Jun kin nch N cba z ATS MN . Nr. 34. Poſtpropiſion. 0 „„ Erſcheint Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich 1 M. 20 Pfg. mit iluſtrirtem Anterhaktungsblatt 1 Mk. 70 ercl. Juſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die einſpaltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Local⸗ Anzeigen mit 6 Pfg., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen ent⸗ ſprechende Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirth Franz Carqué zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen⸗ Expeditionen nehmen Inſerate für uns an. Veſtellungen auf dieſe Zeitung können zu jeder Zeit gemacht werden. Samſtag, den 26. April 1884. Karlsruhe, 23. April. Im Sommer 1881 wurde in den badiſchen Amtsgefängniſſen allgemein ein geregelter Arb⸗itsbetrieb eingeführt und es liegen nunmehr die Ergebniſſe der zwei erſten vollen Ge⸗ ſchäftsjahre — 1882 und 1883 — vor. Das erſtere Jahr hatte einen hoheren durchſchnittlichen Gefangenenbeſtand (1032 täglich), als das letztere (885); trotzdem ſind in dieſem die Arbeitstage der freiwillig arbeitenden Inſaſſen mit 52,030 höher als in jenem mit 47,883; die Zahl der Leiſtungen der Arbeitspflichtigen iſt dagegen von 122,841 auf 105,989 Tage naturgemäß geſunken. Haft⸗ und Unterſuchungsgefangene ſind nur in geſetzlich zu⸗ gelaſſenen Ausnahmefällen arbeitspflichtig, ſo bei Landſtreicherei und Bettel; Gefängmßſträflinge müſſen dagegen ſtets arbeiten. Während vor der neuen Einrichtnng nur etwa 7800 Mk. jährlich aus der Arbeit der Amtsgefängniſſe erzielt wurden, hat ſich ſeitdem der Reinertrag auf 15,349 Mark (1882) und 37,336 Mk. (1883) gehoben, wobei die unentgeltlich zu leiſtenden Arbeiten für die Ge⸗ füngniſſe ſelbſt und die angeſammelten, übrigens unbedeutenden Betriebsvorräthe nicht eingerechnet find. Karlsruhe, 23. April. Der k. k. öſter⸗ reiſche Hofrath Profeſſor D. Königsberger an der Univerſität Wien, wurde unter Verleihung des Charakters als Geheimer Hofrath, zum ordentlichen Profeſſor der Mathematik und Mitdirektor des ma⸗ thematiſch⸗phyſikaliſchen Seminars an der Univerſität Heidelberg, der proviſoriſche Lehrer Auguſt Palm am Gymnaſium in Mannheim zum Profeſſor an der gedachten Anſtalt, der Referendär Ernſt Pfeifer von Stuttgart zum Amtsrichter in Buchen und der Referendär Dr. Adam Emil Thoma von Kreuz⸗ heim zum Amtsrichter in Walldürn ernannt Mannheim, 24. April. Als Warnung für Answanderer hat das Staats⸗Departement der Ver⸗ einigten Staaten zu Waſhington die europäiſchen General⸗Konſulate offiziell davon benachrichtigt, daß in letzter Zeit bedeutende Summen von Trade⸗Dol⸗ lars nach Europa exportirt ſeien, und daß man an⸗ nehmen müſſe, dieſelben würden den Auswanderern nach Amerika bei Abwechſelung von deutſchem Gelde in Zahlung gegeben werden. Dieſe Trade⸗Dollars find kein geſetzliches Zahlungsmittel u. ihr Verkaufs⸗ werth iſt beträchtlich niedriger als ihr Nennwerth. Sie wurden vor ungefähr 30 Jahren in Amerika lediglich zum Zwecke des Handels lenglich: trade) nach China und Japan, wo noch heute die Silber⸗ währung exiſtirt geprägt und es ſind dorthin auch einige 20 Millionen exportirt. Mehr hat man je⸗ doch nicht unterbringen können und etwa 15 Mil⸗ lionen mögen noch in Amerika zutüsgeblieben ſein. Mit dem allmählichen Sinken der Silberpreiſe haben auch die Trade⸗Dollars in ihrem Werthe erheblich verloren; ein beſtimmter Preis läßt ſich, da das Silber ſelbſt beſtändig ſchwangt, nicht angeben; nur ſo viel ſteht feſt, daß der Trade⸗ Dollars für 85 Cents Silber enthält, was ſonach allein einen Ver⸗ luſt von 15 Prozent ergäbe. Rechnet man hierzu noch den geringen Werth des Silbers hinzu, ſo iſt der Silber⸗Dollar höchſtens 3 Mark werth, während der Preis des Gold⸗Dollars ca. 4 Mark 17 Pf. be⸗ trägt. Wir warnen ſonach alle Auswanderer vor Annahme amerikaniſchen Silbergeldes und empfehlen alle Fälle, wo man ihnen ſolches anſchmieren will, zur polizeilichen Anzeige zu bringen. Wien, 22. April. Heute früh fand die Hin⸗ richtung Hugo Schenk's und Schloſſarek's im Hofe des Landgerichts ſtatt. Schloſſarek nahm Abſchied von ſeiner Fran und ſeinem vier Monate alten Kinde; die Nacht durchwachten beide, Schenk ſchrieb immerfort Briefe. Im Hof, waren zwei Galgen aufgerichtet. Um 7 Uhr wurde Schloſſarek vorgeführt; er war gebrochen und ging mühevoll die wenigen Schritte, weinte und taumelte beim Anblick des Galgens. Als die Henkersknechte an ihm die nöthigen Borbereitungen trafen, ſchrie er mit durchdringender Stimme: „Verzeiht mir liebe Chriſten, Gott verzeihe mir meine ſchweren Sünden, nimmt meine Frau in Schutz, ich bin verflucht auf Erden!“ Der Tod trat nach 7 Minuten 45 Se⸗ kunden ein. Zwei Minuten ſpäter wurde Hugo Schenk vorgeführt. Er war leichenblaß, ſeine Hal⸗ tung aufrecht, ein verzerrtes Lächeln umſpielte ſeine Lippen. Er ſchaute feſten Blickes den Galgen an, ſprach leiſe mit dem Geiſtlichen und ſagte zum Scharfrichter: „Bringen Sie einen letzten Gruß meiner armen Frau.“ Bei ihm trat der Tod nach kaum 3 Minuten ein. Der Akt war nach 20 Mi⸗ nuten beendigt. Krakau, 22. April. Heute ſchleuderten 2 Individuen eine Dynamitbombe gegen das Gebäude der Polizeidirektion. Es erfolgte eine ſtarke Ex⸗ ploſion. Der Thäter ſtürzte ſelbſt ſchwer verwundet zuſammen und wurde ins Spital geſchafft. Allem Anſcheine nach, iſt es eine That der Anarchiſten. Ein ungeheurer Menſchenauflauf fand ſtatt. Wien, 23. April. Ueber das Krakauer At⸗ tentat wird weiter berichtet; Der jugendliche Thäter Boleslaw Malankiewicz iſt zweifellos ein Werkzeug einer geheimen anarchiſtiſchen Geſellſchaft. Derſelbe ſchlich geſtern vor den Fenſtern des Polizeigebäudes herum, die ziemlich große eiſerne Bombe, aus der eine rauchende Lunte hervorragte, in der Hand hal⸗ Die Nihiliſten. Hiſtoriſche Novelle nach Jules Lavigne von §. With. 7. Fortſetzung. Unterdeſſen führte der Graf mit ſeinen Freunden, eiſtens Gardeoffiziere und adelige Kapaliere, das üppige und wilde Leben, welches ihn unfehlbar dem Grabe zuleiten mußte. laſtes herrſchte Lärm und Unruhe, aber in ſeiner ariſtokratiſchen Plumpheit trug er doch Sorge, daß ja kein verrätheriſches Geräuſch, kein Ton das Un⸗ unige ſeiner Aufführung ſeiner Nichte entdecke. Dieſes große Kind kannte ſich ſelbſt, er kannte auch Staſia und hatte für ſie eine unbegrenzte Verehrunng. Ueberdies ſtand ſie ſeinem Hauſe vor, verhinderte nrecht, überwachte die Dienerſchaft und leitete mit i 0 1 Händen faſt Alles bis in das kleinſte Detail. 0 Man fühlte wohl nach dem Tode des Grafen, daß, wenn der Herr auch nicht mehr lebte, ein an⸗ derer da war. 0 Jedesmal, wenn die Welt mit der Gräfin in Verührung kam, ſei es im Salon, im Theater, in Geſellſchaften oder bei Hof, hatte ſie eine peinliche, beinahe unerträgliche Empfindung. Es ſchien ihr, Auf ſeiner Seite des Pa⸗ als ob ſie eine Luft athmen müſſe, die ihren Lungen, ihrem Leben zuwider. Sie konnte nicht all die leeren Worte, ſo vielen Ausrufe des Erſtaunens, ſo viel falſches Lächeln, ſo nichtige Vergnügungen verſtehen. Anfangs verſuchte ſie mitzumachen, aber ſie fand ſich ſelbſt geiſtlos langweilig, ungewandt, ſie war beinah auf ſich ſelbſt böſe; als ſie aber einſah, daß es immer die gleiche Langweiligkeit war, hatte ſie ſchließlich darauf verzichtet, anders leben zu wollen, als ſie konnte. Sie zog ſich in ihre Einſamleit zu⸗ rück, eine doppelte Einſamkeit, die ihres Hauſes und die ihres Herzens. Sie hatte ſich mit Eifer der Fortbildung und Entwickelung ihres eigenen Selbſt gewidmet, ſie war eine vollendete Reiterin mit ſtarkem, geſchmeidigem Körper und königlicher Kopf⸗ haltung. Ihr Geiſt war nicht weniger gebildet, ſie hatte Alles geleſen, was ein Mädchen leſen kann, die ſich ſelbſt achtet und deren Reinheit unantaſtbar iſt. Sie hatte franzöſiſch, ruſſiſch, deutſch, italieniſch, engliſch geleſen und ſchrieb in dieſen fünf Sprachen ſchön und richtig. Ihre zarte Seele neigte ſich dem Schönen und Guten von Natur aus zu; aber alleinlebend inmitten einer Geſellſchaft, die inſtinktmäßig verabſcheute, un⸗ gehindert Alles leſen und kennen zu lernen, hatte ſich bei der Gräfin Staſia eine Art myſtiſcher Schwär⸗ merei ausgebildet, ſchwer näher zu erklären, aber nicht ſelten bei den Ruſſinnen. Man weiß, daß dieſe in den ſüdlichen Gegenden, wo der Mann handelt und die Frau denkt, ſehr bald intelligenter werden, wie die Männer. Bald hatte ſich die Gräfin Staſia, das arme Kind, der ſkeptiſchen Lehre und Theorie Voltaire's der ſo ſehr Mode in Rußland, zugewendet, bald neigte ſie zu der unbeugſamen Or⸗ thodoxie von Joſeph de Maiſtre, ſo viel in Peters⸗ burg geleſen; große Aufregung, quälende Unſchlüſ⸗ ſigkeit, Beängſtigungen ſtürmten auf ſie ein, um ſchließlich zu verſchmelzen. f Erſchöpft von dieſem unabläſſigen Anſtrengen ihres Denkvermoͤgens kam die Gräfin dahin, ſich einer unklaren Sentimentalität hinzugeben und dem ſtrengen Skeptizismus zu huldigen, welcher keinen Schwung der Seele zuläßt und ſie unerbittlich zur Erde zu⸗ rückführt. N Mit einem Worte, Gräfin Staſia war ſoweit gekommen, zwar nicht ſich zu einer Miſſion berufen zu glauben, es aber doch für ſtrafbar zu halten, ſich nicht mehr um Schickſal und Wohl der Menſch⸗ heit zu bekümmern. Ihr erſchienen alle Menſchen gleich unglücklich, die Zahl der Glücklichen verſchwin⸗ dend klein; und in dieſer Ueberzeugung, genährt durch das Leſen der Schriften aller Träumer, beſonders der franzöſiſchen Sozioliſten, entwarf ſie Verbeſſe⸗ rungspläne. Als Reſultat all dieſer Träume erſchien ihr unſer Planet ein Eden. So war die Gräfin Staſia.