1 7 Moskau, 5. März. Die „Moskauer Zei⸗ hebt die Bedeutung der Verſetzung Orlow's nach Berlin hervor. Dieſelbe ſei ebenſo wie die jüngſte Entſendung einer Deputation der Georgs⸗ ritter nach Berlin ein getteuer Ausdruck der zwiſchen Rußland und Deutſchland beſtehenden freundſchaftli⸗ chen Beziehungen. Orlow, welcher das beſondere Vertrauen des Zars genieße, erfreue ſich ebenfalls des Vertrauens des Kaiſer Wilhelm. Er ſtehe in freundſchaftlichen Beziehungen zu dem leitenden Staatsmanne. Der Artikel ſchließt, Europa bedürfe jetzt vor allem Garantien für ſeine innere Sicherheit; eine der beſten derſelben ſei das gute Einvernehmen zwiſchen Deutſchland und Rußland. Aus Honoi wird vom 3. d. M. telegraphirt: Der Vicekönig des Muennam iſt mit den chineſiſchen Truppen nach Hong Hoa abgerückt, um während der Operation gegen Bacninh eine Diverſion zu machen. Er wird, wie es heißt auf Son⸗Tay rücken. Anamitiſche Piraten durchziehen die Provinz Ninh Binh. — Vier Emiſſäre derſelben ſchlichen ſich in Hanoi ein, um die Stadt in Brand zu ſteckeu. Sie wurden jedoch gleichzeitig mit den Chineſen, die Ihnen ein Verſteck boten, verhaftet. — Baeninh wird durch zwei Umwallungen, 20 detachirte Forts, Batterien, ſowie ferner durch Sperren auf dem Ca⸗ nal der Stromſchnellen und auf Song Bau verthei⸗ digt. In Bacninh kommandirt der chineſiſche Ge⸗ neral Hong Ke Han. Acht reiche chineſiſche Kauf⸗ leute wurden wegen Verbindung mit den Schwarz⸗ flaggen geköpft. In Folge der Haltung der Chi⸗ neſen hat das Panzerſchiff „Viktorie“, das China nach der Ankunft der „Gliſſonniere“ verlaſſen ſollte, den Befehl erhalten, in China zu bleiben. Verſchiedenes. — Mannheim, 5. März. Die „Rh. u. N. Ztg.“ meldet unterm Geſtrigem: Ein hieſiger Viktualienhändler, welcher geſtern unter Mitnahme einer größeren Summe Geldes von hier abreiſt, angeblich um den Wormſer Markt zu beſuchen, iſt bis jetzt noch nicht zurückgekehrt; ebenſo deſſen Dienſt⸗ mädchen, welches etwas ſpäter von Hauſe ſich ent⸗ fernte. Das Verſchwinden beider Perſonen läßt ein Einverſtändniß derſelben vermuthen. Zu bedauern iſt unter dieſen Umſtänden die zurückgelaſſene Frau mit 5 Kindern, von denen das älteſte 12 Jahre zählt. 2 nun alle Schwierigkeiten, welche der Legung d Geleiſes der Sekundärbahn Mannheim! Feudenheim entgegenſtanden, behoben und ſoll geſtern mit dem Legen des Schienengeleiſes begonnen worden ſein. Die Arbeiten ſollen nunmehr ſo gefördert werden, daß die Eröffnung der Bahn beſtimmt am Oſter⸗ ſonntag ſtattfinden kann. Das rollende Material beſtehend aus 3 Lokomotiven und 10 Waggons wird in Karlsruhe erſtere von der Maſchinenbauge⸗ ſellſchaft, leßtere von der Waggonfabrik von Schmieder und Mayer geliefert. — Bruchſal, 1. März. Ich kann Ihnen berichten, daß wir geſtern bier unter Aufſicht einer großen techniſchen Commiſſion die neue patentirte Faber'ſche Steinbohrmaſchine probirten, welche von Hand getrieben wird und die in einem Zeitraum von 5 Minuten ein Bohrloch von 17 Centimeter Tiefe und 4 Centimeter Durchmeſſer fertig ſtellt. Die Maſchine iſt daher univerſell und einfach con⸗ ſtruirt, ſo daß ich alle Freunde der Technik hierauf aufmerkſam zu machen mich verpflichtet fühle, wie ſie auch für Steinbruchbeſitzer von hoͤchſtem Werth und Intereſſe iſt. — Es laſſen ſich damit Bohr⸗ löcher nach den verſchiedenſten Richtungen ausführen. — Bruchſal, 5. März. Heute früh nach 6 Uhr verſuchte ein jugendlicher G fangener der Strafanſtalt zu entfliehen. Es gelang ihm, einem gewandten Kletterer auch, beide Hofabſchlüſſe, Holz⸗ wand und ſodann Anſtaltsmauer barfuß zu über⸗ ſteigen und in die Huttenſtraße hinabzuſpringen. Doch ward er nach wenigen hundert Schritten von zwei vrfolgenden Aufſehern mit Hilfe von Arbeitern an der Waſſerleitung erreicht und wieder dem Lan⸗ desgefängniſſe zugeführt. Als Grund zu dem miß⸗ glückten Fluchtverſuch gab er unbezähmbare Wander⸗ luſt an, insbeſondere die Abſicht, ſich durch den Schwarzwald an die Donau durckzuſchlagen und 17 5 auf ſelbſtgezimmertem Floße nach Aſien zu fahren. L Aus Lahr ſchreibt man: Geſtern Nach⸗ mittag wurde das 2˙½ Jahre alte Kind des Peter Schmidt von hier, welches mit dem ſogenannten Tanzknopfſpiel beſchäftig! war, von einem Mehl⸗ wagen, deſſen Pferde ſcheu geworden, überfahren. In Folge der erhaltenen Kopfwunden erfolgte der Tod alsbald. — Gemeinderath Michael Bühler von Hugsweier gerieth am gleichen Tage unter ſeinen mit Holz beladenen Wagen und erlitt dabei des um auszuruhen, „ wobel er ausglitt und unter die Räder kam. — Würzburg, 4. März. Seit vergange⸗ an 10 nen Freitag wird die 21⸗jährige Tochter des Lolg⸗ Flag, motivführers Tag, ein hübſches Mädchen vermißt. dum 0 Dieſelbe wurde zuletzt in Begleitung eines bieſſgen aun de gel Lithographenſohnes geſehen, mit welchem ſie feht 9 win längerer Zeit ein Liebesverhältniß unterhielt, dag ee, ſie aber auf Drängen ihrer Eltern abzubrechen beab⸗ W geen ſichtigte. Die geſtern ſtattgehabte Vernehmung dez 911 Lithographen M. hat keinerlei Anhaltspunkte über 1 den Verbleib des jungen Mädchens ergeben, weshalh 71 Jam auch heute die Staatsanwaltſchaft öffentliches Aus, sies ſchteiben ergehen ließ. ö — Stuttgart, 4. März. Geſtern Vor⸗ t mittag wurde ein 16 Jahre alter Lehrling dem Amts, 4 gericht übergeben, weil derſelbe in einem Briese unter Androhung von Mord und Brandſtiftung 12 Eli 1 Geld zu erpreſſen verſucht hatte. Bei ſeiner Feſl⸗ 2 0 L 6 nahme durch die Fahndungspolizei hatte derſeſhe 0 f eine Piſtole, einen Schlagring und einen weiteren 1 5 Brief drohenden Inhalts im Beſitz. Die Bedrohle N. iſt ſeine Pathin. — — Zittau, 4. März. Ein enſſetzliche e Doppelmord iſt in der Nacht zum Sonntag in dei 4 bhen Dörfchen Walddorf am Fuße des Cottmar verb 0 5 worden. Der Schneider Seifert daſelbſt war mit K ſeiner Frau zu einem Geſellſchaftsvergnügen gegangen 7 und hatte die Obhut über ſeine beiden kleinen Kinder dem bei ihm wohnenden, ſeſt längerer Zeit arbeitsloſen Bruder ſeiner Frau, dem Handarbeiten e Wilhelm übertragen. Während der Nacht ergreift ee. Wilhelm eine Axt und erſchlägt die ſchlafenden an 90 Kinder ſeiner Schweſter, dann zerkrümmerk wer in 60% blinder Wuth die Möbel, den Stubenofen, die Fen⸗ am at pn ſter u. ſ. w. Als der Hauswirth durch den Arm un li geweckt herbeieilt, ergreift der Mörder die Flucht und wendet ſich nach Löbau, woſelbſt er ſich kürze Zeit bei Verwandten aufhielt, aber nichts von ſeiner entſetzlichen That erzählte. Den Sonntag über it der Mörder in der Gegend von Löbau umhergeirt, bis er heute Morgen in Ebersdorf ergriffen wurde Seine Bluththat hat er bereits eingeſtanden. — Heidelberg, 6. Mai. (Bodiſches Gel 1 ſchereis) Ein Freund aus dem Oberlande heilt 7 uns mit, daß ſeit einigen Tagen am Mumele und in Mee Wildſee ein ſeit langen Jahren nicht geſehenes N.) Treiben herrſcht. Es werden dort über 500,009 8 — Sekundärbahn Mannheim⸗Feudenheim. ſo ſchwere Verletzungen, daß er ins hieſige Kran⸗J tr. Eis gewonnen. 1 Wie wir aus gut unterrichteter Quelle hören, ſind l kenhaus verbracht werden mußte. Bühler wollte, Redaktion, Druck und Verlag von Kark Molftor, 59 Marie ſchlug die Hände über dem Kopfe zu⸗ enfertige Marie im höchſten Aerger. „Jetzt durch— „Es iſt ſchon gut!“ antwortete der auf fee 0 0 ſammen, ſchüttelte wehmüthig und unwillig zugleich ſchaue ich Dich! Darum ſoll ich nicht ſchreiben, da- Weiſe Angeredete. „ich werde die Bücher ſelbſt ß 1 das Köpfchen und rief in tragikomiſchem Ernſt aus: rum ſoll ich mich Deinem Willen fügen, weil Dun, nehmen. Du wohnſt drüben in der Neuſtadt un ler f ln; „Nun, da müſſen wir als alte Jungfern ſterben, ſelbſt Abſichten auf den Maler haſt. Jetzt haſſe ich] ich wohne am Ende der Altſtadt, das würde eine Aufn. liz wenn wir uns niemals einem Manne nahen dürfen. Dich, Lucie und werde mich von Dir gänzlich zurück. ſchönen Umweg geben und ich will Dir Deine freie Ich für meinen Theil proteſtire jedoch gegen die [ziehen. Ich bewohne nur noch die hinteren Zim- Stunden nicht verderben.“ Dies ſagend griff 3 baroke Anſicht. Ich will keine alte Jungfer werden, mer und will Dich neidiſche, falſche Schlange gar haſtig nach den Büchern, nahm ſie in ſeine Hand dir gh ich will mich verheirathen und wenn dazu außer⸗ nicht mehr ſehen.“ und verabſchiedete ſich von dem Schüler. 5 gewöhnliche Schritte nothwendig ſind, ſo werden Die erregte Marie lief bei dieſen Worten zur Der Herr Doktor, einer der jüngeren Lehe Du dieſelben durch die eigenthümliche Lage entſchuldigt, [Thür hinaus und Lucie blieb wie beſchämt zurück.] der Anſtalt, ungefähr dreißig Jahre alt, lenkte feige hin in der wir uns befinden. Wenn Du mir die An⸗ Der Neid und die Eiferſucht, beide geweckt durch eiligen Schritte nach ſeiner Wohnung, die er nach 8 näherung an einen Mann verbieteſt, ſo ſchaffe mir die Perſon des ſchönen und liebenswürdigen Malers einem viertelſtündigen Gange erreicht hatte. Mah — auch andere Gelegenheit zum Heirathen. Aber das Hans von Grünau, deſſen erneute Bekanntſchaft ein][merkte es bald, daß es eine Junggeſellenwohnußg 1 vermagſt Du nicht, alſo thue ich ſelbſt ſolche Schritte] günſtiger Zufall in Ausſicht ſtellte, gewannen aber war, die der biedere Weisheitsſpender der Jugend af und ſchreibe an dieſen liebenswürdigen Herrn von bald wieder die Oberhand in dem Herzen des jungen inne hatte. Der Gelehrte machte es ſich alsbald iht ſwi Grünau.“ „Ich verbiete Dir dies noch einmal, Marie,“ entgegnete Lucie empört, „und nehme Deinen Vor⸗ mund, den Andreas und die Suſanne zu Hülfe, um dich von Deinen unſinnigen Plänen abzubringen.“ „Das kannſt Du thun, das iſt häßlich von Dir, aber es ſchadet nichts, denn weder mein Vor⸗ mund noch der Andreas, noch die Suſanne können mir verbieten und wenn Ihr mich alle mit Argus⸗ augen bewacht, ſo ſchreibe ich doch an den Maler.“ „Und ich ſchreibe auch an ihn, gleich mit Dir ich habe dasſelbe Recht dazu wie Du,“ entgegnete die zornige Lucie. „Aber was willſt Du noch an ihn ſchreiben? Daß ich eine fixe Idee haben, daß ich leichtfertig ſein ſoll, das iſt lächerlich, das iſt eine Verlaumdung!“ Das fällt mir gar nicht ein! Ich werde et⸗ was ganz anderes an ihn ſchreiben, was Du an ihn ſchreibſt,“ rief die noch mehr erregte Lucie. „Aha, Du biſt eiferſüchtig, ſpottete die zung⸗ 8 Mädchens und ſie war entſchloſſen, mit ihrer Schwe⸗ ſter in einen Wettkampf um den Beſitz des begeh⸗ renswürdigen jungen Mannes einzutreten. Es war vier Uhr Nachmittags, als auf den ſteinernen Stufen, die nach der Eingangsthür einer höheren Schule der ſächſiſchen Hauptſtadt führten, ein junger hochgewachſener Mann mit ſchwarzem, wallendem Haupthaar, breitkrämpigem Strohhute auf dem Kopfe und eine zierliche Brille auf der Naſe ſtand. Die Zöglinge der Anſtalt ſtrömten in dichten Schaaren die Stufen hinunter, denn der Nachmittagsunterricht hatte eben ſein Ende erreicht. Ein hübſcher Knabe oder vielmehr ein angehender Jüngling trat jetzt an den wartenden Herrn heran iudem er ziemlich viel Schulhefte zeigte, rief er in höflichem Tone: „Ich werde Ihnen die Hefte in die Wohnung tragen, Herr Doktor.“ bequem in ſeiner Behauſung. Trotz der dreißig Grad Wärme, welche die Nachmittagsſtunde erzeuge, wickelte er ſeinen Körper in einen langen Hause von dicker Wolle und vertauſchte die engen Ledek ſtiefel mit ein paar rieſig großen Filzſchuhen, mi denen er förmlich auf den Dielen der Stube dahin ſchlittete. Der gute Gelehrte war offenbar ein Phi inen liſter, ein in den Eigenthümlichkeiten ſeines Standes N 1 verfilzter Herr, aber er gehörte glücklicherweiſe nu in he uf nicht den Unverbeſſerlichen an, dies zeigten deutlich fim dn a ſeine treuherzigen braunen Augen und der jovi wütet At und zufriedene Ausdruck ſeines Geſichts. Der Dol⸗ Una tor ſetzte ſich nunmehr an ſeinen Arbeitsliſch und e dun begann mit einer Arbeit, um die ihn cen 90 ln. mand in der Welt beneidet haben würde: er korkt girte die lateiniſchen Hefte ſeiner Terkianer. Gul e müthig und pflichtgetreu, wie der Doktor war, ng urſachte ihm die mühevolle und eintönige Verbeſſe⸗ ie rungsarbeit jedoch keine Langeweile. 105 Fortſetzung folgt.