1 1 lg lige Nr. 30. meinſamen Direktor Poſtproviſion. Erſcheint Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich 1 M. 20 Pfg. mit illuſtrirtem Anterhaltungsblatt 1 k. 70 excl. Juſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die einſpaltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Local-An zeigen mit 6 Pfg., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen ent⸗ sprechende Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirth Franz Carqué zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen⸗ Expeditionen nehmen Inſerate für uns an. Beſtellungen auf dieſe Zeitung können zu jeder Zeik gemacht werden. Samſtag, den 12. April 1884. 5 Dolitiſches. Karsruhe, 8. April. In der hoheren Bem⸗ tung ſind einige bedeutende Veränderungen eingetreten, deren wichtigſte die Neubeſetzung der Steuerdirektion mit einem juriſtiſchen Direktor, dem geheimen Refe⸗ där v. Teuffel iſt. Seit längeren Jahren war dieſer wichtige Poſten von Cameraliſten bekleidet geweſen. Mehrere Jahre hindurch hatte man auch verſucht, unter dem ſchönen Titel einer Vereinfachung der Staatsbehörden zuerſt die Steuer⸗ und Zolldirektion und ſodann die Steuerdirektion allein durch einen Rath des Finanzminſſte riums, oder durch einen ge⸗ leiten zu laſſen. Beide Verſuche aber zeigten ſich als wenig erfolgreich, und ſo haben ſich denn Regierung und Stände entſchloſſen, wieder eine ſelbſtſtändige Führung der Steuerdirektion mit ihren tauſenden von Geſchäften und ihren vielen Beamten eiutreten zu laſſen. Ueberhaupt iſt es mit unſerer „Vereinfachung“ etwas ſeltſam verlaufen. Wir haben ſtatt der Miniſterien jetzt Miniſter oder Miniſterialdirektoren, und wenn wir die Sache noch nicht gemacht hätten, ſo würden wir ſie wahrſchein⸗ lich — nicht machen! Dieſe Lehre kann auch heute noch von gutem Erfolg ſein in manchen jetzt ſchwe⸗ benden Fragen, welche durchaus keine Uebereilung ertragen. Darmſtadt, 9. April. Die Königin von England mit Prinzeſſin Beatrice treffen hier gleich nach Oſtern ein. Die Vermählung der Prinzeſſin Victoria mit dem Prinzen von Battenberg findet am 30. April ſtatt. Berlin, 9. April. Der „Reichsanzeiger“ meldet: Das Allgemeinbefinden des Kaiſers iſt in Anbetracht des noch nicht ganz gewichenen Erkälungs⸗ zuſtandes ein zufriedenſtellendes. Der Kaiſer nahm heute Vorträge des Fürſten Bismarck und des Ge⸗ Ausgabe von 30 000 event. bis zu 50 000 Looſen heimraths Wilmowski entgegen. Verſchiedenes. — Mannheim, 8. April. Unſer am 5. und 6. Mai d. J. dahier ſtattfindenden Haupt⸗ Pferde und Rindviehmarkt wird vorausſichtlich ſeine Vorgänger an Umfang übertreffen, wie überhaupt unſere Thiermärkte ſtets zunehmen, beiſpielweiſe wurden im Jahr 1883 im Ganzen 56,604 Stück Pferde, Rindvieh und Kleinvieh im Werthe von 9,825,875 Mk. verkauft gegen 52,663 Stück im Werthe von 8.674.759 Mark im Jahre 1882, ein Beweis, daß Mannheim auch im Viehhandel ein hervorragender Handelsplatz unter den Metropolen Deutſchlands iſt. Die Pflege dieſer Märkte iſt Sache der ſtädtiſchen Verwaltung, welche für zweckmäßige Stallungen hin⸗ länglich geſorgt hat, wenn nicht der Maimarkt zu ſtark überführt wird. Auf dem diesjährigen Maimarkt kommen wieder 37 von der Stadt und dem land⸗ wirthſchaftlichen Verein geſtiftete Prämien im Betrage von 3260 Mk. für die beſten Thiere zur Vertheilung. außerdem vertheilt der landw. Verein 12 Preiſe für Fohlen und Rinder, die von Zuchtthieren des Vereins abſtammen. Darauf werden im Ganzen 410 Mk. verwendet. Der Maimarkt gibt den Landwirthen die beſte Gelegenheit, ſich gutes Zuchtmaterial zu ver⸗ hältnißmäßig billigen Preiſen anzuſchaffen, je ſtärker der Markt befahren wird, um ſo größer iſt die Aus⸗ wahl und die Konkurrenz unter den Händlern ſelbſt. Die Pferderennen finden Sonntag, 4. und Montag. 5. Mai ſtatt und die Verlooſung von Pferden, Kü⸗ hen, Rindern und gewerblichen Gegenſtänden am 7. Mai, Abends 7 Uhr im „Badner Hof“ dahier unter à 2 Mk. Näheres beſagt das Programm. — Mannheim, 10. April. Geſtern früh gegen 10 Uhr wurde in Feudenheim der Ziegler Eberts in ſeinem Brennofen erſchoſſen aufgefunden. Ueber das Motiv der That iſt nichts Genaues er⸗ mittelt, doch glaubt man, daß drückende Lage den Unglücklichen zum Selbſtmord getrieben haben. — Auf dem erſt ſeit kurzer Zeit benützten iſraelitiſchen Friedhof in Mingolsheim ſind in nächt⸗ licher Stunde von ruchloſer Hand 8 Grabſteine de⸗ molirt, darunter einer vollſiändig zertrümmert wor⸗ den. Den Fußſpuren nach müſſen ſich zwei oder drei Perſonen an der That betheiligt haben. — (Die dreierlei Bekanntſchaften.) In der Sitzung des deutſchen Kolonialvereins zu Stuttgart am 30. März berichtete Kaufmann Colin über ſeine Reiſen in Weſtafrika und verlas den Brief eines Negerkönigs an den deutſchen Kaiſer, deſſen Ueberbringer der Kaufmann war. Der Brief iſt. mit einer gewiſſen Herzlichkeit abgefaßt und enthält in ſeinem Schluſſe ein hübſches Stück naiver Lebens⸗ weisheit. Der König begrüßt zunächſt den Kaiſer im Namen Gottes und Mohamed's und verſichert die Unterthanen des deutſchen Kaiſers ſeines Schutzes. Sodann ſchreibt der König an den Kaiſer: „Von Bekanntſchaften, welche man hat, gibt es drei Arten: Sie kennen Jemanden, und Sie ſagen ihm nichts. Sie kennen Jemanden, und was Sie wiſſen, werden Sie ihm ſagen, und Sie kennen Jemanden, welcher Ihnen Furcht einflößt, und man ſchämt ſich, es ihm zu ſagen. Iſt Ihr Freund eine Frau, ſo ſagen Sie ihr nichts, iſt Ihr Freund aber ein Mann, wie Sie, ſo fürchten Sie nichts und ſchütten Sie ihm Ihr Herz aus. Ihr dritter Freund iſt Gott, * * * * Die Nihiliſten. Hiſtoriſche Novelle nach Jules Lavigne von S. With. 3. Fortſetzung. Was in dieſen griechiſchen Speiſehäuſern den Fremden überraſcht, faſt erſchreckt, iſt die Unbeweg⸗ lichkeit der Gäſte, das Schweigen, welches Jeder beo⸗ bachtet, das kalte Weſen dieſer verſammelten Men⸗ ſchen, die von keinem Lächeln berührt werden, bei denen nichts die Falten glättet, deren Anblick erſtar⸗ rend wirkt auf Solche, die geneigt wären, das Leben von der roſigen Seite aufzufaſſen und die Leiden dieſer Welt unter der Maske einer leichtſinnigen Fröh— lichkeik zu verbergen. Unwillkürlich denkt man an jene franzöſiſchen tables d'hote, wo eine Perſon ge⸗ nügt, um Heiterkeit hervorzurufen und gute Laune zu verbreiten. Da erkennt man, daß man tauſend Meilen weit entfernt iſt von jenen treuherzigen, offe⸗ nen Galliern, von da, wo der Menſch dem Menſchen wohl will und das Leben leicht gemacht wird durch die liebenswürdige Ironie, welche den Kummer ver⸗ leugnet, und die Sorgen verſcheucht. An dieſen tables d'hôte von Petersburg fin⸗ det man Alles, was die Stadt beſitzt an Ausgeſto⸗ ßenen und Unzufriedenen, verkannte Schriftſteller, betrogene Schmeichler, Lehrer ohne Schüler, unwiſſende Studenten ohne Arbeitsluſt, Vagabunden jeder Sorte, eiferſüchtig auf alle Klaſſen, Reformatoren ohne Ideen, Redner ohne Zuhörer, Philoſophen ohne Syſtem; — aber auch einige ehrliche Seelen, in dieſe Umge⸗ bung gedrängt durch das unerbittliche Geſetz des Elendes, ernſt und traurig über ihrem Unglück ſtehend, einige Denker, die dieſe Einſamkeit und Unabhängig⸗ keit lieben; einige muthige und wahrhaftige Ideologen. Aber was machſt das! In Rußland nicht mehr wie anderwärts', will oder kann man keinen Unterſchied machen. Die Stammgäſte dieſer Wirthſchaften ſind abe zuſammengefaßt in dem Begriff Nihiliſten. An jenem Abend hätte man in den wohlbe⸗ kannten Schenken, welche ſich auf dem Quai Waſſili⸗ Oſtrow, der ſich dem Quai der Engländer gegenüber, am Ende der Nikolausbrücke befindet, mehr Beweguung und Leben bemerken können, wie gewoͤhnlich. Ue⸗ brigens welche Bewegung, auch die unbedeutenſte, hätte nicht reges Leben geſchienen an einem dera rti⸗ gen Orte, wo die Redensart: man kann die Mücken fliegen hören, als Wahrheit zu nehmen iſt. Was dieſe Aufregung hervorbrachte und die ſchläfrigen Gäſte der Kneipe aufweckte, war das Er⸗ eigniß des Tages, die Erzählung des Leichenbegäng⸗ niſſes, das Schätzen des hinterlaſſenen Vermögens des Verſtorbenen. Die Zahlen vergrößerten ſich in dem Munde dieſer Ausgehungerten und in Folge ihrer erregter Einbildungskraft. Gegen neun Uhr trat Stille ein, die Unterhal⸗ tung ſtockte; nach und nach gingen die Stammgäſte einzeln fort. Man hörte wegen der herrſchenden Stille den klappernden Ton der Ueberſchuhe, das Schließen der Thüre. Ein Blick durch die kleinen Fenſter zeigte den Zurückbleibenden die ſchwarzen Silhouetten der Weggehenden, die in in der Ferne zu verſchwinden ſchienen; längſt des Ufers, neben dem Geländer ſchimmerte das matte Licht der Laternen; die öde Trübſeligkeit des Ortes ſchien mit jedem Fortgehenden zuzunehmen. Bald blieben nur noch zwei Gäſte übrig, beide waren jung, dutzten ſich und nach ihrem Benehmen, ihrer Unterhaltung waren ſie leicht zu erkennen. Es waren Studenten. Sie nannten ſich, nach ruſſiſcher Art, bei jedem Satz bei ihrem Namen und ſprachen das reinſte Franzoͤſiſch, weniger aus Laune oder nur dem herrſchenden Geſchmack zu huldigen, als aus Argwohn und um von den tar⸗ tariſchen Prinzen, die ſie bedienten nicht verſtanden zu werden, denn wir vergaßen zu ſagen, daß ſeit der Eroberung von Kaukaſien und den Kriegen in Aſien eine nicht geringe Zahl der kleinen tatariſchen Fürſten nach Petersburg reiſten, um Gerechtigkeit zu ſuchen, aber ſehr bald ins Elend kamen und ſich genöthigt ſahen, im ſchwarzen Frack ihre verhaßten Unterdrücker zu bedienen, ſelbſt ſolche der unterſten lasen. 9 e ßn7)) p ̃ ̃ĩ . ĩ⅛̈ v enen eee F