Etrſcheint Mittwoch und Samsta Poſtprovifion. Expeditionen nehmen Inſerate für uns an. Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition einſpaltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., ſprechende Rabattbewilligung. — Für Schriesheim ni s und koſtet vierteljährlich 1 M. 20 Pfg. mit ikuſtrirtem Auterhaltungsblatt 1 Pk. 70 excl. eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die Local- Anzeigen mit 6 Pfg., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. mmt Herr Gaſtwirth Franz Carqus zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen⸗ Bei größeren Aufträgen ent⸗ Veſtellungen auf dieſe Zeitung Können zu jeder Jeil gemacht werden. Mittwoch, oͤen 9. Zuli 1884. Nr. 55. . en, 1 1 1 0 le e Wien, 6. Juli. Laut Meldung der „Neuen Fr. Preſſe“ wurde auf der Strecke Divazza⸗ Pola auf der Iſtrianer Staatsbahn eine Dynamit⸗ mine aufgefunden. Die Thäter ſind noch unbekannt. Belanntlich paſſiren Kaiſer Franz Joſeph und Kron⸗ prinz Rudolph auf der Fahrt zum Flottenmanbver nach Pola heute jene Strecke. Paris, 6. Juli. In der Kriegsſchule von St. Cyr haben anläßlich einer ſogenannten Primade nach der Inſpektion der Anſtalt durch den General Leconte ſchwere Unzuträglichkeiten ſtattgefunden. Eine Anzahl von Eleben führten das ſogenante „Demi⸗ Tour“ aus, welches darin beſteht, in der Kaſerne alles Oberſte zu Unterſt zu kehren. Die Offiziere wollten dieſe Operation verhindern und die jungen Leute widerſetzten ſich in ihrem Uebermuth. Es kam e Vd 6 91 a i zu einer vollſtändigen Meuterei. Drei Eleven, auf⸗ 15 geregter als ihre Kameraden, ſtiegen auf den Uhr⸗ A e thurm, wo die Trikoloxe wehte, und riſſen das rothe „ een und blaue Fahnentuch herunter, ſo daß nur das weiße (Zeichen der Bourbonen!) an der Fahnenſtange haften blieb. Erſt dem Chef der Anſtalt, dem Ge⸗ 100 * neral Deffis, gelang es, die Ordnung wiederherzu⸗ 1. J „ ſtellen. Die drei Schuldigen haben ſich gemeldet. 1 In Anſehung deſſen, daß die Umgeſtaltung der na⸗ in 5 tionalen Trikolore in die weiße Bourbonenfahne kein 15 5 Jugendſtteich iſt, werden alle drei, von denen der 10 8 eine am 1. Oktober zum Unterlieutenant befördert ub werden ſollte, zu ihren reſpektiven Regimentern behufs gen dan engagementsmäßiger Abſolvirung der fünfjährigen dan ke Dienſtzeit als Gemeine zurückgeſchickt werden. 1 n, Toulon, 5. Juli, Abends. Seitens der Be⸗ aim in hörde iſt dem Geheimrath Dr. Koch ein beſonderes da Arbeitszimmer zur Verfügung geſtellt, ſowie alles b zu ſeinem Studium und zur Berichterſtattung er⸗ forderliche Material zugänglich gemacht. Marſeille, 5. Juli, Abends. Seit heute früh find hier 9 Cholera Todesfälle vorgekommen. Es herrſcht große Hitze. Marſeille, 7. Juli. In der vergangenen Nacht wurden 16 Choleratodesfälle konſtatirt. Die Zahl der in vergangener Nacht in das Hoſpital auf. genommenen Cholerakranken betrug zwanzig. — General Totleben . Im Bade Sonde iſt am 1. Juli der berühmte ruſſiſche General Graf Franz Eduard Totleben geſtorben, welcher, ſeit längerer Zeit leidend, mit ſeiner Familie eine Kur durchmachte. Im Jahre 1818 zu Mitau ge⸗ boten, ging er vom Kaufmannsſtande zum Ingenieur⸗ fach über und erwarb ſich als Ingenieurgeneral durch ſeine durchdachte Beſeſtigung und angreifende Ver⸗ theidigung der Südſeite Sebaſtopols europäiſchen Ruf. Dieſe That trug ihm den Rang eines Ge⸗ neraladjutanten ein. Die erfolgreiche Leitung der Belagerung Plewna's verlieh ſeinem Namen neuen Glanz; der Kaiſer verlieh dem ſi⸗greichen General den Grafentitel und ſpäter das Oberkommando über das in Bulgarien ſtehende ruſſiſche Heer. In den folgenden friedlichen Zeiten hatte der General einen innern Feldzug gegen die Nihiliſten zu führen und verſah verſchiedene Gonverneurspoſten, wie in Odeſſa und Wilna. Totleben gehort jenem kernigen und ſteifnackigen Geſchlecht der deutſchen Balten an, welches früher mit Vorliebe den kaiſerlichen Dienſt aufſuchte und die Geſchicke des Reiches weſentlich beſtimmte, jetzt aber auffallend zurückgedrängt wird. Verſchiedenes. — Mannheim, 5. Juli. (Schwurgericht) 9. Fall. Der 49jährige Schneidermeiſter Wilhelm Groß von Münden, hier wohnbaft hat ſich wegen Brandſtiftung zu verantworten. Der Angeklagte, welcher als ruhiger, braver und fleißiger Mann ge⸗ ſchildert wird, wohnt ſchon ſeit 24 Jahren hier. Der Vertreter der Gr. Staatsanwaltſchaft iſt von der Schuld des Angeklagten vollſtändig überzeugt; der Vertheidiger Herr Anwalt Dr. Roſenfeld, dagegen vom Gegentheil. Die Geſchworenen ſchließen ſich der Anſicht des Erſteren an und ſo wurde der Ange- klagte unter Annahme mildernder Umſtände zu einer Gefängnißſtrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurtheilt, ebenſo zu den Koſten. 10. Fall. Der 39jährige Handelsmann Ja⸗ kob Horſch von Walldorf, wohnhaft in Wiesloch wegen betrügeriſchen Bankerutes. Die Geſchworenen bejahen die Schuldfrage, ſo daß, da auch mildernde Umſtände ihm zugebilligt wurden, eine Gefängniß⸗ ſtrafe von 8 Monaten, abzüglich 2 Monate Unter⸗ ſuchungshaft ihm zuerkannt wurden. 11 Fall. Chriſtine Leinz, 20jährige Ehefrau des Gärtners Ferdinand Leinz von Eppingen hier wobnbaft wegen Todtſchlogverſuchs. Die Angeklagte iſt die Tochter aus ſehr ehrbarer Familie Deren Vater hatte aber eine große Anzahl Kinder, ſo daß 8 ſie ſchon frühe das elterliche Haus verließ und in Baden in Dienſt trat. Hier war ſie nun ſchon ſich ſelbſt überlaſſen, trotzdem ſie ſich noch in zarter Jugend befand und das war die Falle ihrer Tu⸗ gend. Sie knüpfte mit Karl Weſtermann, der ſich jetzt als Soldat beim Infanterieregiment No. 112 befindet, ein Liebesverhältniß an und dauerte die Correſpondenz zwiſchen Beiden bis zum 16. März d. J., trotzdem die Angeklagte ſchon am 19. Fe⸗ bruar mit Leinz in die Ehe getreten war, die auf Betreiben ihrer Mutter zuſtande kam. Die Ge⸗ ſchworenen bejahten die Schuldfrage und ſo wird, 25 . Hiſtoriſche Novelle nach Jules Lavigne „ N von §. With. i 28. Fortſetzung. 0 Wladimir empfing ihn in dem Sclon, der auf das Vorzimmer folgte, ſie ſetzten ſich als Fremde gegenüber, wie zwei Männer, von denen der eine Befuch macht und der andere ihn empfängt; von denen der eine ein Bittgeſuch geſtellt und der andere ſich befinnt, ob er es gewähren ſoll. Die Situation änderte ſich ſehr ſchnell. „Nachdem Ribowski ſich ſeines Auftrages er⸗ ledigt hatte, gerieth Wladimir in heftigen Zorn. „Höre mich an, Ribowski, ſage ihnen, daß ſie mich zu Tode quälen. Seit meiner Verheirathung, vom erſten Tage an, quälen mich die Kameraden mit allen möglichen Forderungen. Das Vermögen meiner Frau, es mag noch ſo groß ſein, würde nicht ausgereicht haben, ſie alle zu befriedigen. Sie haben mir nicht einen Moment Ruhe gelaſſen; ſie haben mir Tauſende von Manuſkripten geſchickt mit Plänen, Programmen, was weiß ich noch? Vorſchläge, einer dümmer wie der andere. Einer begehrte Tau⸗ end Rubel, um nach Paris reiſen zu können. Ich ſkann nicht all die Grobheiten und Beleidigungen her⸗ zählen, mit denen ich überhäuft wurde meine Schub⸗ lade iſt voll von Briefen, worin die Bitten Droh⸗ ungen Plaß machten. Nun ſage, was wollen Sie eigentlich? Bin ich ein Ding? Ein Inſtrument Hier in meiner Wohnung habe ich immer Serge, immer Parlowna auf dem Halz. Selbſt meine Frau ſpricht mir von Revolution. Iſt das ein Leben ? Ich habe es ſatt, ich will nichts mehr davon wiſſen.“ „Warum,“ ſagte Ribowski, „gleich ſo in Hitze gerathen? Warum nennſt Du Dich Revolutionär, wenn Du nicht von Revolution willſt reden hören? So haſt Du denn Alles vergeſſen ?“ „Ich habe nichts vergeſſen; ich bin erſchöͤpft!“ „So haſt Du vergeſſen, daß ein Anderer hätte Staſia heirathen können ... zum Beiſpiel Serge .. . Und es war eine große Dummheit,. Dir den Vorzug zu geben; — nun, es iſt geſchehen; haſt Du auch Deine Schwüre vergeſſen, Deine Verpflich⸗ ungen, welche Du den Comitee's gegenüber einge⸗ gangen biſt?“ „Ich habe nichts vergeſſen, ſage ihnen aber, daß ſie mich zu Tode quälen.“ „Davor werde ich mich wohl hüten“, ſagte Ribowski lachend, „Sie wären im Stande, es zu thun.“ „Zug thun!“ erwiderte Wladimir verletzt, aber erſchreckt durch den Scherz. „Wenn je ein Einziger dieſer Lumpen ...“ „Nun, nun, Du gehſt zu weit. Höre, um was es ſich handelt: Morgen iſt Verſammlung in Waſ⸗ ſili Oſtrow in dem großen Weinkeller von Petrowiſch. 1 Komme dort hin, das Loſungswort iſt „Pougatſcheff,“ „Der Name eines Moskowitiſchen Beſreiers. Auch einer, den man gequält hat:“ „Du biſt beſcheiden. Aber werde für uns ein Pougatſcheff und es wird Dir Vieles vergeben werden“ Ribowski fügte im Weggehen bei: „Es bleiben Dir vierundzwanzig Stunden zur Ueberlegung: das genügt. Ich werde morgen um acht Uhr kommen, um Dich abzuholen.“ Wladimir ließ ihn fortgehen, ohne ein Wort der Zuſtimmung oder Ablehnung zu ſagen. Zuverläſſig war ihm der Nihilismus, ſein Haus, Alles verleidet. Er befand ſich in einer jener Stim⸗ mungen, wo der Menſch unzufrieden mit ſich ſelbſt und den Menſchen, Alles zum Teufel jagen möchte, wie ein ſehr richtiges Sprichwort ſagt⸗ Nichtsdeſtoweniger beunruhigten ihn die ver⸗ ſteckten Drohungen Ribowski's; am Abend nach einem Mittagsmahl im téte-à-téte mit Staſiaf bei welchem kein Wort geſprochen wurde, war er ganz glücklich über das Kommen von Serge und Parlowna. Er theilte ihnen die Sachlage mit und begehrte ihren Rath. Gräfin Staſia war erſchreckt und erklärte, daß 5 ſie Wladimir um keinen Preis zu dem Rendez⸗daus gehen laſſen. Dies, war nicht die Anſicht von Serge und Parlowna; ſie kannten zu gut die Sekte, die nihiliſtiſchen Gewohnheiten und Verfahren, um Wla⸗