Erscheint Mittwoe Poſtproviſion. Expeditionen nehmen Inſerate für uns an. Anterhaltungsblatt 1 Nuk. 70 excl. Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die einſpaltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Local⸗ Anzeigen mit 6 Pfg., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. sprechende Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirth Franz Carqus zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inferate an. — Alle Annoncen⸗ Bei größeren Aufträgen ent⸗ b Beſtellungen auf dieſe Zeitung können zu jeder Zeit gemacht werden. Nr. 27. Mittwoch, den 2. Rpril 1884. 1 Politiſches. f Lahr. (Reichswaiſenhaus.) Reichsgerichtsrath Dreyer in Leipzig hat, wie man uns mittheilt, über e rechtliche Stellung des Reichswaiſenhausfonds in Lahr gegenüber der deutſchen Reichsfechtſchule in Magdeburg ein Gutachten abgefaßt, wonach Lahr rechtigt iſt, ſämmtliche geſammelten Gelder für ſein Waiſenhaus zu fordern, da ſie urſprünglich für dasſelbe erfochten wurden. g Paris, 28. März. Heute früh um 2 Uhr erfolgte in Cannes der Tod des Herzogs von Al⸗ bany. Derſelbe wurde durch einen Sturz herbeige⸗ führt, welchen der Prinz geſtern Abend im nau⸗ lichen Club erlitt. Prinz Leopold, Georg, Duncan, Albert, Herzog von Albany, Graf von Clarence, Ba⸗ on Aklow und Herzog von Sachſen, iſt der jüngſte Sohn der Königin Viktoria von Großbritanien. Prinz Leopold iſt am 7. April 1853 geboren und verheirathete ſich am 27. April 1882 mit der Prin⸗ zeſſin Helene, Tochter des Fürſten von Waldeck, welcher Ehe eine Tochter entſproſſen iſt. Prinz Leopold war Oberſt des 3. Bataillons „Seaforth Highlanders“, zeigte jedoch wenig Neigung für die militäriſche Carriere. Dagegen beſchäftigte er ſich viel mit den ſchönen Künſten, hielt Reden und wurde ſogar bisweilen als eine Art Gelehrter hin ⸗ geſtellt. Er war ſtets ſchwächlicher Natur. Von den 9 Kindern der Koͤnigin Viktoria ſind bis jetzt 2 — Alice, Großherzogin von Heſſen und Prinz Leopold — todt. Mit Ausnahme der jüngſten Tochter (Beatrice) waren alle Kinder verheirathet. f Petersburg, 30. März. Wie ziemlich be⸗ ſtimmt verlautet, wird bald, nachdem die feierliche Mündigkeitserklärung des Thronfolgers am 6/18. Mai in Petersburg ſtattgefunden, der geſammte Hof für circa acht Tage nach Moscau gehen. Daſelbſt ſollen große Volksfeſtlichkeiten für den erſten Jahres⸗ tag der Krönung am 15/27. Mai projektirt ſein, welche der Hof noch in Moskau zubringen werde. Alexandrien, 31. März. Nachrichten aus Khartum zufolge verließ General Gordon Khartum am 16. d. M. mit 3000 Mann Infanterie, 20 Geſchützen und einigen berittenen Baſchiboſchuks, um die Aufſtändiſchen zu zerſtreuen, welche die Stadt bedrohten. Unweit von Halfiyah ſtieß Gordon auf den Feind. Die Baſchiboſchuks wurden von etwa 60 Reitern der Aufſtändiſchen angegriffen und flohen eilig. Die Infanterie, von einer Panik ergriffen, begab ſich, die Geſchütze zurücklaſſend, gleichfalls auf die Flucht, von den Reitern des Feindes verfolgt. Gordon erklärt, der Schlappe ungeachtet, ſei für Khartum keine Gefahr vorhanden. Cineinnati, 28. März. In Folge eines milden Erkenntniſſes in einem Mordprozeſſe ſammelte ſich ein Volkshaufe ums Gefaͤngniß, worin noch meh⸗ rere des Mordes Angeklagte inhaftirt waren. Das requirirte Militär machte von den Waffen Gebrauch und mehrere Tumultuanten wurden getoͤdtet. Der Volkshaufe wuchs an, bemächtigte ſich aller Waffen und Munition des Zeughauſes und bedroht fortge⸗ ſetzt das nur von wenigem Militär beſetzte Gefängniß. Ein Gefangener entkam aus dem Bahn⸗ . während des Transports nach einer Nachbar⸗ adt. g Newyork, 31. März. Die Ruheſtör⸗ ungen in Cincinnati erregen großes Aufſehen. Die Zahl der Todten iſt auf 100, die der Ver⸗ wundeten auf 300 angewachſen. Die Truppen ſollen auf das rückſichtsloſeſte mit Gatlinggeſchützen auf die Menſchenmaſſe geſchoſſen haben. Als Urſache der Ruheſtörungen wird wiederholt angegeben, daß im Geſängniſſe von Cincinnati eine größere Anzahl von Perſonen in Haft gelegen, die mehrerer Mordthaten angeklagt ſind. Die Bevölkerung habe im Hinblick auf das in einem früheren Prozeſſe ergangene Urtheil gefürchtet, die Angeklagten würden nicht die verdiente Strafe erhalten und wollten deshalb die Gefangenen lynchen. Verſchiedenes. — Aus Heidelberg ſchreibt man: Am Sam⸗ ſtag Abend wurde ein Schloſſer, der bei der Cen⸗ tralweichenſtellung im hieſigen Bahnhof beſchäftigt war, verhaftet, weil er am letzten Freitag einer hie⸗ ſigen Frau in Abweſenheit ihres Mannes einen Beſuch abſtattete und ſie dabei zu ſeinen Zwecken zu benützen ſuchte. Die Frau, welche ſich nach Kräf⸗ ten gegen den Zudringling, der bei ſeinem Eintritt in die Wohnung ſchon die Thüre zuſchloß, gewehrt hat, wollte um Hilfe rufen, woran ſie aber dadurch, daß ihr von Seiten des ihr ſo unwillkommenen Be⸗ ſuches der Mund zugehalten wurde, gehindert war. In ihrer Herzensangſt gelang es der Frau, die Thüre zu erreichen und d'n innen ſteckenden Schlüſſel umzudrehen, in der Abſicht durch dieſelbe zu flüchten, welchen Moment aber der Schloſſer benützte und ſich aus dem Staube machte, die ſchrecklich geäng⸗ ſtete Frau ſich ſelbſt überlaſſend. — Heidelberg, 27. März. (Unglücksfall). Am 21. d. Mts. wurde der 54 Jahre alte Joh. Dorn von Doſſenheim, während er im dortigen Phor⸗ phyrbruche mit Steinſchlagen beſchäftigt war, durch einen herabſtürzenden Stein am Kopfe derart verletzt, daß er ſofort in das Krankenhaus hierher verbracht werden mußte, wo er bewußtlos daniederlag und am 27. durch den Tod von ſeinem Leiden erlöſt . Liebe und Glück. Erzählung von P. Lachner. 10. Schluß. Lucie antwortete geſchickt darauf mit Goethes 1 Worten: il Ich denke Dein, wenn mir der Sonne Schimmer 32 Vom Meere ſtrahlt; Ich denke Dein, wenn ſich des Mondes Flimmer In Quellen malt. Ich ſehe Dich, wenn auf dem fernen Wege Der Staub ſich hebt; In tiefer Nacht, wenn auf dem ſchmalen Stege Der Wanderer bebt. Ich höre Dich, wenn dort mit dumpfem Rauſchen Die Welle ſteigt; Im ſtillen Haine geh ich oft zu lauſchen, Wenn alles ſchweigt. Ich bin bei Dir, Du ſeieſt auch noch ſo ferne, Du biſt mir nah; Die Sonne ſinkt, bald leuchten mir die Sterne. O, wärſt Du da!“ Ueberglücklich hielt Ernſt von Grünau dieſe Zeilen Luciens in den Händen. Einige Wochen ſpäter gab es zwei der glücklichſten Paare, wozu die dama⸗ lige Verlobungszeitung mit beigetragen hatte, wenn es die Schweſtern Rollenhagen auch erſt viel ſpäter 1 5 ihren Gatten erzählten und dabei erfuhren, daß Hans von Grünau richtig mit unter den Heirathskandida⸗ ten geweſen war, obwohl das Rendezvous im Theater weder von ihm noch von den Schweſtern Rollenhagen wegen der dazwiſchen liegenden Ereigniſſe eingehalten worden war. Die Nihiliſten. iſche Novelle nach Jules Lavigne VVV 115 155 15 5 e Der Tod des Grafen Roſtow. An einer Biegung des Moika⸗Kanals zu St. Petersburg erhebt ſich zwiſchen dem Michaelow⸗Theater und dem Marsfelde ein Marmorpalaſt, in altem Style erbaut; er zeichnet ſich durch ſeine griechiſche Architektur aus, für welche zu allen Zeiten die Sla⸗ ben eine Vorliebe hatten. Eines Tages hielt eine lange Reihe von Schlit⸗ ten und Epuipagen vor dem prächtigen, von joni⸗ ſchen Säulen getragenen Portale. Der Schnee war in dicken Flocken gefallen, die Schlittenbahn ſchien herrlich; berittene Garden zogen im ruhigen Trab ihrer Vollblutpferde vorüber, ihre Stirne bedeckte bis zu den Augen herab die Ordonnanzmütze, ihre e eiſengrauen Mäntel fielen in ſtarren Falten über den Rücken der ſtolzen Thiere, welche ſie als vollendete Reiter lenkten. Der Himmel hatte ſich nach dem Schneefall auf⸗ Aufwirbelnde Winde wehten ihnen einzelne Flocken in die durch die ſcharfe Luft ſtark gerötheten gehellt. Geſichter. Kupfertönen glühende Purpurſonne. Es war ein ſchoͤner Tag, ein ruſſiſcher Tag. An der Belebung, welche in den Straßen und anf den Plätzen herrſchte, war zu erkennen, daß die ml. ziggänger die warmen Stunden des nationalen Winters genießen wollten: je mehr es ſchneit und das Wetter trübe iſt, je mehr ergibt ſich der Slave einer melancholiſchen Heiterkeit, ohne welche in ſeinen Augen das Leben keinen Werth mehr hat. Von Zeit zu Zeit unterbrach ein Fleckchen 5 blauen Himmels die fahle Eintönigkeit des Firma: ments und am Horizont verſchwand ſoeben die, in 8 5 95 Vor der Thüre des Palaſtes Roſtow hielten lange Reihen von Wagen, die dicken Herſchaftskutſcher, ihren ſchwerfälligen Equipagen angedaßt, die den Staatskutſchen aus der Zeit Ludwig des Vierzehnten . glichen, riefen ſich im Vorüberfahren neugierige Fra⸗ gen zu. „Bruder, was giebt es da?“ „Ich weiß es nicht, Brüderchen!“ „Beſuche wahrſcheinlich.“ 0 „Nein, der Graf Roſtow iſt nicht wohl.“