bin ich ſo frei, wie einer, das heißt, ſo frei, wie ich es vor meinem Eintritt hier war?“ „Durchaus.“ Er hatte lein Gepäck, wie man ſich denken kann; er tauſchte in der Wohnung des Geſangenwärters das Weißzeug des Gefängniſſes gegen ſem eigenes, welches man ihm gewaſchen und faſt neu zurückgab, nach beendeter Toilette überſchritt er die Zugbrücke leichten Schrittes. „Ich hätte nie geglaubt, daß man ſo viel Freude empfinden könnte, frei zu athmen und Seines⸗ gleichen zu ſehn.“ Und in der That entzückte ihn Alles; er fand, daß alle Vorübergehenden ſo ehrliche Geſichter hatten; ſelbſt die Gendarmen, deren es viele in jenen Quartier giebt, fanden Gnade vor ſeinen Augen. Aber er kam auch weit her! Er hatte es für gewiß gehalten, gefallen in den vierzehn Tagen! Nun, offen geſtanden, und nun befand er ſich hier, Herr über ſich ſelbſt und ſeine Bewegungen. a In ſeiner Freude drehte er ſich zwei oder deei⸗ mal im Kreiſe herum; er befand ſich vor dem Wein⸗ keller von Petrowitſch f Man ſah dieſen von außen; ruhig und mit geröthetem Geſicht ſaß er hinter ſeinem Schenktiſch, ſeinen Kunden Branntwein einſchenkend und ſelbſt reichlich davon genießend. Ribowski beſann ſich. Soll ich eintreten? Nach C kurzer Ueberlegung ſagte er ſich: „Nein, entſchieden . 0 iſt nichts zu gewinnen mit Verſchwörern gleh digen Petrowitſch. Es iſt beſſer, ich gehe zu Serge!“ 2 Und ſo that er auch; Serge war noch zu Belt, — denn ſeine Wunde war noch nicht gehei e ahn irrte Ueberraſchung von Ribowski war groß. „Du biſt krank?“ Serge, nicht weniger überraſcht wie machte ihn in wenigen Worten mit der Sachlage bekannt. „Iſt es möglich“, ſagte Ribomski ſtatt allen Kommentars. „Iſt es moͤglich! Wie viel iſt boxe mir iſt es ſo lieber. Du haſt Dich geschlagen, Du biſt verwundet worden. Deſto beſter, ich erkläre mb deutlicher, Du haſt bewieſen, daß Du nichts gemein haſt mit dieſem Abtrünnijgen.“ 0 Hierauf erzählte er, auf das Drängen bon Serge hin, feine Odyſſeen in dem Gefüngniß,. Er genaue Auskunft über die Feſtung und da er gut aufgelegt war, hätte man meinen konnen, daß et von dem Winterpalaſt ſpreche. 1 Fortſetzung folgt.) i U