Abſtand genommen. Von dem guten Geiſt der in unſeren Jungen herrſcht, zeugt am beſten die Thatſache, daß die ganze Verſammlung nur eine halbe Stunde dauerte und der Reſt des Abends der Geſelligkeit gewidmet wurde. — Schwetzingen, 27. Mai. Der beſſer denkende Theil der hieſigen Bevölkerung iſt über eine fortgeſetzte Büberei entrüſtet, wie ſie nur von einem verbiſſenen, gemeindenkenden Subjekte ausgeführt werden kann. Schon letztes Späljahr wurden dem bieſ. Bierbrauer Louis Montag von bübiſcher Hand 6 prächtige Tujabäume über Nacht abgeſchniſten und folgte dieſem Vendalismus gar bald ein Akt ächt bü⸗ biſcher Rachſucht, indem der Verſuch gemacht wurde den großen, werthvollen Hund Montags zu ver: aiften, ein Vorhaben, welches nur durch die baldige Verabreichung von Gegengift vereitelt wurde. Der ganzen Schurkerei wurde aber dadurch die Krone aufgeſetzt, daß letzten Donnerſtag zwei fette Schweine, welche auf Pfingſten geſchlachtet werden ſollten ſich als vergiftet zeigten und eines derſelben auch am anderen Tage unter den untrüglichſten Zeichen der Vergiftung abſtand. Sehr zu bedauern iſt, daß man keinerlei Verdacht auf den oder die Thäter hat und ſo dieſelben vorläufig ungeſtört unter den recht⸗ ſchaffenen Leuten herumſtolziren können. — Mannheim, 26. Mai. Die Einwohner⸗ zahl hiefiger Stadt betrug am Schluſſe des Jahres 1883: 59,511; der Zugang vom 1. Januar bis Ende Aprit 1884 ſoll ſich, — nach Abzug der Ge⸗ ſtorbenen und von hier Weagezogenen — auf rund 1250 Seelen beziffern. Somit hätte Mannheim jetzt eine Bevölkerungszahl von über 60,700 zu verzeichnen. — Aus Baden, 27. Mai. In Impfingen, A. Tauberbiſchofsheim, ſuchte vorige Woche ein aus der Heidelberger Anſtalt als geheilt entlaſſenes Mäd⸗ chen ſich den Kopf abzuſägen, da ſie ohne Kopf u. Beine begraben werden wünſchte. Nachdem ſie ſich eine gefährliche Halswunde beigebracht, fiel ihr ein, daß ſie ſich die Beine nichi mehr abſägen könne, wenn der Kopf herunter ſei; ſie begann deshalb ſich das linke Bein abzuſägen. Als ſie ſich bis auf den Knochen geſägt hatte, wurde ſie ohnmächtig. — Heidelberg, 28. Mai. (Ein treuer Commis⸗Voyageur.) Wie Treue und Redlichkeit immer mehr und mehr ſchwinden, zeigen die vielen traurigen Vorfälle, welche die Tagespreſſe meldet. Von einem Stiftungsfest wird dieſes Jahr Bald iſt es ein Bangqufer, bald ein Kaufmann, bold ein Handwerker, welcher ſich auf Koſten ſeiner Gläu⸗ biger amerikaniſch empfiehlt und nicht ſelten figuriren auch Beamte unter den Ausreſßer und ſonſtige Frebler. Hier waren es in letzter Zeit auffallender Weiſe Fünger Merkurs, wenn auch nicht gerade den Staub Europas von den Schuhen ſchüttelten, ſo doch ihre Prinzipale erheblich ſchädigten, indem ſie deren Ver⸗ trauen auf das Schnödeſte mißbrauchten. So en gagirte neuerdings ein Cigarrenfabrikant einen Rei⸗ ſenden, welchen er — auf deſſen Redlichkeit bauend, mit einem erheblichen Vorſchutz auf die Reiſe ſchickte. Statt nun ſeiner Pflicht zu genügen und ſich des Vertrauen ſeines Chef's würdig zu zeigen, trieb ſich das junge Herrchen arbeitslos in der Welt herum und verputzte nicht allein den qu. Vorſchuß, ſondern auch noch andere für ſeine geſchädigte Firma einge⸗ zogene Ausſtände. Dieſer Muſtercommis wird aber bald Gelegenheit haben, ſein leichtfüßiges Leben mit dem düſtern Gefängnißaufenthalt zu vertauſchen. — In Grün winkel ereignete ſich am Mon⸗ tag Nachmittag an einem Neubau unterhalb des Dorfes an der Straße nach Mühlburg, ein großes Unglück. Der 30 Jahre alte Maurer Leopold Pferrer von Daxlanden, Vater von 4 Kindern; ſtürzte vom Dache und verletzte ſich ſchwer. Der Verunglückte wurde ſofort nach ſeiner Heimath, verbracht, ſtarb aber unterwegs auf dem Transporte. — Bruchſal, 27. Mai. In dem nahen Forſt wurde ein Mann erwiſcht, der falſche Mark⸗ ſtücke ausgab. Es wurden bei ihm noch 35 der⸗ ſelben gefunden. Der Verhaftete ſteht bei dem hie⸗ ſigen Zinngießer D. in Arbeit, der ebenfalls in Unterſuchungshaft genommen aber ſpäter wieder freigegeben wurde. — Auch der bieſige Geſchäfts⸗ agent Peliſſier wurde, als des Meineids verdächtig verhaftet. Derſelbe machte aus dem Amtsgefängniß einen Fluchtverſuch, wurde aber wieder eingefangen. — Birkweiler,, 25. Mai. Am Himmel⸗ fahrtstage erfrechten ſich in Eſchbach fünf junge Burſchen von Leinsweiler, die beiden Pferde eines Fuhrmanns von Birkweiler, während derſelbe mit einigen Touriſten auf der Madenburg war, an deſſen Chaiſſe zu ſpannen und zweimal in vollem Galopp nach Göcklingen und wieder zurück zu fahren. Als ſie zum letzten Male in Eſchbach umkehren wollten, wollte das eine Pferd zum Hauptthor, das andere zum Seitenthor der Wirthſchaft hinein und dabei ging das Fuhrwerk in Trümmer und wurde das eine Pferd an der Croupe empfindlich verletzt. Der Fuhrmann weigert ſich nun Pferde und 2 25 5 Wagen 0 zurückzunehmen und verlangt eine hohe Enſſchiig, ung, wodurch jene Burſchen für ihren unüberlegte Streich hart geſtraft würden. Hamburg, 27. Mai. Die Nachricht, daß der deutſche Reichskanzler den deutſchen Konz in Capſtadt telegraphiſch angewieſen, er möge der dor, tigen Regierung amtlich erklären, daß Herr Nie und ſeine Niederlaſſungen in Angra⸗Pequeng une dem Schutze des deutſchen Reiches ſtänden, ha hig allgemeine Befriedigung erregt. Dieſe feſte und ehh. ſchiedene Erklärung war eben die beſte Antwork, die auf die großſprecheriſchen, ländermonopoliſtiſchen Aus⸗ führungen Derbys in der letzten Montagsſitung bez engliſchen Oberhaufes gegeben werden konne, de Streifen Landes, der nun plötzlich im schwarze Erdtheil ein Annex des deutſchen Reiches geworden iſt, hat eine anſehnliche Größe, denn ſeine 900 Quadratmeilen kommen faſt dem Flächeninholſ von Württemberg, Baden und Elſaß⸗Lothringen gleich, Demnächſt wird eine deulſche Expeditſon das Rongy, Gebiet durchſtreifen und iſt ihre Führung dem Jeeh⸗ tenant J. Siegmund, welcher in dieſer Charge Sſon⸗ les internationale Expedition im Niadi⸗ Gebiet bee gleitete, anvertraut worden. Der genannte Offer ein geborener Hamburger iſt bereſts am 18, 5 M. mit dem Dampfer „Ophelia“ von Hamburg nach London, und am 22. d. M. don Piymuſß mit der deutſchen Korvette „Eliſabeth“ nach Papfadt abgereiſt. — Pe ſt, 28. Mai. Auf dem Gulerbohg⸗ hofe der ungariſchen Staatsbahn brach heute Vor⸗ mittag Feuer aus, wodurch ein Magazin mit 10 Wagenladungen Jute und 4 der Südbahn gehonnge Frachtwaggons zerſtört wurden, — Petersburg, 26. Maj. um 1 übe in der Nacht vom 24. auf 25. ds, entgleiſſe der Moskauer Expreßzug in der Nähe der Sdation Bologo. Die Lokomotive, der Bagagewagen und drei Paſſagierwagen zweiter Klaſſe ſind dom Damme hinabgeſtürzt: der Direktor einer Moskauer Fabri, Ramens Dutel iſt todt, ein Herr und eine Dame wurden ſchwer verwundet und bon Jugperſonol fünf verletzt. Reklamationen b über unregelmäßige Zuſtellung unſeres Blattes bittet man ſoſort zu unſerer Kenniniß zu bringen, dem Abhilfe getroffen werden kann. a Die Expedition. weiß nicht wo dieſe Menſchen ihre Augen und Ohren bernehmen, aber ſie haben deren hunderttanſende; ſieh es geht ſo weit, daß ich nicht ſicher bin, ob Du zu der dritten Sektion gehörſt und Du nicht weißt, ob ich nicht zufällig dazugehöre. Ja, ich ſelbſt frage mich manchmal, ob ich nicht auf irgend eine Art betheiligt — ohne es zu wiſſen, verſteht ſich. Un⸗ bewußter Polizeiſpion,“ ſchloß Ribowski, „welche Stellung! Jedenfalls würde es die einzige ſein, welche ich jemals eingenommen hätte.“ 1 * Dies Alles berubigte Wladimir nicht Ribowski hatte im Weggehen beigefügt: „Weshalb beunruhigſt Du Dich, mein Alter? Wenn Du des Nihilismus verdächtig befunden wirſt, wird man Dich zur Rechenſchaft ziehen und Du wirſt Dich vertheidigen. Wie? das weiß ich nicht. Wirſt Du ſosgeſprochen? Wird man Dich in der Feſtung einſperren? Wird man Dich nach Sybirien ſpediren? Dieſe Hypotheſen ſind alle gleich wahr⸗ ſcheinlich. Aber ich wiederhole es, warum Dich beunruhigen? Du haſt Freunde! Unſere Blicke, unſere Wünſche, unſere Thränen werden Dir folgen. Adieu, mein Alter!“ Und Wladimir die Hand ſchüttelnd, nahm er einen hohlen Grabesthon an und ſagte: „Ich will die Akten von Nikolaus vervollſtän⸗ digen; ich habe ein kleines, herrliches Buch entdeckt, in welchem alle Grauſamkeiten ſeiner Regierung auf⸗ gezählt ſind.“ Trotz ſeines ſcherzhaften Tones hatte Ribowski doch richtig vorhergeſagt. Ein Monat war kaum vorüber, ſo wurde eines Morgens Wladimir durch einen Gensdarmen geweckt und ganz einfach ohne weitere Umſtände im Schlitten auf die dritte Sektion gefahren. — e e en Zu jener Zeit war es Graf Schuwaloff, welcher ſie leitste und die Ruſſen jeden Standes geſtehen zu, daß nie eine geſetzwidrige und deſpotiſche Ein⸗ richtung mit mehr Milde und väterlicher Schonung gehandhabt wurde als unter ihm. f Und dennoch hat eine lange Reihe von Frevel⸗ thaten und Hinrichtungen hinter Schloß und Riegel dieſes Inſtitut ſo berühmt gemacht — ſo berühmt und berüchtigt zugleich — daß es heute einem Ruſſen unmöglich iſt, ſeinen Namen ohne geheimen Schrecken auszuſprechen. Der Rath der Zehn in Venedig kann allein eine Idee geben von der Angſt, welche die dritte Sektion hervoruft durch ihr ſummariſches Verfahren und die angewendeten Mittel; ſie iſt das wirkſamſte Werkzeug der Regierung, welches noch erfunden ward. Das Schweigen, das Dunkel und Geheimniß, welche es umgeben, tragen dazu bei, es verhaßt zu machen und den inſtinktiven Abſcheu zu verbreiten, welchen das Volk gegen Alles hat, was von nah oder fern damit zuſammenhängt. Alle Klaſſen der Geſellſchaft in entwürdigender und knechtiſcher Gleichheit behandelt, haben alle die⸗ ſelbe Furcht vor der dritten Sektion. Man erzählt ſich in Bezug auf die geheime Polizei unglaubliche Anektoten von ihren Launen, Einfällen, Ungerechtigkeiten und Züchtigungen. Man ſagt namentlich, um zu beweiſen, daß man dorten keinen Unterſchied der Perſon, des Ranges oder Geſchlechts macht, daß Damen, über⸗ führt oder nur verdächtig, ungünſtig geſprochen zu haben, bei ſich zu Hauſe oder von einem Ball kommend, verhaftet wurden. In einen Schlitlen gepackt, einen Knebel im Mund, wurden ſie vor den Chef der geheimen Polizei gebracht, der ihre le eee, Identität feſtſtellte. Ein Gerichtsſchreibet Ja ihnen den Anklageakt vor, dann ſtieß man ſie in eig a ſtoßendes Zimmer, Gendarmen diſſen ie de Kleider vom Leibe und ein Diener, ein Henkers gab Ihnen eine gewiſſe Anzahl Rufhenſreſche So entwürdigt, mehr kodt wie lebend, Jehen ſie ſich wieder an und beſchämt, ernſedrigt, Jikergd, und, oh Schmerz, gendthigt zu ſchweſgen] ſehle wan ſie in einen Schlitten, der ſie nach Hauſe death Die Entführung, das Urtheil, die Strafe, de Rückkehr nach Hauſe, dieſe vielfältigen Ellebüſſe Sababurg den bn . 1 dauerten eine oder anderthalb Stunden. Man erzählt noch andere Dinge, U grenzen an das Fabelhafte und zeigen mur, u weit die menſchliche Leichtgläubigkeit geht. Zum Beiſpiel ſagt man, daß, weil die Gendormen ihte Arbeit läſſig beſorgten oder der Widerſtand der Ober die Aufgabe erſchwerte, die dritte Sektion eine Act Maſchine (automatiſche und mechaniſche Ruhen habe anfertigen laſſen, als ein noch ſtilleres, kalte res Verfahren. i a Der Gendarm, welcher Wladimir abholte, mußte ihn freundſchaftlich am Arme faſſen und beſm Hin⸗ abgehen der Treppe ſtützen, ſo ſehr zitterte der arme Student. Wohl oder Übel stiegen ſie in den Schliiken Die ſchneidende Morgenluft weckte glücklicher Meise den erſtarrten Geiſt Wladimirs auf, denn fen wahrlich hätte er eine traurige Figur gespielte Auf dem Michailowplatz angekommen, fieg er feſten Schrittes die wenigen Stufen hinan, die ihn aber diese von ſeinem Schickſal trennten. e (Fortſetzung folgt.) 40 1 e Redaktion, Druck und Verlag e een een fte de. G ein Pfei zahn Malauft. 7 Saen Tilet-s un 45 Ng. m Au U u 50 Ng. A ud 6 Juof- und!