Poſtprovifion. Expeditionen nehmen Inſerate für uns an. Erſcheint Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich 1 M. 20 Pfg. mit ikuſtrirtem Anterhaltungsblatt 1 Wk. 70 ercl. 0 Jnſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die einſpaltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Local-Anzeigen mit 6 Pfg., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. ſprechende Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirth Franz Carqusé zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen⸗ Bei größeren Aufträgen ent⸗ Veſtellungen auf dieſe Zeitung können zu jeder Zeit gemacht werden. Nr. 33. Wiftwoch, den 23. Rpril 1884. Politiſches. Berlin, 19. April. Auf Anregung der Kaiſerin tritt am 21. d. M. im Kriegsminiſte rium in Berlin eine Konferenz von hervorragenden Männern der Wiſſenſchaft zuſammen, um über die Verwerthung der neueſten auf dem Gebiet der Hygiene geſam⸗ melten Erfahrungen und erzielten Fortſchritte ein⸗ gehende Berathungen zu halten. — Das Geſchäfts⸗ baus des Armeekonſumvereins (Deutſcher Offizier⸗ Verein) iſt mit dieſem Monat eröffnet worden und nunmehr vollkommen eingerichtet. Es befindet ſich in der Dorotheenſtraße Nr. 77. Die Räume im Erdgeſchoß dienen als Bureaux, während ſich im erſten Obergeſchoß die Verkaufsräumlichkeiten, Werk⸗ ſtätten u. ſ. w. befinden. Das Ganze iſt mit großem Geſchmack eingerichtet. Die Anzahl der Vereinsmit⸗ glieder beläuft ſich ſchon auf 16000 und nimmt täglich zu. Uniformen, Militäreffekten, Sattler⸗ waaren, Zivilbekleidung, Toilettengegenſtände, Jagd⸗ utenfilien u. ſ. w. werden dort zu „Konſumpreiſen“ gekauft. Einige bedeutende Schneidermeiſter Berlins find mit dem Qffizierverein in Kartellverband ge⸗ treten, andere dagegen, welche von dem Verein einen ſchädigenden Einfluß auf das Gewerbe erwarten, haben ſich entſchieden geweigert, mit dem Verein gemeinſchaftliche Sache zu machen. Berlin, 19. April. Der Fſterreichiſche Kronprinz hat ſeine Orientreiſe in Begleitung ſeiner Gemahlin angetreten. Wenn auch nicht direkt von politiſchen Gründen eingegeben, ſo wird die Reiſe dennoch neben ihrem Vergnügungszweck gewiß auch eine ernſtere Bedeutung haben. Oeſterreichs Einfluß auf der Balkanhalbinſel bedarf noch immer der Kräftigung und hiezu ſoll der Beſuch des Kron⸗ prinzen beim Sultan beitragen. Darmſtadt, 19. April. Der deutſche Kron⸗ prinz wird am 29. April zu den Hochzeitsfeierlich⸗ keiten hierſelbſt erwartet. Der Prinz und die Prin⸗ zeſſin von Wales treffen am 28. April hier ein. Konſtantinopel, 17. April. Die Hacht „Miramar“ mit dem Kronprinzen und der Kron⸗ prinzeſſin von Oeſterreich lief in Begleitung der Pachten „Yzzedin“ und „Taurus“ heute bei pracht⸗ vollem Wetter in den Bosporus ein. An der Mün⸗ dung der Meerenge wurde das kronprinzliche Paar von den nach mehreren Tauſenden Perſonen aller Nationalitäten, vorwiegend aber Oeſterreichern, Un⸗ garn ünd Belgiern, an Bord der reich beflaggten Lloydſchffe enthuſiaſtiſch begrüßt. Die Yacht „Mi⸗ ramar“ landete um halb 11 Uhr vor Dolmabagd⸗ ſche, wo der Großvezier und der Miniſter des Außern die hohen Gäſte begrüßten. Sofort nach der Ankunft begaben fich der Kronprinz und die Kronprinzeſſin in Hofgalawagen nach Jildiskiosk. Sämmtliche im Hafen vor Anker liegende Schiffe waren beflaggt. Wien, 18. April. Der herzliche Empfang des Kronprinzen⸗Paares durch den Sultan macht allgemein den beſten Eindruck. Der Sultan verlieh dem Kronprinzen das Großkreuz des Osmaniordens in Brillanten, der Kronprinzeſſin und der Gräfin Sylva Tarouca, der Schweſter Kalnoky's, das Groß⸗ kreuz des Schefkatordens. Die geſammte Suite wurde dekorirt. Patris, 19. April. Zwei Bataillone In⸗ fanterie mit Artillerie gehen nächſten Monat nach Hue ab, um die dortige Citadelle dauernd zu beſetzen. Kairo, 19. April. Huſſein Paſcha te⸗ legraphirt aus Berber, daß Flüchtlinge aus Khartum und der Garniſon von Shendy vor einigen Tagen Shendy in Dampfſchiffen verließen. Die Schiffe ſind in Berber noch nicht angekommen; es iſt unbekannt, ob ſie geſcheitert oder von Rebellen angehalten wurden. — Sir Ecaly Barin reiſt mit dem nächſten Brin⸗ diſidampfer nach England ab. Verſchiedenes. — Heidelberg, 21. April. Bei allen Ge⸗ legenheiten bekundet Ihre Majeſtät die Kaiſerin von Oeſterreich ihren hohen edlen Sinn. So übergab, ſie, wie wir vernehmen, der hieſigen katholiſchen De⸗ kanei 400 Mark zur Vertheilung an die unbemit⸗ telten hieſigen Erſtkommunikanten. Es erhielten denn auch geſtern 55 derſelben, beiderlei Geſchlechts je 7 Mk. ſo daß denſelben der ſchönſte Tag ihres Lebens einer, der „Weiße Sonntag“, auch materiell verherrlicht wurde, und ſie der edlen Spenderin ewig dankbar ſein werden. — Mannheim, 20. April. Abermals iſt ein junges Menſchenleben einem traurigen Unglücks⸗ fall zum Opfer gefallen, der leider durch die Bethei⸗ ligten in jugendlichem Uebermuth ſelbſt herbeigeführt wurde. Geſtern Abend beabſichtigte der etwa 11 Jahre alte Sohn des Schreiners Eichele nebſt 4 Altersgenoſſen eine Waſſerfahrt zu machen, wozu ſie unbefugter Weiſe einen oberhalb der Kettenbrücke liegenden Nachen des Zimmermeiſters Held losmach⸗ ten, ſie konnten denſelben jedoch nicht regieren und ſprangen wieder heraus. Dreien gelang es das dort liegende Floß zu erreichen, während die anderen 2 in den Neckar geriethen. Einer derſelben, der Sohn des Wirthes Schüttler kam wieder zum Vorſchein und wurde von ſeinen Kameraden gerettet, während Eichele alsbald unter dem Floß verſchwand. Die Leiche iſt bis jetzt noch nicht aufgefunden. — Aus Karlsruhe, 20. April, ſchreibt Einen ſchönen Zug landesbväterlicher Leutſe⸗ man: Die Nihiliſten. Hiſtoriſche Novelle nach Jules Lavigne von &. With. 5 Fortſetzung. . 1 1 „Ihr ſeht, ich mache mir keine Illuſionen.“ „Aber wie ſollte das Lamm den Wolf lieben? Das Reh den Jäger? Ich verarge es ihr nicht, denn ich ſelbſt, habe ich nicht gegen dieſe ſchwächliche Junge iſſen versehen ruckerei Nolitor, burg. i 2 Staſia, dieſes zierliche Kind eine unüberwindliche 1 Antipathie 2“ vorz 5 „Woher kann dieſe kommen?“ ſagte Serge. q 1 f „Das wäre doch zu ſtark.“ ane „Zu ſtark? und warum? Ich will Euch jeden 1 nicht die Gründe vorenthalten, die, meiner Anſicht ns ju Ot nach, ſie in mir hervorgerufen haben. Staſia, jung, ſchön, reich, angebetet, nahm Unterricht bei mir, die dann, ich häßlich bin, vor der Zeit gealtert, arm und von ürnberg, Jedermann mit Härte behandelt. Sicherlich iſt ſie — nicht verantwortlich für dieſe Gaben der Natur, ſo itag friſh⸗ wenig ich es bin füt die Mißgunſt des Schick als.“ „Weshalb dieſer grelle Unterſchied?“ „Warum wird ſie geliebt und ich nicht?“ w Warum wird ſie lieben mit Ausſicht auf Ge⸗ genliebe, währenddeſſen ich ..“ Hier hatte dieſes ſtarke Weib, ſcheinbar ohne R bene Parlowna eine Anwandlung vorübergehender Schwäche, einen Moment der Rührung. Sie ward ſchnell Meiſter dieſer Empfindung und fuhr fort: „Während ich keine Erwiderung finden werde, und wenn ich Alles opferte, mein Leben ſelbſt, kein Blick würde mir werden, ich würde nur Verachtung ernten.“ f Wladimir und Serge wechſelten erſtaunte Blicke. „Oh! ich weiß wohl, was ich ſage,“ fuhr Par⸗ lowna die Achſel zuckend, fort: „Aber handelt es ſich darum? Wir ſind hundert Meilen weit von unſerem Thema entfernt. Die Gräfin Staſia hat Fehler, die für uns von Werth ſind, wenn wir Nu⸗ ßen daraus zu ziehen verſtehen und ſie zu unſerem Vortheil zu verwenden wiſſen. „Sie beſitzt ein leichtgläubiges Herz, eine große Leichtgläubigkeit, Neigung zur Ueberſpanntheit; ſie iſt fromm, ein wenig Myſtikerin und, Dank meinem Einfluß, nicht weit davon entfernt, unſerer Partei anzugehören.“ „Wäre es moglich!“ murmelte Serge. „Es iſt ſo, wie ich Euch ſage. Wie oft, wenn ſie mir zuhörte, hat ſie das Unglück der armen Menſchen beklagt; wie oft geſeufzt bei der Erzählung der Leiden, von denen ſeit Anbeginn dieſer Erde aus Schlamm und Staub heimgeſucht wurden. Wie oft hat ſie die Unvollkommenheit der Naturgeſetze und erkannt, Dann geſtand ſie zu, daß Alles ſchlecht ſei, daß Allem das Eiſen des Ehirurgen und das des Scharfrichters Noth thue. Oft, wenn ich ſie ſo durch⸗ drungen und hingeriſſen ſah, war ich auf dem Punkte, ihr die Verbrüderung vorzuschlagen, aber ich unter⸗ 8 ließ es doch immer wieder, aus Furcht vor ihrer Schwachheit und Mangel an Energie.“ „Sie iſt ſchön,“ ſagte Wladimir. i „So ſchön wie gut,“ erwiderte Serge. 185 „Wo haſt Du ſie geſehen?“ 5 „In ihrem Wagen auf dem Proſpelt und ein andermal bei einer Vorſtellung in dem Alexander⸗ Theater, es war an jenem Abend, an welchem die Nillſon die Rolle der Ophelia ſang.“ f „Keiner von Euch,“ ſagte Parlowna, „kann ſie kennen wie ich, die ſie als Kind geſehen, in dem Uebergangsalter zur Jungfrau und ſie iſt ein herrli⸗ ches Mädchen, eine wunderbare ſchöne Geſtalt. Sie ſlammt auch nicht aus Klein ⸗ Rußland, ſie kommt weder von der Camara noch von Moskau, ſondern aus dem Gouvernement Venza. In dieſer ſüdlichen Provinz gibt es jene vollkräftigen ſchönen Brünetten mit roſigen Lippen, tiefblauen Augen und pracht⸗ vollen langen Haaren. Eine ſolche iſt die Gräfin und ihre feurige und auch zugleich ſchmachtende Schoͤn⸗ heit iſt das Spiegelbild ihrer Seele. Am letzteren hat mich oft etwas Scheues, Furchtſames geſtört.“ „Es wäre ein Verbrechen,“ murmelte Serge, Herz, ohne Nerven, dieſe ſteptiſche und verdor⸗ die Unmöglichkeit des Vorhandenſeins einer Vorſehung „nach dieſer Stirn zu zielen.“